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Siebzehntes Capitel.

Jetzt trug Elisabeth die Ungeduld, Johannen von allem Vorgefallenen zu unterrichten, nicht länger. Entschlossen ihr nichts von dem mitzutheilen, was Bezug auf sie und Bingley hatte, erzählte sie ihr am folgenden Morgen nur, was sich zwischen ihr und Darcy zugetragen.

Miß Bennets Erstaunen war anfänglich zwar groß; jedoch vermöge ihrer schwesterlichen Vorliebe, die jede, Elisen bezeigte Huldigung natürlich fand, nicht von langer Dauer. Sie beklagte, daß Darcy seine Empfindungen auf eine so wenig empfehlende Weise ausgesprochen, und betrübte sich noch mehr über den Gram, welchen ihrer Schwester Antwort ihm nothwendig gemacht haben müßte.

»Sein Sicherheitsgefühl, die feste Ueberzeugung einer günstigen Aufnahme seines Antrags, waren allerdings tadelnswerth;« sagte Johanne, »wenigstens hätte er solche Voraussetzung nicht durch Mienen und Worte verrathen dürfen, aber bedenke nun auch, wie viel empfindlicher ihn Deine Antwort schmerzen, die getäuschte Erwartung niederschlagen mußte.«

»Freilich,« entgegnete Elisabeth, »es thut mir in dieser Hinsicht auch leid; aber in ihm sind dagegen manche andre Gefühle, die ihm die erlittene Kränkung bald vergessen machen werden. Du kannst mich doch nicht tadeln, seinen Antrag abgewiesen zu haben?«

»Tadeln! O, nein.«

»Aber Du tadelst mich darüber, daß ich mit so viel Wärme von Wickham gesprochen.«

»Auch nicht – ich glaube nicht, daß Du Unrecht thatest, darüber zu sprechen.«

»Aber Du wirst Dich davon überzeugen, wenn ich Dir erzählt habe, was sich Tages drauf zugetragen.«

Und somit theilte sie ihr alle, Georg Wickham betreffende Umstände aus dem Briefe mit.

Johanne war wie vom Schlag getroffen. Ihr so kindlich frommer Sinn hatte es nicht für möglich gehalten, eine solche Masse von Schlechtigkeit in einem Individuum vereinigt zu sehen. Auch war Darcy's Rechtfertigung, obgleich ihrem Gefühl sehr wohlthätig, keineswegs im Stande, sie über diese Entdeckung zu trösten. Mit dem Ernst eines festen Willens versuchte sie nun, die Wahrscheinlichkeit irgend eines obwaltenden Mißverständnisses darzuthun, und bemühte sich, den einen zu entschuldigen, ohne den andern zu beschuldigen.

»Das wird Dir nicht gelingen,« sagte Elisabeth, »es ist unmöglich, sie Beide für unschuldig zu erklären. Wähle daher, aber laß es bei dem Einen bewenden. Hier ist gerade Verdienst genug, um einen guten Mann daraus zu machen; für zwei wäre es schon nicht hinreichend. Ich meinerseits fühle mich nun geneigt, es Herrn Darcy zuzuschreiben, doch Du kannst es damit halten, wie Du Lust hast.«

Es dauerte eine geraume Weile, ehe es Elisen wieder gelang, ihrer Schwester ein Lächeln abzugewinnen.

»Ich kann mich nicht erinnern, jemals so erschrocken gewesen zu sein, wie bei dieser Nachricht. Wickham so schlecht! so über alle Begriffe schlecht! Und der arme Darcy! – Bedenke nur, Lizzy! wie viel er gelitten haben muß. Solch eine bittre Täuschung! Und dazu noch die Ueberzeugung Deiner schlechten Meinung von ihm, und die traurige Nothwendigkeit, die Verirrung seiner Schwester einzugestehen! Armer; armer Darcy! Seine Lage ist wirklich schrecklich – das fühlst Du doch gewiß auch?«

»O, nein! mein Bedauern und mein Mitleid sind jetzt ganz vorüber, da ich Dich so voll davon sehe. Du wirst ihm gewiß so vollkommne Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß ich immer ruhiger und gleichgültiger darüber denken kann. Das Uebermaaß Deines Gefühls läßt mich das meinige sparen; und wenn ich Dich noch länger über ihn jammern höre, wird mein Herz bald so leicht wie eine Feder sein.«

»Armer Wickham! es ist solch ein Ausdruck von Güte in seinen Zügen! so viel Offenheit und Sanftmuth in seinem Wesen.«

»Bei der Erziehung dieser beiden jungen Leute hat offenbar eine schlechte und ungerechte Vertheilung der guten Eigenschaften Statt gefunden. Der eine hat alle Güte, und der andre nur den Schein derselben erhalten.«

»Ich habe Herrn Darcy nie des Scheins so sehr mangelnd gefunden, wie Du.«

»Und ich meinte mich ungewöhnlich klug zu bezeigen durch den grundlosen Widerwillen gegen ihn. Du glaubst nicht, welch ein Sporn für den Geist, welch eine Veranlassung zum Witz es ist, eine Abneigung dieser Art zu haben. Man kann immer anzüglich sein, ohne etwas Wahres zu sagen; aber man kann nicht immer über einen Mann lachen, ohne dann und wann auf den rechten Punkt zu stoßen, und etwas sehr Witziges zu sagen.«

