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Wie Leufried an einem Sonntag vor der Kirche stand, ihn Angliana zur Stund erkannte und ihm ein Almosen zu geben befahl.

Am nächsten Sonntag vermummte sich Leufried in seine Kappe und seinen Mantel, machte vor sich seinen langen Bart und ging durch den Wald den nächsten Weg auf den Hof zu, in der einen Hand ein großes Paternoster, in der anderen ein kleines Kruzifix auf einem Stab. Als er nun an die Pforte des Vorhofs kam, ward er ohne alle Rechtfertigung hineingelassen; denn der Pförtner meinte nicht anders, denn es wäre Reichard, der Einsiedler. Leufried stand vor der Kirche und wartete, daß man zur Kirche gehen sollte; denn sie stand im Vorhof. Als es nun um die Zeit war, kam das Hofgesinde nach Ordnung nacheinander her. Der Graf aber kam diesmal nicht zur Kirche; denn er war nicht gar wohlauf. Es hat aber Angliana die Stunde kaum erwarten mögen; sie tat sich gar köstlich an und befahl auch allen ihren Jungfrauen, ihre hochzeitlichen festlichen. Kleider anzulegen. Deswegen ein Argwohn unter ihnen entstand, Leufried werde gen Hof kommen, aber keine unter ihnen allen wußte, in welcher Gestalt er seinen Anschlag hatte, allein Florina und Kordula, denen hat Angliana alle Sachen zu verstehen gegeben.

Als man nun zu dem Amt läutete, kam Angliana mit ihren Jungfrauen in so schöner Gestalt daher, als wenn eine Schar Engel dahergegangen wäre. Alsbald sie nun vor die Kirche kam, hat sie ihren liebsten Bruder ersehen, der ihr dann mit großer Reverenz entgegenkam. Sogleich gab ihm Angliana ein köstliches Kleinod samt ein paar Handschuhen, darin auch ein Brief verborgen war.

Sie sagte:

»Bruder, ich bitte, du wollest mein bei diesem Almosen eingedenk sein.«

»Des seid ohne Zweifel, gnädige Jungfrau! Ich bitte auch, Euer Gnad möge von mir dieses Betbüchlein empfangen und mit Fleiß durchlesen; denn Ihr werdet darin finden, was Euch wohlgefällt.«

Also hat die Jungfrau das Buch empfangen von dem Bruder und der nächsten ihrer Jungfrauen, Florina, befohlen zu verwahren. Florina und Kordula aber haben nicht können vor den Bruder gehen, sie gaben ihm durch ihr Winken zu verstehen, daß sie ihn erkannten. Aber die anderen Jungfrauen insgeheim haben sich des Bruders verwundert, wer er doch sein möge oder von wannen er doch käme, daß ihre Jungfrau sich sein soviel angenommen. Jedoch war allgemein die Rede unter dem ganzen Hofgesinde, es sei Bruder Reichard aus dem Wald einmal zu Hof gekommen. Demnach das Amt nun geendet und man zu Tisch läutete, ist jedermann wieder aus der Kirche gegangen, und der vielgemeldete Schildbube verfügte sich zu Florina:

»Ach, gnädige Jungfrau«, sagte er, »mag ich nicht mit Eurer Gunst verschaffen, daß diesem Bruder etwas Gutes aus der Küche werde; denn er ist mir sehr wohl bekannt, es ist auch nicht lange, daß ich ihn in einer anderen Gestalt sah.«

Die Jungfrau verstand des Knaben Worte wohl, darum sagte sie:

»Junge, geh in die Küche und sage zu dem Meister Koch, daß er dir genügsame Speis und etwas Gutes gebe, für dich und den Bruder; führe ihn etwa in eine Pfortenstube und sei fröhlich mit ihm. Nach dem Imbiß komm zu mir in mein Gemach, so will ich dir eine Historie anzeigen und geben, welche du dem Bruder bringen sollst, damit er seine Zeit in dem Wald kürzen mag.«

Dies ward alles nach der Jungfrau Befehl ausgerichtet. Als nun Leufried das Mahl genommen, hat er dem Buben befohlen, des Morgens die Historie mit sich zu bringen, ist demnach mit großer Freude wieder in den Wald gegangen und hat den Brief, so er von Angliana empfing, gelesen, darin sie ihm den Schildbuben zum treulichsten empfahl, dieweil er ihn durch seine Warnung vor dem Tod bewahrt hätte. Tat ihm auch unter anderem zu wissen, wie Walter in so großen Ehren bei dem Grafen gehalten würde. Sie bat ihn auch, wenn er hinwegscheiden wollte, daß er zuvor wieder in seiner angenommenen Kleidung zu Hof kommen möchte, damit er von ihrem Vater auch gesehen würde; dies möchte ihm über Nacht sehr zustatten kommen. Dies alles tat Angliana aus einer besonderen List; denn sie hoffte, dadurch Leufried an dem Hof zu behalten, aber es war umsonst; denn er wollte einmal dem Versprechen, so er dem Grafen getan, nachkommen.


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