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Vierzehntes Capitel.

Die beiden Herrn verließen Rosings am nächsten Morgen, und Collins, der am Eingang des Parks Wache gehalten, um seine Abschiedsreverenz zu machen, konnte die erfreuliche Nachricht zu Hause bringen, daß die Reisenden so wohl und heiter ausgesehen, wie es nach einer so traurigen Scene, als der Abschied in Rosings, möglich sei. Hierauf eilte er selbst aufs Schloß, Lady Katharine und ihre Tochter zu trösten, und brachte zu seiner größten Freude eine Einladung von Ihrer Herrlichkeit von dort mit zurück. Sie fühlte sich so einsam und niedergeschlagen, daß sie den Mittag unmöglich allein zubringen konnte.

Lady Katharinens Anblick weckte mannigfache Erinnerungen in Elisabeths Seele. Sie lächelte bei dem Gedanken an den Zorn Ihrer Herrlichkeit, wenn sie ihr heute als zukünftige Nichte vorgestellt worden wäre. »Was würde sie gesagt, wie würde, sie sich hierbei benommen haben?«

Lady Katharine sprach zuerst von der Verminderung der Gesellschaft in Rosings. »Ich empfinde diesen Verlust schmerzlich; niemand leidet vielleicht so viel bei der Trennung von seinen Freunden, wie ich. Und bei dieser hauptsächlich, weil ich meine Neffen ungemein liebe, und auch weiß, daß sie mir von Herzen zugethan sind. Es that ihnen so leid, gehen zu müssen; aber das ist jedesmal der Fall. Der arme Oberst strengte sich an, heiter zu scheinen bis auf den letzten Augenblick; doch Darcy kam mir noch betrübter vor, wie im letzten Jahr. Seine Anhänglichkeit an Rosings nimmt immer zu.«

Collins benutzte die Pause, um ein Compliment und eine zarte Anspielung anzubringen, die von Mutter und Tochter mit huldreichem Lächeln aufgenommen wurden.

Lady Katharine machte nach dem Essen, die Bemerkung, daß Miß Bennet nicht heiter sei, welchen Umstand sie sich selbst durch ihre baldige Abreise zu erklären suchte

»Doch,« fügte sie hinzu, »wenn dieß die Ursache Ihrer Niedergeschlagenheit ist, so brauchen Sie ja nur um Verlängerung Ihres Urlaubs zu schreiben. Mrß. Collins wird sich gewiß freuen, Sie noch länger bei sich zusehen.«

»Ich bin Ihnen sehr verbunden für diese gütige Einladung,« erwiederte Elisabeth, »doch steht es nicht in meiner Macht, Gebrauch davon zu machen. – Ich muß nächsten Sonnabend in der Stadt sein.«

»Dann wären Sie ja nur sechs Wochen hier gewesen! Ich glaubte, Sie würden zwei Monate bleiben, und äußerte dieß schon vor Ihrer Ankunft gegen Mrß. Collins. Ihre Abreise wird sich auch wohl noch 14 Tage verschieben lassen, indem Mrß. Bennet Sie gewiß noch so lange entbehren kann.«

»Meine Mutter wohl, aber mein Vater nicht. Er schrieb mir kürzlich, um meine Rückreise zu beschleunigen.«

»Pah! Ihr Vater wird Sie schon entbehren können, wenn es die Mutter kann. Die Gesellschaft der Töchter ist den Vätern gewöhnlich ziemlich gleichgültig. Und wenn Sie noch einen ganzen Monat zugeben wollen, kann ich eine von Ihnen bis London mitnehmen, wohin ich Anfang Juni auf 8 Tage zu gehen gedenke. Wenigstens glaube ich nicht, daß es hinsichtlich des Platzes Schwierigkeiten machen wird; und sollte kühle Witterung eintreten, könnte ich Sie vielleicht alle Beide mitnehmen, da Sie weder schwer sind, noch vielen Platz einnehmen.«

»Sie sind außerordentlich gütig, Madam; aber ich glaube, wir müssen dennoch bei unserm ersten Plan bleiben.«

Lady Katharine schien resignirt. – »Mrß. Collins, Sie werden doch den Damen einen Bedienten mitgeben? Ich kann den Gedanken nicht ertragen, zwei junge Mädchen allein mit der Post reisen zu lasen. Es ist höchst unschicklich. Sie müssen es möglich machen, ihnen Jemand mitzuschicken. Ich habe den größten Widerwillen gegen ein solches Hinwegsehen über das Decorum. Junge Damen sollten eigentlich nie anders, als in passender Gesellschaft reisen. Als mich meine Nichte, Georgine Darcy, vorigen Sommer besuchte, machte ich vorher aus, daß sie von zwei männlichen Bedienten begleitet sein sollte. – Miß Darcy, die Tochter Herrn Darcy's von Pemberley und Lady Annens, konnte schicklicher Weise nicht ohne geringere Begleitung reisen. – Ich bin sehr aufmerksam auf solche Dinge. Mrß. Collins, Sie müssen den jungen Damen Ihren Johann mitgeben. Es freut mich, daß ich noch in Zeiten daran dachte, es würde Ihnen übel ausgelegt worden sein, wenn Sie sie hätten allein fahren lassen.«

