InhaltInhalt
- Wie täglich ein großer Leu zu der Herde des Hirten Erich kam und ihm dieselbe in allem Frieden hüten half.
- Wie Felizitas im Beisein der Frau Laureta, des Kaufmanns Weib, einen Sohn gebar und was sich weiter mit Lotzmann, dem Leuen, begeben hat.
- Wie Leufried von seiner Mutter genommen und in die Stadt zu seinem Paten gebracht ward, der ihn gar zärtlich auferzog.
- Wie sich Leufried zur Schlacht rüstete, seinen Gesellen Harnische von Baumrinde machte, wie er aber hernach bei seinem Schulmeister verklagt ward, weil er einen Knaben hart strafen und mit Ruten schlagen ließ.
- Wie Leufried an eines Grafen Hof in die Küche kam und Küchenbube ward, auch wie ihn der Meister Koch sehr liebgewann, weiter von seinem schönen Singen.
- Wie Angliana, des Grafen Tochter, nach ihrer Gewohnheit allem Hofgesinde das neue Jahr gab und allein Leufrieds, des Küchenbuben, vergaß, worüber er herzlich. betrübt war.
- Wie Leufried eines Tages von dem Grafen in dem Garten bei einem Rosenstock gefunden ward, als er nach seiner Gewohnheit gar lieblich sang; wie ihn der Graf aus der Küche nahm.
- Wie Leufried von Angliana zu singen gebeten ward und wie er ein Klageliedlein auf seine Armut machte, worin er die Jungfrau gar säuberlich traf.
- Wie Leufried abermals von Angliana bei ihren Neujahrsgaben ausgeschlossen ward und wie sie ihm darnach spottweise einen goldenen Faden von ihrem Stickrahmen gab.
- Wie Leufried heimlich in seiner Kammer sich mit einem Messerlein die Brust öffnete, den Goldfaden in die Wunde legte und sie mit köstlichen Salben wieder zuheilte.
- Wie Angliana am folgenden Tag in ihrem innersten Gemach Leufried einen Brief schrieb und ihm denselben mit vielen Kleinodien überreichte.
- Wie Angliana Leufried das Bündlein gibt in der Gegenwart aller ihrer Jungfrauen.
- Wie Leufried, der Kämmerling, von dem Grafen weggeschickt wurde und in einem Wald ein schönes Hündchen fand und wie ihm mit diesem Hündlein seltsame Abenteuer begegneten.
- Wie Leufried während dem Nachtimbiß von einem Diener des Forstherrn überfallen ward und wie er sich seiner mit großer Not erwehrte und zuletzt doch mit dem Hündlein davonkam.
- Wie der Kaufmann Herrmann nach dem Hirten Erich und seiner Hausfrau, die das Vieh auf dem Feld hüteten, schickte, daß hie ihm Rechnung ablegen sollten, worüber der Hirt sehr erschrak; denn er hatte in vielen Jahren nicht abgerechnet, und wie ihn Felizitas, sein Weib, tröstete.
- Wie der Meier Erich von seinem Herrn gar wohl begabt wurde und derselbe ihn von neuem auf seinem Hof bestätigte und ihm alle Güter zu einem Erblehen übergab.
- Wie Leufried wieder nach Hause kam, das schöne Hündlein mit sich brachte und wie ihn Angliana rufen ließ, daß er ihr alles erzählte, wie es ihm ergangen und besonders wie er das schöne Hündlein gewonnen habe.
- Wie Angliana dem Hündlein ein schönes Halsband stickte mit perlenen Treuen sehr künstlich und wie das Hündlein zu der Jungfrau kam und gar zärtlich erzogen wurde.
- Wie Walter, des Kaufmanns ehelicher Sohn, seinen Vater gar sehr bat, ihm zu erlauben, seinen liebsten Bruder Leufried zu suchen, was ihm der Vater kaum erlauben wollte und ihm doch zuletzt bewilligte.
- Wie Walter und sein Diener zu drei bösen Buben in den Wald kamen, von denen sie geplündert und kleiderlos an einen Baum gebunden wurden.
- Wie Lenfried gen Lissabon reiten will und in die obengenannte Herberge kommt. Wie der Wirt ihm aber gesagt, daß vor einigen Stunden mehrere Kaufleute zu Fuß nach dem Wald seien, macht er sich eilends auf den Weg, sie noch einzuholen, und da kommt er zu den drei Mördern.
