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Louise Weiss, Souvenirs d'une enfance républicaine.

Paris: Les Editions Denoel (1937). 244 S.

Die Verf[asserin] stand als Frauenrechtlerin in der Öffentlichkeit, ehe sie mit literarischen Arbeiten hervortrat. Hinzuweisen ist auf diejenigen Erfahrungen ihrer Jugend, aus denen ihr späteres politisches Wirken hervorging. Sie machte sie auf der höheren Töchterschule. Die Kritik der Lyzealbildung ist das soziologische Kernstück des Buches. Deren Struktur wurde von dem 1880 von Camille Sée eingebrachten Gesetz über die wissenschaftliche Ausbildung der Mädchen bestimmt. Die Verf[asserin] gibt einen pittoresken Abriß der Verhandlungen, die der Annahme dieses Gesetzes vorausgingen. Man argumentierte aus den Bedürfnissen der Männer heraus, ohne sich um die Frauen zu kümmern. In der Kammer: »Wenn die höhere Mädchenbildung der laizistischen Kammermehrheit eines schönen Tages dringlich erschienen war, so war das Ausschlaggebende das Bedürfnis der republikanisch gesinnten Gatten – mittelbar also die Stabilität des Regimes.« Im Senat: »Die jungen Mädchen waren den Senatoren herzlich gleichgültig ... Ist die intellektuelle Emanzipation der Frauen ein Kraftzuwachs für die Republik?... Das war die Frage, um die der Streit ging.« Den Urhebern des Gesetzes, den Männern um Jules Ferry hatten schöngeistig ausgebildete Hausfrauen vorgeschwebt, die den beruflichen Konkurrenzkämpfen fernblieben. Die lycéennes dagegen sahen es auf die Aufnahmeprüfungen zur École de Médecine und zur École Centrale ab. Als Studentinnen standen sie oft den ultrarechten oder ultralinken Parteien näher als der Mitte, der sie ihre Bildungsmöglichkeiten zu danken hatten. Die Verf[asserin] durchschaut den gesellschaftlichen Widerspruch, der sich in der Lyzealbildung niederschlug: »Der von Camille Sée eingeschlagene Weg erwies sich als Sackgasse... Die Mädchenbildung konnte nicht bei einer der Theorie nach liberalen, interesselosen intellektuellen Schulung stehenbleiben; denn diese stand innerlich zu den Konsequenzen der liberalen Theorie, nämlich der Berufstätigkeit der Frauen in Gegensatz.« In seinen erzählenden Abschnitten eröffnet das Buch eine Fülle von Einblicken in die Denkweise der dem Regierungsapparat der jungen Republik Nahestehenden, insbesondere der liberalen Großbourgeoisie.


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