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Zwei Tage nach Bennets Zurückkunft langte ein Bote aus der Stadt von Herrn Gardiner an. Elisabeth und Johanne waren eben in den Garten gegangen, als die Haushälterin ihnen diese Nachricht mittheilte, und sie eilten zu ihrem Vater.
»Papa! was haben Sie für Nachrichten, hat der Onkel geschrieben?« fragte Elisabeth.
»Ja, ich bekam eben diesen Brief durch einen expressen Boten.«
»Enthält er gute oder schlechte Nachrichten?«
»Was kann man Gutes erwarten!« sagte er, den Brief aus der Tasche nehmend. »Hier, lies ihn laut, denn ich weiß selbst kaum, was er enthält.«
»Gracechurch-straße. Montag
den 2ten August.
»Liebster Bruder!
Endlich bin ich im Stande, Ihnen Nachrichten von Ihrer Tochter zu geben, die, wie ich hoffe, zu Ihr er Beruhigung dienen werden. Gleich nachdem Sie uns am Sonntage verlassen hatten, war ich so glücklich, zu erfahren, in welchem Theile von London sie sich aufhalten. Die nähern Umstände behalte ich mir vor, bis wir uns wieder sehen. Es ist genug, zu wissen, daß ich sie entdeckt und alle Beide gesehen habe.«
»Dann ist es gewiß, wie ich immer hoffte,« rief Johanne – »sie sind verheirathet!«
Elisabeth las weiter:
»Ich habe sie Beide gesehen. Sie sind nicht verheirathet, auch schien es mir nicht, als ob dieß ihre Absicht sei; doch wenn Sie sich geneigt finden lassen, die Bedingungen zu erfüllen, die ich in Ihrem Namen zugestanden, hoffe ich, daß sie bald verheirathet sein werden. Sie bestehen darin, daß Sie dieser Ihrer Tochter durch einen schriftlichen Contrakt ihren Antheil an den fünftausend Pfund, die Ihren Kindern nach Ihrem und meiner Schwester Ende zufallen, zusichern und ihr außerdem während Ihres Lebens jährlich hundert Pfund bewilligen. Dieß sind Bedingungen, die ich in Ihrem Namen unter gegenwärtigen Umständen einzugehen keinen Anstand nahm, obgleich ich alles nur im Fall Ihrer Zusage fest machte. Ich sende Ihnen diese Zeilen durch einen expressen Boten, damit ich Ihre Antwort so schnell als möglich erhalte. Sie sehen hieraus, daß Herrn Wickham's Umstände keineswegs so hoffnungslos sind, als man sie geschildert hat. Die Welt ist hierüber betrogen worden, und ich freue mich, hinzufügen zu können, daß meine Nichte, nachdem seine Schulden bezahlt sind, immer noch eine kleine Summe Geldes von ihrem Vermögen übrig behalten wird. Wenn Sie, wie ich voraussetze, mich beauftragen, dieses Geschäfft in Ihrem Namen abzuschließen, werde ich augenblicklich Anstalten treffen, eine passende Einrichtung für die jungen Leute zu besorgen. Ihre Zurückkunft nach London ist durchaus nicht erforderlich, weshalb ich Sie bitte, ruhig in Longbourn zu bleiben und meiner Einsicht zu vertrauen. Senden Sie mit gleich Antwort zurück, und tragen Sie Sorgen daß sie klar und bündig ist. Wir haben es für das Beste erkannt, daß Lydia aus unserm Hause den wichtigen Gang in die Kirche antritt, was Sie hoffentlich billigen werden. Sie kommt heute zu uns. Sobald Alles ins Reine gebracht ist, schreibe ich wieder.
Ihr so getreuer Freund und Schwager
Eduard Gardiner.«
»Ist es möglich!«« rief Elisabeth, nachdem sie geendet; »ist es wirklich wahr, daß er sie heirathen will?«
»Wickham ist nicht so schlecht, als wir ihn gehalten haben,« sagte Johanne. »liebster Vater! ich gratulire Ihnen!«
»Haben Sie den Brief beantwortet?« fragte Elisabeth.
»Nein, aber es muß bald geschehen.«
»O, liebster Vater!« rief sie, »thuen Sie es gleich. Bedenken Sie, wie wichtig jeder Augenblick in einem solchen Fall ist.«
»Lassen Sie mich für Sie schreiben, wenn Sie es nicht gern selbst thun,« sagte Johanne.
»Ich thue es nicht gern; aber es muß sein.«
»Und darf ich fragen, ob Sie gesonnen sind, die Bedingungen einzugehen?« fragte Elisabeth.
»Ob ich sie eingehen will? ich schäme mich nur, daß er so wenig verlangt hat. Zwei Dinge wünschte ich zu wissen: Erstlich, wie viel Geld Dein Onkel gebraucht hat, die Sache so weit zu bringen und wie ich jemals im Stande sein werde, ihm diese Summe zurück zu geben.«
»Geld! der Onkel!« rief Johanne erstaunt. »Wie verstehen Sie das, lieber Vater!«.
»Ich bin der Meinung, daß kein Mann, der nur einigen Verstand hat, sich dazu entschließen wird, Lydien mit einer so geringen Mitgift als hundert Pfund jährlich, so lange ich lebe, und funfzig, nachdem ich gestorben bin, zu heirathen.«
»Das ist sehr richtig,« bemerkte Elisabeth, »obgleich ich nicht früher daran gedacht habe. Seine Schulden bezahlt und noch etwas übrig! Ja! der Onkel hat sicher hierbei das Beste gethan. Edler Mann! ich fürchte, er wird sich selbst dadurch ruiniren. Eine kleine Summe ist gewiß nicht hinreichend gewesen.«
»Nein,« erwiederte der Vater, »Wickham wäre ein Thor, wenn er sie mit wenige als zehntausend Pfund nähme. Es sollte mir leid thun, gleich zum Anfang unsrer Verwandtschaft so gering von ihm denken zu müssen.«
»Zehntausend Pfund! Gott verhüte es! Wie wäre es möglich auch nur die Hälfte dieser Summe zurückzuzahlen?«
Bennet schwieg und setzte sich zum Schreiben nieder. Die Mädchen verließen ihn.