- Wie bei dem Nachtimbiß Walter von Leufried um seine versprochene Geschichte gefragt ward, und wie sie einander erst erkannten, was für große Freude brach da nicht aus!
- Wie Leufried mit Walter gen Lissabon gekommen und wie sie dort Lotzmann, den Leuen, an des Königs Hof gefunden, der so freundlich mit ihnen scherzte, als ob er sie noch kannte.
- Wie Leufried mit seinem Gesellen an einem Sonntag unter dem Amt heimkam, da der Graf und Angliana in der Kirche waren, und wie das Hündlein, als Leufried mit Walter auch in die Kirche kam, ihn eher als alle anderen wahrnahm.
- Wie Leufried dem Grafen seine Abenteuer auf der Reise erzählt, wobei Angliana gar wohl aufmerkt, und wie nach der Tafel Leufried der Jungfrau seine Geschenke und den übrigen auch ihre Gaben bringt.
- Wie Leufried nach seiner Zurückkunft zu seiner allerliebsten Jungfrau gerufen wurde und welche große Freude sie über die Ankunft des Leuen empfing.
- Wie Florina große Sorge trug, die Liebe ihrer Jungfrau möge an den Tag kommen, und sie mit gar züchtigen Worten strafte.
- Wie Walter eines Tages mit Leufried in das Gemach der Jungfrau Angliana ging und ein Schachbrett auf dem Tisch liegen fand und wie er mit der Jungfrau im Schach zog in der Gegenwart des Grafen.
- Wie Angliana in Gegenwart einer Hofnärrin, die sie in ihrem Zimmer hatte, Leufried einen schönen Ring gab mit einem sehr köstlichen Stein und wie ihrer beider Liebe offenbar ward.
- Wie Leufried den Brief und Ring der Närrin gab, daß sie ihn Angliana übergeben solle, wie diese aber alles falsch verstand und den Brief dem Grafen übergab.
- Wie der Graf einen verwegenen Schalk bestellte, er solle Leufried heimlich auf der Jagd umbringen und dann vorgeben, es habe ihn ein Schwein erhauen.
- Wie Leufried durch einen Kammerbuben heimlich gewarnt ward, sich vor dem Jäger zu hüten.
- Wie Leufried und Walter mit dem Jäger in den Wald ritten, der Leu Leufried stets nachlief und wie der Jäger mit einem Spieß nach Leufried schoß, ihn aber verfehlte.
- Wie den Grafen große Reue überkam, da er vernahm, daß ihm sein Anschlag mißlungen war, und wie er Angliana und Florina mit rauhen Worten anfuhr.
- Wie Leufried von seinen Eltern erkannt wird, desgleichen auch von Herrmann, was für große Freuden da fürgegangen.
- Wie Angliana und Florina vor den Grafen gekommen und was er mit ihnen geredet und wie des Grafen Diener den Jäger im Wald sehr verwundet und zerrissen fanden.
- Wie Kordula und Florina von dem Grafen befragt wurden, warum seine Tochter also verschlossen in der Kammer sitze, und wie er nach Leufried schicken ließ, dieser aber auf keine Weise kommen wollte.
- Wie Leufried zu Salamanka in der Stadt in großem Trauern war, täglich eine Zeitlang ins Feld spazierenging und seine liebste Jungfrau beklagte.
- Wie der Bote zu Leufried unter der großen Linde kam und ihm freudig des Grafen Brief übergab.
- Wie Leufried mit seiner Gesellschaft nach Lissabon reitet und was er mit Walter beschloß.
- Wie Leufried sich einen Mönchsrock machen ließ und einen künstlichen weißen Bart dann in den Wald des Grafen ritt, sein Pferd bei einem Waldbruder stehenließ.
- Wie des Jägers Geist zu Leufried kam und sich sehr übel beklagte, ihm auch alles erzählte, welcher Anschlag auf ihn gemacht worden war.
- Wie Leufried zu den Köhlern kam in finsterer Nacht, wie sie freundlich mit ihm redeten und ihm alles erzählten, was in der Gegend von ihm geredet worden war.
- Wie Leufried zu dem Waldbruder kommt, den er vor seiner Zelle im Wald sitzen fand, und wie ihn der Bruder empfing.
