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Manuel war ein klassischer Kerl. Er war ein Hindu aus Madras, klein, zierlich und schwarz, sprach gut englisch und war mit seinen Eltern zur römisch-katholischen Kirche übergetreten. Er hatte sich im letzten Augenblick mit einem gewaltigen Paket von Zeugnissen bei mir eingestellt und kategorisch erklärt: »Wenn der Herr eine lange Reise zu machen gedenkt, so braucht der Herr einen Koch, und ich kann kochen.« Ohne seine Zeugnisse anzusehen, nahm ich ihn in meinen Dienst (Abb. 12). Er führte sich gut, war ein Ehrenmann und machte mir mehr Freude als Verdruß. Das schlimmste, was er mir antat, war, daß er in Tibet auf geheimnisvolle Weise verschollen ist, und ich bis zu diesem Augenblicke nichts wieder von ihm gehört habe.
Abb. 12. fehlt im Buch
In meinem Abteil saßen wir so eng wie eingepökelte Heringe. Die Luft wurde immer heißer; von der herrlichen Kühle dort oben gelangten wir wieder in die drückende Hitze, die von Indiens Ebenen aufsteigt. Über Kalka, Ambala und Lahore ging es weiter bis Rawalpindi, wo ich in einem leidlichen Hotel abstieg. Aber das Zimmer war schwül und dumpf, und die Punka, der von der Decke herabhängende große Fächer, war die ganze Nacht in Bewegung; das hinderte jedoch die Mücken nicht, mir sehr zudringliche Besuche abzustatten.
Am 15. Juni standen vor dem Hotel eine Tonga und drei Ekkas; in jener nahm ich Platz, auf diese schnallten wir das Gepäck und – Manuel fest. Schnurgerade führt der Weg zwischen üppigen Baumalleen nach dem Fuß des Gebirges hin. Der Verkehr ist lebhaft: Karren, Karawanen, Reiter, Wanderer und Bettler. Vor uns zeichnen sich die niederen Abhänge und weiterhin die höheren Berge des Himalaja ab. Sind sie eine von feindlichen Göttern auf meinen Weg getürmte Mauer oder stehen sie da in Erwartung meines Kommens?
Hinter Malepur fährt die mit zwei munteren Pferden bespannte Tonga zwischen die ersten Hügel, wo üppiges Grün in hellen und dunkeln Schattierungen leuchtet; der Weg schlängelt sich zwischen ihnen empor, man freut sich, die Glut der Ebene hinter sich zu haben; die Sonne brennt allerdings noch, denn die Luft ist klar, und von den Wolkenmassen des Südwestmonsuns sind nicht einmal die ersten Vorboten sichtbar. So passieren wir eine Station nach der anderen. Manchmal müssen wir langsam fahren, denn wir begegnen ganzen Zügen eingeborener Soldaten in Khakiuniform mit Furage- und Werkzeugwagen, die von je zwei Maultieren gezogen werden – wie gern hätte ich ein paar Dutzend dieser herrlichen Tiere gehabt! Frische Winde wehen uns entgegen, und Nadelholzbäume tauchen im Laubwalde auf. Wir lassen die Sommerstation Murree hinter uns, und nun werden die schneebedeckten Berge bei Gulmarg sichtbar. Nachdem wir den Paß bei Murree überschritten haben, geht es wieder abwärts. Hinter Bandi erreichen wir das rechte Ufer des Dschihlam, aber der Fluß liegt noch tief unter uns; die Landschaft ist herrlich und spottet mit ihrem großartigen, prachtvollen Relief jeglicher Beschreibung. Immer tiefer geht es hinab, wir fahren unmittelbar am Flußufer hin und bleiben die Nacht im »Dakbungalow«, dem Rasthause, von Kohala.
Am nächsten Tage fahren wir jenseits der Brücke langsam die Böschungen des linken Ufers hinauf. Der Morgen ist strahlend schön, es duftet herrlich und sommerlich von der keineswegs allzu reichen Vegetation der Hügel. Zur Linken rauscht der Fluß, oft weißschäumend, aber an mein Ohr schlägt sein Rauschen nur, wenn wir haltmachen, sonst wird es vom Klappern der Tonga auf dem Erdboden übertönt. Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt man den Wechsel der Szenerie in dieser wunderbaren Landschaft. Die Straße durchbohrt einige Ausläufer des Gebirges in breiten gewölbten Tunneln. Der letzte dieser Tunnel ist der längste und gähnt wie ein schwarzes Loch im Berge uns entgegen. In seinem Innern herrscht prächtige Kühle, und die kurzen Warnungsstöße des Signalhorns hallen melodisch aus den Eingeweiden des Berges wider. In Guhri frühstückt man im Dakbungalow und ruht sich eine Viertelstunde in einem bequemen Liegestuhl auf der Veranda aus. Hier hatte ich vor vier Jahren eine unvergeßliche Stunde mit Sir Robert und Lady Harwey verlebt. In denselben Pappeln, Ulmen und Weiden sauste der Wind heute wie damals; mir wurde wunderlich verlassen und melancholisch zumute; damals hatte ich eine große Reise hinter mir, jetzt erschien mir die Zukunft so hoffnungslos dunkel! Vor mir erhebt sich wie ein Theaterhintergrund der weich abgerundete, aber steile Abhang der bewaldeten Berge auf der rechten Talseite, und drunten in der Tiefe liegt auf beiden Ufern des Flusses das Dorf Guhri. Die Luft ist lau, man träumt von ewigem Frühling und vergißt seine Sorgen. Hinter Tschinari erheben sich wieder hochstämmige Nadelholzbäume an den Felswänden. Mein Kutscher, der Persisch spricht, zeigt auf einen gewaltigen Steinblock, der in die Brüstung des Weges eingebettet liegt; zehn Tage vorher war er herabgestürzt und hatte einen Mann und zwei Pferde erschlagen; an gefährlichen Stellen, wo man Bergrutsche erwartet, sind weiße Fähnlein aufgepflanzt. Die Berglandschaft wird immer wilder, und aus dem tiefen Abendschatten tritt ihr scharfes Relief nur deutlicher hervor. Wir erreichen Uri und Rampur und fahren oft durch dichten Wald. Als wir in Baramula eintreffen, haben wir in 14 Stunden 171 Kilometer zurückgelegt.
