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Wie der Bote zu Leufried unter der großen Linde kam und ihm freudig des Grafen Brief übergab.

Der Bote hatte sich kaum Leufried genähert, als er ihn erkannte. Er sprang eilends von seinem Pferd, zog seinen Brief aus der Tasche und sagte:

»Gegrüßt seist du, mein allerliebster Jüngling. Dein Anblick bringt mir herzliche Freude, so bringe ich dir auch gute Botschaft von unserem Herrn. Gott wollte, wir wären jetzund bei ihm; denn er hat ein großes Verlangen nach dir.«

Hiermit übergab er ihm des Grafen Brief. Wiewohl Leufried den Boten nie anders denn als einen redlichen Knecht erkannt hatte, sorgte er dennoch, der Graf hätte ihn auch mit Geschenken bestochen gleich dem Jäger. Darum empfing er den Brief von ihm und sagte:

»Lieber Bote, ich bitte, du wollest in die Stadt mit deinem Pferde ziehen und es in der nächsten Herberge an die Pforte stellen, da will ich, sobald ich diesen Brief gelesen habe, zu dir kommen und gute Gesellschaft halten.«

Dies war der Bote zufrieden, zog also in die Stadt und versah sein Roß mit gutem Futter.

Dieweil ging Leufried vor die Stadt und las den Brief, worin sein Herr, der Graf, ihn ermahnte, wieder heimzukehren, ihm auch Friede und Geleit genugsam versicherte. Leufried aber sorgte allezeit, es möchte ein Betrug darin verborgen sein. Er ging in seines Herrn, des Kaufmanns, Haus und wappnete sich in ein gutes Panzerhemd, damit, im Fall ihn der Bote ungewarnt mit heimlicher List auf seines Herrn Geheiß umbringen wollte, er sich seiner entsetzen entledigen. möchte. Er nahm auch Walter und seinen Diener mit sich; denn die beiden wußten um alles. Sonst aber sagte er niemandem etwas davon.

Alsbald er nun in die Herberge kam, bat er den Wirt, ihm gut aufzutragen und ihn samt seiner Gesellschaft in ein besonderes Gemach zu setzen; solche Mühe wolle er wohl bezahlen und vergelten. Dies alles ward nach seinem Willen vollstreckt. Sobald sie zu Tische kamen, konnte Leufried nicht länger verziehen warten. und fragte von Stund an den Boten, wie es doch um seine allerliebste Jungfrau stünde; denn er hätte in dem Brief wohl verstanden, daß seine Liebe allem Hofgesinde bekannt sei. Der Bote sagte:

»Jüngling, ich bin guter Hoffnung, ihre Sachen werden nun besser stehen; denn ehe ich von Hof wegritt, vernahm ich von Kordula, einer ihrer Jungfrauen, sobald sie wahrgenommen, du seiest hinweg und bei ihrem Vater in Ungnade, habe sie aller Zier und Kleidung, auch alles, so zu Lust und Freude dienen möchte, nicht mehr gebrauchen wollen, ihre Trauerkleider hervorgesucht und keiner Speis noch Tranks mehr genossen, so lange, bis ihr Vater ihr gemeldete Jungfrau samt Florina schickte, die dir sehr wohl bekannt ist. Die beiden haben der Jungfrau gewisse Botschaft von ihrem Vater gebracht, daß du nicht umgekommen noch gefangen seist, sondern ohne Urlaub mit deinem Bruder Walter und dem Leuen von Hof weggeritten, ihr auch dabei versprochen, in kurzem zu erfahren, wo du hingekommen. Und hat mich mein Herr in derselben Zeit mit dem Brief abgefertigt, den ich dir übergeben habe, sodann mir auch mündlichen Befehl gegeben, auf das freundlichste mit dir zu reden, damit du mit mir wiederkehrst; denn er stand fürwahr in großen Sorgen um seine Tochter.

Nun merk mich! Sobald mir der Brief und Befehl gegeben war, habe ich mich ganz stillerweise zu Kordula, der Jungfrau, verfügt und ihr meine Reise und Befehle angesagt, damit Angliana desto mehr Trost von ihr empfangen möge. Ich wäre auch selbst gern bei ihr gewesen, konnte aber solches mit keiner Schicklichkeit zuwege bringen. Diese Worte, liebster Leufried, sollst du mir alle glauben und meine Treue zu einem sicheren Pfand annehmen, daß ihm also sei.«

Leufried kannte, wie gesagt, diesen Boten als einen frommen, wahrhaftigen und getreuen Gesellen, gab ihm derhalb guten Glauben und sagte:

»Mein getreuer Bote, wer hat dir angezeigt, daß ich hier zu Salamanka bin?«

»Das habe ich«, sagte der Bote, »zu Lissabon an des Königs Hof erfahren; denn mein Herr meinte nicht anders, als ich würde dich an des Königs Hof finden.«

»Lieber Bote«, sagte Leufried, »was gibst du mir aber für einen Rat? Mein Herr hat mir zuvor streng nach dem Leben getrachtet, einen falschen Mörder dazu bestellt, der mich mit einem Spieße durchstechen sollte. Nun muß ich sorgen, dieweil mich das Glück vor solchem Unfall bewahrt, man möge mir ein anderes Bad zurichten und mein Herr möge mich bloß mit guten Worten zu sich locken, um seinen Zorn an mir zu rächen.«

Der Bote antwortete:

»Das wird meinem Herrn sehr nachteilig sein, dieweil du sein Geleit mit seinem Insiegel von ihm hast. Das magst du samt deinem Freunde Walter zu Lissabon an des Königs Hof lassen; sodann mein Herr Gewalt an dir brauchen wollte, würde er dies schwer gegen den König verantworten können.«

»Wohlan«, sagte Leufried, »laß uns die Sache heute nacht beschlafen, jedoch sollst du morgen früh bereit sein; denn ich will mich auch rüsten. Will dann mein Bruder Walter mitreisen, so ist's mir sehr lieb.«

Da sagte Walter:

»Lieber Bruder, wie möchte ich dich von mir lassen, so daß ich nicht wissen möchte, wie es dir ginge! Ich will diese Fahrt mit dir wagen, du aber sollst meinem Vater nichts davon sagen, sonst wird er uns die Reise nicht erlauben, weil er deine Umstände nicht kennt.«

Als sie nun gegessen und getrunken hatten, gingen sie zu Bett und erwarteten den folgenden Tag mit Verlangen.


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