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Elftes Capitel.

Sobald die Damen vom Tisch aufgestanden waren, führte Elisabeth ihre Schwester wohl verhüllt und eingepackt hinunter in das Gesellschaftszimmer, wo sie von ihren beiden Freundinnen mit vielen Freudensversicherungen empfangen wurde. Elisabeth hatte sie noch nie so angenehm und liebenswürdig gefunden, als in dieser Stunde, ehe die Herrn erschienen. Ihre Unterhaltungsgabe war wirklich außerordentlich; sie konnten eine Gesellschaft mit allen Nuancen beschreiben, eine Anekdote mit vieler Laune erzählen und über die Lächerlichkeiten ihrer Bekannten mit Geist lachen.

Doch sobald die Herrn eintraten, hörte Johanne auf, die Hauptperson zu sein. Miß Bingley hatte Darcy'n etwas zu sagen, noch ehe er sich ihr genähert. Er begrüßte Miß Bennet mit einem höflichen Glückwunsch zu ihrer Genesung: Hurst machte ebenfalls eine leichte Verbeugung und freute sich, sie wieder wohl zu sehen; aber Bingley's Empfang drückte die Wärme seiner Empfindung aus. Er war ganz Freude und Aufmerksamkeit, sorgte für Erhaltung des Kaminfeuers, suchte ihr den besten, vor Zug gesicherten Platz aus, rückte dann seinen Stuhl zu ihr hin und sprach nur mit ihr. Elisabeth, im andern Ende des Zimmers mit einer weiblichen Arbeit beschäfftigt, sah diesem Treiben mit Vergnügen zu.

Nach eingenommenem Thee erinnerte Hurst seine Schwägerin an die Karten. Doch vergebens. Sie hatte geheime Nachricht, daß Darcy nicht zum Spiel aufgelegt war, und so wurde selbst Hursts laut ausgesprochener Wunsch unbeachtet gelassen. Ihm blieb daher nichts anderes übrig, als sich auf ein Sofa zu strecken und zu schlafen. Darcy ergriff ein Buch, Miß Bingley that ein Gleiches und Mrß. Hurst, mit ihren Ringen und Armbändern spielend, mischte sich dann und wann in die Unterhaltung ihres Bruders mit Johannen. Doch nicht lange ertrug Miß Bingley das Einförmige dieses Zeitvertreibs, und nachdem sie einige Mal laut gegähnt, legte sie ihr Buch zur Seite und sagte zu ihrem Bruder, der eben mit Johannen von dem projektirten Ball in Netherfield sprach –

» A propos, Carl! bist Du wirklich gesonnen, einen Ball zu geben? Ich würde Dir doch rathen, erst die Wünsche Deiner Hausgenossen über diesen Punkt zu erforschen, bevor Du dergleichen fest setzst. Es möchte vielleicht Manchem unter uns dieser Ball mehr zur Strafe als zum Vergnügen gereichen.«

»Wenn Du Darcy meinst, rief Bingley lachend – »so steht es ihm frei zu Bette zu gehen, ehe Der Ball beginnt. Aber gegeben wird er, und sobald die nöthigen Vorkehrungen von Seiten meiner Haushälterin getroffen sind, werde ich die Karten herumschicken.«

Miß Bingley sagte noch Mancherlei über die Einförmigkeit eines solchen Vergnügens, und wie es weit unterhaltender gemacht werden könnte, wenn der Tanz mit Conversation abwechselte. Als sie aber bemerkte, daß ihr Bruder fest entschlossen war, ließ sie den Gegenstand fallen, stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Ihre Gestalt war schön und sie bewegte sich mit Grazie. Doch Darcy, auf welchen dieser Angriff gerichtet war, verwandte keinen Blick von seinem Buch. In der Verzweiflung forderte sie jetzt Elisen auf, ihrem Beispiel zu folgen, indem eine solche Bewegung nach langem Stillsitzen sehr heilsam sei.

Elisabeth staunte, willigte jedoch ein, und Miß Bingley erreichte ihren Zweck in so fern, daß Darcy, durch diese ungewöhnliche Höflichkeit aufmerksam geworden, sein Buch weglegte. Nun ward er sogleich aufgefordert, Theil an dem Spaziergang zu nehmen, lehnte die Einladung indeß ab, weil die Damen, wie er sagte, nur zwei Gründe zu diesem Auf- und Abgehen haben könnten, welche Beide durch sein Hinzutreten gestört werden müßten.

Miß Bingley bat sich eine Erklärung dieser beiden Gründe aus.