Am 17. Juni regnete es in Strömen, aber ich wollte die sechs letzten Stationen bis Srinagar trotzdem zurücklegen. Im Galopp ging es auf der geraden Straße zwischen den Pappeln der endlosen Allee dahin. Der Schmutz klatschte und spritzte empor, der Regen trommelte auf das Dach der Tonga, schwere Wolken verbreiteten tiefes Halbdunkel, und von den Bergen war keine Spur zu sehen. Das Wetter paßte gut zu der Gemütsstimmung, in der ich in Srinagar, der »heiligen Stadt« Kaschmirs am Ufer des Dschihlam, ankam. Hier wartete meiner eine Unmenge von Vorbereitungen zur Reise – nach Turkestan, so hieß es offiziell; von Tibet war nicht mehr die Rede. Die Personen, die ich an diesem ersten Tage in der Hauptstadt des Maharadscha aufsuchte, waren verreist; aber schließlich traf ich doch noch den Vorsteher des Missionshospitals in Srinagar, Dr. Arthur Neve. Er hatte 1902 meinen kranken Kosaken Schagdur behandelt und mir noch viele andere Dienste erwiesen, die mir eine unendliche Dankesschuld gegen ihn auferlegt hatten. Einer meiner besten Freunde in Indien hatte mir geraten, ich sollte den Versuch machen, den Bruder Arthurs, Dr. Ernst Neve, zu bereden, mich zu begleiten, doch nun erfuhr ich, daß auch er um die Erlaubnis, hauptsächlich wegen der Missionsarbeit um Rudok herum Westtibet besuchen zu dürfen, eingekommen und gleichfalls abschlägig beschieden worden sei; er war jetzt auf der Rückreise von der tibetischen Grenze oberhalb Leh. Dr. Arthur Neve gehört zu den Männern, die ich am meisten bewundere. Er hat der christlichen Mission in Kaschmir sein Leben gewidmet, und sein Krankenhaus ist eines der besten und am reichsten ausgerüsteten in ganz Indien. Dort arbeitet er unermüdlich Tag und Nacht, und sein einziger Lohn ist das Bewußtsein, die Leiden anderer lindern zu können.
Diesen Tag schien mir alles quer zu gehen; verstimmt langte ich wieder in Nedous Hotel an, gerade als der Gong acht Uhr ertönen ließ. Ich setzte mich an die lange Tafel zwischen etwa dreißig Herren und Damen, die mir alle ebenso fremd waren, wie ich ihnen. Aber in einigen Gruppen wurde von mir gesprochen.
»Haben Sie schon gehört, daß Hedin in Srinagar ist?«
»Nein, wirklich? Wann ist er denn angekommen?«
»Heute! Er will gewiß nach Tibet.«
»Ja, aber es ist ihm verboten worden, und die Regierung hat Befehl, zu hindern, daß er über die Grenze geht.«
»Nun, dann kann er ja um Tibet herumgehen und von Norden her eindringen.«
»Ja, das hat er schon früher getan und wird gewiß wieder einen Weg finden.«
Es war äußerst unbehaglich, diese Unterhaltung anhören zu müssen, und ich ertrank beinahe in meinem Suppenteller. Ich konnte kaum begreifen, wieso von mir die Rede war. Mir war, als seien sie dabei, die Träume und Illusionen meiner Seele zu zerlegen und einzeln mit Namen zu etikettieren, während mein Leib an der Table d'hôte saß und Suppe löffelte. Als wir glücklich beim Kaffee angelangt waren, verschwand ich lautlos, und aß von nun an stets auf meinem Zimmer. Meine Lage war und blieb tatsächlich so, daß ich jegliche Berührung mit Engländern vermeiden mußte; sie durften mir keinerlei Dienst erweisen, und ich wollte meine wirklichen Pläne keinesfalls verraten. Welch ein Unterschied gegen meine früheren Reisen, die ich stets von russischem Gebiet aus unternommen, wo jeder, vom Zaren bis zum untersten Tschinownik, alles getan hatte, um meine Reise zu erleichtern!