»Mein Onkel wird uns einen Bedienten mitschicken.«

»Ihr Onkel! – Ihr Onkel hält also einen Bedienten, das ist mir lieb zu hören, und ich freue mich, daß er daran gedacht hat. So werden Sie Pferde wechseln? Wahrscheinlich in Bromley. – Wenn Sie meinen Namen dort nennen, wird man Sie gut und schnell bedienen.«

Lady Katharine hatte noch manche Frage in Betreff ihrer Reise zu thun; und da sie sie nicht alle selbst beantwortete, mußte ihr einige Aufmerksamkeit gewidmet werden, welchen Zwang Elisabeth für gut erkannte, indem sie sonst mit ihrem zerstreuten Sinn leicht vergessen haben könnte, wo sie war. Das Geschäft, Betrachtungen und Ueberlegungen anzustellen, behielt sie sich für einsame Stunden vor; und so oft sie sich allein sah, wurde dasselbe immer wieder von Neuem vorgenommen. Kein Tag verging, an dem sie nicht einen abgelegenen Spaziergang gesucht, und sich in trüben Erinnerungen verloren hätte.

Darcy's Brief war sie auf dem besten Wege auswendig zu lernen. Sie studirte jeden Satz darin, und ihre Empfindungen gegen den Schreiber wechselten so oft wie ihre Stimmung. Wenn sie an den Ton und die Art und Weise seines Antrags dachte, fühlte sie ihr Herz immer noch von Unwillen erfüllt. Doch wenn sie dagegen überlegte, wie ungerecht sie ihn verdammt und angeklagt hatte, fiel ihr Zorn auf sie selbst zurück, und seine getäuschten Erwartungen wurden ein Gegenstand ihres Mitleids. Seine Liebe heischte Dankbarkeit, sein Charakter Achtung; aber sie konnte sein Verfahren nicht billigen. Auch empfand sie keinen Augenblick Reue über ihre abschlägige Antwort, noch hatte sie den Wunsch, ihn je wieder zu sehen. Die Rückerinnerung an ihr eignes Betragen ward ihr zur steten Quelle des Grams und des Aergers, und der Gedanke an die unverbesserlichen Fehler ihrer Familie erfüllte sie mit banger Sorge für die Zukunft. Ihr Vater begnügte sich damit, über die Thorheiten der Seinigen zu lachen, und that nichts dazu, den grenzenlosen Leichtsinn seiner jüngern Töchter zu steuern; und ihre Mutter, deren eignes Benehmen so weit vom rechten Weg abwich, ahnete nicht, daß irgend etwas Unrechtes geschah. Elisabeth hatte schon oft, von Johannen unterstützt, versucht, Katharinen und Lydien auf ihre unvernünftige Handlungsweise aufmerksam zu machen. Doch was ließ sich hiervon bei der mütterlichen Nachsicht und Verblendung erwarten? Katharine, schwach, empfindlich und ganz von Lydiens Willen abhängend, hatte sich immer durch ihre Rathschläge und Warnungen beleidigt gefühlt, während die eigensinnige, leichtfertige Lydia sie kaum angehört. Sie waren unwissend, faul und eitel – fest entschlossen, sich so lange die Cour machen zu lassen, als noch ein Offizier in Meryton war, und dieser Lieblingsort ihnen erreichbar blieb.

Auch der Gedanke an Johannen erfüllte Elisens Gemüth mit Sorge und Betrübniß; und Darcy's Erklärung, wodurch Bingley in ein helleres Licht getreten, und ihre frühere gute Meinung von Neuem erlangt hatte, machte seinen Werth und Johannens Verlust erst recht fühlbar. daß seine Liebe aufrichtig gewesen, war jetzt unbezweifelt; auch stand sein späteres Betragen, die große Nachgiebigkeit in den Willen seines Freundes abgerechnet, tadellos und gerechtfertigt vor ihren Augen, wie niederschlagend war daher der Gedanke, daß Johanne durch die Thorheiten und Unziemlichkeiten ihrer eignen Familie um das Glück ihres Lebens gebracht worden war!

Gesellen wir noch zu diesen Betrachtungen das schmerzliche Gefühl über die Enthüllung von Wickhams Charakter; so ist es leicht begreiflich, daß die fröhliche Laune unsrer Elisabeth, die sonst nicht leicht durch etwas getrübt werden konnte, jetzt manchmal von ihr wich, und es ihr schwer wurde, nur einiger Maaßen heiter zu scheinen,

Die Gesellschaften in Rosings erfolgten die letzte Woche ihres Aufenthalts in Hunsford eben so oft, wie vor dem Besuch der Neffen. Sogar der letzte Abend ward daselbst zugebracht, und Lady Katharine unterließ nicht, sich nochmals nach den geringfügigsten Umständen ihrer Reise zu erkundigen, so wie ihnen die beste Methode des Einpackens zu lehren. Ja, sie sprach so eindringlich von der Nothwendigkeit, die Kleider auf die einzig rechte Manier einzupacken, daß sich Marie verpflichtet hielt, das Werk des Morgens nach ihrer Zurückkunft zu zerstören, und ihren Koffer nach der vorgeschriebenen Weise umzupacken.

Beim Abschied wünschte Lady Katharine ihnen mit großer Herablassung eine glückliche Reise, und lud sie ein, nächstes Jahr wieder nach Hunsford zu kommen; und Miß von Bourgh strengte sich so weit an, eine Verbeugung zu machen, und ihnen die Hand beim Scheiden zu reichen.


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