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Eilftes Capitel.

Wickham war so vollkommen befriedigt mit dieser Unterhaltung, daß er es nie wieder wagte, seine theure Schwester Elisabeth um ähnliche Dinge zu befragen, und sie freute sich, ihn durch ihre Antworten zum Schweigen gebracht zu haben.

Der Tag der Abreise kam, und Mrß. Bennet sah sich genöthigt, in eine Trennung einzuwilligen, welche, da Herr Bennet sich nicht geneigt zu einem Besuch in Newcastle erklärt hatte, wenigstens ein ganzes Jahr dauern konnte.

»Ach! meine geliebte Lydia!« rief sie – »wann werden wir uns wieder sehen?«

»Das mag der Himmel wissen. Vielleicht nach zwei oder drei Jahren.«

»Schreibe mir nur recht oft.«

»So oft ich kann. Aber Sie wissen, verheirathete Frauen haben nie viel Zeit zum Schreiben. Meine Schwestern können an mich schreiben. Sie haben ohnehin nichts Andres zu thun.«

Wickham benahm sich zärtlicher beim Abschied, als seine Frau. Er lächelte wehmüthig, sah schmachtend aus und sagte viel schöne Dinge.

»Er ist der feinste Mann,« bemerkte Bennet, nachdem er das Haus verlassen, »den ich je im Leben gesehen. »Er lächelt und sieht freundlich aus, und macht uns Allen die Cour. Ich bin ordentlich stolz auf ihn, und fordre selbst Sir William Lukas auf, mir einen vortrefflichern Schwiegersohn vorzuführen.«

Der Verlust der Lieblingstochter versetzte Mrß. Bennet Fehlendes Wort in der Vorlage ergänzt. in tiefe Betrübniß, und es vergingen mehrere Tage, ehe sie von etwas Andrem, als von ihrer Lydia zu sprechen vermochte. Dieser Zustand sollte jedoch nicht von langer Dauer sein, und sehr bald durch ein Gerücht in Freude verwandelt werden. Die Haushälterin in Netherfield hatte Befehl erhalten, sich auf die Ankunft ihres Gebieters vorzubereiten, welcher in einigen Lagen eintreffen wollte, um sich mehrere Wochen mit Jagen daselbst zu unterhalten. Mrß. Bennet gerieth durch diese Nachricht in große Bewegung. Sie lächelte, sah Johannen bedeutend an, schüttelte den Kopf, und gab ihre freudigen Erwartungen unverkennbar durch Worte kund.

Miß In der Vorlage irrtümlich »Mrß.«. Bennet war noch nicht so weit gediehen, ohne Erröthen von seiner Ankunft reden hören zu können. Seit mehreren Monaten hatte sie seinen Namen nicht gegen Elisen erwähnt; jetzt aber benutzte sie eine einsame Stunde mit der Schwester, und sagte –

»Lizzy, ich bemerkte, daß Du mich gestern beobachtetest, als unsre Tante Philips zuerst die Neuigkeit des Tages erzählte und ich weiß, daß ich betrübt aussah, aber glaube nur ja nicht, daß es aus einer albernen Ursache geschah. – Ich wurde für den Augenblick verwirrt, weil ich voraus wußte, daß alle Blicke auf mich gerichtet sein würden. Uebrigens kann ich versichern, daß mir die Nachricht weder Freude noch Schmerz verursacht hat. daß er allein kommt, ist mir lieb, weil wir ihn deshalb nicht so oft sehen werden. Nicht als ob ich für mich selbst fürchte, sondern um fremder Menschen Bemerkungen zu entgehen.«

Elisabeth wußte nicht, was sie von diesem Besuch halten sollte. Hätte sie ihn nicht in Derbyshire gesehen, würde sie selbst die Jagd für den Hauptzweck seines Kommens betrachtet haben; aber dieses Wiedersehen hatte sie von Neuem überzeugt, daß er Johannen noch nicht vergessen. Ob er aber diesen Abstecher mit seines Freundes Erlaubnis unternommen, oder kühn genug war, ohne dieselbe zu kommen, wünschte sie zu erfahren.

Mrß. Bennet hatte kaum von Bingley's erwarteter Ankunft gehört, als sie auch schon wieder in ihren Gatten drang, ihm gleich seine Aufwartung zu machen, sobald sie erfahren, daß er wirklich angelangt sei. Doch dieser Aufforderung setzte Herr Bennet ein festes, kaltes Nein entgegen, und versicherte, daß er sich durch seiner Nachbarn Kommen und Gehen nicht aus seiner Ruhe bringen lassen wolle. Vergebens bat und drohte Mrß. Bennet; er blieb bei seinem Vorsatz, und meinte, Bingley könne ihn aufsuchen, falls er Lust habe, etwas von ihm oder seiner Familie zu sehen. So blieb ihr denn nur der einzige Trost, ihn späterhin zu dem früher besprochenen Mittagsmahl einzuladen, was aber leider nicht wohl in den ersten Tagen geschehen konnte.