Am nächsten Tag besuchte ich den Privatsekretär des Maharadscha, den Punditen Daya Kischen Kaul, einen stattlichen, distinguierten Herrn, der die englische Sprache fehlerlos schreibt und spricht. Er durchlas aufmerksam meinen Empfehlungsbrief und versprach mir liebenswürdig, daß er alles so schnell wie möglich besorgen werde. Im Laufe des Gesprächs machte er sich Notizen; noch am selben Tage sollten seine Agenten Befehle erhalten, sollten Maulesel angeschafft, vier Soldaten zu Begleitern auf meiner ganzen Reise beordert, Proviant, Zelte und Packsättel gekauft werden, und er werde sich ein Vergnügen daraus machen, alle meine Wünsche zu erfüllen. Niemand solle eine Ahnung davon haben, daß es meinetwegen geschehe; das Ganze könne in dem schwerfälligen Apparat verschwinden, der unter der Rubrik »Hofhaltung des Maharadscha« gehe. Und Daya Kischen Kaul hielt Wort und wurde mein Freund. Schnell ging es nicht, aber es ging. Über Tibet wurde kein Wort gesprochen; ich rüste mich zu einer Reise nach Ostturkestan, hieß es, aber sein vielsagendes Lächeln sagte mir, daß er meine Absicht durchschaute.
Selbst bei einer Operationsbasis, wo man volle Freiheit hat, ist es nicht ganz leicht, eine Karawane marschfertig zu machen; wieviel schwerer hier, wo ich überall von Intrigen und politischen Scherereien umgeben war. Aber das stachelte meinen Ehrgeiz und meine Arbeitskraft, und ich war sicher, daß mein Plan schließlich trotz alledem gelingen werde. Alles erinnerte an ein Theaterstück, dessen Personenverzeichnis unendlich lang ist; die Verwicklung war großartig, ich sehnte mich nur nach eigentlicher Handlung. Ein Akt davon spielte sich in Srinagar ab, und ich kann ihn nicht ganz übergehen, da er später ein Nachspiel haben sollte.
Nachdem mir alles andere von London abgeschlagen worden war, stand mir nur noch der Weg nach Ostturkestan offen. Am 22. Juni erhielt ich vom Residenten Oberst Pears folgenden Brief:
Die indische Regierung hat mir telegraphisch befohlen, Sie die Grenze zwischen Kaschmir und Tibet nicht überschreiten zu lassen. Gegen Ihre Reise nach Chinesisch-Turkestan hat sie aber nichts einzuwenden, da sie es für selbstverständlich hält, daß Sie im Besitze eines chinesischen Passes sind. Da Sie mir nun neulich mitgeteilt haben, daß Sie ein solches Dokument nicht besitzen, habe ich an die indische Regierung telegraphiert und um weitere Instruktionen gebeten.
Nun telegraphierte ich an den schwedischen Gesandten in London, den Grafen Wrangel, und bat ihn, mir einen Paß zu verschaffen – und zwar für Ostturkestan, ein Land, das ich im Leben nicht zu besuchen gedachte – und unterrichtete dann die Regierung in Simla von diesem Schritt und von der zustimmenden Antwort. Neunzehn Tage darauf erhielt ich folgenden Brief von Sir Francis Younghusband, der mittlerweile als neuer Resident in Kaschmir eingetroffen war:
Ich habe von der Regierung ein Telegramm erhalten, worin mir mitgeteilt wird, daß Sie vor Eintreffen des chinesischen Passes aufbrechen dürfen, aber vorausgesetzt, daß Sie nicht über Leh hinaus gehen. Sobald aber die chinesische Regierung oder der schwedische Gesandte (in London) telegraphiert, daß Ihr Paß ausgefertigt ist, können Sie die chinesische Grenze auf Ihre Gefahr überschreiten; Ihr Paß wird Ihnen dann nachgeschickt.
Nun telegraphierte ich wieder an den Grafen Wrangel, er möge die indische Regierung darüber aufklären, daß der Paß mir wirklich bewilligt worden und schon unterwegs sei. Er war schließlich auch schon in Leh, als ich dort ankam, und hatte bereits auf mich gewartet. Alles das war eine reine Formalität, denn ich bedurfte seiner gar nicht, und wo die Grenze zwischen Ostturkestan und Tibet ist, das hätte erst noch festgestellt werden müssen! Chinas Vertreter in London sprach dem Grafen Wrangel später seine Verwunderung darüber aus, daß ich mit einem für Ostturkestan ausgestellten Passe in Tibet umherreise, Graf Wrangel aber antwortete ihm sehr richtig, daß er unmöglich mich und die Straßen, die ich in Asien gehe, kontrollieren könne! Die englische Regierung hatte das ihrige getan, mir die Reise durch Tibet unmöglich zu machen, und so blieb mir kein anderer Ausweg übrig, als meine Gegner zu überlisten. Wie mir dies gelungen ist, wird man aus dem Inhalt dieses Buches ersehen.
