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Kaum hatten sie das Zimmer verlassen, als auch Elisabeth hinauseilte, sich zu erholen, oder vielmehr ungestört ihren Gedanken nachzuhängen. Darcy's Benehmen hatte sie beunruhigt und ihr wehe gethan.
»Warum kam er,« sagte sie, »wenn es seine Absicht war, so schweigsam, ernst und gleichgültig zu sein? Er konnte so liebenswürdig und artig gegen meine Verwandten in der Stadt sein, warum nicht auch gegen mich? Wenn er mich fürchtet, weshalb sucht er mich auf? und wenn ich ihm nicht gleichgültig bin, warum schweigt er? Grausamer Mann! ich will nicht mehr an ihn denken.«
Dieser Vorsatz war leicht zu halten, indem sie durch Johannen in ihren Betrachtungen gestört wurde. Sie sah heiter und glücklich aus, und schien besser mit ihrem Besuch zufrieden als Elisabeth.
»Nachdem dieses erste Zusammentreffen überstanden ist,« sagte sie, »fühle ich mich ganz leicht und froh. Ich kenne jetzt meine eigne Stärke, und werde nie wieder verlegen in seiner Gegenwart sein. Es ist mir lieb, daß er nächsten Dienstag hier ißt: Man wird sehen, daß wir uns gegenseitig wie ganz gewöhnliche, gleichgültige Bekannte betrachten.«
»Ja, sehr gleichgültig, in der That!« erwiederte Elisabeth lachend. »O, Johanne, sei auf Deiner Huth.«
»Liebste Lizzy, Du wirst mich doch nicht für so schwach halten, mich in Gefahr zu glauben?«
»Ich glaube, Du stehst in Gefahr, ihn nächstens zu Deinen Füßen liegen zu sehen.«
Sie sahen die Herren nicht wieder bis zum Dienstag, wo eine große Gesellschaft in Longbourn versammelt war. Beim Eintritt in das Eßzimmer beobachtete Elise Bingley genau, um zu sehen, ob er, wie er früher zu thun pflegte, seinen Platz neben Johannen nehmen würde. Ihre schlaue Mutter hatte aus demselben Grund vermieden, ihn einzuladen, sich neben sie zu setzen. Im ersten Augenblick schien er zweifelhaft zu sein; doch Johanne sah sich zufällig um mit einem so unbefangenen lächelnden Ausdruck, daß er sich schnell entschied, und seinen Platz neben ihr nahm.
Elisabeth suchte mit den Augen seinen Freund, um zu sehen, wie er gesinnt war. Er schien entschlossen, das Unabänderliche mit stolzer Gleichgültigkeit zu ertragen; und sie würde geglaubt haben, daß Bingley seine Zustimmung, glücklich zu sein, erhalten, wenn sie nicht zugleich bemerkt hätte, daß er Darcy mit einen Ausdruck halb lachender, halb ernster Besorgniß angesehen hätte.
Sein Benehmen gegen ihre Schwester verrieth die zarteste Aufmerksamkeit, obgleich Elisabeth deutlich wahrnahm, daß er sich bemühte, vorsichtiger zu sein, als er es früher gewesen. Sie wagte es nicht, günstige Folgerungen daraus zu ziehen, fühlte sich aber doch dadurch gewisser Maaßen beruhigt und in eine so heitre Laune versetzt, als sie heute zu erlangen im Stande war.
Darcy saß an der Seite ihrer Mutter, so weit von ihr entfernt als möglich. Sie wußte, wie wenig beide Theile diese Nachbarschaft zu würdigen verstanden. Was sie mit einander sprachen, konnte sie nicht hören; aber sie sah, daß es selten, und mit höchster Feierlichkeit geschah. Wie gern hätte sie ihm gesagt, daß nicht alle Glieder dieser Familie seinen Werth verkannten, daß sie es wußte, was er für dieselbe gethan.
Sie tröstete sich mit der Hoffnung, daß der Nachmittag ihr Gelegenheit geben würde, eine Unterhaltung mit ihm anzuknüpfen. Die Zwischenzeit, bis die Herrn sich wieder im Gesellschaftszimmer einfanden, erschien ihr so lang und unerträglich, daß sie kaum höflich zu sein vermochte. Sie blickte erwartungsvoll nach der Thür.
»Wenn er nicht zu mir kommt,« sagte sie, »dann muß ich ihn für immer aufgeben.«
Indem traten die Herren herein, und sein Blick schien ihren Hoffnungen zu entsprechen, aber die Damen hatten sich so dicht um den Tisch gedrängt, wo Johanne den Thee bereitete und Elisabeth Caffee einschenkte, daß seine Annäherung möglich war. Darcy trat in eine Fenstervertiefung.
Nach einiger Zeit brachte er seine Tasse selbst zurück und sie benutzte die Gelegenheit, ihn zu fragen, ob seine Schwester noch in Pemberley sei?
»Ja, sie wird auch dort bleiben bis Weihnachten.«
»Allein? Haben ihre Freundinnen sie verlassen?«
»Mrß. Annesley ist bei ihr. Die andern Damen haben sie vor drei Wochen verlassen.«
Sie wußte nichts mehr zu sagen, hoffte aber, daß es ihm nicht an Stoff fehlen würde. Er blieb einige Minuten schweigend neben ihr stehen und ging, als sich bald darauf einige junge Damen Elisen näherten, wieder weg.
Nach eingenommenem Thee zerstörte ihre Mutter die letzte Aussicht, in seiner Gesellschaft den Abend zuzubringen. Er wurde ein Opfer ihrer Wuth, mehrere Whisttische zu Stande zu bringen, und Elisabeth sah ihn mit Widerstreben nachgeben. Sie selbst erhielt ihren Platz an einem entferntern Tisch.
Mrß. Bennet hatte sich vorgenommen, die beiden Herrn zum Abendessen da zu behalten; aber unglücklicher Weise wurde ihr Wagen zuerst gemeldet und so scheiterte dieser Plan.
»Nun, Kinder,« sagte sie, nachdem die Gesellschaft das Haus verlassen hatte, »was sagt Ihr so zu dem heutigen Tage? Ich sollte meinen, es wäre alles so gewesen, wie es sein mußte. Das Mittagsessen so elegant servirt, wie ich lange keins sah. Das Wildpret vortrefflich, der Schinken unverbesserlich, die Suppe zehnmal besser, als die wir vorige Woche bei Lukassens hatten. Selbst Herr Darcy versicherte, daß die Rebhühner herrlich gebraten waren, und er hat gewiß zum Wenigsten zwei bis drei französische Köche.«
Sie ließ noch manches vielverheißende Wort für ihre älteste Tochter fallen, erzählte, was ihr Mrß. Long von den Vermuthungen der Nachbarschaft mitgetheilt, und war so voll von Bingley's Liebenswürdigkeit, daß sie den ganzen Abend nicht wieder davon aufhören konnte.
Auch Johanne war sehr befriedigt von der Unterhaltung dieses Tages, und äußerte sich darüber gegen ihre Schwester. Elisabeth lächelte.
»Nein, Lizzy! so mußt Du nicht sein. Es kränkt mich, wenn Du mich falsch beurtheilst.«
Elisabeth versprach nicht wieder zu lachen, und nichts zu glauben, als was ihr ihre Schwester versicherte; und somit schloß dieser merkwürdige Tag.