- Wie der Schildbube mit dem Essen kam, und seine große Freude, als er Leufried ersah.
- Wie Leufried an einem Sonntag vor der Kirche stand, ihn Angliana zur Stund erkannte und ihm ein Almosen zu geben befahl.
- Wie Angliana nach Walter schickt, ihm alle Sachen offenbart, wie Leufried vorhanden, auch was sie in eigener Person mit ihm geredet habe.
- Wie der Schildbube und Walter des Morgens zu Leufried in den Wald kamen und was sie miteinander geredet haben.
- Wie Leufried zu dem Grafen kam in Einsiedelsgestalt und wie ihn der Graf in sein Gemach mit sich führte.
- Wie Leufried mit dem Grafen zum Imbiß ging, darob sich alles Hofgesinde größlich verwunderte.
- Wie Angliana mit ihren Jungfrauen in den Garten spazierenging, der Graf samt Leufried und Walter auch dahin kam und seiner Tochter den Brief, so ihm von dem König zugekommen, zu lesen gab.
- Wie der Graf seinen ganzen Hof zusammenrufen ließ und ihnen seine vorgenommene Reise zu wissen tat, dabei allen befahl, sich aufs fürderlichste zu rüsten, und wie Angliana dem Leufried eine Livree gab.
- Wie der Graf mit seinem Volk hinwegscheidet. Leufried seine liebste Angliana in großem Leid verläßt, davon sie sehr krank ward, und wie Walter zu Hof blieb und seinem Vater eine Botschaft zuschickte.
- Wie der König aus Kastilien von des Königs Volk in der Nacht überfallen ward und gar hart geschlagen.
- Wie Leufried zum Ritter geschlagen ward in Gegenwart des Königs von Kastilien und wie der Schildbube der Jungfrau Angliana die Botschaft brachte.
- Wie Angliana nach Walter sendet und ihm den Brief zu lesen gab, den der Knabe von ihrem Vater gebracht, und welche großen Freuden er daraus empfing.
- Wie der Graf mit allem seinem Adel wieder zu Land kommt und mit großem Frohlocken von seinen Bürgern und seiner Tochter empfangen ward.
- Wie der Graf samt Walter und anderen Dienern von dem Freiherrn angerannt, zwei von des Grafen Diener erstochen. Walter gefangen und der Graf an einen Baum gebunden, aber von Leufried wieder erlöst ward.
- Wie Walter wieder ledig geworden und Leufried großes Gut von dem Freiherrn fordert von wegen der erschlagenen Diener des Grafen.
- Wie der Graf den Freiherrn samt dem Burgvogt mit sich heimführt und Ritter Leufried sie beide seiner liebsten Jungfrau übergab, nach ihrem Gefallen mit ihnen zu verfahren.
- Wie die Hochzeit mit Angliana gehalten wurde und was große Freuden da hingegangen sind mit Tunieren und Tänzen.
- Wie Leufried sich viel Kurzweil nahm mit seinem Hündlein und dem Leuen Lotzmann und wie er einem Hirsch mit dem Leuen nacheilte, von welchem er in einem Schenkel verwundet ward.
- Wie Leufried von seinem Herrn, dem Kaufmann, und Waller bei einem Brunnen liegend gefunden ward.
- Wie Angliana von dem Kaufmann und seinem Sohn Walter vernahm, daß Leufried von einem Hirschen tödlich verwundet war, und sie von Stund an in den Wald zu ihm lief.
- Wie Leufried großes Leid um seinen Schwieger trug und wie er nach seinen Eltern und Geschwistern schickte und der Kaufmann samt seinem Sohn wieder heimritt.
- Wie der Kaufmann samt seinem Weib zu Leufried gekommen und wie Walter die schöne Jungfrau zu seinem Weib nahm.
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Wie Angliana Leufried das Bündlein gibt in der Gegenwart aller ihrer Jungfrauen.