An einem der ersten Tage besuchte ich in Begleitung Daya Kischen Kauls den Maharadscha von Dschamu und Kaschmir, Sir Pratab Sing, dessen Bruder Emir Sing auch zugegen war. Seine Hoheit ist ein kleiner Mann in mittleren Jahren, von träumerischem, melancholischem Aussehen (Abb. 8); er empfing mich mit der größten Freundlichkeit und versprach, meinen Wünschen in jeder Beziehung entgegenzukommen. Er hatte von meiner Wüstenreise im Jahre 1895 gehört, und als ich ihren Verlauf erzählte, hatte ich bei ihm gewonnenes Spiel; es freue ihn, versicherte er, die neue Reise von seinen Staaten ausgehen zu sehen.
8. Seine Hoheit Sir Pratab Sing, Maharadscha von Kaschmir und Dschamu.
Am 29. Juni war ich zu einem großen Fest bei dem Maharadscha eingeladen, zur Kaisergeburtstagsfeier. Der Geburtstag des Königs von England fällt auf den 9. November, aber der Kaiser von Indien ist am 29. Juni geboren! Wie das zugeht, weiß ich nicht. Zur festgesetzten Zeit begab ich mich zu Younghusband, und am Kai des Residenzgebäudes holte uns eine »Schikara« des Maharadscha ab, ein langes, prächtig geschmücktes Boot mit weichen Polstern und einem Zeltdach mit herabhängenden Fransen und Quasten, das von etwa zwanzig Ruderern in leuchtend roten Anzügen bedient wurde. Schnell und lautlos gleiten wir den Dschihlam hinunter, sehen Paläste, Häuser und dichte Haine sich malerisch in seinen kreisenden Wasserwirbeln spiegeln (Abb. 9), sausen an zahlreichen Hausbooten und Kähnen vorbei und halten eine Strecke unterhalb der Brücke an der Treppe des Palastes (Abb. 10), auf deren unterster Stufe uns Emir Sing in der roten Uniform eines Generalmajors empfängt. Auf der oberen Plattform der steinernen Treppe erwartet uns der Maharadscha selber. Und dann mischen wir uns unter das bunte Gewühl von Engländern und Eingeborenen, die sich alle nach Kräften herausgeputzt haben. Darauf wird die Cour abgehalten; in langem Gänsemarsch defilieren alle vorüber, und Seine Hoheit verteilt freundlich Händedrücke und nickt mit dem Kopfe. Dann darf man sich in der gleichen Ordnung auf aufgereihte Stühle niederlassen, ganz wie im Theater. Lange dauert das Ausruhen aber nicht, denn bald wird gemeldet, daß das Diner bereit stehe, und nun nehmen wir vorlieb mit dem, was Küche und Keller bietet. Nach Beendigung der Mahlzeit traten der Maharadscha, sein Bruder und dessen kleiner Sohn, der Thronfolger, in den Saal und nahmen in einer Gruppe in der Mitte der Tafel, an der wir saßen, Platz. Der Maharadscha brachte ein Hoch auf den Kaiser-König aus, ein Zweiter sprach auf Younghusband, und dieser dankte in feiner, zum Teil humoristischer Antwort. Dann wurden die Gäste gebeten, sich auf einen mit plumpen Säulen versehenen Altan hinauszubegeben, von wo aus man einem sprühenden Feuerwerke zusah. Zwischen Sonnen und bengalischen Flammen stiegen aus Booten, die auf dem Flusse verteilt waren, Raketen und Schwärmer in die Luft, und am anderen Ufer las man in roten Lampions: » God save the King-Emperor.« Man hatte es weniger auf Geschmack und Eleganz als auf Knalleffekte abgesehen, es knallte und sprühte in allen Ecken und Winkeln, und das Ganze machte den Eindruck unentwegter Loyalität. Als wir wieder zum Boote hinuntergingen, lag die ganze Gegend in Dunkel gehüllt; nur die Schloßfassade strahlte noch zwischen ihren Säulenreihen im hellsten Lichte. Wir ruderten stromaufwärts und erfreuten uns einer schöneren und stilleren Illumination: der Mond zog goldene Schlangenlinien in den Wellen des Flusses, und über den Gebirgen am Horizont zuckten ununterbrochen bläuliche Blitze.
