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Dreizehntes Capitel.

Wenige Tage darauf kam Bingley allein. Sein Freund war diesen Morgen nach London gereist, von wo er ihn erst in zehn Tagen zurück erwartete. Er hielt sich wohl eine Stunde bei den Damen auf, und war äußerst heiter gestimmt. Mrß. Bennet lud ihn ein, den Mittag bei ihnen zu essen, was er jedoch, wegen eines andern Engagements, mit vielen Versicherungen des Bedauerns ablehnte.

»Ich hoffe, wir werden das nächste Mal, wenn Sie uns wieder besuchen, glücklicher sein,« sagte sie. »Doch vielleicht können Sie morgen kommen?«

Er hatte für den folgenden Tag keine Einladung, und nahm die ihrige mit Freuden an.

Bingley stellte sich so ungewöhnlich früh ein, daß die Damen ihre Toilette noch nicht beendet hatten. Mrß. Bennet kam halb angezogen in das Zimmer ihrer Tochter gelaufen, um diese, und besonders Johanne zur Eile, anzutreiben, welche jedoch nicht zu bewegen war, ohne eine ihrer Schwestern herunter zu sehen. Der Tag verstrich sehr angenehm und Bingley war glücklicher Weise so viel mit Johannen beschäfftigt, daß er der Mutter geflissentliches Bestreben, das Paar allein zu lassen, kaum bemerkte. Nach dem Thee, als Herr Bennet wie gewöhnlich in sein Studirzimmer ging und Marie ihr Instrument aufsuchte, fing sie dasselbe Manoeuvre noch ein Mal an, und hatte auch schon die jüngere Tochter unter einem scheinbaren Vorwand heraus geschickt. Elisabeth allein war noch zurück geblieben, und es bedurfte Johannens bittender Blicke nicht erst, um sie im Zimmer fest zu halten. Sie schämte sich der niedrigen Kunstgriffe ihrer Mutter, und als diese sie nach wenigen Minuten ebenfalls herausrief, wartete sie nur deren Entfernung ab, um wieder zu ihrer Schwester zu gehen.

Bingley war heiter und liebenswürdig, ertrug die Zudringlichkeit der Mutter mit guter Art und wußte ihren Bemerkungen so geschickt zu entgehen, daß der Abend ihnen allen sehr schnell verstrich. Es bedurfte nur eines Worts, um ihn zum Abendessen festzuhalten, und beim Weggehen sah er sich theils durch seine eigene, theils durch Mrß. Bennets Veranlassung auf den folgenden Morgen zu einer Schießparthie mit Herrn Bennet eingeladen.

Johanne sagte nach diesem Tage kein Wort mehr von ihrer Gleichgültigkeit, und Elisabeth legte sich mit der Ueberzeugung zu Ruhe, daß Darcy seine Einwilligung zu Bingley's Bündniß vor seiner Reise gegeben haben müsse.

Bingley stellte sich am andern Morgen pünktlich zur festgelegten Stunde ein, und brachte der Vormittag im Felde mit Herrn Bennet zu. Dieser war sehr angenehm überrascht, ihn so anspruchslos, viel gesprächiger und weit weniger excentrisch, als er ihn sonst gesehen, zu finden. Er kehrte natürlich mit ihm zum Mittagsessen zurück und folgte Mrß. Bennets Einladung, nach dem Thee ein Spiel mit ihr und ihren Töchtern zu machen, willig. Elisabeth hatte einen Brief zu schreiben und zog sich zu diesem Zweck in ihr Zimmer zurück. Als sie aber nach einigen Stunden zu den Spielenden zurückkehrte, fand sie die Parthie bereits aufgehoben, und Johannen im eifrigen Gespräch mit Bingley am Camin stehen. Sie drehten sich bei ihrem Eintritt hastig herum, und hätte sie noch einigen Zweifel über den Gegenstand ihrer Unterhaltung gehegt, so würden ihre Blicke sie jetzt darüber berichtigt haben. Die Lage der Gestörten war peinlich, Elisens jedoch noch weit mehr. Keiner sprach ein Wort, und schon stand sie auf dem Punkt, sich wieder zu entfernen, als Bingley ihrer Schwester etwas leise zuflüsterte, und hierauf schnell das Zimmer verließ.

Jetzt fiel Johanne ihr mit Thränen der Freude und der höchsten Seligkeit um den Hals und versicherte ihr, daß sie das glücklichste Geschöpf auf Erden sei.

