Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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167.

Leeds, den 30. Oktober 1881.

Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß das Geschäft seit kurzer Zeit wieder glänzend geht. Letzte Woche hatten wir zwei aufeinanderfolgende Tage, an denen sechzehn Dampfmaschinen bestellt wurden. Dies ist natürlich eine Ausnahme, aber daß solche Ausnahmen kommen, ist das merkwürdige an der Sache. Denn vor zwei Monaten, als die englische Ernte zum fünftenmal in Regen und Stürmen zugrunde ging, sahen wir einer höchst bedenklichen Zeit entgegen. Das Verkaufen von Dampfpflügen in England ist vielleicht auf Jahre hinaus zu Ende. Die englischen Landwirte sind bankrott, und ehe die Verhältnisse gründlich umgewandelt sind und neues Blut und neues Geld in die landwirtschaftlichen Kanäle fließt, ist keine Besserung zu erwarten. Es ist anders in der übrigen Welt, und Bestellungen aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich, Rumänien, Australien, Indien und Peru zeigen, daß die Dampfpflügerei fortschreitet, wenn sie auch die Welt nicht im Sturm erobert, wie John Fowler seinerzeit und wir alle im ersten Jugendmut mit Bestimmtheit erwartet hatten.

Im Innern der Fabrik ist nicht alles, wie es sein sollte. Die Bestellungen sind allzu reichlich eingelaufen; dabei sind wir mit allem in peinlichen Rückstand geraten. Die Ursache hiervon ist, daß wir in letzter Zeit eine Anzahl unsrer besten Arbeiter verloren, die die rücksichtslose Behandlung seitens der jungen Greigs nicht ertragen. Dies hat auch auf meine eignen Aufgaben schon da und dort einen unheilvollen Einfluß gehabt. Über kurz oder lang muß es wohl zu einem Kampf zwischen mir und den Jungen kommen; manchmal sage ich mir: je bälder, je lieber. Doch ist es wohl meine Pflicht, als der Ältere, länger kühles Blut zu bewahren als das junge Volk. Daß der alte Greig, der in andern Beziehungen kein allzu zärtlicher Vater ist, nicht begreift, erklärt sich aus seinem Gesundheitszustand, der zeitenweise zu ernster Besorgnis Veranlassung geben könnte, wenn man im Wirbelsturm des Geschäftslebens für derartige Kleinigkeiten noch Sinn und Verständnis behielte.

Wenn die Werkstätten mit »legitimem« Geschäft, wie wir es zu nennen belieben, überfüllt sind, so ist es mit experimentellen Arbeiten zum Verzweifeln. Seit Monaten warte ich auf einen, wie ich mir einbilde, höchst wichtigen Vorwärmer für Dampfpflugkessel, ebenso auf eine patentierte Schiebersteuerung für Lokomotiven, desgleichen auf eine Maschine für Preßluft. Das alles treibt sich längst in den Werkstätten umher. Ich schimpfe und trutze, ich predige mir Geduld im Innern und trage die größte Ungeduld zur Schau. Aber es hilft nichts. Manchmal scheint mir selbst Absicht in der Art der Behandlung dieser Dinge zu liegen. An Tagen, an denen meine Verdauung etwas gestört ist, was ja in den bestgeregelten Haushaltungen vorkommt, gehe ich so weit, davonlaufen zu wollen, und mache Lebenspläne, wie ich als pensionierter und mit der Welt zerfallener Mechaniker italienische Landschaften skizzieren und um teures Geld meine Erfahrungen in einem sozialistischen Roman niederlegen werde. Auch das hilft nichts. Die Arbeiter versprechen mir wohl dann und wann die schleunigste Erledigung meiner Wünsche, aber ich weiß, sie können sich selbst nicht helfen und lügen mich an, weil sie mich im allgemeinen gernhaben.


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