»Ich nehme keinen Anstand, sie auszusprechen,« sagte er. »Sie erwählen diese Weise, den Abend zuzubringen, entweder um sich ungestört über geheime Gegenstände unterhalten zu können, oder weil sie überzeugt sind, ihre Gestalten beim Auf- und Abgehen im vortheilhaftesten Licht zu zeigen. Im erstern Fall würde ich völlig überflüssig sein; im zweiten – kann ich sie aus einiger Entfernung besser bewundern.«

»O wie abscheulich!« rief Miß Bingley. »Kann man sich so etwas vorstellen! Wie züchtigen wir ihn für diese Sprache?«

»Nichts ist leichter, wenn Sie Lust dazu haben,« entgegnete. Elisabeth. »Aergern Sie ihn – zanken Sie ihn aus – lachen Sie ihn aus. Bei Ihrer genauen Kenntniß seines Charakters werden Sie wohl wissen, wie dieß am Besten anzufangen ist.«

»Ja, wenn ich das wüßte! aber so weit ergründet habe ich ihn trotz unserer längern Bekanntschaft noch nicht. Auch sind Gemüthsruhe und Geistesgegenwart nicht leicht außer Fassung zu bringen. Nein, nein! ich fühle, er wird uns Trotz bieten. Und was das Auslachen betrifft, so bedarf es dazu eines Grundes, und diesen giebt uns Herr Darcy nicht.«

»Herr Darcy ist also ein Gegenstand, über den man nicht lachen kann!« rief Elisabeth. »Das ist allerdings ein ungewöhnlicher Vorzug; und ungewöhnlich wird er auch hoffentlich bleiben. Wenigstens für mich würde es ein großer Verlust sein, viel solche Bekanntschaften zu haben, indem ich ungemein gern lache.«

»Miß Bingley,« sagte er, »traut mir zu viel zu. Die weisesten und besten Menschen, ja sogar die weisesten und besten ihrer Handlungen können von solchen, denen ein Scherz der höchste Zweck des Lebens ist, lächerlich gemacht werden.«

»Es giebt allerdings solche Menschen,« entgegnete Elisabeth – »doch hoffe ich nicht in diese Klasse zu gehören. Was weise und gut ist, werde ich nie lächerlich machen. Thorheiten und Unsinn, Launen und Unbeständigkeiten unterhalten mich und reizen mich zum Lachen, wo ich sie finde; aber ich sehe voraus, daß Sie über solche Dinge erhaben sind.«

»Das möchte vielleicht kein Mensch mit Recht von sich behaupten können; doch habe ich es zum Studium meines Lebens gemacht, mich vor solchen Schwachheiten zu bewahren, die einen Menschen, bei dem aufgeklärtesten Verstand, oft lächerlich machen.«

»Als da sind Stolz und Eitelkeit.«

»Die Eitelkeit erkenne ich allerdings für eine Schwachheit; aber der Stolz – wenn er auf wahre Vorzüge gegründet ist – verdient diesen Namen nicht.«

Elise wandte sich ab, ein Lächeln zu verbergen.

»Ihre Untersuchung der Schwachheiten des Herrn Darcy scheint zu Ende zu sein,« sagte Miß Bingley. »Darf man nach dem Resultat fragen?«

»Ich bin vollkommen überzeugt, daß Herr Darcy keine Schwachheiten hat. Er gesteht es selbst ein.«

»Sie mißverstehen mich,« entgegnete Darcy. »Ich habe Schwachheiten genug, aber hoffentlich keine Verstandesschwachheiten. Für mein Temperament kann ich nicht einstehen. Ich fürchte, es ist zu wenig nachgiebig, zu wenig geeignet, sich in die Welt zu fügen. Ich kann die Thorheiten und Laster Anderer nicht so leicht vergessen, als ich sollte, eben so wenig erlittene Beleidigungen. Mein Gefühl ist nicht durch jede Kleinigkeit zu rühren. Ich verdiene vielleicht den Vorwurf, empfindlich, zum Groll geneigt genannt zu werden. Wer meine gute Meinung einmal verloren hat, gewinnt sie nie wieder.«

»Das ist in der That mehr wie Schwachheit!« rief Elisabeth. »Unversöhnlicher Groll ist ein Flecken im Charakter. Doch Sie haben Ihre Fehler im Ganzen gut gewählt; sie sind sämmtlich von der Beschaffenheit, daß man mit dem besten Willen nicht darüber lachen kann.«

»Ich glaube, es findet sich in jedem Menschen eine Neigung zum Bösen, so eine Art Naturfehler, den selbst die beste Erziehung nicht auszurotten vermag.«

»Der Ihrige ist die Neigung, jedermann zu hassen.«

Und Ihr Fehler,« entgegnete er lächelnd, »besteht darin, alle Menschen geflissentlich unrecht verstehen zu wollen.«

»Lassen Sie uns ein Wenig Musik machen,« rief Miß Bingley, ermüdet von einer Unterhaltung, an der sie keinen Antheil hatte. – »Louise, Du fürchtest Dich nicht, Deinen Mann dadurch aufzuwecken?«

Mrß. Hurst schien keine so zarten Rücksichten nehmen zu wollen. Der Flügel ward geöffnet, und Darcy freute sich dieser Störung, indem er nach einiger Ueberlegung die Gefahr, Elisen zu viel Aufmerksamkeit zu widmen, erkannte.


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