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Funfzehntes Capitel.

Am Morgen des Sonnabends, als Elisabeth vor dem Frühstück einige Minuten allein mit Herrn Collins zusammentraf, benutzte er die Gelegenheit, ihr diejenigen Abschiedshöflichkeiten zu erzeigen, die er für unumgänglich nöthig hielt.

»Ich weiß nicht, Miß Elisabeth,« hub er an, »ob Mrß. Collins Ihnen schon unsern Dank für Ihre Güte, uns zu besuchen, abgestattet hat; wo nicht, wird sie sicher nicht unterlassen, es zu thun, bevor Sie aus unserm Hause scheiden. Wir erkennen Beide, welch ein Opfer Sie uns gebracht haben, indem unsre demüthige Wohnung nichts enthält, was eine junge Dame anzuziehen vermöchte. Unsre einfache Lebensweise, unsre kleinen Zimmer, unsre geringe Dienerschaft und wenige Nachbarschaft machen Hunsford allerdings zu einem etwas einförmigen Aufenthalt; doch hoffe ich, daß Sie von unsrer Erkenntlichkeit überzeugt sind, so wie von unserm guten Willen, nach besten Kräften für Ihr Vergnügen gesorgt zu haben.«

Elisabeth benutzte die Pause, welche sich ihr Vetter zum Athemholen gestattete, um ihn mit Versicherungen ihres Danks und ihrer Zufriedenheit zu erfreuen. Sie hatte sechs Wochen in Charlottens angenehmer Gesellschaft zugebracht, und die von ihr erhaltenen Beweise zarter Aufmerksamkeit verpflichteten sie zum herzlichsten Dank. Collins fühlte sich befriedigt, und fuhr mit zunehmender Feierlichkeit fort:

»Es macht mich sehr glücklich, zu hören, daß Sie Ihre Zeit nicht unangenehm hier verlebt haben. Es war unser Bestreben, das Mögliche hierzu beizutragen, und glücklicher Weise stand es in unsrer Macht, Sie in die beste, vornehmste Gesellschaft einzuführen. Unsre Bekanntschaft mit der Familie von Bourgh, die häufige Gelegenheit, unsre geringe Wohnung mit den Prachtgemächern von Rosings zu vertauschen, gewährt mir die schmeichelhafte Versicherung, daß Ihr Aufenthalt in Hunsford nicht ganz traurig gewesen sein kann. Unsre Stellung zu Ihrer Herrlichkeit und deren Familie ist in der That ein so seltner Vorzug, eine solche Auszeichnung, wie wenig Andre sich rühmen können. Sie sehen, auf welchem Fuß wir mit Lady Katharine stehen, wie oft wir nach Rosings eingeladen werden! Solche Vortheile sind wohl im Stande, uns für die wenigen kleinen Nachtheile unsrer Lage zu entschädigen.«

Er fand keine Worte mehr für seine Gefühle, und ging, sich zu erholen, mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, während sich Elisabeth bemühte, Höflichkeit und Wahrheit auf einige wenige kurze Sentenzen zu vereinigen.

Collins hatte sich unterdessen erholt und fuhr nun fort;

»Sie können hoffentlich einen günstigen Bericht von unserm Leben in Hertfordshire abstatten, meine theure Cousine! wenigstens schmeichele ich mir, daß Sie es thun werden. Von Lady Katharinens außerordentlicher Aufmerksamkeit gegen Mrß. Collins sind Sie täglich Zeuge gewesen; überhaupt wird es Ihnen gewiß deutlich geworden sein, daß Ihre Freundin in keiner Hinsicht ein unglückliches – doch über diesen Punkt möchte es rathsamer sein zu schweigen. Erlauben Sie mir nur, verehrteste Miß Elisabeth! hinzuzufügen, daß mein Herz keinen sehnlicheren Wunsch hegt, als Sie eben so glücklich verheirathet zu sehen. Meine theure Charlotte und ich haben ganz gleiche Wünsche und gleiche Gesinnungen, sind so zu sagen ein Herz und eine Seele. Es findet eine so merkwürdige Aehnlichkeit des Charakters und der Ideen bei uns Statt, daß es mir immer klarer wird, wie wir so ganz für einander geschaffen sind.«