»Lizzy, beim ersten Lesen des Briefs hast Du die Sache doch gewiß nicht auf diese Weise behandelt.«

»Nein, wahrlich nicht! Ich war sehr unglücklich darüber. Und wie verlassen fühlte ich mich! Du fehltest mir, meine theure Schwester! Ich sehnte mich nach Deinem Trost, und war fest überzeugt, daß Du mich für weit weniger schwach, eitel und albern erklären würdest, als ich nach eigner Ueberzeugung gewesen bin.«

»Es ist allerdings sehr unangenehm, daß Du Dich so starker Ausdrücke im Gespräch aber Wickham gegen Darcy bedientest, da sie jetzt nun ganz unverdient erscheinen.«

»Gewiß. Aber die Bitterkeit meiner Worte war die natürliche Folge der Vorurtheile, die mir beigebracht worden waren. Ueber einen Punkt wünschte ich Deinen Rath zu hören. Ich möchte wissen, ob ich unsern Bekannten mittheilen soll, was ich von Wickhams Charakter erfahren habe, oder nicht?«

Johanne überlegte einige Augenblicke und erwiederte dann: »Ich sehe nicht ein, wozu es nützen soll, ihn auf diese schreckliche Weise Preis zu geben. Doch, was ist Deine Meinung?«

»daß es besser sein wird, ganz darüber zu schweigen. Darcy hat mich nicht beauftragt, seine Mittheilungen öffentlich bekannt zu machen, im Gegentheil dringend gebeten, die seine Schwester betreffenden Umstände als Geheimniß zu bewahren. Und wenn ich es ohne dieselben versuchen wollte, die Menschen aus ihrem Irrthum zu ziehen, würden sie mir am Ende nicht glauben. Darcy hat die allgemeine Stimme so sehr gegen sich, daß es den guten Einwohnern von Meryton den Tod bringen würde, sich ihn in einem liebenswürdigen Licht vorstellen zu müssen. Einem solchen Unternehmen fühle ich mich nicht gewachsen. Ueberdem wird Wickham diese Gegend nun bald verlassen; und dann geht es ja keinen Menschen mehr etwas an, ob sein Charakter gut oder schlecht ist. Früher oder später muß die Wahrheit doch ans Licht kommen, und dann wollen wir über der Leute geringen Scharfsinn, dieß nicht früher bemerkt zu haben, lachen, für den Augenblick aber schweigen.«

»Du hast Recht. Eine unzeitige Publicität würde ihn völlig ins Verderben stürzen. Jetzt bereut er vielleicht, was er gethan, und bemüht sich, es wieder gut zu machen. – Wir dürfen ihn nicht zum Aeußersten bringen.«

Elisabeth fühlte sich beruhigter in ihrem Innern nach dieser Unterredung. Zwei Geheimnisse hatten während der letzten 14 Tage wie eine drückende Last auf ihrem Herzen gelegen; diese waren jetzt abgewälzt, und sie fand in Johannen eine stets bereitwillige Hörerin, so oft sie über diese Gegenstände mit ihr zu sprechen wünschte. Nur ein Umstand störte ihre vertrauliche Unterhaltung. Die Klugheit verbot ihr, der Schwester die andre Hälfte von Darcy's Brief mitzutheilen. Sie durfte nicht erfahren, wie herzlich und innig sie von Bingley geliebt gewesen, ja vielleicht noch immer geliebt wurde. Eine solche Entdeckung konnte ihrer Ruhe gefährlich werden. Vielleicht war ihr vom Schicksal noch die Freude beschieden, eine solche Erklärung aus seinem eignen Munde zu hören; aber bis zu diesem glücklichen Augenblick mußte Elisabeth schweigen, und sie that es mit Widerstreben.

Sie war nun wieder vollkommen in der Heimath eingewohnt, und im Stande, ihre Schwester genauer zu beobachten. Johanne schien nicht glücklich zu sein, die Erinnerung an Bingley störte ihren Frieden. Mit ihm hatte sie die Liebe kennen gelernt; in ihm sah sie das Ideal männlicher Vollkommenheit; und selbst sein unerklärliches Benehmen, seine anscheinende Gleichgültigkeit vermochten nicht sein Andenken zu schwächen. Konnte sie ihn auch nicht mehr entschuldigen, so fühlte sie sich doch unfähig, sein Bild aus ihrem Herzen zu reißen; und eine innere leise Stimme flüsterte ihr zu, daß er einst noch gerechtfertigt vor ihr stehen würde.

Mrß. Bennet äußerte sich mehrere Mal in ihrer bekannten Manier gegen Elisen über den Herzenszustand ihrer ältesten Tochter, erlangte jedoch von dieser keine befriedigende Auskunft, und hörte nur die trostlosen Umstände bestätigt, daß Johanne Herrn Bingley in London nicht gesehen, und daß derselbe schwerlich je wieder nach Netherfield zurückkehren würde.


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