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Wie Angliana nach Walter sendet und ihm den Brief zu lesen gab, den der Knabe von ihrem Vater gebracht, und welche großen Freuden er daraus empfing.

In großen, unsäglichen Freuden war Angliana, mit ihr erfreuten sich auch alle ihre Jungfrauen, insonderheit Florina und Kordula. Sie schickte auch nach Walter, der kam eilends; denn er meinte, der Jungfrau wäre etwas Übles widerfahren.

Sobald er nun in ihr Gemach kam, ging sie ihm mit großen Freuden entgegen, empfing ihn gar freundlich. »Oh, Walter«, sagte sie, »ich muß dich der großen Freude auch teilhaftig machen; denn uns ist gar gute Botschaft von meinem Vater gekommen.«

Damit gab sie ihm den Brief. Walter las ihn von Anfang bis zu Ende, davon sein Herz in großen Freuden schwebte. »Oh, Angliana, ich sage Euch sicherlich«, sprach Walter, »dieser Brief erfreut mich mehr, als mich die vorige Nacht ein Traum erfreute.«

»Wie war der?« sagte Angliana.

»Mir träumte«, sagte Walter, »wie ich meinen liebsten Bruder und Gesellen Leufried in einem großen Gedränge und Scharmützel inmitten unter seinen Feinden ersähe, die allesamt mit Kräften auf ihn schlugen und sehr viel tödliche vergiftete Pfeile auf ihn schössen, Er aber arbeitete mühte. sich mit großer Macht und geschwinden Streichen unter seinen Feinden. Zuletzt aber verschwand mir Leufried vor Augen und war der Streit geendigt. Nun sah ich einen Jüngling mit entblößtem Haupt, nichts darauf dann einen schönen Kranz von Lorbeerzweigen. In seiner linken Hand führte er einen gebunden und gefangen, derselbe war mit einem gar köstlichen Küraß gekleidet, sein Haupt mit einem glänzenden Helmlein gedeckt, das Visier vorgeschlagen, also daß ihn niemand erkannte. Der Jüngling mit dem Lorbeerkranz führte in der rechten Hand ein bloßes Schwert, allenthalben mit menschlichem Blut besprengt. Ich sah ihm mit ganzem Ernst unter sein Angesicht, es war mir gänzlich, als sollte ich ihn kennen, hätte ihn auch sehr gern angesprochen. Sein Angesicht aber war sehr erschrecklich anzusehen, deshalb unterließ ich, mit ihm zu reden. Also ging er vorüber mit dem Gefangenen und überantwortete ihn dem König. Als mich aber solches Gesicht gar angsthaft in meinem Schlaf machte, erwachte ich zuletzt gänzlich, lag die übrige Nacht in schweren Gedanken und bedachte stets, wie nur also Leufried aus meinem Gesicht verschwunden wäre. Nun aber bin ich wohl zufrieden, und mir ist schon des Traumes Deutung durch diesen Brief aufgelöst. Dann daß ich Leufried aus meinem Gesicht verlor, ist nichts anderes, als daß er mir vorher nicht anders bekannt gewesen ist dann als ein schlechter schlichter. Reutersmann und aber jetzt durch sein Schwert und mannliche Hand den Orden der Ritterschaft erlangt hat. Dieses zeigt mir der Lorbeerkranz an, so er auf seinem Haupte trug. Darum, liebste Jungfrau, erfreut mich diese Botschaft sehr.«

Als sie nun ihre Zeit mit mancherlei Gesprächen kürzten, lief der Schildbube allenthalben an dem ganzen Hof umher, um Walter zu suchen, damit er auch ein Botenbrot von ihm bekommen möchte. Zuletzt ward ihm gesagt, wie er in der Frauen Gemach bei Jungfrau Angliana wäre. »So ist mein Anschlag umsonst«, sagte der Knabe. Nun fing er erst an, dem anderen Hofgesinde die Botschaft zu verkündigen. Das Geschrei kam auch in die Stadt unter die Bürger, die wurden mit großen überschwenglichen Freuden umgeben. Als sie vernahmen, daß ihr liebster Herr noch frisch und gesund war, wurden allenthalben in der Stadt Freudenfeuer gemacht, auch kleideten sich alle Bürger in eine gleiche Farbe, damit sie ihrem Herrn mit Freuden und zierlich möchten entgegenreiten und zu Fuß einen feinen Haufen ins Feld führen.

Als nun der König einen steten und ewigen Bund mit dem König von Kastilien aufrichtete, hat er auch alle Kriegskosten bezahlen müssen. Alsdann hat ihn der König wiederum in sein Land ziehen lassen, ist auch alles Kriegsvolk beurlaubt worden und der Graf mit seinem Volk wieder heimgezogen.


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