Bingley langte an, und Mrß. Bennet erhielt durch den Beistand ihrer und Mrß. Philips Dienstboten die erste Nachricht hiervon. Sie begann nun die Tage zu zählen, bis der Anstand erlaubte, die Einladung ergehen zu lassen, vor welcher Zeit sie keine Hoffnung hatte, ihn zu sehen. Doch wer beschreibt ihre Freude, als sie am dritten Morgen nach seiner Ankunft Bingley auf das Haus zureiten sah. Sie rief ihre Töchter auf, sich hiervon mit eignen Augen zu überzeugen. Johanne blieb unbeweglich sitzen; Elisabeth aber, um ihre Mutter zufrieden zu stellen, trat und Fenster, und erblickte Darcy an seiner Seite. Schweigend nahm sie wieder neben Johannen Platz.

»Mama, da ist noch ein andrer Herr bei ihm,« sagte Kitty; »wer mag es wohl sein?«

»Irgend ein Bekannter von ihm, vermuthe ich.«

»Er sieht aus,« fuhr Kitty fort, »wie jener Herr, der damals mit in Netherfield war, und auch zuweilen zu uns zu kommen pflegte. Wie heißt er, doch gleich, der lange Der originale Ausdruck lautet » tall«, und das kann nicht mit »lang« übertragen werden: »groß«, »hochgewachsen«., stolze Mann?«

»Großer Gott! Herr Darcy!« rief die Mutter. »Bingley's Freunde sollen mir immer willkommen sein, und als solchen werde ich auch Herrn Darcy aufnehmen, obgleich ich gestehen muß, daß sein bloßer Anblick mir schon zuwider ist.«

Johanne blickte Elisen mit dem Ausdrucke des Erstaunens und des Bedaurens an. Sie wußte von ihrem und Darcy's Zusammentreffen in Derbyshire sehr wenig und fühlte nur, wie peinlich es ihr sein mußte, ihn zum ersten Mal nach seinem erläuternden Brief wieder zu sehen. Beide Schwestern empfanden das Unbehagliche ihres Zustandes; jede dachte mit Unruhe an die Andre, und hörte nichts mehr von der Mutter wiederholten Versicherung, daß sie Herrn Darcy nicht ausstehen könne, und ihn nur als Bingley's Freund höflich empfangen wolle. Aber Elisabeth hatte noch andre Gründe, unruhig zu sein, die ihre Schwerter freilich nicht ahnen konnte; da sie bis jetzt noch nicht den Muth gehabt, ihr der Tante Brief mitzutheilen, und sie von ihren veränderten Gesinnungen zu unterrichten. Johanne sah in ihm nur den Mann, dessen Anträge sie verworfen, und dessen Werth sie verkannt. Elisabeth aber betrachtete ihn als den Wohlthäter der ganzen Familie, als den Gegenstand, der ihr kein geringeres Interesse einflößte, als sein Freund ihrer Schwester. Ihr Erstaunen über sein Kommen nach Netherfield und Longbourn läßt sich nicht beschreiben; sie fühlte sich auf ähnliche Weise überrascht, wie in Derbyshire, als sie ihn so gänzlich verändert sah.

Bemüht, die innere Bewegung zu verbergen, hatte sie sich tief auf ihre Arbeit herabgebückt, und wagte es nicht aufzublicken, als der Bediente sich der Thür näherte. Doch sie mußte wissen, wie Johanne den Augenblick der Erwartung ertrug, und fand sie zwar blässer wie gewöhnlich, doch sehr gefaßt. Beim Eintritt der Herrn erhöhete sich ihre Farbe; aber sie empfing sie mit ziemlicher Unbefangenheit, und mit der ihr eigenthümlichen Huld und Anmuth.

Elisabeth sprach so wenig, als ohne Unhöflichkeit geschehen konnte, und setzte sich nach der ersten Begrüßung wieder an ihre Arbeit. Ein einziger verstohlner Blick auf Darcy belehrte sie, daß er so ernst wie gewöhnlich, und weniger heiter als in Derbyshire aussah. Bingley's Züge drückten Freude, aber auch zugleich Verlegenheit aus. Er ward von Mrß. Bennet mit einer Freundlichkeit empfangen, die ihren beiden ältesten Töchtern eine hohe Schamröthe in die Wangen jagte, und doppelt auffallend wurde durch die kalte und ceremonielle Höflichkeit, womit sie seinen Freund begrüßte.

