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Siebentes Capitel.

Sir William blieb nur eine Woche in Hunsford; doch war dieser Aufenthalt vollkommen hinreichend, ihn von dem Glück seiner Tochter zu überzeugen, deren eheliche wie nachbarliche Verhältnisse ihm unverbesserlich erschienen. Während seiner Anwesenheit hatte sich Herr Collins ihm hauptsächlich gewidmet, und besonders die Morgenstunden dazu benutzt, den Schwiegervater in seinem Gig auszufahren, um ihm die Schönheiten der Gegend zu zeigen. Jetzt aber kehrte die Familie zu ihren gewöhnlichen Beschäfftigungen zurück, und Elisabeth erkannte es dankbar, daß sie durch diese Veränderung nicht mehr von der Gesellschaft ihres Vetters zu ertragen hatte als vorher. Die Vormittagsstunden zwischen dem Frühstück und Mittagsessen brachte er entweder im Garten arbeitend, oder lesend und schreibend, auch wohl zur Abwechslung zum Fenster hinaus auf die Landstraße schauend, zu.

Das Zimmer der Damen hatte die Aussicht nach dem Hof hinaus, welche Einrichtung Elisen anfänglich auffiel, indem das Eßzimmer nicht allein schöner und größer, sondern auch freundlicher gelegen war. Nachdem sie aber bemerkt, welchen Werth ihr würdiger Vetter auf die größere Frequenz legte, und daß er seine geliebte Charlotte, wenn sie in diesem Zimmer gewohnt, häufiger mit seiner Gesellschaft beehrt haben würde, konnte sie nicht umhin, ihre Klugheit im Stillen zu preisen. Von ihrem Wohnzimmer aus konnte sie weder die Straße noch den Eingang in den Park übersehen, weshalb denn auch Herr Collins nicht versäumte, jedes Mal zu melden, wenn Miß von Bourgh in ihrem Phäton vorbeigefahren. Dann und wann hielt sie vor der Pfarrwohnung an, um sich einige Minuten mit Charlotten zu unterhalten, war jedoch selten zum Aussteigen zu bewegen.

Es verging selten ein Tag, an welchem Herr Collins nicht nach Rosings gegangen wäre, und nicht sehr viele, wo seine Gattin es nicht für nöthig befunden, ihn zu begleiten; so daß Elisabeth, bis sie zu der Erkenntniß gekommen, daß Lady Katharine vielleicht noch einträglichere Stellen zu vergeben haben könnte, das Aufopfern so mancher Stunden nicht recht begreifen konnte. Als eine große Auszeichnung ward es betrachtet, wenn Ihro Herrlichkeit sich zuweilen herabließ, in der demüthigen Pfarrwohnung vorzusprechen. Nichts entging bei solchen kurzen Besuchen ihrer Aufmerksamkeit; sie forschte nach den Arbeiten der Damen, sagte ihnen, wie sie dieses und jenes anders machen mußten, tadelte die Einrichtung des Hauses, und wenn sie sich erbitten ließ, einige Erfrischungen anzunehmen, auch diese.

Das Vergnügen in Rosings zu Mittag zu speisen, wiederholte sich wöchentlich zwei Mal; und abgerechnet den Umstand, daß jetzt nach Sir Williams Abreise nur ein Spieltisch zusammengebracht werden konnte, glichen sich diese Feste wie ein Ei dem andern. Auswärtige Vergnügungen gab es außerdem nur wenige, weil die übrige Nachbarschaft zu fern lebte; doch die beklagte Elisabeth durchaus nicht, da sie ihre Zeit im Ganzen ziemlich angenehm verlebte. Die vertrauliche Unterhaltung mit ihrer Freundin gewährte ihr Freude, und der kommende Frühling lockte sie oft ins Freie. Ihr liebster Spaziergang, den sie meistens immer aufsuchte, während Herr und Mrß. Collins ihre Aufwartung in Rosings machten, war ein entlegener Theil des Parks, wo sie ungesehen und ungestört von Lady Katharinens Neugier lustwandeln und ihren Gedanken nachhängen konnte.

