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Wie Angliana und Florina vor den Grafen gekommen und was er mit ihnen geredet und wie des Grafen Diener den Jäger im Wald sehr verwundet und zerrissen fanden.

Wir haben gehört, wie der Graf seiner Tochter und Florina befohlen, morgens um Primzeit in sein Gemach zu kommen. Als aber jetzt die Stunde da war, sind sie beide mit erschrockenem Herzen vor des Grafen Gemach gegangen. Der hatte jetzt schon von seinen Dienern, die er den Jäger zu suchen ausgeschickt hatte, vernommen, daß der Schalk ganz übel zerrissen und verwundet in dem Wald tot liege; ob ihm dies aber von einem Bären oder Schwein geschehen, konnten sie nicht wissen. So hatten sie auch sein Pferd ganz erschrocken in dem Wald mit zerrissenem Zaum irrsam laufend gefunden, seinen Spieß aber ein gutes Stück Weges von ihm aufrecht in einer Hecke stecken sehen. Aus diesen Zeichen konnte der Graf wohl erraten, wie die Sache beschaffen war, sagte seinen Dienern, sie sollten nur hingehen, er könne sich schon denken, wie es dem Jäger ergangen sei.

Da die Diener ihn verlassen hatten, traten Angliana und Florina herein, wünschten dem Grafen einen seligen Tag, aber er dankte ihnen beiden nicht, sondern fuhr seine Tochter mit harten Worten an.

»Angliana«, sagte er, »warum hast du mich, deinen Vater, so ganz in den Wind geschlagen, schändlich betrogen und übergeben, nach eines armen Hirten Sohn getrachtet, da dir doch wohl deinesgleichen ein namhafter und teurer Ritter hätte werden mögen? Nun aber hast du mir meinen Stamm und Namen verkleinert, das kannst du nicht leugnen: denn ich habe dafür einen Ring und einen Brief, welche dir der verschmähte Hirtensohn durch deine Närrin zugesendet hat. Solchen Anschlag hat deine schöne und liebe Gespiel Florina dem Hirtensohn geraten. Den Lohn aber, so du, Florina, mit verdienst, magst du gänzlich von mir erwarten. Das ist also die Guttat, die ich dir und Leufried bewiesen, doch bin ich wohl der Hoffnung, dem ungetreuen Jüngling sei schon sein verdienter Lohn geworden.«

Darauf sagte Angliana:

»O Vater, es ist mir nicht möglich, mich gegen Euch zu verantworten. Ich muß gestehen, ich habe mir diesen Jüngling wegen seiner Tugend und adligen Sitten und seinem ritterlichen Gemüte auserwählt, bin aber doch immer so behutsam gewesen, daß mir noch Euch keine Schande noch Schaden daraus hätte erfolgen mögen. So hat auch niemand an dem Hof etwas von meiner Liebe merken können als allein Florina. Diese aber hat mir sogleich mit großem Ernste abgeraten, aber nichts hat an mir gefruchtet. Darum, liebster Herr und Vater, sollt Ihr niemandem die Schuld geben als mir allein. Ich bitte Euch um aller Liebe und Treue willen, die Ihr mir sonst getragen, wenn Ihr dem Jüngling Pein oder Marter angerichtet oder ihn vielleicht gar umgebracht habt, so wollet mir nicht mehr Barmherzigkeit beweisen als ihm und mich in gleicher Strafe halten; denn wenn ich nicht erfahren kann, wo er hingekommen ist, soll mich kein Mensch davon abbringen, ihm in steter Treue und Freundschaft zu folgen. Denn keine Speise noch Trank soll mich wieder erquicken, bis ich erfahre, wie es um meinen liebsten Leufried steht. Verflucht sei der Tag, an dem die schändliche Närrin in mein Zimmer gekommen; denn sie ist die Ursache, daß Leufried so erbärmlich hat sein Leben verlieren müssen. Ich weiß, daß der edle Jüngling noch Rittersorden mit seiner männlichen Hand würde gewonnen haben. Wer wollte mir unrecht geben, daß ich ihn von Euch zu meinem liebsten Ehegemahl begehrt hätte.«

Dies redete Angliana mit kläglichem Seufzen und Weinen, woran der Graf abnehmen konnte, sie werde nicht wieder fröhlich werden, bis sie ihren Jüngling erfahren hätte, und sagte also:

»Tochter, ziehe hin mit deiner Jungfrau und wisse, daß Leufried nicht umgekommen ist. Wo er aber hingekommen, dem frage ich nicht nach. Er aber hüte sich bei meiner Ungnade, je wieder meinen Hof zu betreten, sonst muß er von meiner Hand den Tod leiden.«

Also schied Angliana mit großem Jammer und gewundenen Händen aus ihres Vaters Gemach, ging in ihre Schlafkammer, legte von sich alle ihre köstlichen Kleinodien, Ketten und Ringe, legte an schwarze Trauerkleider, ließ auch keine andere Jungfrau mehr zu sich als Florina und Kordula. Diese suchten oft, sie von ihrem Vorhaben abzuwenden, trugen ihr auch vielerlei gute Speisen und Trank zu, deren sie aber nicht genießen wollte. Sie brachte ihre Zeit allein mit traurigen Gedichten hin, deren sie etliche von sich und ihrem Leufried dichtete, wiewohl sie noch nicht wissen mochte, wo er hingekommen war. Jetzt dichtete sie, als sei er von ihrem Vater auf das Meer in ein Schiff verkauft worden, dann machte sie ein Gedicht, als wenn er in einem Kerker verschlossen wäre und sie säße täglich an der Türe des Kerkers und wollte ihm eine Gesellin seiner Gefängnis werden. Dies war ihre Arbeit und Kurzweil, womit sie ihre Zeit hinbrachte.


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