Nachdem Darcy Elisen nach dem Befinden ihres Onkels und ihrer Tante gefragt, worauf sie nicht ohne Verwirrung zu antworten im Stande war, sagte er fast gar nichts mehr. Er saß nicht neben ihr; dieß war vielleicht der Grund seines Schweigens. Aber in Derbyshire hatte er mit ihren Freunden gesprochen, wenn er sich nicht in ihrer Nähe befunden. Jetzt verstrichen oft mehrere Minuten, ohne daß sie den Ton seiner Stimme hörte; und wenn sie, vom Drang einer unwiderstehlichen Neugier erfaßt, ihre Blicke auf ihn richtete, sah sie, daß er bald sie, bald Johannen, bald den Boden betrachtete, ohne selbst recht zu wissen, was er that. Gedankenlosigkeit und Gleichgültigkeit drückten sich in seinem Wesen aus. Sie fühlte sich in ihren Erwartungen getäuscht, und zürnte mit sich selbst, daß sie solche gehegt. »Wie konnte ich erwarten, ihn anders zu finden!« dachte sie. »Aber warum kam er denn?«

Sie war nicht aufgelegt, mit irgend einem andern Menschen zu sprechen, und hatte doch nicht den Muth, ihn wiederholt anzureden. Nachdem sie nach seiner Schwester gefragt, stockte ihre Unterhaltung wieder. Desto unerschöpflicher war Mrß. Bennet.

»Es ist sehr lange her, seit Sie uns verließen, Herr Bingley; ich begann schon zu fürchten, daß Sie gar nicht zurückkehren würden. Man behauptet allgemein, Sie wären gesonnen, die Pachtung nächste Michaelis gang aufzugeben; ich kann mich aber mit diesem Gedanken nicht vertraut machen. Gar Vieles hat sich hier verändert, seit Sie uns verließen. Miß In der Vorlage irrtümlich »Mrß.«. Lukas ist verheirathet, und auch eine meiner Töchter, wie Sie wohl in den Zeitungen gelesen haben werden.«

Bingley stattete seiner Glückwünsche ab. Elisabeth wagte nicht, die Augen aufzuschlagen, so gern sie auch gesehen hätte, wie sich Darcy bei Erwähnung der Heirath benahm.

»Es ist eine große Freude,« fuhr Mrß. Bennet fort, »eine Tochter glücklich verheirathet zu sehen; aber zugleich auch unbeschreiblich hart, sie so weit von sich zu geben. Sie ist mit ihrem Mann nach Newcastle gegangen, und ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde. Sein Regiment steht dort; denn Sie worden wohl gehört haben, daß er die Landwehr verlassen und unter reguläre Truppen gegangen ist. Er hatte, dem Himmel sei es gedankt! manche Freunde, obgleich nicht so viele, als er verdient.«

Bei dieser deutlichen Anspielung auf Darcy war Elisabeth kaum vermögend, ruhig sitzen zu bleiben. Sie suchte dem Gespräch eine andre Wendung zu geben, und fragte Bingley deshalb: ob er gesonnen sei, sich längere Zeit in Netherfield aufzuhalten.

»Einige Wochen,« erwiederte er.«

»Wenn Sie Ihre eignen Vögel alle geschossen haben, Herr Bingley,« begann Mrß. Bennet von Neuem, »so bitte ich, daß Sie hierher kommen und in meines Mannes Revier schießen. Er wird sich eine Freude daraus machen und die besten Rebhühner für Sie aufsparen.«

Diese unnöthige und zudringliche Aufmerksamkeit vermehrte nur noch Elisens Jammer. »O, möchte ich nie wieder mit ihnen zusammentreffen!« dachte sie. »Ihre Gesellschaft ist nicht im Stande, mir diese peinlichen Augenblicke zu vergüten!« Und sie fühlte, daß Jahre des Glücks Johannen nicht für diese Leiden entschädigen konnten. Doch hierüber sollte sie bald eines Andern belehrt werden. Bingley's zunehmende Aufmerksamkeit gegen ihre Schwester, sein augenscheinliches Wohlgefallen an ihrer Schönheit waren ihr nicht entgangen, so wenig Johanne auch selbst davon gemerkt hatte.

Jetzt erhoben sich die Herren zum Abschied und Mrß. Bennet, eingedenk ihres Vorsatzes, lud sie auf einen der folgenden Tage ein.

»Sie sind uns noch einen Mittag schuldig, Herr Bingley,« fügte sie hinzu, »denn Sie versprachen uns vorigen Winter, als Sie in die Stadt gingen, daß Sie ein Familienmahl mit uns einnehmen wollten, so bald Sie zurückgekehrt sein würden. Sie sehen, ich habe ein gutes Gedächtniß; auch hat es mich damals sehr betrübt, daß Sie Ihr Wort nicht gehalten.«

Bingley wurde ein Bischen verlegen bei dieser Rückerinnerung, und äußerte sein Bedauern, durch Geschäfte abgehalten worden zu sein, ihrer Einladung zu folgen. Hierauf empfahlen sie sich.

Mrß. Bennet hätte sie gern gebeten, den heutigen Tag gleich da zu bleiben; aber obgleich sie eine vortreffliche Tafel führte, glaubte sie doch einem so wichtigen Gast und seinem reichen Freund nicht weniger als zwei Gänge vorsetzen zu dürfen.


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