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oder abgedrungene Antikritik gegen eine oder die andere Rezension, die mir etwan nicht gefallen sollte
Gute Romanenschreiber erschaffen aus Dinten- und Druckerschwärze einen neuen entsetzlichen Tyrannen, geben ihm entweder in Italien oder im Orient einen Thron – und dann treten sie (ungleich den Kindern, die vor der Gestalt entlaufen, die sie gezeichnet haben) beherzt vor den gemalten gekrönten Wüterich und sagen ihm die herrlichsten, aber die kühnsten Wahrheiten in das Angesicht, die den freien Mann verraten, und die wohl kein gebückter Dikasteriant vor seinem Regenten wiederholt. Solche Waghälse erinnern mich so oft an zwei Abcschützen, als ich bei einem Tore im Habergäßchen in Hof vorbeigehe, auf dem ein gemalter Löwe sich und seine Mähne aufbäumt und den Schwanz und die Zunge ringelt und hebt. Denn einer der gedachten Abcschützen sagte unter meinem Vorüberlaufen zum andern: »Hör, ich fass' ihn doch am Schwanz an, ich fürchte mich gar nicht.« Aber der andere Schütz, der viel dreister dachte, bestieg kalt einen Eckstein und sagte: »Ich erst, Herr, ich fahr' ihm gleich so in den Rachen!« –
Es ist dieselbe Kühnheit, womit oft ein Autor auf dem Papier, außer dem gedachten grausamen König der Tiere, auch das kritische Katzengeschlecht angreift – das Linné zur königlichen Linie der Löwen zählt –, indem er Richterstühle so kalt und kühn, als wärens gemalte Thronen, erschüttert und so im Allgemeinen Journale durch seine Vorreden schilt und fällt. Das kann ein Schriftsteller von Kraft. Ich meines Orts bin hierin vielleicht so vermessen wie einer und male mir ausdrücklich folgende Rezensenten-Katze hin, um frei und ungebunden mit ihr anzubinden und an ihr zu zeigen, was Mut tut.
Erstlich muß der Rezensent, der mir vorwerfen wird, ich wäre zwei ganze Schalttage schuldig – den nach dem 40sten und den nach dem 44sten Hundposttag –, diese zweite Ausgabe gar nicht angesehen haben; die beiden Vorreden, womit ich sie bereichert habe, die erste und diese, gelten bei allen Verständigen für wahre Schalttage.
Zweitens hält mein Rezensent sich (künftig) über meine Schonung meiner Manier auf. Er höre aber jetzt den Philosophen (nämlich mich): Manier ist an und für sich weiter nichts als folgendes: das ästhetische Ideal und Intregal wird, wie jedes, nur von einer unendlichen Kraft erreicht, wir aber mit unserer endlichen kommen ihm unaufhörlich näher, nicht einmal nah; Manier ist also, wie es der Philosoph nimmt, ein endlicher Spiegel der Unendlichkeit, oder der Ausdruck des Verhältnisses, in welchem jede Temperatur und Saitenzahl irgendeiner gegebenen Äolsharfe mit der Partitur der unendlichen Sphärenmusik steht, der sie nachzuklingen hat. Jedes Gewebe menschlicher Kräfte gibt nur eine Manier, und höhere Geister würden in Homer und Goethe wenigstens die menschliche finden; ja die höhere Engel-Hierarchie fände die niedere manieriert, der Seraph den Engel der Gemeine. Da ich aber nicht einmal ein gewöhnlicher Engel bin – geschweige ein Seraph –: so würde ein anderer Rezensent als der, der mich beurteilen wird, sogleich von vorne vorausgesetzt haben, daß ich eine Manier haben würde. – Und diese hab' ich offenbar. – Aber noch mehr: da der Grad und das Verhältnis unserer Kräfte sich von Jahr zu Jahr verwandelt – und mithin auch die Frucht und der Ertrag derselben, die Manier –: so wirft leider gewöhnlich die Manier des funfzigsten Jahrs sich zum Korrektor der Manier des fünfundzwanzigsten auf; oder vielmehr, es geht eine heterogene Einkindschaft von Kindern zweier Ehen vor, bei welcher beide verlieren. Ein solches Simultan-Hysteronproteron ist noch ärger, als wenn man die griechischen Statuen aus dem einen Winkelmannschen Kunstzeitalter nach den Statuen aus einem andern behacken und zuschleifen wollte. Gieße lieber ein reines flüssiges Werk in deine jetzige Form, und treibe nicht erst das gegossene erhartete darein! – Gesetzt auch, ich würde künftig klüger und anders, niemals würd' ich den Greis auf den Jüngling pfropfen.
