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Wie Leufried nach seiner Zurückkunft zu seiner allerliebsten Jungfrau gerufen wurde und welche große Freude sie über die Ankunft des Leuen empfing.

In kurzen Tagen kamen sie mit großen Freuden nach Hause. Angliana erfuhr bald, daß ihr Jüngling angekommen und den Leuen mitgebracht habe, von welchem sie schon so vieles gehört. Sogleich ließ sie ihm sagen, er möge seinen liebsten Gefährten mit sich bringen und ihr von seiner Reise erzählen. Leufried nahm da sogleich Lotzmann zu sich und begab sich in den schönen Garten, wohin ihn die Jungfrau beschieden hatte. Sie empfing ihn mit großen Freuden; bei ihr war niemand als allein Florina, die Jungfrau, vor welcher sie nun keine Heimlichkeit mehr hatte.

Als nun Angliana den großen, schönen Leuen ersehen hatte und dabei seine große Liebe zu Leufried bedachte, sprach sie zu Florina:

»O meine vertraute Freundin und Schwester, hieran muß ich wohl abnehmen, daß dieser Jüngling mit sonderlicher Gnade von Gott begabt ist; denn dieser Leu hat sich, als Leufried noch unter seiner Mutter Herzen lag, schon zu seinem Vater gesellt und mit ihm das Vieh gehütet, was sicher zu verwundern ist. Ich schweige nun von der Freundschaft, die er ihm in seiner Kindheit erzeigt hat. Was mich aber vor allem erstaunen macht, ist, daß der Leu den Jüngling nach so vielen Jahren wiedererkannt hat, und ich kann wohl daraus ermessen, daß Leufried ein Gemüt gleich diesem Leuen haben muß, und hat er das wohl schon an den drei Mördern bewiesen. Darum, o meine liebe Florina, sollst du nie mehr andere Gesinnung von mir vernehmen, als daß dieser Jüngling einer Königin wohl wert wäre, und so er mir jemals zu einem Mann vertraut würde, wollte ich dieses Geschick vor aller irdischen Freude und Wonne annehmen.«

Damit wendete sie sich zu dem Jüngling und sprach:

»Leufried, mein liebster Freund, dir ist nun wohl meine große Liebe und Gunst zu dir bekannt, auch hoffe ich, deine erste Liebe zu mir sei noch nicht erloschen, und ist meine Hoffnung gerecht, richtig. so begehre ich, daß du mir offenbarst, welchergestalt dein Herz und deine Liebe zu mir gesinnt ist.«

Da antwortete Leufried der Jungfrau mit großen Freuden:

»O meine gnädige Jungfrau, wie mein Herz und meine Liebe zu Euch gesinnt und geartet ist, vermag ich weder mit Worten noch mit Schrift auszusprechen, es wäre dann, daß Ihr in mein Herz sehen könntet. Doch von geringen Eltern geboren, gebührt mir nicht, mein Gemüt ganz vor Euch zu entdecken; denn nimmer kann mir werden, was ich heimlich begehre.«

»Des sei ganz sicher und getrost«, sprach Angliana, »wenn du meiner in Ehren begehrst, so sei gewiß, ich will dir werden. Wärest du aber anders gegen mich gesinnt, so würde ich dich ganz aus meinem Herzen schließen und dir nimmer eine Gunst erweisen.«

Darauf erwiderte Leufried:

"Das sei fern von Euch, zu glauben, daß ich je unordentliche Liebe zu Euch getragen hätte, und lebte einer, der solches täte, und würde mir bekannt, fürwahr, er müßte mir sein Leben darum lassen; denn mein Herz hat nie anders zu Euch gestanden als in allen Züchten und Ehren, und solches sollt Ihr mir ganz und gar zutrauen. Mir mag auch keine größere Freude auf Erden werden, als Euer Diener zu bleiben.«

»So nimm dann hin«, sagte Angliana, »zum Pfand meiner Treu, daß ich dich von nun an für meinen rechten, einigen und steten Ehegemahl halten will. Daß auch weder meines Vaters Gut noch irgend etwas anderes mich daran verhindern soll, zu dessen Pfand nimm hin dieses Kleinod und Ringlein als ein wahres, unzerbrochenes Zeichen wahrer Liebe, Treue und Freundschaft.«

Über diese Worte ward Leufried so hoch erfreut, daß er auf der Jungfrau Rede gar nicht antworten konnte, stand also in seinem Angesicht ganz entfärbt, blickte die Jungfrau mit weinenden Augen an, und als er sich erholt, sprach er:

»O gnädige Jungfrau, solcher Erwiderung meiner Liebe habe ich mich nie versehen; denn ich bin deren nicht würdig. Da mich aber das Glück so herrlich anblickt, da Ihr mir so wohlwollt, so verspreche ich Euch von dieser Stunde an, mich so zu befleißen, daß ich bald von jedermänniglich in Ritterspielen gepriesen und gelobt werde.«

»Damit«, sprach Angliana, »wirst du mir, liebster Leufried, einen besonders großen Gefallen erweisen.«

Als nun die zwei so mancherlei freundliche Gespräche miteinander hatten und Jungfrau Florina das alles mit anhörte, erschrak sie darüber gar sehr, wünschte auch heimlich in ihrem Herzen, daß sie weder Angliana noch Leufried jemals gesehen hätte; denn sie fürchtete, der Graf werde sie einst in Verdacht nehmen, als hätte sie zu solchen Dingen Hilfe und Steuer Vorschub. geleistet. Die gute Florina war also gar betrübt und bekümmert, hingegen waren Leufried und Angliana in großen Freuden. Da nun die Zeit kam, daß sie scheiden mußten, nahmen sie liebreichen Abschied voneinander, und ging jedes in sein Gemach.


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