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Am Morgen des 12. Novembers wieder eine Trauerkunde: noch zwei unserer besten Pferde waren verendet, ein drittes, das schon von Leh an zwei in Stockholm gefertigte Kisten getragen hatte, lag im Sterben. Alle drei waren am vorigen Abend noch gesund und starben unter ganz denselben Symptomen. Sie wurden schwindlig, verloren die Herrschaft über die Beine, konnten ihre Bewegungen nicht mehr kontrollieren, fielen hin und waren nicht imstande, sich wieder zu erheben. Ich hoffte immer noch, die Trümmer der Karawane retten zu können, und träumte schon davon, sie in Schigatse an Krippen zu führen, die mit duftendem Klee gefüllt waren – und nun brachen gerade die zusammen, die wir für die stärksten gehalten hatten! Jetzt waren nur noch 13 Pferde übrig; bald mußten die Lasten den Überlebenden zu schwer sein.
Dazu kam es jedoch nicht, denn dieser Tag, der so traurig angefangen, sollte uns auch noch, ehe die Sonne unterging, eine Freude bringen. Der Spur der Karawane folgend, ritten wir zwischen Hügeln hin und her und erblickten unter uns im tiefen Tal das Lager Nr. 60. Ich war gerade in meinem Zelt, als Muhamed Isa meldete, daß oben im Tal Tundup Sonam in Begleitung zweier Tibeter, eines Fußgängers und eines Reiters, komme. Verzagt und unsicher, ob Tundup Sonam sie nicht zu Räubern gelockt habe, legten die Tibeter ihre langen, plumpen Flinten auf die Erde und traten vorsichtig näher. Tundup hatte alle Künste seiner Beredsamkeit spielen lassen müssen, ehe es ihm gelungen war, sie zum Mitkommen zu bewegen! Er hatte ihnen gesagt, daß wir Pilger seien, die einen vornehmen Lama aus Ladak nach den heiligen Orten begleiteten. Da hatten sie erklärt, daß sie »Seiner Heiligkeit« ihre Ehrfurcht bezeugen und ihm als Beweis ihrer unbegrenzten Hochachtung einen Schafmagen mit Butter und einen solchen mit Ziegenmilch bringen wollten. Muhamed Isa, der an den Umgang mit Tibetern gewöhnt war, beruhigte sie dadurch, daß er in seinem Zelt mit ihnen plauderte und scherzte. Dann wurden sie zu mir gebracht, legten ihre Geschenke auf den Boden, fielen auf die Knie, streckten die Zunge heraus und verbeugten sich tief. Statt eines heiligen Mannes fanden sie einen Europäer, schienen aber gar nicht unzufrieden mit diesem Tausch. Muhamed Isa fungierte als Dolmetscher. Zuerst mußten sie uns über die Geographie der Gegend und die Beschaffenheit des Landes, durch das unser Weg gehen sollte, Bericht erstatten. Die Angaben, welche uns die » lady of the mountains« gemacht hatte, wurden in jeder Hinsicht bestätigt; die beiden Tibeter sagten uns, daß wir noch mehrere Tage keine Menschen treffen, dann aber täglich an schwarzen Zelten vorbeikommen würden.
Unsere Gäste mochten 50 und 40 Jahre alt sein. Der ältere war in hohem Grade typisch, eher einem Affen als einem Menschen ähnlich; der jüngere sah aus, als ob er schon viel Abenteuer erlebt habe und konnte ebensogut Räuberhauptmann als etwas anderes sein (Abb. 81 und 82).
81 und 82. Puntsuk und Tsering Dava, die ersten Tibeter.
Die Unterhaltung, die sich jetzt zwischen ihnen und mir entspann, mag an und für sich wenig interessant sein. Aber für uns in unserer Lage war sie so spannend wie ein Märchen – es handelte sich ja einfach um unsere Rettung!
»Wie weit ist es bis zum nächsten Weg nach Schigatse?« fragte ich.
»Vier lange oder fünf kurze Tagereisen.«
»Wollt ihr uns führen?«
»Ja, wenn wir dafür bezahlt werden.«
»Wieviel wollt ihr haben?«
»Das soll der Bombo Tschimbo (der große Häuptling, nämlich ich) selber bestimmen.«
»Habt ihr einige Pferde, die ihr uns verkaufen könnt?«
»Wir haben zwei, verkaufen sie aber nicht.«
»Habt ihr einige Yaks, die verkäuflich sind?«
»Ja, wir können fünf verkaufen, wenn wir für jeden zwanzig Rupien bekommen.«
»Gebt ihr uns auch einige eurer Schafe?«
»Sechs könnt ihr haben, wenn ihr vier Rupien für das Schaf gebt.«
»Schön. Bringt mir jetzt alle Tiere, die ihr verkaufen wollt, her, und wenn ich zufrieden bin, sollt ihr gut bezahlt werden.«
»Der Bombo Tschimbo muß aber bis morgen hier liegen bleiben, wenn wir das alles besorgen sollen.«
Es wurde also vereinbart, daß wir blieben. Aber ich kannte meine Tibeter und wußte, daß sie viel versprechen und wenig halten. Ich behielt daher die Kerls die Nacht über bei uns und sie mußten in Muhamed Isas Zelt schlafen. Dort wurden sie in den Abendstunden durch die Töne unserer Flöten ergötzt und fühlten sich bald so heimisch, daß ihre Zungen sich lösten und wie Gebetmühlen schnurrten. Noch als ich einschlief, hörte ich ihr Geschnatter.
