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§ 1. Wie Ideen von Substanzen entstehen. – Während der Geist, wie ich erklärt habe, mit einer großen Anzahl einfacher Ideen teils – insoweit sie an äußeren Dingen zu finden sind – durch die Sinne, teils durch Reflexion auf seine eigene Thätigkeit versehen wird, bemerkt er auch, daß eine gewisse Anzahl dieser einfachen Ideen beständig zusammen auftreten, und diese werden, weil sie mutmaßlich einem Dinge angehören, die Wörter aber den gewöhnlichen Wahrnehmungen angepaßt werden, und zum schnellen Gedankenausdruck dienen, zu einem Subjekt vereinigt und mit einem Namen belegt; worauf wir hernach aus Unachtsamkeit geneigt sind, dieses als eine einfache Idee zu betrachten, und davon als von einer solchen zu reden, obgleich es in der That eine Verknüpfung mehrer Ideen miteinander ist, weil wir, wie gesagt, da wir uns nicht vorstellen können, wie diese einfachen Ideen jede für sich bestehen sollten, uns daran gewöhnen, ein Substrat vorauszusetzen, worin sie ihren Grund haben, und woraus sie hervorgehen, welches wir deshalb Substanz nennen.
§ 2. Unsere Idee der Substanz im allgemeinen. – Wenn also jemand sich selbst daraufhin prüfen will, welchen Begriff er bloß von der Substanz im allgemeinen habe, so wird er finden, daß er davon überhaupt keine andere Idee hat als nur die Voraussetzung von er weiß nicht welcher Stütze solcher Eigenschaften, die einfache Ideen in uns hervorzubringen vermögen, und die man gewöhnlich Accidentien nennt. Wenn jemand gefragt würde, welchem Subjekt Farbe oder Schwere anhafteten, so könnte er darauf nur antworten: den soliden, ausgedehnten Teilen; und wenn er gefragt würde, wem Solidität und Ausdehnung anhafteten, so würde er sich kaum in einer besseren Lage befinden, wie der früher erwähnte Inder, der, als er gesagt hatte, daß die Welt von einem großen Elefanten getragen werde, und darauf gefragt ward, worauf der Elefant stehe, die Antwort gab: auf einer großen Schildkröte; auf weiteres Andringen aber um Auskunft darüber, was der breitrückigen Schildkröte zur Stütze diene, erwiderte: irgend etwas, er wisse nicht was. Und somit reden wir hier wie in allen anderen Fällen, wenn wir Wörter gebrauchen ohne klare und deutliche Ideen zu haben, wie die Kinder, die, wenn sie gefragt werden, was ein ihnen unbekanntes Ding sei, gleich mit der zufriedenstellenden Antwort bei der Hand sind: es sei etwas; die in der That, mag sie nun von Kindern oder von Erwachsenen so gebraucht werden, nicht mehr bedeutet als: sie wüßten nicht, was es sei; und die zeigt, daß sie von dem Dinge, was sie zu kennen und worüber sie zu reden beanspruchen, überhaupt keine deutliche Idee haben, also dessen vollkommen unkundig und im Dunkel darüber sind. Da also unsere Idee, der wir den allgemeinen Namen »Substanz« geben, nichts weiter ist als die vorausgesetzte, aber unbekannte Stütze der als existierend vorgefundenen Qualitäten, die, wie wir glauben, sine re substante, ohne etwas, das sie trägt, nicht bestehen können, so nennen wir diesen Träger substantia, was dem eigentlichen Sinne nach in schlichtem Englisch das unter etwas anderem Stehende oder dieses Emporhaltende bedeutet. Was Locke hier über die Unerkennbarkeit der Substanz sagt, gilt nicht minder von der im Kapitel XXI behandelten »Kraft«, die ebenfalls nur ein Hilfsbegriff unseres Verstandes ist, wodurch wir uns die in der Aufeinanderfolge der Naturerscheinungen beobachtete Gesetzlichkeit ihres Kausalzusammenhanges begreiflich zu machen suchen. So wenig wie wir die Substanz für sich, außerhalb ihrer Eigenschaften oder von diesen gesondert, erkennen können, ebensowenig können wir eine Kraft direkt und gesondert von ihren Äußerungen, d. i. dem Kausalzusammenhang der Erscheinungen, wahrnehmen. Gleichwohl würde ohne die Ideen von Substanz und Kraft die objektive Welt unseres Bewußtseins sozusagen in Staub zerfallen.
