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Achtzehntes Capitel.

Elisabeth fühlte ich jetzt aller Sorgen frei, und ihre heitre Laune, zuweilen mit etwas Muthwillen untermischt, kehrte im vollsten Maaße zurück. In einer solchen Anwandlung fragte sie Darcy einst, ›wie er nur darauf gefallen sei, sich in sie zu verlieben?‹ »Ich kann wohl begreifen, daß Sie Ihren Weg ruhig fortgegangen, nachdem Sie erst den Anfang gemacht. Aber wenn und wo dieß geschehen, möchte ich gern wissen?«

»Ich kann nicht genau sagen, in welcher Stunde, an welchem Ort, durch welchen Blick oder durch welches Wort der erste Grund zu meiner Liebe gelegt wurde. Es ist zu lange her. Ich war mitten drin, ehe ich wußte, daß ich angefangen hatte.«

»Meiner Schönheit lernten Sie sehr bald widerstehen, und was mein Benehmen betrifft – so war meine Art, mich gegen Sie zu betragen, fast unhöflich zu nennen, indem ich beinahe immer nur in der Absicht, Ihnen etwas Unangenehmes zu sagen, mit Ihnen sprach. Seien Sie ein Mal aufrichtig; liebten Sie mich wegen meiner Impertinenz?!

»Die Lebhaftigkeit Ihres Geistes zog mich an.«

»Nennen Sie sie nur bei dem rechten Namen; sie war nichts mehr und nichts weniger als Impertinenz. Aber ich glaube, Sie waren es überdrüssig, immer auf Höflichkeit, Ehrerbietung und geflissentliche Aufmerksamkeit zu stoßen; es machte Ihnen Langeweile, daß die Damen durch Worte und Blicke nach Ihrem Beifall strebten. Ich interessirte Sie, weil ich so ganz anders war. Wären Sie nicht wirklich so liebenswürdig gewesen, so hätten Sie mich deshalb hassen müssen; aber trotz Ihrer Bemühung, sich zu verstellen, waren Ihre Gefühle dennoch edel und gerecht, und im Herzen verachteten Sie die Menschen, welche sich so viel Mühe gaben, Ihnen den Hof zu machen. Nicht wahr, ich habe Ihre Gesinnungen errathen? und genau überlegt, finde ich Ihr Betragen sehr vernünftig und lobenswerth. Aber von mir können Sie doch eigentlich auch nichts Gutes wissen – indeß daran denkt niemand, wenn er im Begriff steht, sich zu verlieben.«

»War Ihr liebevolles Benehmen gegen Johannen, als sie krank in Netherfield wurde, nicht gut zu nennen?«

»Ach, meine theure Johanne! wer hätte weniger für sie thun können? Doch machen Sie immerhin eine Tugend daraus. Ich empfehle meine guten Eigenschaften ihrem Schutz, und Sie dürfen sie übertreiben, so viel Sie Lust haben. Dagegen behalte ich mir vor, Sie zu necken und gelegentlich ein Bischen zu quälen, und fange gleich mit der Frage an, warum Sie so feierlich und schweigsam waren bei Ihrem ersten Besuch, so wie nachher, als Sie mit Bingley hier aßen. Weshalb wichen Sie mir aus, und thaten, als ob ich Ihnen gang gleichgültig wäre?«

»Weil Sie so still und ernsthaft waren, und mir gar keine Aufmuntrung gaben.«

»Ich war verlegen.«

»Ich nicht minder.«

»Sie hätten mehr mit mir sprechen können, als Sie den Mittag da waren.«

»Wer viel fühlt, kann nicht viel reden.«

»Aber sagen Sie mir, weshalb Sie eigentlich nach Netherfield kamen? um nach Longbourn zu reiten und verlegen zu sein? oder hatten Sie hierzu noch andre Gründe?«

»Mein wahrer Grund war, Sie zu sehen und zu prüfen, ob ich hoffen dürfte, noch einst von Ihnen geliebt zu werden. Der vorgebliche Grund, den ich mir auch selbst vorgespiegelt, war zu untersuchen, ob Johanne meinem Freund Bingley noch geneigt sei, in welchem Fall ich beschlossen hatte, ihm das Geständniß abzulegen, was auch späterhin erfolgte. Ihr Dank für das, was ich an Lydien gethan, gab mir die langersehnte Gelegenheit, mein Herz auszusprechen. Lady Katharinens unverantwortliches Bestreben, uns zu trennen, hatte von Neuem Hoffnungen in mir erregt, und ich war entschlossen, mein Schicksal aus Ihrem Munde zu vernehmen.«

»Lady Katharine ist uns hierbei sehr nützlich gewesen, welche Ueberzeugung sie ohne Zweifel glücklich machen wird, da sie so gern nützlich ist. Werden Sie je den nöthigen Muth erringen, ihr zu verkünden, was ihr bevorsteht?«

»Es fehlt mir hierzu mehr an Zeit, wie an Muth. Doch es muß geschehen, und wenn Sie mir einen Bogen Papier geben wollen, soll es augenblicklich geschehen.«

»Und wenn ich nicht selbst einen Brief zu schreiben hätte, würde ich mich neben Sie setzen und die Zierlichkeit Ihrer Handschrift bewundern, wie es einst eine andre junge Dame gethan. Aber ich habe auch eine Tante, die nicht länger vernachlässigt werden darf.«

Nicht geneigt, Mrß. Gardiner zu gestehen, daß sie ihr einen zu großen Einfluß auf Darcy's Handlungen zugetraut, hatte Elisabeth deren langen Brief bis jetzt noch gar nicht beantwortet; doch nun, da sie ihr eine so willkommene Bothschaft mitzutheilen hatte, stand sie keinen Augenblick länger an, und schämte sich fast, drei glückliche Tage verstreichen In der Vorlage: »verstrichen«. lassen zu haben, ohne zu schreiben.