9. Am Dschihlam in Srinagar.
10. Palast Sr. Hoheit des Maharadscha von Kaschmir und Dschamu in Srinagar.
Der Pundit Daya Kischen Kaul war wirklich in seinen Freundschaftsdiensten unermüdlich. Er besorgte mir 40 Maulesel, die er dem Radscha von Poonch abkaufte; vier davon sonderte ich aus, die übrigen waren in brauchbarem Zustande, aber sie waren von einer weniger kräftigen Rasse als die tibetischen und gingen denn auch sämtlich in Tibet zugrunde. Er verschaffte mir auch eine Eskorte von vier Soldaten, die im Dienste des Maharadscha gestanden hatten ( Abb. 15). Zwei von ihnen, Ganpat Sing ( Abb. 13) und Bikom Sing, waren Radschputen und sprachen Hindi; sie hatten Zeugnisse über gute Führung, und der erstere trug eine Verdienstmedaille. Ebenso wie der Koch Manuel erklärten auch sie sich bereit, das Leben für mich zu opfern, aber ich beruhigte sie mit der Versicherung, daß unser Feldzug schwerlich so blutig werden dürfte. Glücklicherweise gehörten sie beide derselben Kaste an, so daß also für sie gemeinsam gekocht werden konnte, aber mit anderen Sterblichen durften sie natürlich nicht zusammen speisen. Im Lager sah ich sie denn auch immer eine gute Strecke von den anderen entfernt an ihrem eigenen kleinen Feuer sitzen.
Abb. 13 und 15 fehlen
Die beiden anderen waren Pathanen (Afghanen), Bas Ghul aus Kabul und Khairullah Khan aus Peschawar. Daya Kischen Kaul versah sie auf meine Kosten alle mit Gewehren und Munition, und ihr Sold wurde vereinbart. Sie erhielten auch Geld zu ihrer Ausrüstung, und ich bereitete sie darauf vor, daß es kalt werden dürfte. Mein liebenswürdiger Wohltäter besorgte mir auch Zelte, Sättel, Packsättel und eine Menge anderer notwendigen Dinge. Inzwischen machte ich selber Einkäufe in den Basaren, ich erstand etwa zwanzig Jakdane, kleine, mit Leder bezogene Holzkisten, wie man sie in Turkestan gebraucht, Küchengerät und Kasserollen, Pelze, gewöhnliche Decken und Friesdecken, ein Zeltbett mit Matratze und Guttaperchaunterlage, warmes Zeug und Baschliks, Mützen, Kaschmirstiefel, Zigarren, Zigaretten und Tabak für ein Jahr, Tee und mehrere hundert Konservendosen; ferner Zeugstoffe, Messer, Dolche und dergleichen, die zu Geschenken bestimmt waren, und unzählige andere Dinge.
Bei allen Einkäufen und Vorbereitungen zum Transport hatte ich an Cockburns Agency eine unschätzbare Hilfe. Sie besorgte mir die Vorräte an Reis, Mais, Mehl und Gerste; denn es war ausgeschlossen, in Leh zureichende Mengen davon aufzutreiben. Sie richtete auch den Transport dieses schweren Gepäcks zweckmäßig ein, und ich hatte allen Grund, mit ihren Anordnungen zufrieden zu sein. Ein Boot mit Rudern, Steuer, Mast, Segeln, Rettungsringen und Schwertern brachte ich selber mit in den großen Frachtkisten, die nach Indien vorausgesandt waren. Dazu dieselben wissenschaftlichen Instrumente wie das vorige Mal, ein Universalinstrument, zwei Chronometer, meteorologische Instrumente, Kompasse, photographische Apparate mit Platten, Schreibblöcke, Skizzen- und Notizbücher, Schreibmaterial, Feldstecher, Jagdflinten, Revolver usw.
Burroughs Wellcome in London war so freundlich gewesen, mir als Geschenk eine außerordentlich vollständige Apotheke zu schicken, die an und für sich ein Kunstwerk an Geschmack und Eleganz und in ihrer Zusammensetzung für ein hohes, kaltes und trocknes Klima bestimmt war. Alle Arzneimittel waren in Tablettenform, gut und systematisch verpackt und mit Hilfe eines gedruckten Katalogs leicht zu finden. Das Ganze war sorgfältig in einem sehr hübschen Aluminiumkasten untergebracht, der wie Silber glänzte. Der Apothekenkasten war von der ersten Stunde an in der Karawane außerordentlich populär, alle hatten zu ihm blindes Vertrauen. Ich habe den Verdacht, als ob manche Leiden nur aus Sehnsucht, den Kasten wieder zu sehen, erdichtet worden sind. Jedenfalls enthielt er die vorzüglichste Reiseapotheke, die ich kenne.
Einige Schwierigkeiten machte es mir, einen Gehilfen für die meteorologischen Beobachtungen zu finden. An der Zentralanstalt in Simla gab es keinen; ich wandte mich daher an die meteorologische Station in Srinagar, deren Chef mir einen Jüngling empfahl, der dort auf der Station Gehilfe gewesen und auf den Namen Rufus getauft, im übrigen aber ein dicker Bengali war, der stets mit einem Regenschirm umherspazierte, selbst wenn es nicht regnete. Seine Beleibtheit genierte mich weniger, die würde ich ihm auf den Bergen bald abgewöhnen; aber schlimmer war, daß er zweifellos noch nie einen Aneroidbarometer gesehen hatte, und ich ihm das Ablesen eines solchen Dinges durchaus nicht beibringen konnte. Er wurde daher wieder verabschiedet, denn schlimmstenfalls konnte ich die Instrumente selber ablesen, wenn ich auch mehr als genug anderes zu tun hatte.