»So dürfen wir wenigstens hoffen, sie bald verheirathet zu sehen,« sagte Elisabeth, als sie mit ihrer Schwester wieder allein war. »Wunderbar! und dafür müssen wir dankbar sein, und uns freuen, daß es so weit gekommen ist. O, Lydia! Lydia!«
»Ich tröste mich mit dem Gedanken,« sagte Johanne, »daß er Lydien gewiß nicht heirathen würde, wenn er sie nicht wirklich liebte. Und obgleich ich gern glauben will, daß unser guter Onkel etwas für ihn gethan hat, so kann ich doch die Möglichkeit einer solchen Summe wie zehntausend Pfund nicht fassen. Er hat ja selbst Kinder und ist gewiß nicht im Stande, auch nur die Hälfte zu entbehren.«
»Wenn wir erfahren können, wie hoch sich Wickham's Schulden belaufen,« sagte Elisabeth, »und wie viel unsrer Schwester von seiner Seite ausgesetzt worden ist, können wir leicht berechnen, was Gardiner für sie gethan hat, da Wickham nicht einen Schilling eignes Vermögen besitzt. Die Güte unsrer Verwandten ist nicht zu vergelten. daß sie Lydien in ihr Haus und unter ihren besondern Schutz genommen haben, ist ein Opfer, welches jahrelange Dankbarkeit erfordert. Jetzt wird sie schon bei ihnen sein! Wenn solche Güte sie nicht beschämt und rührt, verdient sie nicht glücklich zu werden! Mit welchen Empfindungen wird sie der Tante zuerst unter die Augen treten!«
»Wir müssen von beiden Seiten zu vergessen suchen, was vorgefallen ist,« sagte Johanne; »ich hoffe, sie wird glücklich werden. Seine Bereitwilligkeit, sie zu heirathen, ist ein Beweis, daß er auf den rechten Weg zurück gekehrt ist. Gegenseitige Neigung wird beide Theile bessern, und so schmeichle ich mir, daß sie sich so vernünftig betragen werden, daß man ihre frühere Unvorsichtigkeit mit der Zeit vergessen kann.
»Ihr beiderseitiges Betragen war von einer Art,« entgegnete Elisabeth, »daß es weder von Dir, noch von mir, noch von irgend jemand vergessen werden kann. Es ist unnütz, darüber zu reden.«
Da es den Schwestern erst jetzt einfiel, daß ihre Mutter von dem Vorgefallenen noch nicht unterrichtet war, eilten sie zu ihr hinauf und fanden Marie und Kitty bei ihr. Nach einer kurzen Vorbereitung auf gute Nachrichten las Johanne den Brief vor. Mrß. Bennet konnte ihre Freude über Lydiens baldige Verheirathung nicht mäßigen. Sie gerieth nun vor Entzücken in denselben unruhigen, aufgeregten Zustand, worin sie erst kürzlich vor Trauer und Wehmuth gewesen. Der Gedanke, ihre Tochter nächstens verheirathet zu wissen, war hinreichend, sie zu beseligen. Weder Furcht vor ihrem Glück noch die Rückerinnerung an ihre schimpfliche Flucht störten ihren Genuß.«
»Meine liebe, theure Lydia!« rief sie. »Ich werde sie bald wiedersehen, und verheirathet – mit 16 Jahren verheirathet! Guter, lieber Bruder! – ich wußte, daß er so handeln würde: Wie verlangt es mich, mein Kind wieder zu sehen und den lieben Wickham dazu! Aber die Kleider, die Hochzeitskleider! Ich will sogleich deshalb an meine Schwägerin schreiben. Lizzy! geh doch auf der Stelle ein Mal zu Deinem Vater In der Vorlage irrtümlich »Vetter«. und frage ihn, wie viel, er ihr dazu geben will. Doch warte, ich werde selbst gehen. Kitty, klingle; ich muß mich sogleich anziehen. Liebste, liebste Lydia! Wie vergnügt wollen wir bei unserm nächsten Zusammentreffen sein!«
Johanne suche den Ausbruch ihrer Freude durch die Bemerkung zu dämpfen, daß sie dieses Glück hauptsächlich der Güte ihres Bruders zu danken habe.
»Ja, freilich!« entgegnete Mrß. Bennet, »wer hätte sonst etwas für sie thun können, als ihr Onkel? Aber ihm kam es auch zu: denn wenn er keine Familie hätte, erbten wir doch sein ganzes Vermögen. Und was hat er bis jetzt für uns gethan! – Wie glücklich bin ich. Nur noch wenige Tage, und ich kann von meiner verheiratheten Tochter sprechen – Mrß. Wickham klingt sehr hübsch.«
Sie ging mit der größten Weitläuftigkeit auf alle Einzelnheiten über, und würde eine sehr reichliche Aussteuer angeordnet haben, wenn Johanne sie nicht gebeten hätte, damit zu warten, bis der Vater darüber in Rath genommen worden wäre.
»Ich will selbst nach Meryton gehen und meiner Schwester Philips diese guten Nachrichten mittheilen. Und auf dem Rückweg werde ich bei Lady Lukas und Mrß. Long vorsprechen. Kitty, bestelle mir schnell den Wagen. Eine Spazierfahrt wird mir sehr heilsam sein.«