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Siebzehnte Capitel.

Elisabeth theilte Johannen am andern Morgen den Innhalt ihres Gespräche mit Wickham mit, und diese hörte ihr voll Erstaunen und Betrübniß zu. Es war ihr unmöglich, Darcy'n so schlecht, Bingley's Freundschaft so unwürdig zu halten; und doch lag es nicht in ihrem Charakter, die Wahrheitsliebe eines so liebenswürdigen Mannes, wie Wickham, zu bezweifeln. Die Möglichkeit, daß er alle die genannten Härten und Täuschungen erlitten haben sollte, war schon hinreichend, Johannens Interesse und Mitleid zu erregen, aber unfähig den Angeklagten zu verdammen, suchte sie den Grund seines Betragens in andern Ursachen und bemühte sich, ihre Schwester davon zu überzeugen, daß Beide vielleicht unschuldig, und nur durch Mißverständnisse, fremde Einmischung und andre widrige Umstände veranlaßt worden waren, gegenseitig schlecht von einander zu denken.

Elisabeth bestritt lachend die wohlwollende Meinung ihrer weichherzigen Schwester, und das reichhaltige Thema war noch lange nicht erschöpft, als sie durch der Mutter Stimme herabbeschieden wurden. Besuch zu empfangen. Bingley und seine Schwestern kamen selbst, die Familie zu dem lang erwarteten Ball in Netherfield für den nächsten Dienstag einzuladen. Die Damen waren höchst erfreut, ihre geliebte Johanne wiederzusehen, nannten es eine Ewigkeit, seit sie von einander geschieden, und überhäuften sie mit Zärtlichkeit. Desto weniger Aufmerksamkeit wurde den übrigen Gliedern geschenkt, Mrß. Bennet so viel als möglich vermieden, mit Elisabeth sehr wenig, mit den andern Schwestern, gar nicht gesprochen und der Aufbruch so plötzlich bewerkstelligt, als ob sie den zudringlichen Höflichkeiten der Mutter hätten entfliehen wollen. Die Aussicht auf den Ball in Netherfield erfüllte die weiblichen Herzen der Bennet'schen Familie mit freudiger Erwartung. Mrß. Bennet betrachtete ihn als ein ihrer ältesten Tochter gezolltes Compliment, und fühlte sich sehr durch die persönliche Einladung geschmeichelt. Johanne malte sich im Geist einen glücklichen Abend in der Gesellschaft ihrer Freundinnen und deren Bruder aus; und Elisabeth dachte mit Vergnügen daran, die meisten Tänze mit Wickham zu tanzen, und in Darcy's Blicken und Betragen alles bestätigt zu finden, was er ihr von ihm erzählt hatte. Katharinens und Lydiens erwartete Glückseligkeit hing nicht von einzelnen Umständen oder Personen ab; und obgleich sie wie Elisabeth voraussetzten, den halben Abend mit Wickham zu tanzen; so war es doch keineswegs der einzige wünschenswerte Gegenstand, und ein Ball schon als Ball ein lichter Punkt im Leben. Selbst Marie versicherte den Ihrigen, daß sie nicht abgeneigt sei, Theil an diesem Feste zu nehmen, indem die Gesellschaft an Jedermann Anspruch machen könne; und daß sie, wenn sie den Morgen der Arbeit gewidmet, sich Abends gern eine Erholung in gebildeten geselligen Kreisen zu gönnen pflege.

Elisabeth, sonst nicht aufgelegt unnöthiger Weise mit dem Vetter Collins zu sprechen, konnte jetzt doch im Uebermuth der guten Laune nicht umhin, ihn zu fragen: ›ob er auch gesonnen sei, Herrn Bingley's Einladung anzunehmen, und wie er sich auf diesen Fall hinsichtlich des Tanzens zu verhalten gedenke?‹ Zu ihrem größten Erstaunen vernahm sie hierauf, daß er den Tanz für ein unschuldiges Vergnügen halte, welches ihm weder der Erzbischoff noch Lady Katharine von Bourgh je untersagt habe.

»Ich bin keineswegs der Meinung,« fuhr er fort, »daß ein solcher Ball, von einem jungen Mann von Stande einer auserwählten Gesellschaft gegeben, meiner Reputation schaden kann; und selbst ein thätiger Antheil an dem allgemeinen Vergnügen scheint mir im gegenwärtigen Fall so erlaubt, ja geziemend, daß ich mir mit der Hoffnung schmeichele, von meinen sämmtlichen schönen Cousinen als Tänzer angenommen zu werden. Und so benutze ich denn die günstige Gelegenheit, Sie, Miß Elisabeth, um die beiden ersten Tänze zu ersuchen – ein Vorzug, den meine Cousine Johanne hoffentlich dem wahren Grund, und nicht dem Mangel an Achtung zuschreiben wird.«

Elisabeth war wie vom Donner gerührt. Sie hatte gehofft, diese beiden ersten Tänze mit Wickham zu tanzen, und statt dessen fiel sie nun dem unerträglichen Collins anheim. Ihr Vorwitz war ihr noch nie so schlecht bekommen; aber hier half keine Reue. Wickham's Glück mußte wider Willen noch etwas weiter hinausgeschoben, und Collins Engagement angenommen werden. Doch mehr noch als seine allgemeine Galanterie inkommodirte sie die Anspielung in dem Schluß seiner Rede. Zum ersten Mal wurde es ihr klar, daß er sie unter ihren Schwestern als die Würdigste erwählt hatte, Gebieterin der Pfarrwohnung von Hunsford zu werden, und in Ermangelung standesmäßigerer Gesellschaft den Spieltisch in Rosings zu zieren. Die Idee bildete sich bald zur völligen Gewißheit aus, als sie ihn nun genauer beobachtete, seine häufigen Complimente über ihren Witz, ihre Lebhaftigkeit und gute Laune vernahm, und seine zunehmende Galanterie gewahrte. Kaum hatte sie diese Entdeckung gemacht, die mehr Erstaunen als Freude in ihr erregte, als ihr auch die Mutter schon zu verstehen gab, daß sie sehr einverstanden mit seinen Wünschen und Hoffnungen sei. Elisabeth ließ diesen Wink jedoch unbeachtet, wohl wissend, daß ihre Antwort einen ernstlichen Streit herbeiführen würde. Collins hatte ja seinen Antrag noch nicht gemacht; und bis es so weit kam, war es unnöthig, darüber zu sprechen.

Ohne die Aussicht auf den Ball und die dazu gehörigen Vorbereitungen würden die jüngern Miß Bennets sich in einem kläglichen Zustand befunden haben. Denn von dem Tage der Einladung bis zum Balltag selbst regnete es so unaufhaltsam, daß sie nicht daran denken konnten, nach Meryton zu gehen. Ohne Tante, ohne Officiere, ohne Neuigkeiten mußte der lange Zwischenraum verlebt und selbst die Schuhschleifen für Netherfield durch Boten besorgt werden. Nur die Erwartung des Dienstags konnte Katharinen und Lydien einen solchen Freitag, Sonnabend, Sonntag und Montag überstehen helfen.


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