»Es ist zu viel!« sagte sie, »mehr als ich zu ertragen vermag. Ich verdiene ein solches Glück nicht. O, warum sind nicht alle Menschen so glücklich wie ich!«

Elise hatte keine Worte, der geliebten Schwester ihre Freude auszudrücken. Sie hielten sich sprachlos umarmt. Doch nicht lange ertrug Johanne dieses Schweigen.

»Ich muß sogleich zur Mutter gehen,« sagte sie. »Es würde Unrecht sein, ihr diese frohe Botschaft auch nur einen Augenblick vorzuenthalten, oder sie durch einen Andern als mich an sie gelangen zu lassen. Bingley ist zum Vater gegangen. O, Lizzy., welch ein beglückendes Gefühl, zu wissen, daß man im Stande ist, seiner ganzen Familie Freude zu machen! wie werde ich diese Seligkeit ertragen!«

Sie eilte zu ihrer Mutter, die absichtlich die Spielparthie früher aufgehoben, und sich mit Kitty in ihr Zimmer zurückgezogen hatte.

Elisabeth lächelte über die Schnelligkeit und Leichtigkeit, womit dieses Geschäfft jetzt abgemacht worden war, welches ihnen seit mehreren Monaten so viele Sorge und Unruhe verursacht hatte.

»Dieß ist also,« sagte sie, »das Ende von seines Freundes ängstlicher Vorsicht, von seiner Schwestern Falschheit und List! Das glücklichste, klügste, vernünftigste Ende!«

Bingley's Unterredung mit dem Vater war kurz und seinen Wünschen entsprechend gewesen. Er kam sehr bald zurück, Johannen davon zu unterrichten und fand Elisen allein, auf deren Glückwünsche und Schwesternliebe er nun mit aller Wärme eines Bruders Anspruch machte. Sie drückte ihm ihre Freude über die Aussicht ihrer nahen Verwandtschaft mit herzlichen Worten aus, reichte ihm zur Besiegelung des neuen Bundes die Hand und ließ sich hierauf, bis Johanne zurückkehrte, von deren Vorzügen und Vortrefflichkeiten, so wie von seiner eignen Seligkeit erzählen.

Einen so frohen, glücklichen Abend hatte die Familie lange nicht verlebt. Bingley schwelgte im Anschauen seiner geliebten Braut, deren schöne Züge durch das Bewußtsein, den Freund ihres Herzens zum glücklichsten Sterblichen gemacht zu haben, und durch die eigene, sich zum ersten Mal laut aussprechende Liebe beseelt, noch einen höhern Reiz erlange hatten.

Kitty betrachtete das Paar mit schmachtend lächelnden Blicken, und tröstete sich mit der Aussicht, daß die Reihe nun auch bald an sie kommen müßte. Mrß. Bennet sprach ohne Aufhören, Elisabeth freute sich still, und als Herr Bennet sich späterhin zum Abendessen einfand, zeugte sein Blick und der Ton seiner Stimme, wie glücklich auch er sich fühlte. Doch erwähnte er der Sache mit keinem Wort, so lange Bingley da war, und erst nachdem er das Haus verlassen, wandte er sich zu seiner Tochter, und sagte: »Johanne, ich wünsche Dir Glück. Deiner wartet ein schönes Loos.«

Johanne küßte und umarmte ihren Vater, und dankte ihn für seine Zustimmung.

»Du bist ein gutes Mädchen;« fügte er hinzu, »und ich freue mich der Aussicht, Dich glücklich verheirathet zu sehen. Ihr werdet gut für einander passen. Eure Temperamente haben viel Aehnliches; Ihr seid Beide so nachgiebig und fügsam, daß Niemand einen Entschluß fassen wird; so leichtgläubig und gutmüthig, daß alle Dienstboten Euch betrügen werden; und so freigebig, daß Ihr weit mehr ausgeben werdet, als Ihr einzunehmen habt.«

»Das hoffe ich nicht. Eine solche Unvernunft und Gedankenlosigkeit in Geldangelegenheiten würde bei mir unverzeihlich sein.«

»Mehr ausgeben als sie einnehmen!« rief Mrß. Bennet. »Liebster Mann, was denkst Du nur? Hat er nicht vier oder fünftausend des Jahrs?« Dann wandte sie sich zu ihrer Tochter. »O, Johanne! ich bin so glücklich, das ich diese Nacht gewiß kein Auge schließen werde. Aber ich sagte doch immer, daß es so kommen würde; ich wußte, daß Du ihm allein gefallen konntest. Wer steht Dir auch gleich an Schönheit! Und er ist Deiner auch in dieser Hinsicht würdig; er ist der schönste Mann, den meine Augen je gesehen.«

Wickham und Lydia waren ganz vergessen; Johanne sah sich plötzlich zum Rang der Lieblingstochter erhoben, der alle andern nachstehen mußten. Ihr jüngern Schwestern bemühten sich jetzt auch mehr um ihre Gunst. Marie bat um die Erlaubniß, die Bibliothek in Netherfield benutzen zu dürfen, und Kitty wenigstens um zwei Bälle jeden Winter.