Da fand sich im rechten Augenblick ein dreiundzwanzigjähriger Eurasier, der Sohn eines Europäers und einer Indierin, namens Alexander Robert ( Abb. 14). In seinem ersten Briefe an mich gab er mir keinen anderen Titel als den sehr richtigen »Fremdling in Srinagar«; das ließ auf Bescheidenheit schließen. Er kam zu mir ins Hotel, zeigte mir seine Zeugnisse, die alle vortrefflich waren, und machte selber einen angenehmen, gesunden und kräftigen Eindruck. Unter anderm hatte er in Peschawar bei der Eisenbahn gedient und war Assistent in Doktor Neves Spital gewesen. Doktor Neve empfahl ihn aufs wärmste, und da er überdies schon nach einer einzigen Lektion mit den Instrumenten völlig vertraut war und zu ihrer gewissenhaften Handhabung und Ablesung nur noch einige Tage Übung in Srinagar brauchte, war ich sehr froh, ihn anstellen zu können. Allerdings ließ er eine Mutter und eine junge Gattin daheim zurück, aber sie litten keine Not, da er einen Teil seines Gehalts als Vorschuß ausbezahlt erhielt. Ich bereute es nicht, ihn mitgenommen zu haben, denn er war kenntnisreich, tüchtig, heiter und zu jeder Arbeit willig. Als ich ihn näher kennen gelernt hatte, vertraute ich seiner Obhut die ganze Reisekasse an und konnte es ohne Bedenken tun, denn seine Ehrlichkeit war über allen Zweifel erhaben. Mir wurde er ein Gesellschafter während der langen Winterabende, in der Karawane und bei den Tibetern ward er der Liebling aller, und er wachte sorgfältig darüber, daß jeder seine Pflicht tat. Robert machte mir nur ein einziges Mal Kummer, als er mich im Dezember 1907 infolge trauriger Nachrichten, die er, über Gartok, von seinen Angehörigen erhalten hatte, verließ.
Abb. 14 fehlt im Buch
Nachdem sich Robert angeschlossen hatte, ging alles leichter. Er beaufsichtigte das Einpacken der Bagage und das Abwiegen in gleichmäßige Lasten und half mir beim Verstauen und Verteilen der schweren Geldsäcke, die 22 000 Silberrupien und 9000 Goldrupien enthielten. So gingen die Tage hin, und endlich schlug die Stunde der Befreiung; ich hatte mich nach ihr gesehnt wie nach einem Hochzeitsfeste und die Stunden bis zu ihrem Eintreten gezählt. Ich nahm Abschied von meinem alten Freunde Younghusband, der mir im letzten Augenblick noch einen Karawanenführer, Muhamed Isa in Leh, empfahl, und sagte auch dem Maharadscha, Emir Sing, Daya Kischen Kaul und Frau Annie Besant, die mir bei mehreren Gelegenheiten große Freundlichkeiten erwiesen hatte und mir die besten, aufrichtigsten Wünsche mit auf den Weg gab, Lebewohl.
Die Leute erhielten Befehl, sich am 16. Juli 1906 morgens 5 Uhr auf dem Hof des Hotels (Abb. 17) bereit zu halten; der Aufbruch sollte keinen Tag später erfolgen, ich hatte jetzt lange genug gewartet. Daß einige Stunden erforderlich sein würden, um alles zum erstenmal marschfertig zu machen, war klar. Schon um acht Uhr kamen denn die Männer von Poonch mit ihren Mauleseln, aber nur, um mir zu erklären, daß sie jeder fünf Rupien zu neuen Anzügen haben müßten! Das Einkäufen dieser Kleidungsstücke nahm vier weitere Stunden in Anspruch, und am Nachmittag waren die Vorbereitungen erst so weit gediehen, daß nur noch das Aufladen zu besorgen war. Noch einige Stunden vergingen, bis die Packsättel und die Lasten angepaßt waren. Die Maulesel waren sehr aufgeregt, sie tänzelten, drehten sich im Kreise und schlugen aus, daß die Kisten nur so umherflogen, und schließlich mußte jeder Esel von einem einzelnen Mann geführt werden ( Abb. 18). Die gemieteten Pferde waren vernünftiger. Manuel bot auf seinem Gaule einen etwas komischen Anblick; er hatte noch nie auf einem Pferde gesessen und sah höchst furchtsam aus; sein schwarzes Gesicht glänzte in der Sonne wie poliertes Gußeisen. Die ganze Gesellschaft wurde von mindestens einem halben Dutzend Amateurphotographen aufgenommen ( Abb. 19). Endlich ging es gruppenweise fort, genau zwölf Stunden zu spät, aber nun war doch wenigstens der lange Zug auf dem Wege nach Ganderbal und Tibet – und das war die Hauptsache. Was lag daran, wieviel Uhr es war! Mit einem Gefühl, als gingen die Tore eines Gefängnisses vor mir auf, sah ich die Meinen die Straße hinabziehen – und die ganze Welt lag offen vor mir.