§ 3. Von den Arten der Substanzen. – Nachdem so eine dunkle und relative Idee von Substanz im allgemeinen gebildet ist, kommen wir zum Besitz von Ideen eigentümlicher Arten von Substanzen, indem wir solche Kombinationen einfacher Ideen sammeln, die, wie aus der Erfahrung und der Beobachtung durch die menschlichen Sinne erkennbar wird, miteinander verbunden existieren, und deshalb für Ausflüsse aus der eigentümlichen inneren Konstitution oder dem unbekannten Wesen jener Substanz gelten. So kommen wir zum Besitz der Ideen: Mensch, Pferd, Gold, Wasser etc., und ich berufe mich auf jedermanns eigene Erfahrung darüber, ob irgend jemand von diesen Substanzen eine andere klare Idee hat, die mehr enthielte als die von gewissen miteinander zusammen existierenden einfachen Ideen. Die gewöhnlich an dem Eisen oder einem Diamanten wahrnehmbaren Eigenschaften sind es, die zusammen genommen die wahre komplexe Idee dieser Substanzen ausmachen, und ein Schmied oder ein Juwelier kennt sie gewöhnlich besser als ein Philosoph, der, von welchen substantiellen Formen er auch reden mag, von diesen Substanzen keine andere Idee hat, als die durch eine Zusammenfassung der in ihnen enthaltenen einfachen Ideen gebildet wird; wobei nur zu beachten bleibt, daß unsere komplexen Ideen von Substanzen neben allen den einfachen Ideen, woraus sie bestehen, immer noch die verworrene Idee von etwas enthalten, dem jene angehören, und worin sie den Grund ihrer Existenz finden. Und deshalb sagen wir, wenn wir von irgend einer Art von Substanz sprechen, daß es ein Ding mit den und den Eigenschaften sei; z. ,B. der Körper sei ein Ding, das Ausdehnung, Gestalt und Beweglichkeit besitze, der Geist ein zum Denken befähigtes Ding, und ebenso sagen wir Härte, Zerreiblichkeit und Anziehungskraft für Eisen seien Eigenschaften, die sich an dem Magnetstein finden. Diese und ähnliche Redeweisen deuten die Voraussetzung an, daß die Substanz immer noch etwas außer der Ausdehnung, Gestalt, Solidität, Bewegung, dem Denken oder anderen wahrnehmbaren Ideen sei, obgleich wir nicht wissen, was das ist.
§ 4. Von der Substanz im allgemeinen haben wir keine klare Idee. – Wenn wir deshalb von irgend einer besonderen Art körperlicher Substanzen wie Pferd, Stein etc. reden oder an sie denken, so ist zwar unsere Idee von jeder derselben nur die Verknüpfung oder Zusammenfassung einer Mehrzahl einfacher Ideen von sinnlichen Eigenschaften, die wir gewohnt sind, in dem Pferd oder Stein genannten Dinge vereinigt zu finden; weil wir uns aber nicht denken können, wie sie jede für sich, oder eine durch die andere bestehen sollten, so setzen wir voraus, daß sie durch ein gemeinschaftliches Subjekt existieren und getragen werden, und diese Stütze bezeichnen wir mit dem Namen »Substanz«, obgleich wir sicherlich von dem Dinge, das wir als Stütze voraussetzen, keine klare oder deutliche Idee haben. Substanzialität, oder das Ding mit Eigenschaften, ist eine Form, in die der Verstand das Rohmaterial unserer Sinneseindrücke einfügt, ohne ihren Stoff zu vermehren, und diese Verstandesthätigkeit schließt sich den Sinneseindrücken so unmittelbar und unwillkürlich an, daß wir sie gewöhnlich der Sinneswahrnehmung zurechnen. Sie ist nach Kantischer Terminologie ein »synthetisches Urteil a priori«, nämlich die Synthese im Raume. Es giebt noch zwei andere ebenso wichtige Synthesen, wodurch der Verstand aus dem Rohmaterial der Sinneseindrücke die objektive Welt aufbaut, nämlich die Kausalität, d. i. die Synthese von Veränderungen und Bewegungen der Dinge in der Zeit, und die Generalisierung, d. i. die Bildung von Art-, Gattungs- etc. Begriffen der Dinge, sowie von Gesetzen des Kausalzusammenhanges und den in diesen sich äußernden Kräften. Diese dritte Art der Synthese a priori könnte man die Synthese im Worte nennen, weil in den Wörtern der Sprache und deren Bedeutungen das Allgemeine als solches eine eigentümliche Existenz gewinnt, und ohne dieses Hilfsmittel die Generalisierung des sinnlich konkreten Bewußtseinsinhalts nur in beschränktem Maße und unvollkommener Weise stattfinden könnte. – Daß uns solche Synthesen möglich sind, lernen wir durch Selbstbeobachtung aus der Erfahrung; dagegen müssen wir die Frage, wie sie möglich seien, unbeantwortet lassen, weil wir den transzendenten Realgrund unseres Bewußtseins oder die Entstehungsweise seiner Funktionen nicht erkennen können.