»Es wäre schon früher meine Schuldigkeit gewesen, liebste Tante,« – so schrieb sie – »Ihnen für Ihren lieben, langen, ausführlichen Brief zu danken; aber die Wahrheit zu gestehen, fühlte ich mich zu wenig dazu aufgelegt. Sie vermutheten mehr als wirklich der Fall war. Doch nun lassen Sie Ihrer Fantasie freien Spielraum, vermuthen Sie so viel es nur irgend möglich ist, und Sie können nur dann irren, wenn Sie mich schon verheirathet glauben. Sie müssen bald wieder schreiben, und ihn noch etwas mehr loben, wie in Ihrem frühern Brief. Wie dankbar bin ich Ihnen für die Abkürzung Ihrer Reise! Ich thörichtes Geschöpf betrübte mich damals darüber, und doch war sie allein Schuld, daß wir nach Pemberley kamen. Ihr Wunsch, in einem zierlichen Phaeton mit zwei raschen Pferdchen um den Park herumzufahren, soll erfüllt werden. Wir wollen alle Tage in dem Park herumstreifen. Ich bin das glücklichste Geschöpf auf der Welt. Viel Menschen mögen vielleicht gleich mir schon so gesagt haben; doch gewiß nicht mit so viel Recht. Ich bin sogar glücklicher wie Johanne; sie lächelt nur, ich lache. Darcy sagt Ihnen so viel Liebes und Freundliches, als ich entbehren kann. Sie müssen sämmtlich nächste Weihnachten nach Pemberley kommen.

Ihre glückliche
Elisabeth Bennet.«

 

Darcy's Brief an Lady Katharine lautete anders, und noch verschiedener war der, der Bennet in Erwiedrung auf seines Vetters Collins Warnung nach Hunsford abgehen ließ.

 

»Verehrter Freund!

Ich muß noch einmal Ihre Glückwünsche in Anspruch nehmen. Elisabeth wird nächstens Mrß. Darcy sein. Trösten Sie Lady Katharine so gut Sie können. Wäre ich jedoch an Ihrer Stelle, würde ich mich auf die Seite des Neffen schlagen. Er hat mehr zu vergeben.

Ihr aufrichtiger Freund
Bennet.«

 

Miß Bingley unterließ nicht, Ihrem Bruder die zärtlichsten, jedoch nicht vom Herzen kommenden Glückwünsche zu seiner bevorstehenden Verbindung zu schreiben. Auch Johanne erhielt einen Brief voll Versicherungen ihrer Freude und ihres Entzückens über des theuren Carls Wahl. Johanne ließ sich nicht zum zweiten Mal täuschen, freute sich jedoch der Aussicht auf ein gutes Vernehmen, und antwortete ihr weit liebevoller als sie es verdient hatte.

Miß Georginens Freude über ihres Bruders Glück war aufrichtigerer Art. Vier Seiten reichten kaum hin, ihn davon zu versichern, und ihren ernstlichen Wunsch, die Liebe ihrer neuen Schwester zu gewinnen, auszudrücken.

Ehe noch eine Antwort von Collins, oder eine Gratulation von seiner Frau an Elisen kommen konnte, langten sie selbst in Lukas-Lodge an. Der Grund dieses schnell ausgeführten Entschlusses war leicht zu errathen. Lady Katharine war über den Inhalt des Briefs ihres Neffens dergestalt in Zorn gerathen, daß Charlotte, welche sich wirklich über die Heirath freute, es für das Beste erkannte, dem ersten Sturm aus dem Wege zu gehen. Die Ankunft ihrer Freundin war für Elisabeth in diesem Augenblick doppelt angenehm, obgleich sie bei ihren häufigen Zusammenkünften das Vergnügen oft theuer erkauft fand, wenn sie Darcy der langweiligen, förmlichen Höflichkeit ihres Vetters Preis gegeben sah. Er ertrug dieses Leiden jedoch mit bewundrungswürdiger Fassung, und vermochte es selbst, Sir William Lukas anzuhören, wenn er ihm Vorwürfe machte die schönste Perle der ganzen Grafschaft zu entführen, und seinen Wunsch aussprach in Zukunft öfterer in St. James mit ihm zusammen zu treffen. Wenn er die Achseln zuckte, geschah es immer erst, wenn Sir William sich wieder entfernt hatte.

Mrß. Philips Gemeinheit zu ertragen war noch eine härtere Prüfung für ihn; und obgleich sie sowohl wie ihre Schwester zu viel Respekt vor ihm hatten, um sich ihm so vertraulich zu nähern wie Bingley'n, dessen gutmüthige Nachsicht alles ertrug; so mußte er sie doch öfterer reden hören, und was sie sagte, war gemein. Elisabeth that, was in ihren Kräften stand, ihn vor den Angriffen der Mutter und Tante zu schützen, und gedachte mit Entzücken der Zeit, wo sie sich ungestört von solcher Gesellschaft seines Umgangs in Pemberley erfreuen würde.


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