17. Vor Nedous Hotel in Srinagar.
18. Die beladenen Maultiere. 1
19. Eine Amateuraufnahme in Srinagar.
Von allen diesen Männern wußte keiner, wie es in mir glühte; sie kannten mich nicht, und ich kannte sie nicht; sie kamen aus Madras, Lahore, Kabul, Radschputana, Poonch und Kaschmir, ein ganzer Orientalistenkongreß von Abenteurern, die aufs Geratewohl zusammengewürfelt worden waren. Sie konnten ebensowohl Räuber und Banditen sein wie etwas anderes, und von mir konnten sie glauben, daß ich ein gewöhnlicher »Schikari Sahib« (Jagdliebhaber aus Europa) sei, dessen Gehirn mit keinem anderen Ideal als einem Rekord auf Gehörne des Ammonschafes möbliert ist. Fast mitleidig sah ich ihrem Aufbruch zu und fragte mich, ob es ihnen allen wohl vergönnt sein werde, zu Frau und Kind heimzukehren! Aber keiner war ja gezwungen, mir zu folgen, und auf eine anstrengende Kampagne von anderthalb Jahren hatte ich sie vorbereitet. Was hätte es mir auch genützt, wenn ich sie jetzt schon geängstigt und ihnen den Teufel an die Zeltwand gemalt hätte? Die schweren Tage würden schon noch kommen.
Am meisten tat es mir jedoch um die Tiere leid, denn ich wußte, daß ihnen eine Hungerkur bevorstand. Soweit sich Gelegenheit fand, sollten sie sich gründlich an Mais und Gerste sattfressen, damit sie nachher möglichst lange von ihrem Fette leben könnten.
Schließlich stand ich allein noch auf dem Hofe, fuhr nach Dal-där-vaseh, an dessen steinerner Treppe mich ein langes, schmales Fünfrudererboot erwartete, setzte mich ans Steuer, das Boot stieß ab, und nun erst war ich auf dem Wege zum Verbotenen Lande. Meine ganze lange Hinreise durch Persien und Belutschistan war nur ein Prolog gewesen, der eigentlich weiter keinen Zweck gehabt, als mich in das Spinnennetz geraten zu lassen, worin ich mich in Indien fangen sollte. Jetzt aber war ich frei, außer dem Bereich alles dessen, was Regierung hieß; jetzt durfte ich selber regieren!
Der Kanal, auf dessen blankem Spiegel wir dahinglitten, wimmelte von Wasserpflanzen, Enten und von Kähnen, die beinahe unter der Last der Landesprodukte sanken. An den Ufern hockten waschende Frauen, und hier und dort badete eine Schar lustiger Kinder; sie kletterten auf die Vorsprünge und Anlegeplätze hinaus, ließen sich in den Kanal plumpsen, plätscherten und spritzten Wasser wie kleine Walfische. Unser Boot schrammt gegen den Grund, die Ruderer steigen aus und ziehen es über die seichten Stellen weg. Auf beiden Seiten erheben sich malerische Häuser von Stein oder Holz, eine Straße Venedigs. An jeder Biegung fällt der Blick auf ein neues, den Pinsel reizendes Motiv, das durch die bunte Staffage, die Vegetation und die leichten lanzettförmigen Kähne noch wirkungsvoller wird. Auch die Beleuchtung ist herrlich in der untergehenden Sonne, die alles mit ihrem warmen, feurigen Lichte überflutet und die Konturen scharf aus den dichten Schatten hervortreten läßt. Zwischen den Häusern ist das Wasser schwarz wie Tinte. Wir nähern uns dem kleinen, vorspringenden Berge, hinter dem der Weg nach Kangan und Leh hinaufführt. Seitenarme münden in den Kanal, wir aber rudern auf einen See hinaus, der Antschar heißt; sein Wasser ist graublau und kommt vom Sind, oder Sänd, wie sie den Namen des Flusses hier aussprechen.
Nach einer Weile verraten Stromwirbel und Sandbänke, daß wir uns auf dem Flusse befinden. Die Sonne ist untergegangen; der Sommerabend ist still und voller Frieden, nur die Mücken summen über dem Wasser.
Obgleich mit Anspannung aller Muskeln taktfest gerudert wird, geht es nur langsam vorwärts, denn die Strömung liegt uns stark entgegen. Dafür erhält man Gelegenheit, in eine ganze Reihe englischer Häuslichkeiten hineinzugucken, wie sie sich in den zahlreichen Hausbooten abspielt. Es geht auf neun Uhr, und überall sitzt man im kleinen, behaglichen Kreise, in Frack und eleganter Toilette, bei Tisch. An einer Tafel saßen drei junge Damen, die wohl mit ihrer Toilette des Guten etwas zu viel getan hatten, da weit und breit keine Spur von einem Ritter zu sehen war, der sich an dem Anblick hätte erfreuen können. Aus den geöffneten Fenstern fiel das Lampenlicht grell über den Fluß; man sah uns vorbeifahren und zerbrach sich wohl den Kopf über die Veranlassung eines so späten Besuchs. Jetzt zeigen sich Ganderbals hundertjährige Platanen; wir rudern in einen Arm mit stillstehendem Wasser hinein und landen.