Auf diese ruhige Weise waren die ersten 14 Tage verstrichen. Ostern rückte heran und mit diesem Fest die Aussicht auf einen Zuwachs der Gesellschaft in Rosings, der in einem so kleinen Cirkel nothwendig von großer Wichtigkeit erschien. Elisabeth hatte schon gleich nach ihrer Ankunft in Hunsford gehört, daß Herr Darcy nächstens daselbst erwartet würde, und obgleich es nur wenige Menschen in ihrer Bekanntschaft gab, die sie ihm nicht vorgezogen hätte, versprach sie sich dennoch von seinem Kommen eine kleine Abwechslung in den einförmigen Rosingsparthien. Außerdem hoffte sie durch Beobachtung seines Benehmens gegen Miß von Bourgh, der ihm von Lady Katharinen bestimmten Braut, manche Unterhaltung zu finden, und zugleich die Hoffnungslosigkeit von Miß Bingley's augenscheinlichen Bemühungen nochmals bestätigt zu sehen. Lady Katharine schien sehr erfreut über den verheißenen Besuch; sie sprach mit Ausdrücken der höchsten Bewundrung von diesem Neffen, und konnte es kaum begreifen, daß Elisabeth und Marie schon öfterer das Glück gehabt, ihn zu sehen.

Seine Ankunft ward sehr bald im Pfarrhaus bekannt, indem sich Collins den ganzen Morgen in der Gegend des Parks aufgehalten hatte, um die erste Nachricht von dieser außerordentlichen Begebenheit zu erhalten und seinen Damen zu bringen. Am folgenden Morgen eilte er nach Rosings, seine schuldige Aufwartung zu machen, und fand daselbst noch einen zweiten Neffen Ihrer Herrlichkeit, welchen Darcy mitgebracht, Oberst Fitzwilliam, den jüngern Sohn seines Onkels, Lord ***. Nachdem er auch diesen die ihm gebührende Ehrfurcht erwiesen und sich zum Aufbruch gerüstet hatte, äußerten die Herrn, zu Lady Katharinens größtem Erstaunen, den Wunsch, ihn nach Hause zu begleiten, um die Damen zu begrüssen. Charlotte, die aus ihres Mannes Zimmer das Kleeblatt ankommen gesehen, lief eiligst in das ihrige zurück und verkündete den beiden Mädchen die ihnen bevorstehende Ehre.

»Diese Höflichkeit habe ich einzig und allein Elisen zu verdanken,« sagte sie lachend. »Es würde Herrn Darcy gewiß nicht eingefallen sein, mir seinen Besuch so bald zu machen.«

Ehe Elisabeth noch Zeit hatte, ihren Antheil daran abzulehnen, verkündete das Klingeln der Hausthür die Ankunft der Herrn.

Oberst Fitzwilliam, ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, nicht hübsch, aber in Anstand und Haltung den Gentleman verrathend, führte den Zug an. Darcy sah noch eben so aus, wie er in Hertfordshire auszusehen pflegte; er begrüßte Mrß. Collins mit seiner gewöhnlichen Zurückhaltung und deren Freundin mit dem Anschein der höchsten Ruhe. Elisabeth erwiederte seinen Gruß nur durch eine schweigende Verbeugung.

Oberst Fitzwilliam begann sogleich mit der Leichtigkeit und Gewandtheit des Weltmanns eine Unterhaltung anzuknüpfen; sein Vetter aber verfiel, nachdem er eine Bemerkung über das Haus und den Garten gemacht, in seine bekannte Schweigsamkeit und saß eine geraume Zeit, ohne den Mund zu öffnen. Endlich erwachte seine Höflichkeit, und er wandte sich an Elisen mit der Frage nach dem Befinden ihrer Familie, worauf sie ganz kurz antwortete und gleich darauf hinzufügte:

»Meine älteste Schwester ist jetzt drei Monate in der Stadt gewesen. Haben Sie sie nicht zufällig dort gesehen?«

Obgleich fest überzeugt, daß dieß nicht der Fall gewesen, konnte sie die Frage doch nicht unterlassen, um zu sehen, ob er von dem, was zwischen Bingley's und Johannen vorgefallen, unterrichtet war. Seine Antwort, daß er nicht das Glück gehabt, Miß Bennet dort zu treffen, erschien ihr etwas befangen; sie ließ jedoch das Gespräch fallen, worauf die Herren sich sehr bald empfahlen.


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