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Der Tag verstrich wie der vorhergegangene. Mrß. Hurst und Miß Bingley brachten einige Morgenstunden bei der Kranken zu, deren Zustand sich langsam zu bessern begann, und gegen Abend fand sich Elisabeth im Gesellschaftszimmer ein. Der allgemeine Spieltisch erschien jedoch heute nicht. Darcy schrieb, und Miß Bingley, neben ihm sitzend, beobachtete den Fortgang seines Briefs, und wurde nicht müde, ihm immer wieder neue Aufträge an seine Schwester zu geben. Hurst und Bingley saßen beim Piquet, und Mrß. Hurst sah ihrem Spiele zu.
Elisabeth ergriff eine weibliche Arbeit und ergötzte sich an der Beobachtung dessen, was zwischen Darcy und seiner Nachbarin vorging. Miß Bingley erschöpfte sich in lobenden Ausrufungen über die Zierlichkeit seiner Handschrift, über die Gleichheit seiner Zeilen und über die Länge seines Briefs, worauf er, ohne sich stören zu lassen, sehr lakonisch antwortete. Auf diese Weise ging die Unterhaltung fort, bis Darcy seinen Brief beendet und gesiegelt hatte. Hiermit fertig, ersuchte er Miß Bingley und Elisabeth, etwas Musik zu machen. Erstere bewegte sich eiligst zum Instrument, und nachdem sie Elisen höflichst gebeten, den Anfang zu machen, was diese eben so höflich als ernstlich abgelehnt, nahm sie am Flügel Platz.
Mrß. Hurst sang mit ihrer Schwester, und Elisabeth bemerkte, während sie in einem Notenbuche blätterte, daß Darcy's Augen häufig auf sie gerichtet waren. Sie konnte es sich kaum vorstellen, ein Gegenstand der Bewundrung des großen Mannes zu sein, und aus Mißfallen betrachtet zu werden, war eben so unglaublich. Seine Aufmerksamkeit auf sie mußte also wohl durch irgend etwas, seinen Ansichten Widersprechendes erregt worden sein. Diese Vermuthung kümmerte sie indeß wenig, da er ihr nicht angenehm genug war, um Werth auf seinen Beifall zu legen.
Nachdem Miß Bingley einige italienische Arien gesungen, ging sie zu einem muntern schottischen Liedchen über. Darcy hatte sich unterdessen Elisen genähert, und sagte zu ihr – »Miß Bennet, fühlen Sie keine Neigung, einen Walzer nach dieser Melodie zu tanzen?«
Sie lächelte, antwortete jedoch nicht; und so wiederholte er seine Frage mit einigen Erstaunen über ihr Schweigen. »Ich verstand Sie schon das erste Mal,« entgegnete sie – »konnte mich aber nicht recht entschließen, was ich Ihnen darauf antworten sollte. Sie hörten mich gern Ja sagen, um die Freude zu haben, sich über meinen Geschmack lustig zu machen; aber dergleichen Vorsätze zu vereiteln, macht mir immer Spaß, und so erkläre ich denn auch jetzt, daß ich keine Lust zum Walzen fühle – und nun verachten Sie mich, wenn Sie es wagen.«
»Ich wage es nicht!«
Elisabeth staunte über seine Galanterie. Sie glaubte ihn beleidigt zu haben; aber es lag eine solche Mischung von Lieblichkeit und Muthwillen in ihrem Wesen, daß sie Andere nicht leicht beleidigen konnte; und Darcy mußte sich gestehen, daß er sich noch nie von einem Weibe so angezogen gefühlt, wie von ihr, und daß nur ihre schreckliche Verwandscht und Bekanntschaft ihn vor der Gefahr, sie zu lieben, schützen konnte.
Miß Bingley sah und vermuthete genug, um eifersüchtig zu werden, und ihre zärtliche Sorge für die Wiederherstellung der geliebten Johanne erhielt noch einigen Beistand durch den Wunsch, Elisabeth auf diese Weise los zu werden.
»Ich hoffe,« sagte sie, als sie den folgenden Tag mit Darcy in den Anlagen spazieren ging – »ich hoffe, Sie werden Ihrer Schwiegermutter einige wohlmeinende Winke geben, nicht gar zu dumm zu schwatzen; auch würde es rathsam sein, die jüngern Schwestern von der Sucht, den Officieren nachzulaufen, zu heilen. Und, wenn man einen so zarten Gegenstand berühren darf, möchte ich noch hinzufügen, das gewisse, an Geringschätzung und Impertinenz grenzende Etwas Ihrer Zukünftigen zu mildern.«
»Haben Sie sonst noch etwas zur Beförderung und Erhaltung meines häuslichen Glücks vorzuschlagen?«
»O Ja! ich würde rathen, die Portraits Ihres zukünftigen Herrn Onkels und Ihrer Frau Tante Philips in der Gallerie zu Pemberley aufhängen zu lassen, zunächst bei Ihrem Großonkel, dem Richter. Sie treiben einerlei Geschäfft, nur in verschiedenen Zweigen. Was das Bildniß Ihrer Elisabeth betrifft, so möchte es schwer halten, einen Maler zu finden, der im Stande wäre, diesen schönen Zügen ihr Recht widerfahren zu lassen.«.
»Es würde in der That keine leichte Aufgabe sein, den Ausdruck treu wiederzugeben, wenn auch Farbe und Form, so wie die schönen Augenlieder zu copiren wären.«.
In diesem Augenblick traten Mrß. Hurst und Elisabeth den Sprechenden aus einem andern Gang entgegen.
»Ich wußte nicht, daß Sie auch die Absicht hatten, spazieren zu gehen,« sagte Miß Bingley etwas verlegen.
»Es war nicht sein, so fortzulaufen, ohne uns etwas davon zu sagen,« entgegnete Mrß. Hurst. Und somit ergriff sie Darcy's freien Arm, und ließ Elisabeth hinterher gehen, da der Weg nur drei Personen faßte.
Darcy fühlte ihre Unart und sagte –
»Dieser Weg ist nicht breit genug für unsre Gesellschaft. Wir thun besser, einen andern einzuschlagen.«
Elisabeth aber, die keine Lust hatte, sich ihnen anzuschließen, rief lachend, – »nein, nein! bleiben Sie nur. Die Gruppe ist zu romantisch und kann sich nirgends vortheilhafter entwickeln. Das Pittoreske würde durch einen Vierten in diesem Bunde gänzlich verloren gehen. Leben Sie wohl!«
Damit lief sie eiligst fort, sich freuend, nach einigen Tagen wieder in die Heimath zurückkehren zu können. Johanne war so weit hergestellt, daß sie ihr Zimmer diesen Abend auf einige Stunden verlassen konnte.