Dies war meine erste Tagereise, aber der Tag war noch lange nicht zu Ende. Kundschafter wurden ausgesandt, aber keine Seele ließ sich auf dem verabredeten Halteplatz blicken. Wir lassen uns zwischen gewaltigen Baumstämmen nieder und zünden ein loderndes Signalfeuer an. Nach einer Weile taucht wie ein Wegelagerer Bas Ghul im Schein der Flammen auf; er führt ein Mauleselpaar, und um zehn Uhr lagern auch Robert und Manuel an unserem Feuer. Aber die Zelte und die Küche sind noch nicht da. Um elf Uhr wurden wieder Kundschafter ausgeschickt, von denen aber vor Mitternacht nichts wieder zu hören und zu sehen war; sie berichteten, die Karawane sei in gutem Zustand und werde bald kommen. Als es aber ein Uhr war, mußte wieder ein Späher in der Dunkelheit verschwinden, und erst ein Viertel auf drei kamen endlich meine Leute, nachdem ich volle fünf Stunden auf sie gewartet hatte. Ich war jedoch durchaus nicht ärgerlich. Neue Feuer und Pechfackeln wurden angezündet; sie beleuchteten hell die unteren Äste der Platanen, und zwischen deren dunkeln Kronen funkelten die Sterne über unserem ersten Lager auf dem Wege nach Tibet.
Was für ein Unwesen und Lärm in diesem Gedränge von Menschen und Lasttieren! Der Platz glich einem Jahrmarkt, wo alle poltern und schreien und keiner zuhört. Die Eskorte versuchte sich vergeblich Gehör zu verschaffen, die Radschputen waren ruhiger, aber die Pathanen hausten wie die Wilden zwischen den ungehorsamen Kaschmiris und den mutwilligen Männern von Poonch. Die Tiere wurden etwas entfernt voneinander durch weit gespannte Stricke mit den Füßen an die Bäume gefesselt, und auf einem kleinen, ebenen Fleck wurden zum erstenmal die Pflöcke, die meine Zeltstangen halten sollten, in den Erdboden geschlagen. Das Zelt hatte mein Freund Daya Kischen Kaul mir geschenkt, es wurde auf lange Zeit hinaus mein Heim. Das Gepäck wird zu Mauern von Proviantsäcken und Kisten aufgestapelt, und Manuel kann sich endlich über die Küchenausrüstung hermachen und packt das Emaillegeschirr aus. Die Tiere wiehern und stampfen und geben ihren Nachbarn gelegentlich einen kameradschaftlichen Schlag mit den Hinterbeinen, doch als die Gerstenbeutel umhergetragen und ihnen um den Hals gehängt werden, lassen sie behagliches Wiehern hören, das Ungeduld und guten Appetit verrät. Und dann diese Kinder des Ostens, diese Sammlung dunkelhäutiger Männer, die mit hohen weißen Turbanen im roten Feuerschein einherschreiten – welch ein schönes, fesselndes Bild auf dem Hintergrund einer undurchdringlich finstern Nacht; ich lächelte verstohlen, wenn ich sie bei ihren tausendfachen Geschäften hin und her eilen sah.
Nun aber steht das »Mittagessen« in dem erleuchteten Zelt bereit, ein Kistendeckel dient als Tisch. Ein Teppich, ein Bett und die zwei Kisten mit den täglichen Bedarfsgegenständen bilden die ganze Einrichtung, dazu die jungen Hunde. Es sind ihrer drei, zwei davon Hündinnen ( Abb. 11). Es sind Parias, sie wurden in Srinagar von der Straße fortgelockt und haben keine Spur von Religion. Robert und ich, die wir stets englisch sprechen, nennen den weißen und den gelben einfach »Puppy«; der dritte erhielt bald den Namen »Manuels Freund«, denn Manuel und er hielten immer zusammen.
Abb. 11 fehlt im Buch
Und diese ganze Gefolgschaft, die sich durch das Spiel des Zufalls um mich gesammelt hatte, sollte einer nach dem andern auch wieder wie Spreu vor dem Winde zerstreut werden! Ich selber war der einzige, der sechsundzwanzig Monate später wieder in Simla ankam, und der letzte von all den Männern und Tieren, die nun unter Ganderbals Platanen in tiefem Schlafe lagen.
Aber ich war nicht der letzte, der sich in dieser ersten Nacht zur Ruhe legte, denn als ich um drei Uhr endlich mein Licht auslöschte, spielte noch der Feuerschein auf der Zeltwand, und das frische Leben da draußen in Asien strömte zu mir herein wie ein kühlender Hauch von Tannenwäldern und Bergen, von Schneefeldern und Gletschern und von freien, weiten Hochebenen, wo meine Pläne in Taten umgewandelt werden sollten. Würde ich je ermüden? Ja, werde ich dessen jemals überdrüssig werden?!