Elisabeth konnte leichten Herzens ihre Freude über solche Uebereinstimmung und häusliche Glückseligkeit aussprechen; doch war sie im Grunde froh, als ihre eintretende Freundin dem Wortschwall ihres Vetters ein Ende machte. Arme Charlotte! – Es war ein trauriger Gedanke, sie in dieser Gesellschaft allein zurückzulassen! Aber sie hatte ihr Loos selbst, und mit offnen Augen erwählt, und obgleich es ihr leid that, Elisens Gesellschaft zu verlieren, schien sie doch nicht des Mitleids zu bedürfen. Ihr Haus und ihre Wirthschaft, ihr Kirchspiel und ihr Federvieh, und alle ihre andern wichtigen oder unwichtigen Angelegenheiten hatten den Reiz der Neuheit noch nicht für sie verloren.

Endlich war der Wagen vorgefahren, die Koffer und Packete aufgebunden, die Schachteln auf dem Rücksitz befestigt. Nach einem herzlichen Abschied von Charlotten begleitete Herr Collins seine Gäste an den Wagen, indem er Elisen noch seine achtungsvollsten Grüsse an ihre ganze Familie, an Herrn und Mrß. Gardiner unbekannter Weise, und eine Wiederholung seines herzlichsten Danks für alle frühere, ihm in Longbourn erwiesene Güte und Freundlichkeit auftrug. Dann hob er erst sie, hierauf Marien in den Wagen und machte die Thür mit einer tiefen Verbeugung zu, als ihm plötzlich mit Schrecken einfiel, daß sie vergessen, ihm ihre Aufträge an die Damen in Rosings zu hinterlassen.

Sie werden mir unfehlbar auftragen, Lady Katharine und Miß von Bourgh Ihre unterthänigsten Empfehlungen, nebst dem verbindlichsten Dank für die Ihnen während ihres hiesigen Aufenthaltes bezeigte Güte, zu hinterbringen.«

Elisabeth hatte nichts dagegen einzuwenden, und somit setzte sich der Wagen in Bewegung.

»Mein Gott!« rief Marie nach einem kurzen Schweigen, »kommt es mir doch vor, als wenn wir erst vor zwei Tagen hier angelangt wären und wie vieles hat sich doch in dieser Zeit zugetragen!«

»Allerdings sehr viel!« entgegnete ihre Reisegefährtin mit einem Seufzer – »Wir haben neunmal in Rosings zu Mittage gespeist, und außerdem noch zwei Mal Thee dort getrunken! – Wie viel werden sich zu erzählen haben! Und wie viel zu verschweigen!« fügte sie leise hinzu.

Ohne viel Worte von beiden Seiten und ohne irgend einen Anstoß erreichten sie nach einer vierstündigen Fahrt Herrn Gardiners Haus, woselbst sie einige Tage zu bleiben gedachten.

Johanne sah wohl aus, und Elisabeth fand in dem steten Wirbel der Zerstreuungen, welche ihre gütige Tante zu ihrer Unterhaltung angeordnet, wenig Gelegenheit, ihr Inneres zu ergründen. Aber Johanne sollte sie in die Heimath zurückbegleiten, und in Longbourn blieb ihr Zeit und Muße genug zu solchen Beobachtungen.

Nicht ohne Anstrengung wartete sie ihre Ankunft in Longbourn ab, um der Schwester Herrn Darcy's Antrag mitzutheilen. Im Besitz eines Geheimnisses zu sein, welches, wie sie wohl wußte, Johannen in das höchste Erstaunen versetzen würde, und das zu gleicher Zeit dem Rest ihrer Eitelkeit, den sie noch nicht hinweg zu vernünfteln im Stande gewesen, so wohl that, ein solches Geheimniß mehrere Tage mit sich herumzutragen, war wirklich keine Kleinigkeit. Aber erstlich fand sich zu dieser Mittheilung weder eine passende Stunde noch Stimmung, und dann war sie noch nicht selbst mit sich übereingekommen, ob und wieviel sie der Schwester von Bingley und dessen Unschuld verkünden sollte.


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