Und an diesem Abend schlief ich gut! Nach 80 Tagen völliger Einsamkeit hatte ich wieder Menschen als Gäste in unseren Zelten; ich hatte herrliche fette Ziegenmilch erhalten und sollte morgen ein wohlgenährtes Schaf schmausen; ich hatte Auskunft bekommen über das Land und die Tagereisen, die unser auf dem Weg nach dem fernen Ziel noch warteten! Und was das Allerbeste war: unsere Veteranen, unsere Karawanentiere erhielten Hilfe! Und diese Hilfe war wirklich wie vom Himmel gesandt, denn gerade heute waren, da wir auf einen Schlag noch drei Pferde verloren hatten und Rehim Ali leider noch immer zum Gepäck gerechnet werden mußte, meinen Tieren die Lasten zu schwer geworden. Die Zukunft erschien mir auf einmal in hellerem Lichte. Wohl war der Rücken des Samoma-saktschä-Gebirges hier am See im Purpur des Abendrotes auch nicht purpurner als die Berge, die wir an so vielen einsamen Abenden in prachtvollem Farbenspiel hatten erglühen sehen, wohl war der blaue Rauch der Lagerfeuer einem anmutigen Elfenreigen auf dem Steppengrase nicht ähnlicher als bisher, wohl stieg die Nacht ebenso dunkel und kalt über den Bergen im Osten auf – mir aber erschien heute alles freundlicher, heiterer und hoffnungsvoller!
Der neue Tag war kaum angebrochen, als sich unsere beiden Tschangpas in Begleitung einiger Ladakis nach Hause begaben, um die Vorbereitungen zu dem großen Handelsgeschäft zu treffen. Schon ein paar Stunden später war ich glücklicher Besitzer von fünf prächtigen Yaks (Abb. 84), die, wie die Tibeter sagten, mit Leichtigkeit je vier Kisten tragen konnten, während unsere Pferde und unsere Maulesel nur zwei getragen hatten. Einer der Yaks mußte das Boot übernehmen, und das Pferd, das es schon vom Lake Lighten an geschleppt hatte, wurde nun dienstfrei erklärt – ich atmete auf, als ich das treue Tier ohne Last sah. Dann kauften wir vier Schafe zu je vier Rupien und vertauschten unsere drei letzten Schafe mit zwei Rupien Draufgeld gegen zwei neue. Hier am Gomosee fanden auch unsere letzten acht Ziegen die wohlverdiente Ruhe und wurden gegen ebensoviel tibetische vertauscht, wobei wir für jede Ziege noch eine Rupie zuzahlen mußten. Am Abend erhielt ich dreimal soviel Milch als gewöhnlich und fettere und bessere als die, welche meine erschöpften Ziegen geliefert hatten. Beide Teile waren mit dem Geschäft außerordentlich zufrieden.
84. Die von den ersten Tibetern gekauften Yaks.
Die guten Tschangpas! Wie fahrende Ritter der Wildnis kamen sie zu uns, malerisch wild mit dem schwarzen, struppigen Haar, das ihnen auf Schultern und Rücken herabhing und ihnen den Pelz fettig machte; mit langen, schwarzen Gabelflinten auf der Schulter, plumpen Säbeln und Messern im Gürtel, auf kleinen, feisten, langhaarigen Pferden. Wild und schmutzig, waren sie doch freundlich und gutmütig, und in ihren uralten, verlausten Pelzen froren sie ganz gewiß nicht. Der ältere trug eine kleine runde Pelzmütze, der jüngere einen Pelzbaschlik, der außer dem Gesicht den ganzen Kopf bedeckte. Sie hatten sich ihren Hauptproviant und allerlei andere Sachen, deren sie auf der Reise bedurften, vorn in die Pelze gestopft und an dem Gürtel, der den Pelz zusammenhielt, hingen Messer, Pfriemen, Feuerstahl, Tabaksbeutel und Pfeife, die bei jedem Schritt baumelten und gegeneinanderschlugen. Sie trugen Filzstiefel, die, ursprünglich weiß, jetzt schwarz und abgenutzt aussahen, hatten aber keine Hosen an – es muß gar zu schön frisch sein, bei 20 Grad Kälte hosenlos im Sattel zu sitzen!
