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Wie Leufried von Angliana zu singen gebeten ward und wie er ein Klageliedlein auf seine Armut machte, worin er die Jungfrau gar säuberlich traf.

Da nun Leufried sich so tapfer und verdienstlich in seinem Amte hielt, ward ihm Angliana gar wohl geneigt und seiner gänzlich gewohnt, so daß sie einst also zu ihm redete:

»Leufried, ich werde von meinen Jungfrauen berichtet, daß du über alle Maßen wohl singen kannst, und darum ist mein Begehren an dich, daß du mich deine Stimme auch hören ließest.«

Leufried stand da ganz schamrot vor der Jungfrau und sprach mit züchtigen Worten also zu ihr:

»Gnädige, wohlgeborene Jungfrau, o wäre mir, Euer Gnaden zu gefallen, etwas viel Größeres und Schwereres zu vollbringen aufgelegt, mit allem Fleiß wollte ich es unternehmen.« Und hiermit begann er gar lieblich zu singen. Er hatte aber vorher schon ein Lied gedichtet, in welchem er seine Armut gar herzlich klagte wie auch, daß ihm Angliana nichts zum neuen Jahr geschenkt. Keine der Jungfrauen verstand des Liedes Bedeutung, außer Angliana allein, welche sich jetzt erst erinnerte, daß sie ihn unter allen Hofdienern allein nicht bedacht hatte. Sie bezog das Lied aber nicht gleich auf sich, doch hätte sie gern gewußt, wen Leufried damit meinte, und bat ihn darum oft, das Liedlein von der Armut zu singen, welches also gedichtet war:

Im Ton: Geh mir aus den Bohnen.

O Armut, unerträglich Joch!
Wie sehr bist du verachtet,
Wer wollte dich behausen doch,
Wenn er so recht betrachtet,
Wie ganz unwert
Du bist auf Erd,
Vor dir möcht einem grausen,
Hättst du all Kunst,
Es war umsonst,
Niemand will dich behausen.

O Armut, Armut, schwere Bürd,
Wie hast du mich beschweret,
Auf Erden niemand funden wird, Der dich zum Freund begehret.
Kömmst du ins Haus,
Gehst nie mehr raus,
Versperrst die Tür dem Glücke,
Und pocht es an,
Drängt sich heran,
Du, Armut, stößt's zurücke.

So ging's mir auch zum neuen Jahr,
Da mußt ich dein entgelten.
Ward nicht gezählt,
Zurückgestellt,
Drob ich dich immer schelte.
Ich ward veracht'
Und nicht bedacht
Vor allem Hofgesinde,
Die man sonst all
Beschenkt mit Schall,
Darum bin ich dein Feinde.

Als nun Angliana genugsam verstand, daß dieses Lied ihrethalben gemacht sei, fragte sie nicht darum und schwieg ganz still dazu. Auch hütete sie sich fürbaß, Leufried irgendein Geschenk zu machen; denn sie hatte sich insgeheim vorgenommen, was wir zu seiner Zeit schon erfahren werden. Doch hörte sie nicht auf, sich gnädig und liebreich gegen Leufried zu bezeigen, bat ihn oft, vor ihr zu singen, und zuzeiten begehrte sie auch das Armutsliedlein zu hören. Das tat nun Leufried sehr gern und schickte sich auch mit allen seinen Kräften zu jeglichem Dienste seiner Jungfrau; die nahm das oft wahr, und also verging die Zeit mit ihnen.

Der Herbst mit seinen kühlen Lüften hatte jetzt die dichten Bäume laublos gemacht. Der Winter kam mit rauher Gewalt, alle Felder und Äcker waren mit Schnee bedeckt, und also kam das neue Jahr. Dies war die Zeit, in welcher Angliana ihren Vorsatz ausführen wollte. Sie rüstete sich mit mancherlei Gaben für das Hofgesinde, und nur für Leufried hatte sie absichtlich nichts zubereitet, und zwar allein, um mit ihm auf schickliche Art über die Meinung jenes Liedleins zu sprechen zu kommen, ob er es von ihr oder einer anderen gesungen hätte.


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