Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Zweiter Teil. Wanderjahre
Max Eyth

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126.

Leeds, den 16. August 1879.

Schlechte Zeiten! Mißernten, Arbeiterentlassungen, üble Laune ringsum. Mich ergreift unter solchen Umständen eine unwiderstehliche Sehnsucht nach Innerafrika oder nach dem Nordpol; Ihr wißt, ich nehme das Wohin nicht so genau. Leider will der Sambesi sich vorderhand nicht rühren. Das einzig Neue, was ich von der Sache weiß, ist, daß Andradas Plan und seine umfassende Landkonzession in den Zeitungen besprochen zu werden anfängt. Dies läßt mir Zeit genug, über allgemein menschliche Fragen nachzudenken; eine nützliche, wenn auch nicht lohnende Beschäftigung.

Über den Wert verschiedener Lebensaufgaben wie die eines Livingstone und die eines bescheidenen Bäuerleins läßt sich verschiedener Ansicht sein. Was vermöchte der eine ohne den andern? Das alles ist so verflochten, daß es nur bei oberflächlicher Betrachtung des Lebens möglich ist, solche Unterschiede festzuhalten. Der Heroismus eines halbverhungerten Schuhmachers, der ums tägliche Brot seiner Kinder kämpft, ist derselbe wie der eines Napoleon, der im Kampf um seine Dynastie zugrunde geht.

Betrachtet man das Wirken eines Mannes wie Livingstone, der sich für alle Zeiten einen Namen gesichert hat, in seinen Einzelheiten, so gleicht es den kleinen Sorgen und Plagen eines gewöhnlichen Lebens in erstaunlicher Weise. Moral: daß es falsch ist, zwischen großen und kleinen Lebensaufgaben zu unterscheiden.

Die Leute, die das Glück haben, scheinbar großen zu dienen, können sich nicht genug vorhalten, wie klein sie sind, und die Kleinen nicht stolz genug sein auf ihre Größe. Das haben die alten Zünfte in ihrer gesunden Naivität so hübsch verstanden, als der Schneider mit Bewußtsein auf den Tischler herabsah, und der Schlosser den Sattler von Herzen verachtete. Die größte Lebensaufgabe ist die eigne, und bei jeder gilt es in diesen harten Zeiten, wie in Schillers Dreißigjährigem Krieg, das Leben einzusetzen, um es zu gewinnen.


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