Da sie in Gertse, dem Land im Südwesten, zu Hause waren, kannten sie das Land, durch das unser Weg führen sollte, kaum oder gar nicht, glaubten aber, daß wir zu der Reise nach Schigatse wenigstens 50 Tage gebrauchen würden! Den Winter verbringen sie im Gomogebiet und leben dort von der Jagd. Sie würden leicht ein kleines Frühstück auftischen können, mit dem auch der anspruchsvollste Feinschmecker zufrieden sein könnte. Oder ist folgendes Menu vielleicht nicht ansprechend:
Ein Becher Ziegenmilch mit fetter, gelber Sahne. –
Yaknieren in Fett goldgelb gebraten. –
Mark aus Yakknochen über Kohlenfeuer geröstet. –
Feine, kleine Stücke weichen, saftigen Fleisches vom Rückenwirbel der Antilope, um das Feuer herumgelegt und so langsam gebräunt. –
Antilopenkopf, mit Haut und Haar in die Flammen gehalten, bis er schwarzberußt ist. –
Im allgemeinen aber ist ihr Geschmack ganz anders als der unsere. Wenn sie einen Wildesel erlegt haben, zerteilen sie ihn und verwahren die Stücke in ihrem Zelt, wo sie ringförmig möglichst weit vom Feuer aufgestapelt werden. Je länger sie gelegen haben, desto besser sollen sie schmecken. Die Tschangpas ziehen es vor, das Fleisch roh, hart, trocken und alt zu verspeisen. Man sieht sie aus den Eingeweiden ihres Pelzes eine Yakrippe hervorziehen, die eher einem geschwärzten Holzstück als etwas Eßbarem ähnlich ist. Dann wird das Messer aus der Scheide gezogen und das harte Fleisch in Streifen oder Stücken vom Knochen gelöst. Chinesischer Ziegeltee ist jedoch der höchste aller ihrer Genüsse, und je dicker und schmutziger er ist, desto besser erscheint er ihnen. Sie rühren ihn mit einem Stück Butter an.
Den Wildgänsen gleich haben sie durch ererbte Erfahrung gelernt, wo die besten Lagerplätze zu finden sind. Man kann sicher sein, daß ihr Zelt stets an einer Stelle aufgeschlagen ist, die wenig oder gar nicht vom Wind berührt wird; daß sie in der Nähe gutes Weideland für ihre zahmen Yaks, Schafe, Ziegen und Pferde – wenn sie welche haben – finden; daß sie vom Zelt aus nicht weit zu ergiebigen Jagdgründen haben und daß dort stets Wasser vorhanden ist. Am Gomosee hatten sie auch vorzügliches Speisesalz umsonst. Wenn ihre zahmen Tiere das Gras in der Nähe abgeweidet haben und das Wild verscheucht ist, verlegen sie das Lager in eine andere Gegend. Die Zelte werden an derselben Stelle aufgeschlagen, wo ihre Vorfahren sie schon seit unzähligen Generationen errichtet haben und wo oft noch alte Votivmale stehen, die aus Geröll aufgeschichtet worden sind, um die Geister, die über Berg und Tal herrschen, milde zu stimmen.
Den Tschangpas, den »Bewohnern des Nordens«, die den Winter im Norden zubringen, ist die Jagd die Hauptsache, die Viehzucht Nebensache. Die Tibeter in Gertse und Senkor, am Bogtsang-tsangpo oder in Naktsang, die große Herden besitzen, gehen im Winter nicht nordwärts, denn ihnen ist wieder die Jagd Nebensache. Die Jägerstämme verfolgen den Yak, den Kiang und die Antilope. In hügeligem Gelände schleichen sie sich gegen den Wind an. Das beständige Leben im Freien hat ihre Sinne unglaublich geschärft. Sie kennen die Eigenschaften und Gewohnheiten des Yaks ebenso genau wie dieser selbst und wissen, wie weit sie gehen können, ehe sie die Grenze seiner Sinnesschärfe überschreiten. Sie wissen, daß sein Gesicht- und Gehörsinn nicht besonders fein entwickelt sind, daß er aber den Jäger bald wittert, so daß der Angriff genau gegen den Wind erfolgen muß. Obgleich er in seinem dicken Pelz auf die Jagd geht, schleicht der Jäger doch so lautlos und geschmeidig wie ein Panther am Boden hin, bis er sich seiner Beute auf Schußweite genähert hat. Dann legt er die Flinte auf die Gabel, schlägt mit dem Feuerstahl Funken aus dem Feuerstein, fängt sie mit Zunder auf, setzt das Ende der Zündschnur in Brand und paßt auf, daß der Hahn das Feuer im richtigen Augenblick in das Zündloch bringt. Alles geht so ruhig, kaltblütig und vorsichtig zu, daß der Jäger alle Aussicht hat, sein Wild zur Strecke zu bringen.