Bingley war von diesem Augenblick an natürlich täglich in Longbourn anzutreffen. Er kam gewöhnlich schon vor dem Frühstück und blieb bis nach dem Abendessen, wenn nicht irgend ein barbarischer Nachbar ihn zum Mittag eingeladen hatte, was er aus Höflichkeit nicht abzuschlagen gewagt.

Elisabeth fand unter solchen Umständen wenig Augenblicke zur Unterhaltung mit ihrer Schwester, und mußte sich damit begnügen, beiden Theilen unentbehrlich zu sein, wenn der Zufall sie auf kurze Zeit trennte. In Johannens Abwesenheit wandte sich Bingley immer nur an sie, um mit ihr über dieselbe zu sprechen, und sobald er gegangen war, sah sie sich von der Lieblingsschwester aus ähnlichen Gründen aufgesucht.

»Er hat mich sehr glücklich gemacht,« sagte sie eines Abends, »durch die Versicherung, daß er im vorigen Frühjahr keine Ahnung von meiner Anwesenheit in der Stadt gehabt! Ich hatte es nicht für möglich gehalten.«

»Ich vermuthete es allerdings,« entgegnete Elisabeth. »Aber wie erklärte er sich die Sache?«

»Es muß das Werk seiner Schwestern gewesen sein. Sie hatten keine Freude an seiner Bekanntschaft mit mir, worüber ich mich im Grunde auch nicht verwundern kann, wenn ich bedenke, wie er in jeder Hinsicht so viel vortheilhafter hätte wählen können. Doch wenn sie sehen, daß ihr Bruder glücklich mit mir ist, werden sie auch lernen, sich darin zu ergeben, und ich hoffe, wir werden auf einem freundlichen Fuß mit einander stehen, wenn gleich sie mir nie wieder das sein können, was sie mir früher gewesen.«

»Es freut mich herzlich, Dich so reden zu hören,« entgegnete Elisabeth, »da es mich geärgert haben würde, wenn Du Dich nochmals durch ihre falsche Freundlichkeit h attest bethören lassen.«

»Kannst Du es wohl glauben, Lizzy, daß er mich schon liebte, als er vorigen November nach London ging, und sich nur durch die Ueberzeugung meiner Gleichgültigkeit gegen ihn abhalten ließ, nach Netherfield zurückzukehren!«

»Er irrte sich in diesem Punkt ein wenig; doch macht dieser Irrthum seiner Bescheidenheit Ehre.«

Elisabeth freute sich zu bemerken, daß Bingley seines Freundes Einmischung bei dieser Gelegenheit nicht verrathen hatte; denn so versöhnlich Johannens Herz auch war, würde dieser Umstand sie doch mit einem Vorurtheil gegen ihn erfüllt haben.

»Ich bin das glücklichste Geschöpf, welches je auf Erden gelebt!« sagte Johanne. »O, Lizzy! warum bin aus unsrer Familie ich allein zu solcher Seligkeit auserkoren! Wenn ich Dich nur auch so glücklich sehen könnte! Wenn nur ein zweiter solcher Mann existirte!«

»Und wenn Du mir deren fünfzig geben wolltest, würde ich mich nicht so glücklich fühlen, wie Du. Ohne Deine Güte und Sanftmuth ist auch ein ähnliches Glück nicht denkbar. Nein, nein! laß mich nur für mich selbst sorgen. Vielleicht ist mir das Schicksal günstig, daß ich zur rechten Zeit noch einem zweiten Collins begegne.«

Die Veränderung in der Longbourn'schen Familie konnte nicht lange ein Geheimniß bleiben. Mrß. Bennet hatte Erlaubniß erhalten, Mrß. Philips davon in Kenntniß zu setzen und diese flüsterte ohne Erlaubniß ihren sämmtlichen Merytoner Freundinnen die Sache ins Ohr.

Bennets, vor wenigen Wochen, nach Lydiens Flucht als eine der unglücklichsten Familien bedauert, wurden jetzt plötzlich als eine der glücklichsten beneidet.


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