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Wie Leufried heimlich in seiner Kammer sich mit einem Messerlein die Brust öffnete, den Goldfaden in die Wunde legte und sie mit köstlichen Salben wieder zuheilte.

Als sich Leufried jetzt ganz allein wußte, nahm er ein scharfes Federmesser, öffnete seinen Wams auf der Brust und schnitt sich unter der linken Brust, recht bei dem Herzen, die Brust auf, legte seinen lieben Goldfaden in die Wunde und nähte dieselbe nicht ohne großen Schmerz mit einer Nadel wieder zu. Doch hatte ihn die Liebe gegen die Jungfrau mit solcher Gewalt gefangen, daß er keinen Schmerz mehr achtete, und da er sich vorher bei des Grafen Wundarzt um heilsame Salbe beworben hatte, so heilte er seine Wunde bald dermaßen zu, daß er wenig Schmerz mehr fühlte. Forthin verrichtete er sein Amt wie vorher in Anglianas Stube, und diese gab sehr acht, ob er noch einige Schwermut verriete, aber fand ihn nun immer eines sehr fröhlichen Gemütes. Da er ihr nun zu Gefallen noch oft singen mußte, gedachte er bei sich selbst: Nun mag ich wohl mein Herz gegen die Jungfrau auftun, daß sie es allein bemerke, und nahm er sich vor, ein Lied von dem Goldfaden zu dichten und es vor ihr zu singen. Da sie sein Armutsliedlein verstanden hatte, gedachte er, sie werde nun auch diesem wohl nachsinnen, und so setzte er sich zu gelegener Stunde hin und dichtete folgendes Liedlein:

Im Ton: Ach Lieb mit Leid.

Groß Leid und Schmerz
Hat mir mein Herz
Vor einem Jahr beladen;
In diesem Jahr
Hat mir fürwahr
Von rotem Gold ein Faden
Das Leid zerstört
Und schnell verzehrt
Mein Trauern und mein Schmerzen,
Bin ganz fröhlich,
Und nun mag ich
Auch singen, springen, scherzen.

Den Faden ich
Gar fleißiglich
Hab in mein Herz verborgen;
So Tag und Nacht
Ist er bewacht,
Drum bin ich ohne Sorgen.
In starkem Schrein,
Im Herzen mein
Der Faden ist behalten;
Wer ihn will han,
Der muß fortan
Die Brust mir erst zerspalten.

Der Frauen Zier
Den Faden mir
Gegeben hat mit Freuden,
Demant noch Gold,
Noch reicher Sold
Soll je von ihm mich scheiden.
Du Faden mein
Sollst bei mir sein,
Und müßt ich leiden Schaden,
Will ich ohn Leid
In Ewigkeit
Liebhaben diesen Faden.

Mit ganzem Fleiß lernte Leufried dieses Lied, und wenn Angliana ihn zu singen ermahnte, hat er immer zuerst vom Goldfaden gesungen. Angliana, welche eine gescheite Jungfrau war, konnte nicht genug nachdenken, wie Leufried doch immer den Faden möchte bewahrt haben; denn sie verstand wohl, wie er ihren Goldfaden in dem Liede meinte, darum beschloß sie, den Jüngling, sobald sie mit ihm allein sein würde, um alles zu befragen.

Nun begab es sich, daß Angliana auf einen Sonntag sich krank stellte, ihre Jungfrauen allein zur Kirche gehen ließ, und da sie glaubte, ganz ungestört zu sein, rief sie Leufried zu sich und sprach:

»Mein lieber Leufried, hast du wohl meinen Goldfaden wohl aufbewahrt? So du ihn mir zeigen kannst, soll dir ein viel köstlicheres Geschenk statt dessen werden.«

»Gnädige Jungfrau«, sprach da Leufried, »den Schlüssel, mit welchem ich den Behälter des lieben Goldfadens aufschließe, habe ich in meinem Gemach, so es Euer Gnaden beliebt, will ich den bald holen.«

»Das wäre mein Wille«, sagte die Jungfrau, »aber eile.«

Da lief Leufried schnell nach seinem Gemach, holte das scharfe Schreibmesserlein und kehrte zu Angliana zurück, eröffnete sein Wams vorn auf der Brust, und ehe es sich Angliana versah, schnitt er sich die zugeheilte Wunde auf und zog den Goldfaden ganz unerschrocken wieder heraus.

Da Angliana dies sah, ward sie vor Schreck ganz bleich; denn Leufried fing stark an zu bluten. Sie nahm das Messer und den Goldfaden von ihm und bat ihn mit gefalteten Händen gar beweglich, zu dem Wundarzt zu gehen und sich verbinden zu lassen, damit ihm kein größerer Schaden erwachse.

Da sprach Leufried gar freundlich:

»Gnädige Jungfrau, Ihr sollt Euch ob meiner Wunde nicht entsetzen, ich habe mich das erstemal selbst geheilt und gehe jetzt hin, mich zu verbinden.«

»Das tue«, sagte Angliana, »aber kehre bald wieder zu mir.«

In großen Freuden schied da Leufried; denn er liebte die Jungfrau so inniglich, daß er den Schmerz seiner aufgerissenen Wunde gar nicht fühlte. Er verband sich, weil ihn Angliana darum gebeten, viel fleißiger, als er sonst getan hätte; denn es war ihm schier, als wäre es das Herz der Jungfrau selber, das er verwundet habe. Dann legte er auch andere Kleider an und tat sein blutiges Gewand beiseite.

Als aber Leufried sie verlassen hatte, nahm Angliana den Goldfaden und wusch ihn in lauterem Wasser, da war er so glänzend und unversehrt, als wenn er erst vom Rahmen gekommen wäre; des konnte sich die Jungfrau nicht genug verwundern. Noch mehr aber bewunderte sie den Jüngling, der sich ihr zuliebe schon zweimal mit scharfem Messer an seinem Leib versehrt hatte.

Von dieser Stunde an ward Angliana gar schwer vom Pfeil der Liebe Kupidinis verwundet. Sie wartete mit gar großem Verlangen auf den Jüngling, um zu sehen, ob er blaß oder schwach geworden. Da Leufried bald mit guter Gestalt und fröhlichem Angesicht zurückkehrte, ward sie nicht wenig durch seinen Anblick erfreut. Es war aber jetzt an der Zeit, daß die Jungfrauen aus der Kirche zurückkehren sollten, und Angliana konnte nicht mehr mit Leufried reden, wie es ihr ums Herz war, sie sagte aber allein:

»Leufried, verlange jetzt nicht die versprochene Gabe; denn die Zeit erlaubt es nicht. Morgen aber will ich dir ein Päcklein vor all meinen Jungfrauen irgendwohin zu tragen geben, damit aber gehe allein auf dein Gemach und bewahre es mit allem, was du darin finden wirst, auch wird ein Brief darinnen sein, dessen Inhalt nimm fleißig wahr und folge seinem Befehl. Jetzt aber verlasse wieder mein Gemach und warte an der Tür; denn gewiß werden meine Jungfrauen nicht lange mehr ausbleiben.«

Leufried begab sich ganz zitternd vor großer Freude wieder auf seine Stelle, und gleich darauf kehrten Anglianas Jungfrauen aus der Kirche zurück.


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