Ein andermal lauert er stundenlang hinter einer Schützenmauer, die er oder seine Vorfahren, vielleicht schon sein Ururgroßvater, an einer Quelle erbaut haben, und wartet mit Engelsgeduld auf eine Schar Wildesel, die bei Sonnenuntergang zur Tränke kommt. Die Antilopen aber, die Wildschafe und die Gazellen sind zu wachsam, um sich selbst von dem geschicktesten Jäger überrumpeln zu lassen. Dennoch gelingt es den Antilopen nicht immer, seinen listigen Hinterhalten zu entgehen. Er legt ihnen auf den altbekannten Antilopenpfaden Schlingen; bei den Jägernomaden im inneren Tibet erstaunt man über die Massen des Antilopenfleisches, das ringförmig die Zeltwände garniert.
Während die Männer draußen sind, besorgen die Frauen die Yaks und die Schafe, und wenn der Jäger bei Sonnenuntergang heimkehrt, sieht er jene wiederkäuend vor dem Zelt liegen, während diese in eine steinerne Hürde eingepfercht sind. Die Yaks bleiben nachts bei den Zelten; dies hat auch den Vorteil, daß man den Dung, der das einzige Brennmaterial der Nomaden ist, nicht weit heranzuholen braucht. Ist es dunkel geworden, so setzen sich alle ans Feuer, über dem der Teekessel kocht. Dann unterhalten sie sich über die einförmigen Angelegenheiten ihres Lebens: über die Ausbeute des Tages, das Gedeihen der Herden und die Arbeit, die der nächste Morgen bringt. Der eine flickt seine Sohlen mit Sehnen und einem Pfriem, ein anderer gerbt mit der Hand eine Yakhaut, und ein dritter schneidet Riemen aus dem Fell eines Wildesels. Ihr Leben scheint so leer und inhaltslos, aber sie selber entbehren nichts – sie kennen nichts Besseres. Sie haben einen schweren Kampf zu kämpfen um die Gunst, in diesem kargen Teil der Erde, der Tschang-tang oder die Nordebene genannt wird und auf dem sie das Schicksal hat geboren werden lassen, leben zu dürfen. Unter Armut und Gefahren leben sie dennoch siegreich und groß in Gottes freier Natur; die majestätischen Stürme sind ihre Brüder, die Herrschaft über die Täler teilen sie nur mit den Tieren der Wildnis, und nachts funkeln die ewigen Sterne auch über ihren schwarzen Zelten! Wenn man ihnen auch drunten im Süden schöne Hütten im Schatten der Walnußbäume gäbe, sie würden sich doch immer in die große Einsamkeit zwischen den Gebirgen, nach der eisigen Kälte und dem Schneetreiben und nach dem weißen Mondlicht der stillen tibetischen Winternächte zurücksehnen.
Dann kommt eines schönen Tages der Tod und schaut in die Zeltöffnung; vergeblich wird das ewige Gebet » Om mani padme hum« hergesagt, vergeblich versucht man die bösen Mächte, die den Menschenkindern feindlich gesinnt sind, zu beschwören oder mild zu stimmen. Gebeugt, runzlig und grau beschließt der alte Jäger seine Laufbahn, und auf starken Schultern wird er nach irgendeiner nicht tiefen Schlucht in der Nähe des Bergkammes getragen und dort – den Wölfen und den Raubvögeln preisgegeben! Wenn seine Enkel erwachsen sind, wissen sie nicht, wohin er damals gebracht wurde; im Leben hatte er keine bleibende Stätte und nach dem Tode hat er kein Grab. Und keiner fragt auch danach, wo die Gebeine der Toten bleichen, denn da hausen böse Geister.
14. November. Windstille! Allerdings hatten wir über Nacht wieder 27,1 Grad Kälte gehabt, aber beim Reiten nach Süden, der Sonne entgegen, war es doch ordentlich warm. Die Pferde der Tibeter waren durchgebrannt. Aber wenn das eine von ihnen arrangierte Finte war, um einen Vorwand zu haben, selber durchbrennen zu können, so wurde diesmal nichts daraus! Denn ich schickte zwei meiner Leute mit dem einen auf die Suche, während der andere mich begleiten und die Namen der Gegenden, die wir passierten, nennen mußte. Noch kannten wir unsere Pappenheimer nicht und wagten es daher nicht, sie außer Sicht zu lassen, da sie sonst durch reitende Boten die Behörden in Gertse hätten benachrichtigen können. Dann hätte man mir früher halt zugerufen, als mir angenehm gewesen wäre. Jetzt konnte ich ruhig sein, wenigstens bis zum nächsten Zelt. Die Pferde fanden sich wieder, und der Alte kam, beide am Zügel führend, uns nachgestiefelt. Dann ritten wir zusammen zwischen den Hügeln weiter und über kleine Pässe hinüber. Auch hier kam an zwei Stellen Gold vor. Jeden Sommer kommt man, um den goldhaltigen Sand aufzugraben, ihn in die Luft zu werfen und die Goldkörner auf einem ausgebreiteten Tuch aufzufangen. Ist der Ertrag reichlich gewesen, so verdoppelt sich im nächsten Sommer die Anzahl der Goldgräber.
