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Nehmen wir einmal an, einer hieße Hubermayer und wäre aus Wien und Lebensmitteldiktator in Amerika. Und käme nach New York.
Er würde sich vornehmen, drei Tage zu bleiben.
Am ersten Tage schaut er sich die City an. Und am Abend schreibt er darüber seiner Frau.
Am zweiten Tag beginnt er an den Zweck seines New Yorker Aufenthaltes zu denken.
Und am dritten reist er ab, weil er weder Gulyas noch Pilsner vorfand. Gestern war Hoover in Wien.
Er fuhr vom Bahnhof in das Gebäude des Verkehrsamtes in der Giselastraße, und er stieg, baß verwundert und zornig über den Zeitverlust, mühsam das vierte Stockwerk hinauf. Symbolisch für das Verkehrsamt: Es verkehrt kein Lift.
Zum Glück hatte Hoover ein Auto für die Fahrt nach dem Hotel Bristol. Sonst wäre er mittelst Straßenbahn in jenem Zustande zum Mittagessen angelangt, in dem ein solches überflüssig wird.
Um 4 Uhr nachmittags war Hoover wieder in der Giselastraße und arbeitete bis sieben. Die Wiener Herren waren sehr ungehalten. Um halb acht fängt die Vorstellung im »Apollo« an.
Währenddessen antichambrierten Journalisten. Hoover gewährte sogar Interviews.
Um sieben Uhr war Hoover fort. Ohne im »Apollo« gewesen zu sein. Er hatte die Kärntnerstraße nicht gesehen und seiner Frau nicht geschrieben.
Er hatte gar nicht angefangen, an den Zweck seines Wiener Aufenthaltes zu denken.
Aber er hat ihn sichtlich erfüllt.
Allerdings: Er heißt nicht Hubermayer und ist nicht aus Wien.
Er heißt Hoover und ist aus Amerika.
Aus dem Lande der unbegrenzten Möglichkeiten kam er in eine Stadt der unbegrenzten Unmöglichkeiten.
Josephus
Der Neue Tag, 19. 8. 1919