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Wie Walter und sein Diener zu drei bösen Buben in den Wald kamen, von denen sie geplündert und kleiderlos an einen Baum gebunden wurden.

Walter, der gute Junge, war jetzt mit seinem Knecht bereits an die vierzehn Tage geritten. Überall fragten sie nach Leufried, aber konnten von niemandem einen rechten Bescheid erhalten; denn Leufried hatte sich nirgend noch recht zu erkennen gegeben, und darum konnte niemand etwas von seinem Herkommen wissen. Auch war er schon ein ansehnlicher, gerader Reitersmann geworden und durfte seinen Feinden wohl unter die Augen treten. Walter aber glaubte, er sei der Schule und dem Studieren nachgezogen, darum fragte er in allen Schulen nach ihm, wo er in eine Stadt kam.

Es begab sich eines Tages, daß die zwei Reisenden durch einen großen, dicken Wald ziehen sollten, wovor ihnen gar sehr grauste. Vor dem Wald stand eine Herberge oder ein Wirtshaus, in welchem sich die Kaufleute oft zu versammeln pflegten, bis ihrer eine gute Zahl zusammenkämen, damit sie sicher durch den Wald reiten konnten in Gesellschaft; denn es geschah viel Mord und Räuberei in dem Wald. Der Wirt in der Herberge warnte die zwei Jungen gar treulich, sie sollten sich nicht allein auf den Weg wagen, sondern auf Gesellschaft warten. Diese Warnung hörten drei große Schälke und Mörder, die in dem Wirtshaus lagen. Sie stellten sich an, als wären sie Juweliere, gingen mit Gestein um und wären willens, nach Lissabon zu reisen und dort Edelgestein zu kaufen, und stellten sich ganz furchtsam. Der Wirt hatte Mitleid mit ihnen und sagte: morgen kämen gewiß viele Kaufleute, da könnten sie sicher reisen. Da die drei Schelme aber von den Kaufleuten sagen hörten, welche kommen sollten, sorgten sie, die zwei Jungen möchten ihnen entgehen. Darum nahmen sie eine Abrede miteinander, nach welcher der Älteste unter ihnen nicht mehr bleiben wollte. Er sagte, er wolle es auf gut Glück wagen. Ihm sei vormals in diesem Walde nichts widerfahren, und er werde diesmal wohl auch glücklich durchkommen. Da sprachen die anderen: »Wohlan, es sei mit dir gewagt, und wollen wir uns alsbald rüsten.«

Als Walter und sein Gesell dies hörten, glaubten sie diesen nassen Knaben durchtriebenen Burschen. und verlangten von ihnen, in ihre Gesellschaft aufgenommen zu werden. Die Schelme aber weigerten sich einigermaßen und sprachen:

»Wir können euch nicht wohl folgen, da ihr zu Roß und wir drei zu Fuße sind.«

Da sprach der treuherzige Walter zu ihnen:

»Liebe Gesellen, wollt ihr euch brüderlich mit uns halten, so ist der Sache wohl zu tun; legt eure Kleider und Päcke auf unsere Pferde, so wollen wir unsere Reitstiefel ablegen und mit euch zu Fuß durch den Wald gehen.«

Dieser Vorschlag ward angenommen, und als sie gegessen und den Wirt bezahlt hatten, zogen sie dem Walde zu. Walter und sein Knecht besorgten sich gar nichts, waren guten Muts. Da aber die drei Schelme meinten, sie seien zu ihrem Vorhaben tief genug in dem Wald, fielen sie die guten Jünglinge ungewarnt rücklings an, nahmen ihnen ihre Gewehre und Kleider und banden sie mit Stricken an einen starken Tannenbaum. Der Älteste unter ihnen riet, man sollte sie beide umbringen, daß sie ihnen mit ihrem Geschrei keine Verfolger machten. Die Jüngsten aber hatten Mitleid mit ihnen und wollten mit der Beute zufrieden sein und ihnen das Leben schenken. Ach, welche große Not umgab den armen Walter; denn er glaubte immer, sie würden den Rat des Ältesten befolgen.

»Wohlan«, sprach da der Alte, »wenn sie sollen leben bleiben, so laßt uns nicht lange hier verweilen«, und somit eilten sie mit den beiden Pferden davon.

Walter, der gute junge Mann, begann da kläglich zu weinen und Gott seinen Jammer und sein Elend zu klagen:

»Liebster Vater und Mutter, sollte euch die Angst und Not kund sein, in der ich jetzt stehe, ich sorge, es würde euch euer Herz zerspringen. Ach Gott, hätte ich dem Rat meines Vaters gefolgt und wäre ruhig bei ihm geblieben, so wäre mir dieses große Elend nicht zugestoßen! O du mein lieber Diener, soll ich dir deine treuen Dienste also belohnen, so muß ich ewig bereuen, daß ich dich je gesehen; und sind die Räuber gleich davon, so stehen wir doch elendig gebunden, und werden die Wölfe oder Bären uns zerreißen.«

So klagte Walter, sein Diener aber sprach ihm immer freundlichen Trost ein; denn er hoffte, sie würden gewiß bald erlöst werden.


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