Auch im Lager Nr. 61 zeigten die Tibeter keine Lust zum Ausreißen; sie waren eitel Zuvorkommenheit und Freundlichkeit, halfen uns beim Abladen und beim Aufschlagen der Zelte, sammelten Brennmaterial und versprachen, für die Tiere einzustehen. Sie schienen nicht die geringste Ahnung zu haben, daß mir das Land verboten war; nicht einmal das Echo etwaiger besonderen Befehle war von Süden her bis zu ihnen gedrungen. Wie es sich damit verhielt, konnte ich freilich nicht wissen. Der Plan meiner Reise war in der indischen Presse erwähnt worden, und nichts hinderte, daß ein Gerücht über Dardschiling oder Peking hätte nach Lhasa dringen können; auch wußte ich aus Erfahrung, wie schnell ein Befehl gegen einen Europäer unter den Nomaden bekannt wird. Ich hatte beabsichtigt, wie ein Dieb in der Nacht so schnell als möglich nach der englischen Mission in Lhasa zu eilen, und ehe die Tibeter sich über die politische Bedeutung klar geworden, auf der Bildfläche zu erscheinen! Aber vielleicht irrte ich mich, vielleicht waren noch strengere Verordnungen als früher erlassen worden!
Die Abendschalten gleiten über die Ebene; nur im Osten sind die Berge noch intensiv scharlachrot beleuchtet, im Westen bildet das Gebirge eine rabenschwarze Silhouette. Die neue Nacht breitet ihre dunkelblauen Flügel aus, steigt immer höher nach dem Zenit hinauf und jagt einen erlöschenden Widerschein der untergehenden Sonne vor sich her. Als die Sterne zu funkeln beginnen, befinde ich mich im Freien und mustere unsere Tiere, die sich freuen, auf dem Marsche leichter beladen zu sein. Um sieben Uhr werde ich massiert und gehe zu Bett. Um neun Uhr kommt Robert mit dem Siedethermometer, und wir plaudern dann eine Stunde. Dann darf das Licht so lange brennen, bis es flackernd von selbst erlischt. Noch lange, lange liege ich wach und beobachte die Schatten, wie sie kommen und verschwinden, je nachdem der Wind die Zeltleinwand flattern läßt; ich starre sie an, bis sie sich in Untiere oder wilde Yaks verwandeln, die mit höhnischer Miene mein Gefängnis umtanzen. Jetzt schlägt es Mitternacht in den Städten Sibiriens und Indiens, die auf unserem Meridian liegen, endlich kommt der Befreier Schlaf und verjagt die Schattenbilder; sie lösen sich und verschwinden am Horizont, der immer mehr in die Ferne zurückweicht, nicht mehr von dem dünnen Gewebe der Zeltwände begrenzt. Nun säuselt es leise wie Erinnerungen an Wälder, Wiesen und kleine Felseneilande. Ich träume, daß eine starke Hand mich an einen Scheideweg führt. Sie zeigt auf die eine Straße, und eine Stimme sagt mir, daß diese mich in das Land der Ruhe, der Gastfreiheit und des Sommers führen wird, die andere aber führe zu Gefahren und Entbehrungen zwischen hohen, dunkeln Gebirgen. Als Tsering am Morgen das Kohlenbecken brachte, freute ich mich, daß ich auch im Traum ohne Zaudern den zweiten Weg gewählt hatte!
Immer tiefer drang ich jetzt in dieses geheimnisvolle Tibet ein. Während des nächsten Tagesmarsches kamen wir an einer Reihe verlassener Lagerplätze vorüber, und an einigen Stellen sahen wir Steinmalreihen, die die Antilopen in die Schlingen locken. Dann zogen wir ein Tal hinauf, in dem ein kleines Eisband sich allmählich zu einem Fladen vergrößerte, der den Raum zwischen festen Grünsteinplatten ausfüllte. Der Seojynna erscheint, ein schwarzer Berg im Süden, der uns ein paar Tage lang sichtbar bleiben wird.
Unsere Tibeter sind nun schon so intim mit uns allen, als wären wir von Kindheit an miteinander befreundet! – Sie sagen, sie hätten noch nie so nette Leute wie uns getroffen. Der ältere heißt Puntsuk, der jüngere Tsering Dava. Wir sitzen stundenlang draußen an Muhamed Isas Feuer und plaudern gemütlich, und während sie mir alle Straßen, die sie in Tibet kennen, ausführlich beschreiben müssen, mache ich meine Aufzeichnungen. Tsering Dava hat die Pilgerfahrt zum Tso-rinpotsche, dem heiligen See Manasarovar, mitgemacht, der eines der Ziele meiner Sehnsucht ist und schon lange der Gegenstand meiner Träume! Nun sollten die beiden uns nur noch drei Tage begleiten; sie hatten ihre Yaks und Schafe im Schutz ihrer Weiber und Kinder zurücklassen müssen, und es gab dort außerordentlich viel Wölfe; sonst hätten sie uns gern wer weiß wie weit begleitet. Vor 19 Tagen waren sie aus Gertse angelangt und wollten sechs Monate hier bleiben; 40 oder 50 Zeltgemeinschaften kommen alljährlich aus Gertse in diese Gegend.