Aurora, die edele Morgenröte, brachte jetzt mit Freude den neuen Tag daher. Die Nachtigall und andere Vöglein begrüßten ihn mit Freuden, und Angliana stand auf, legte gar zierliche Gewand an und saß an einem Fenster, den Gesang der Vöglein zu hören, durch welchen sie eines gar frischen und fröhlichen Gemüts ward. Nun hatte Leufried aber die Nacht ganz ohne Schlaf hingebracht; denn er konnte den Tag gar nicht erwarten, um zu erfahren, mit was für Kleinodien ihn die Jungfrau beschenken wollte. Er stund auf, legte seine schönsten Kleider an, ging mit großen Freuden in den Garten. Ohne zu wissen, daß Angliana, seine liebste Jungfrau, schon aufgestanden
sei und jetzo an dem Fenster sitze, nahm er seinen gewöhnlichen Platz unter der Rosenlaube und begann mit gar fröhlicher Stimme zu singen. Das nahm Angliana gar bald wahr und spitzte ihre Öhrlein und lauschte freudig auf den Gesang ihres lieben Jünglings. Leufried blickte von ungefähr durch den Hag und sah seine liebste Jungfrau an dem Fenster, die mit einem schönen Hündlein und einem Papagei Kurzweil trieb, doch aber gar fleißig auf seinen Gesang lauschte. Oh, da war es Leufried gar wohl zumute, als er seine Liebe zugegen wußte. Er sparte keinen Fleiß in seinem Gesang und sang, so schön er immer konnte, bis ihm die Zeit schien, auf seinen Dienst zu warten; da ging er vor der Jungfrau Gemach.
Nun kamen auch Anglianas Jungfrauen und wünschten ihr einen seligen Tag; sie fragte sie, ob Leufried, der Jüngling, nicht vor dem Zimmer stehe. Die Jungfrauen sprachen: »Ja.«
»So ruft mir ihn«, sagte Angliana, »er soll meinem Herrn und Vater etwas Nötiges bringen.«
Der Jüngling trat in großer Freude herein, gleich einem, der aus einem finsteren Gewölbe kömmt und urplötzlich den klaren Schein der Sonne erblickt. Also war auch dem Jüngling, da er seine Jungfrau Angliana anblickte. Er wünschte Angliana zuvor, dann allen ihren Gespielen einen fröhlichen und glückseligen Tag. Die Jungfrau
war nicht weniger erfreut durch seinen Anblick und begann mit ihm zu scherzen:
»Mein lieber Leufried, sage mir doch, was dich heute nur so früh aus deinem Bett getrieben und zu solchem fröhlichen und guten Gesange verursacht; denn die Nachtigall, die Drossel und die anderen Waldvöglein sind dir heute nicht viel vorangegangen, du bist ihnen mit deiner süßen Stimme bald gefolgt und hast mich auch wahrlich gezwungen, daß ich dir mit aller Lust und Fleiß habe zuhören müssen, und wenn ich gleich weiß, daß du nicht mir zu Dienst gesungen hast, so lass' ich mich das doch gar nicht kümmern. Die Jungfrau aber, welcher du also freundlich dienst, muß dir gewiß sehr angenehm dafür zu danken wissen, sonst wollte ich sie sehr unverständig und hartherzig nennen. Nun gestehe mir, lieber Leufried, welche unter diesen meinen Jungfrauen dich so ganz früh ermuntert und erweckt, sie soll mir wahrlich die liebste in meiner Gesellschaft sein.«
Die Jungfrauen konnten sich der scherzhaften Worte Anglianas nicht genug verwundern, und eine sah immer ganz schamrot die andere an; denn jede meinte, Angliana habe auf sie geredet. Auch Leufried ward nicht weniger schamrot, was ihm dann seine Schönheit noch verdoppelte; denn er war von Natur eines weißen Angesichts, eines langen, geraden, wohlgebauten Leibes und einer aufrichtigen, tapferen Stirn, sein Haar gesponnenem
Golde zu vergleichen, schön und zierlich gekraust. Er hatte eine starke und vollkommene Brust, überhaupt war er nicht allein der schönste Jüngling des Hofes, sondern er übertraf auch alle Jünglinge des Landes an Gestalt, Schönheit und Tugend. Da ihn Angliana nun lange mit ihren Scherzreden geneckt hatte, gab er ihr folgende Antwort:
»Gnädigste Jungfrau, ich nehme Euren Scherz zugut, da Ihr mich aber fragt, wem ich zu Dienst gesungen, so sage ich Euch, daß nur eine lebt und leben wird, der ich mein Herz so ganz geöffnet, und daß sie es weiß, daß ich ihr einziger, fleißiger und steter Diener bin und bleiben will, bis an mein letztes Ende. Ich erkenne aber wohl, daß mir nicht gebührt, zu so edlen Jungfrauen, als sie Eures Hofes sind, Liebe zu tragen; denn ich armer Jüngling bin ihnen zu gering. Doch soll mich meine niedere Geburt nimmer von Jungfrauen und Frauendienst abwenden, und so hoffe ich dann auf die Wahrheit eines alten Sprichwortes: Frauendienst war nie umsonst, was eine nicht erkennt,
das vergilt die andere.«
So endete er seine Rede an die Jungfrauen, welche seine große Schönheit noch nie so wohl betrachtet hatten als eben heute; denn der Jüngling hatte sich heute besonders zierlich angekleidet und war in der Unruhe seines freudigen Herzens sehr
bewegt. Angliana nahm das Päcklein, das sie für ihn zusammengebunden, gab es ihm vor allen ihren Jungfrauen mit den Worten:
»Leufried, mein lieber Jüngling, nimm dieses Päcklein und bringe es meinem Herrn und Vater, sage ihm, es enthalte das Begehrte. Sodann komme wieder in unsere Gesellschaft, damit wir kurzweilige Gespräche mit dir haben können; das soll dich nicht verdrießen, wer weiß, wie ich oder meine Jungfrauen dir unsere Neckereien in Zucht und Ehren vergelten können.«
»Gnädige Jungfrau«, sprach Leufried, »Euer Scherz mit mir wird stets mein fröhlichster Kurzweil sein.«
Also ging Leufried von seiner Jungfrau in großen Freuden. Er konnte kaum erwarten, bis er in seine Kammer kam, damit er die Gaben sehen möge, die in dem Päcklein verborgen waren. Als er in seinem Gemach das Päcklein geöffnet, las er, ohne nach den Kleinodien zu sehen, vor allem den Brief seiner Jungfrau, und da er ihn gelesen und gar oft und zärtlich geküßt hatte, besah er die Kleinodien und den Ring; in den war eingesetzt ein schöner blauer Saphir. Mit dieser Farbe hatte die Jungfrau die Stetigkeit ihrer Liebe zu dem Jüngling anzeigen wollen. Er nahm den Ring, hing ihn an seinen Hals und sprach:
»Nun freue dich, Leufried, denn zu dieser Stunde hat dich das Glück hoch erhoben. Ach, wer möchte
wohl glücklicher sein auf der ganzen Erde als ich, der glückselige Leufried! O du mein liebster Vater, meine liebe Mutter und ihr allerliebsten meine Pflegeeltern, Herr und Frau, wollte Gott, meine Wohlfahrt wäre euch bekannt, damit ihr euch auch mit mir ergötzen und erfreuen könntet. Ach, sollten meine Schulgesellen, die mich für ihren König erwählt hatten, nun mein Glück wissen, sicher würden sie meine jetzige Seligkeit über aller Könige Lust hochhalten, aber dies soll und kann nicht geschehen, weil mir meine liebste Jungfrau die höchste Heimlichkeit anbefohlen hat. Wenn mir aber einst Gott und das Glück Gnade leihen, so will ich alle die Meinigen meines Glückes teilhaftig machen.«
Da Leufried sich nun genugsam an den Gaben Anglianas erfreut hatte, zog er sich aus, legte das schöne geschenkte Hemd an und kehrte zu den Jungfrauen zurück, mit welchen er noch mancherlei Scherz und Kurzweil hatte. Auch ward er in kurzer Zeit von allen gar hoch geehrt, und mochten sie keine rechte Freude haben, wo Leufried nicht zugegen war. Dies währte so lange, bis er gar groß und stark heranwuchs und der Graf ihn aus der Jungfrauen Zimmer zu seinem eigenen Kämmerling annahm. Hierüber waren Leufried und Angliana sehr betrübt; denn nun konnten sie sich nicht mehr mit so gutem Fug nahe und vertraut sein, wenn er gleich mehr als andere Hofdiener
in ihre Nähe kam; denn der Graf ließ alles, was er bei seiner Tochter zu bestellen hatte, durch Leufried ausrichten. Ihrer beider große Liebe zueinander war dem Herrn aber noch gänzlich verborgen.
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