Der Mensch hält sich im Konzertsaal des Universums, wenn nicht für den Solospieler, doch für ein Instrument darin – anstatt für einen einzigen Ton –, wie denn der Fürst sich für ein Oberons- oder doch Parforcehorn ansieht – der Poet für ein Haberrohr – der Autor für ein SetzinstrumentSo heißet ein Klavier, das alles aufnotiert, was es vortönt. – der Papst für das Orgelwerk – die Schöne für Bestelmeiers Handstahlharmonika oder für eine Wachtelpfeife – mein Rezensent für eine Stimmpfeife – und ich mich selber für Mälzels großes Panharmonikon. Aber wir alle sind nur Töne, wie in Potemkins Orchester jede der 60 metallenen Flöten nur einen Ton angab. Daher bin ich über jede Individualität, über jede Manier als über einen neuen Halbton in der Kirchenmusik der Wesen froh.
Drittens weiß ich nichts, woraus ich meines künftigen Rezensenten Verlegenheit um sündige Materie zum Tadeln besser sehen kann, als dieses, daß er sich an solche jämmerliche Kleinigkeiten hält – in Zukunft –, wie folgende augenscheinlich sind, daß ich z. B. diese Vorrede beigefügt, daß ich das Werklein in vier Hefte auseinandergebunden und durch dieses vierte Heft einem frühern Besitzer und Bücherwurm den BogenwurmSo heißet der unten auf jedem Bogen abgekürzt wiederkommende Titel des Buchs. der alten Ausgabe ganz unbrauchbar gemacht. Aus dergleichen Proben und Sprüchen, womit mir ein solcher spartischer Ephorus Emerepes die vierte und höchste Saite nehmen will, die ich auf meiner Geige voll steigender Quinten aufziehe, mache sich der geneigte Leser einen Begriff, wie es mit dem Ganzen der Rezension aussehen mag. Ich schäme mich fortzufahren.
Viertens find' ich überall, wenn ein Autor sich in der Vorrede mit einem leichten Tadel, den er doch selber kaum glaubt, belegt, daß alsdann die Kritiker diesen Tadel sogleich akzeptieren und verdoppeln, wie die Römer einen Selbermörder, dem die Tat verunglückte, nachher ordentlich hinrichteten. Schlägt der gewitzigte Autor die Sache in ein anderes Fach und belegt sich vornen mit einigem Lob – und nicht mit scheinbarem –: so wird dieses gar nicht akzeptiert, geschweige verdoppelt. Da mag der Teufel Vorredner sein! –
Inzwischen scheint er auch nur Rezensent zu sein und weniger ein schlauer als ein grober Gast. Viele und wirklich auffallende Unhöflichkeiten vergeb' ich aber meinem künftigen Rezensenten gern, indes ich einem gallischen oder britischen nichts verziehe, weil er weiß, wie man mit Leuten umgeht. – Ich spiele ihm selber in der Antikritik nicht sonderlich höflich mit und ziehe nicht, wie der Landmann vor höhern Blitzen, die Mütze vor seinen ab. Die Richter sagen nach der Spezial-Rezension ohnehin zum Inkulpaten Du. Ein gelinder (kritischer) Winter ist ungesund für den, den er betrifft. Übrigens lauer' ich bloß darauf, daß ich berühmt werde und Lorbeerblätter aufhabe: dann werd' ich so gut wie andre Zeitgenossen, die jetzt Lorbeerbäume aufgesetzt, nicht leiden, daß man mich tadelt; und wenige werden sichs unterfangen, so wie auch auf Gemälde, die mit Lorbeeröl bestrichen worden, keine Fliegen fallen.
Fünftens und letztens. Es ist bekannt, daß die verstorbene Schriftstellerin Ehrmann den Advokaten Ehrmann, als er eines ihrer Werke in der Straßburger Zeitung mit vielen Beifall aufgenommen und angezeigt, der Rezension wegen geheiratet hat. Will es der Redakteur eines Journals heimlich so karten, daß eine Mitarbeiterin desselben meine zweite Auflage des Hesperus (oder Venussterns) mit dem Beifalle aufnimmt und bekannt macht, den die erste ihrer Reize wegen allgemein erhält; und will er mir nur einen Wink über das Geschlecht meines Rezensenten zuspielen – wobei aber darauf gesehen werden muß, daß die kritische Person sich noch im besten blühenden Alter eines Rezensenten überhaupt befinde, worin man das Feuer des Abend- oder Venussternes noch leicht empfinden und mitteilen und günstig rezensieren kann, um so mehr, da schon in der Physik nur grünes Holz ein Leiter der elektrischen Flamme ist, dürres aber ein Nichtleiter –, will der Redakteur alles dieses besorgen und abtun: so macht sich der Verfasser dieser Antikritik mit seiner Namenunterschrift anheischig, der Mitarbeiterin sogleich nach Empfang der Rezension aufzuwarten und solche mit den gewöhnlichen Zeremonien zu heiraten.
Hof im Voigtland, den 8. Jun. 1797.
Jean Paul Fr. Richter.