Sie erzählten, daß die Tokpas oder Goldgräber, wenn sie sich auf zwei bis drei Monate nach den Goldfeldern hinauf begeben; geröstetes Mehl und Fleisch, das Schafe und Yaks tragen müssen, als Proviant mitnehmen. Wenn ihr Proviant verzehrt ist, kehren sie nach Hause zurück und ziehen an den Salzseen vorbei, wo sie ihre Tiere mit Salz beladen, das sie dann in bewohnten Gegenden gegen Gerste eintauschen. Sie verdienen also bei solcher Wanderung doppelt und können den übrigen Teil des Jahres davon leben.
Am Abend lag ein totes Pferd, mager und elend, mitten auf dem Eis in unserem Tal. Ich hatte es von dem Kaufmann in Leh, der mir im Dezember 1901 meine letzten neun Kamele abkaufte, um 70 Rupien erstanden. Es war wie ein Gespenst aus jener Zeit! Ebenso unerwartet starb am folgenden Morgen ein Maulesel. Er sah frisch und gesund aus und ließ sich wie gewöhnlich beladen, hatte aber noch nicht hundert Schritte zurückgelegt, als er schon tot hinstürzte. Die beiden kleinen tibetischen Pferde, die uns begleiten, interessieren sich sehr für ihre Stammverwandten in der Karawane; nur scheint es ihnen noch nicht klar zu sein, daß die Tiere, die so mager und elend aussehen, auch wirkliche Pferde sind. Im heutigen Lager Nr. 63 sahen wir, wie sie zu ihren Herren liefen und von ihnen zwei große Stücke steifgefrorenen Antilopenfleisches bettelten, das sie wie Brot mit großer Gier aus der Hand fraßen. Ebenso gern fressen sie Yak- oder Schaffleisch; die Tibeter versicherten, daß diese Kost sie zäh und ausdauernd mache. Man muß diese kleinen zottigen Ponies liebgewinnen; sie leben zum größten Teil vom Abfall der Jagdbeute, sind im Gebirge zu Hause und ertragen die Luftverdünnung mit größter Leichtigkeit; ihre Lungen sind ebenso wie die der Wildesel darauf eingerichtet. Die Kälte macht ihnen rein gar nichts; ohne die geringste Decke bleiben sie die Nacht hindurch im Freien, und selbst eine Kälte von -30,4 Grad, wie wir sie in der Nacht auf den 17. November hatten, vermag ihnen nichts anzuhaben. Obgleich sie keine Hufeisen tragen, laufen sie die Abhänge gewandt und sicher hinauf und hinunter – und dabei sehen die Männer, die auf ihnen reiten, größer aus als die Pferde. Wir beobachten mit großer Heiterkeit, wie freundlich sie einander auf jedem Lagerplatz begrüßen. Puntsuk, der Muhamed Isa den Weg zeigt, reitet einen kleinen rotbraunen Pony, der schon grast, wenn wir erst erscheinen. Sobald er seinen grauen Kameraden mit Tsering Dava erblickt, wiehert er fröhlich, spitzt die Ohren und läuft zu ihm hin; und der graue antwortet ebenso erfreut. Das ist anders, als unsere beiden Hunde, die, sowie sie einander erblicken, in die tollste Beißerei geraten.
Nun passierten wir das Seojynnagebirge; der eine Abhang war schwarzgetüpfelt durch die vielen, dort grasenden wilden Yaks, von denen Tundup Sonam zwei erlegte. Meine Leute nahmen die besten Stücke, den Rest sollten sich unsere Führer auf dem Heimweg abholen. Tundups Treffsicherheit imponierte ihnen augenscheinlich sehr, aber Tsering Dava versicherte, daß auch er in seinem Leben schon über dreihundert Yaks geschossen habe, was mir nicht übertrieben scheint, da sie ja vom Ertrag ihrer Jagd leben.
Jetzt geht es steil nach dem Paß Tschaktschom-la hinauf. Dava Tsering reitet vor uns her. Sein kleiner Pony rennt den Abhang hinauf! Während wir noch eine gute Strecke zurückzulegen haben, sehen wir den Mann und sein Pferdchen sich schon wie Silhouetten auf der Paßschwelle scharf gegen den Himmel abheben. Da oben, wo in einer Höhe von 5433 Meter viele Goldgräberstraßen laufen, steht ein Mal aus Granitblöcken. An einem Feuer, das Kälte und Wind sehr notwendig machten, betrachtete ich die ungeheuer weite Aussicht nach Süden hin, ein Gewirr von gelben, rötlichen und schwarzen Kämmen. Ebenen zeigten sich zwischen ihnen, und ich ahnte, daß uns ungünstiges Terrain bevorstehen werde. Nur ganz nahe im Südsüdosten bestand der größere Teil des Geländes aus einem flachen Becken und einem kleinen See. Auf sehr schroffem Pfad ritten wir nach dem Lager hinunter, wo die Tibeter aus Rücksicht auf die angekauften Yaks einen Ruhetag beantragten.
