Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wie Angliana, des Grafen Tochter, nach ihrer Gewohnheit allem Hofgesinde das neue Jahr gab und allein Leufrieds, des Küchenbuben, vergaß, worüber er herzlich. betrübt war.

Als nun in selbigem Winter das neue Jahr angekommen war, teilte die Jungfrau Angliana allem Hofgesinde nach ihrer Gewohnheit eine Gabe aus, jedem nachdem er geadelt oder mit einem Amt versehen war, und dem geringsten unter den Stallbuben ward wenigstens ein schönes Schnupftüchlein. Nach empfangener Gabe liefen diese nun zusammen, und zeigte jeder vor, was ihm die Jungfrau verehrt hatte. Von ungefähr war nun der gute Leufried auch zugegen und hatte, als sie sein Neujahr sehen wollten, nichts zu zeigen, weil er leider nichts empfangen hatte; doch tröstete er sich und gedachte, wer weiß, die Jungfrau mag dich nicht kennen, ich will ihr aber unter die Augen gehen, sie wird mich vielleicht noch in Gnaden erkennen.

Also begab sich Leufried oft mit Fleiß auf Wege und Straßen, da er gedachte, Angliana könne vorüberkommen; aber alles blieb umsonst, denn sie achtete seiner nicht. Das betrübte nun den Jungen herzlich; denn Kupido hatte ihn mit seinem Geschoß verwundet, also daß er in großer, inbrünstiger Liebe gegen Jungfrau Angliana entzündet ward und kein Tag noch Stunde, ja kein Augenblick hinging, in dem er nicht die Schönheit der Jungfrau aufs höchste ermaß und in seiner heimlichen Seele betrachtete.

Eines Tages hatte Leufried alle seine Geschäfte gar früh nach seines Meisters Befehl verrichtet, und alles Hofgesinde kam in der großen Hofstube zusammen; denn es war auf einen Sonntag gar grausam kalt. Als sie sich nun umsahen, den Meister Koch und seinen Unterkoch auch in der Stube fanden, Leufried aber nirgends zu sehen war, so wunderten sie sich alle und fragten den Meister nach ihm. Der sagte: »Gewiß, ich weiß nichts von ihm; denn sobald er sein Geschäft verrichtet, ist er aus der Küche gegangen, wohin, ist mir unbekannt, vielleicht, daß er in der Stadt etwas zu bestellen hat.«

Es hatte aber eine gar andere Gestalt um Leufried, sein Gemüt war hart beschwert. Er saß im Garten an einer verborgenen Stelle und klagte seinen Jammer und sein Leid sich selbst; denn sonst wollte er niemanden in seinem Vertrauen haben.

»O Glück«, sprach er, »wie bist du so wankelmütig gegen mich, du hast mich in meiner Kindheit aus meines Vaters armem strohbedecktem Hüttlein genommen, in welchem mir viel besser gewesen wäre; hätte ich der zarten und süßen Tage nicht empfunden, so wäre ich jetzund meines Vaters oder eines anderen Hirten Diener, der mich mit Speise und Kleidung versähe. Die frischen und lauteren Quellen wären mir lustig zu trinken, desgleichen die fette und süße Milch der Geißen und Kühe. Jetzt zöge ich zu Mittag aus mit dem Vieh; wenn dann die Sonne zu Gnaden zur Ruhe. gehen wollte, zöge ich wieder heim und vertriebe die Zeit bis zum Nachtmahl in der warmen Stube oder beim Feuer. Des Morgens wäre es mir eine kleine Mühe und Arbeit, in den Wald zu gehen und mir eine Fahrt dürren Holzes zusammenzuraspeln; wenn ich das nach Haus brächte, würde das Mahl damit gekocht. Sommerszeit aber würde es noch besser mit mir aussehen; denn ich mag wohl sprechen, im Anfang des Lenzes hat kein Volk unter allen Ständen mehr Kurzweil, Freude, Lust und Wonne als die Hirten in dem Feld. Jetzt sehen sie die Wunder Gottes, wie die laublosen Bäume, die im Winter gleichsam erstorben scheinen, ihr Laub wieder hervorbringen, mit süßem Geruche und schöner Blüte. Was soll ich sagen von dem lieblichen Gesänge der Vögel, welche mit zitternder Stimme zusammensingen und je einer den anderen zu übertreffen meint. Die Lustbarkeit der vielgefärbten Blümlein mit unzählbaren Gestalten, die geben den Anschauenden auch nicht wenig Ergötzlichkeit, Wollust und Freude. Aller dieser Dinge muß ich armer Leufried beraubt sein, und nur dich, unstetes Glück, mag ich darum schelten; denn du hast mich von meinem lieben Herrn und Ernährer vertrieben. Ach! warum hast du mich aus meines Vaters Haus genommen? Du warst nicht zufrieden, mich von meinem Herrn so treulich und wohlerzogen zu sehen, nein, du hast mich in meiner Jugend unter meinesgleichen Knaben zu einem König und Regierer machen wollen, und diese Regierung ist die Ursache all der Trübsal, in der ich so hart verstrickt bin. Wer ist doch in der Welt, der mich trösten mag, da ich in die mit so großer Liebe entzündet bin, die mich vor allem Hofgesinde ausgeschlossen und verachtet hat. Ach, wäre es je möglich, daß sie mir nur in all meinem Leben ein freundliches Wort zuspräche, ich wollte anderes nicht begehren, als in ihrem Dienste zu leben und zu sterben. Was bedarf sie aber meines Dienstes, ich bin ein armer Hirtensohn und aus dem niedrigsten Stand geboren. Zu ihrem Dienste stehen viel Ritter, Grafen und Edelleute, ja deren sind viele, die ihr zu dienen verlangen."

Also klagte der gute Jüngling noch lange, bis er vor Frost nicht länger in dem Garten bleiben konnte, und da auch die Zeit kam, daß er sein Geschäft in der Küche verrichten mußte, ging er ganz trostlos aus dem Garten an seine Arbeit. Da man ihn um seine Abwesenheit fragte, sagte er, er sei in der Stadt spazieren gewesen, die lustigen Gebäude der Bürger zu beschauen.


 << zurück weiter >>