Während des Ruhetages rechneten wir mit unseren Führern ab, die so freundlich und hilfreich gewesen waren und die nun nach ihren kahlen, kalten Bergen, wo Winde und Wölfe um die Wette heulen, zurückkehren wollten. Sie erhielten jeder drei Rupien pro Tag als Vergütung, je ein Messer mit Scheide aus Kaschmir und einen ganzen Haufen leer gerauchter blecherner Zigarettenschachteln, über die sie sich noch mehr zu freuen schienen als über das Geld! Dann verschwanden sie schnell und leicht wie der Wind hinter den nächsten Hügeln – und wir waren wieder allein.
Bei 20 Grad Kälte feierten unsere neun Mohammedaner heute ihr »Aid« nach dem Ramadan mit Flötenspiel, Tanz und Gesang und mit einem frischgeschlachteten Schaf. In der Nacht sank die Temperatur auf -30,6 Grad! Die Tinte gefror unaufhörlich in der Feder, auch wenn ich über das Kohlenbecken gebückt saß; mein Wasserbecher enthielt schon nach wenigen Minuten nur noch einen Eisklumpen!
Am Morgen folgten wir, wie gewöhnlich, der Spur unserer Karawane. Da, nach einigen Stunden, sah ich von einem Paß aus 22 werdende Pferde, 300 Schafe und einige, entschieden zahme Yaks, und zwar in der Nähe eines Zeltes! Weiter westlich weideten an die 500 Schafe und eine Menge Yaks. In einem tiefen Talgang standen an einer vor dem Wind geschützten Stelle noch fünf aufgeschlagene Zelte, aus denen uns eine Schar bissiger Hunde entgegenstürmte. Männer, Frauen und Kinder kamen heraus, um nachzusehen, was denn eigentlich los sei. Die Karawane hatte sich in der Nähe, am Westufer des Sees Dungtsa-tso gelagert, und erhielt in kurzer Zeit Besuch von vier neuen Tibetern. Auch sie waren aus Gertse, vor zehn Tagen angelangt und wollten drei Monate hier bleiben. Die sechs Zelte beherbergten 40 Bewohner, die zusammen 1000 Schafe, 60 Yaks und 40 Pferde besaßen. Der älteste dieser neuen Freunde war ein lahmer, älterer Mann von 53 Jahren und hieß Lobsang Tsering. Er schenkte mir eine Schüssel dicker Milch und ein Bündel Räucherspäne, wie sie in Tempeln benutzt werden. Er war bereit, mir drei große Yaks für 23 Rupien zu verkaufen, und ich nahm sie, ohne mich auch nur einen Augenblick zu bedenken.
Als die Karawane am nächsten Morgen aufgebrochen war, stellten sich noch zwei Tibeter ein, denen es sehr darum zu tun war, uns auch zwei Yaks zu verkaufen. Als ich ihnen sagte, daß mein Geld bereits abmarschiert sei, baten sie um die Erlaubnis, mit mir nach dem nächsten Lager ziehen zu dürfen, wo der Kauf ja abgeschlossen werden könne. Abends waren wir also glückliche Besitzer von zehn vorzüglichen Yaks, zu deren Chef und Führer nun Tundup Sonam ernannt wurde. Unsere letzten Maulesel und Pferde trugen jetzt nur noch das ganz leichte Gepäck, und ich freute mich, sie alle am Leben erhalten zu können. Aber gerade hier erfror uns, allerdings bei 32,9 Grad Kälte, noch ein Maulesel!
Die Tagereise führte um den See herum und in ein breites Tal, das sich in südöstlicher Richtung hinzog. Mitten unter den zahmen Yaks der Nomaden weideten ganz friedlich anderthalbhundert Kulane! Ein Jüngling diente der Karawane als Führer, und der alte Lobsang Tsering ritt auf einem prächtigen gelben Pferd, das er um keinen Preis verkaufen wollte, wie ein Herold vor mir her. Er murmelte im Reiten mit unglaublicher Schnelligkeit Gebete – es klang wie das Summen einer Mückenkolonne über einer Linde am Sommerabend. Ich selber ritt wieder meinen großen Apfelschimmel aus Jarkent, da mein kleiner weißer Ladaki sich ein paar Tage ausruhen sollte.
Das Lager wurde am Ufer eines Süßwassertümpels aufgeschlagen, in dessen festem Eise wir die ganze Nacht die wunderlichsten Töne hörten; es knallte und klatschte, gurgelte und schnob wie Kamele und Yaks; man konnte glauben, daß ein Heer von Wassergeistern unter dem Eisdach tanze. Die Hunde bellten das Eis wütend an, bis sie endlich begriffen, daß diese Geräusche mit in den Kauf genommen werden müßten.
Am abendlichen Lagerfeuer fragte Lobsang Tsering Muhamed Isa, ob wir am Gomo Tschangpas getroffen hätten. Muhamed Isa aber hatte Puntsuk und Dava Tsering versprochen, sie nicht zu verraten. Da kniff Lobsang ein Auge zu und sagte, Islam Ahun habe ihm schon erzählt, daß wir nicht nur Nomaden gesehen, sondern ihnen auch Yaks abgekauft und sie mehrere Tage lang als Führer gehabt hätten. Muhamed Isa versuchte, der Sache eine scherzhafte Wendung zu geben, und erwiderte lachend, die Geschichte habe Islam Ahun sich wieder einmal ausgedacht. Aber der Alte war gewitzt, lächelte listig und schien die erste Version für die wahrscheinlichere zu halten. Für uns war es ein großer Vorteil, daß wir zuerst mit Gertsenomaden in Berührung gekommen waren, die in dem Lande, das wir durchreisten, selber Fremdlinge waren. Sie hatten keine Befehle, die uns angingen, aus Lhasa erhalten und waren unvergleichlich viel gutmütiger und freundlicher als jene Osttibeter, die während meiner früheren Reise sofort Boten südwärts geschickt hatten. Aber wir fanden jetzt, daß die Gertsenomaden voreinander Angst hatten; die ersten hatten uns ja gebeten, es keinem Menschen zu erzählen, daß sie uns geholfen hätten, und waren auch im richtigen Moment umgekehrt, um nicht von ihren Stammesgenossen aus Gertse gesehen zu werden.
Lobsang Tsering schien dagegen nicht ängstlicher Natur zu sein; er führte uns nach anderen Zelten, gab uns Auskunft über den Weg nach dem Bogtsang-tsangpo und wußte eine Menge interessanter Sachen zu erzählen. So sagte er, daß jährlich gegen viertausend Schafe und mehrere Hundert Yaks zum Transportieren des Salzes von den Seen, die wir vor kurzem verlassen hatten, benutzt würden, und daß das Salz nach Schigatse und Lhasa gebracht werde. Aus diesen Städten kämen auch die meisten Goldgräber, und es gebe nach Norden zu noch viele Goldfundstellen, die wir nicht gesehen hätten.
Daß Lobsang ein vornehmer Mann war, merkten wir bald. Denn alle erwiesen ihm die größte Achtung, und seinem Zeltlager hatten wir es ansehen können, daß er auch ein reicher Mann war. Er sprach mit Würde, und seine Stimme hatte eine gebildete, feine Klangfarbe. In seinem Aussehen erinnerte er an einen heruntergekommenen Schauspieler, ohne Spur von Bart und mit lebhaftem Mienenspiel in seinem schmutzigen, kupferbraunen Gesicht. Im Gegensatz zu den anderen, die weiße Schaffellmützen trugen, prunkte er mit einem roten Turban, und auch sein Pelz war mit rotem Wollzeug bezogen. Vorn im Pelz hatte auch er allerlei schöne Dinge stecken, unter anderem ein abscheuliches Taschentuch, einen dicken, bunten, viereckigen Lappen, der unaufhörlich benutzt, aber nie gewaschen wurde! Dort verwahrte er auch sein Schnupftabakshorn, das er mit einer gewissen Geschicklichkeit selbst im Wind zu handhaben verstand. Der mehlfeine, gelbe Schnupftabak wird nämlich auf der Spitze des Zeigefingers im Schutz des Daumennagels zu einem Häufchen aufgeschüttet und von dort ziemlich geräuschvoll an seinen Bestimmungsort befördert.
Jeden Abend erstattete mir Muhamed Isa Bericht. Heute stellte er sich mit folgenden Worten ein: »Sahib, Rehim Ali geht es noch immer schlecht; er bittet, Allah ein Schaf opfern zu dürfen.«
»Meinetwegen, wenn er davon besser wird.«
»Ja, gewiß, Sahib.«
»Ich halte es für Schwindel, aber schlechter wird er davon keinesfalls, und die Mohammedaner erhalten ein gutes Extramahl. Ich spendiere also das Schaf.«
»Nein, Sahib, das geht nicht, dann bleibt das Opfer ohne Wirkung.«
»So. Kann ich morgen mittag die Nieren bekommen?«
»Nein, Sahib, nur Mohammedaner dürfen von einem Opferschaf essen.«
»Ja so, es ist ja wahr, euerer Meinung nach bin ich ja ein Kafir (Ungläubiger).«
Da protestierte er lachend, änderte aber das Gesprächsthema: »Jetzt haben wir noch 13 Maulesel und 11 Pferde, oder im ganzen 27 Tiere von der ursprünglichen Karawane.«
»13 und 11 macht nur 24«.
»So? Dann muß ich sie noch einmal überzahlen«, sagte mein redlicher Karawanenführer und machte sich noch viel unnötige Arbeit, bis die Zahlen endlich stimmtest. Es stellte sich schließlich heraus, daß wir außer den Yaks noch 25 Tiere besaßen.