§ 5. Vom Geiste haben wir eine ebenso klare Idee wie vom Körper. – Derselbe Vorgang wiederholt sich bei den Thätigkeiten des Geistes (of the mind), nämlich Denken, Schließen, Fürchten etc., die wir, weil wir sie nicht als für sich bestehend betrachten mögen, und nicht begreifen, wie sie dem Körper angehören oder von diesem hervorgebracht sein könnten, geneigt sind für Thätigkeiten einer anderen Substanz zu halten, die wir »Geist« (spirit) nennen; woraus indessen so viel erhellt, daß, weil wir von der Materie keine andere Idee oder Vorstellung haben als von etwas, woran die vielen sinnlichen Eigenschaften, die auf unsere Sinne einwirken, bestehen, wir mit der Voraussetzung einer Substanz, worin Denken, Wissen, Zweifeln und eine bewegende Kraft etc. bestehen, eine ebenso klare Vorstellung von der Substanz des Geistes gewinnen, wie wir von der des Körpers haben; indem die eine (ohne Erkenntnis ihres Wesens) dafür gilt, das Substrat der uns von außen zukommenden Ideen zu sein, und die andere (ebenfalls ohne Erkenntnis ihres Wesens) für das Substrat der Thätigkeiten, die wir durch innere Erfahrung in uns selber kennen lernen. Somit ist klar, daß die Idee der körperlichen Substanz oder Statt in lies or. der Materie unseren Begriffen und Auffassungen ebenso fern liegt wie die der geistigen Substanz oder des Geistes, und daß wir deshalb aus unserem Mangel irgend eines Begriffes von der Substanz des Geistes ebensowenig auf dessen Nichtexistenz schließen dürfen, wie wir aus demselben Grunde die Existenz des Körpers leugnen können; indem es ebenso vernünftig wäre, zu behaupten, es gebe keinen Körper, weil wir von der Substanz der Materie keine klare und deutliche Idee haben, wie zu sagen, es gebe keinen Geist, weil wir keine klare und deutliche Idee von der Substanz eines Geistes haben.
§ 6. Von den Arten der Substanzen. – Worin deshalb auch die geheime abstrakte Natur der Substanz im allgemeinen immer bestehen möge, so sind doch alle unsere Ideen bestimmter eigentümlicher Arten von Substanzen nichts als verschiedene Kombinationen einfacher Ideen, die in solcher wenn gleich unbekannten Ursache der Verbindung miteinander koexistieren, daß das Ganze für sich bestehen kann. Durch nichts anderes als solche Kombinationen einfacher Ideen stellen wir uns eigentümliche Arten von Substanzen vor, darin bestehen die Ideen, die wir von ihren verschiedenen Species in unserem Geiste haben, und nur solche bezeichnen wir anderen durch ihre specifischen Namen, z. B. Mensch, Pferd, Sonne, Wasser, Eisen; beim Hören solcher Wörter bildet jeder, der die Sprache versteht, in seinem Sinne eine Kombination der verschiedenen einfachen Ideen, die er unter eben dieser Benennung gewöhnlich als zusammen bestehend beobachtet oder sich vorgestellt hat, und von denen er annimmt, daß sie auf dem unbekannten gemeinsamen Subjekt beruhen und ihm gleichsam anhängen, welches selbst keinem anderen Dinge inhäriere. Indessen ist es gleichwohl offenbar, und jeder wird bei einer Untersuchung seiner eigenen Gedanken finden, daß er von irgend einer Substanz, möge es z. ,B. Gold, Pferd, Eisen, Mensch, Vitriol, Brot sein, keine andere Idee hat, als bloß die von den sinnlichen Eigenschaften, die er als inhärent betrachtet, nebst der Voraussetzung eines solchen Substrats, was den Eigenschaften oder einfachen Ideen, die er als in Verbindung miteinander existierend wahrgenommen hat, gleichsam als Träger dient. Was ist z. ,B. die Idee der Sonne weiter als ein Aggregat dieser verschiedenen einfachen Ideen: glänzend, heiß, rund, sich regelmäßig bewegend, in gewisser Entfernung von uns und vielleicht noch einigen anderen, je nachdem der, welcher an die Sonne denkt und von ihr spricht, die sinnlichen Qualitäten, Ideen oder Eigenschaften, die in dem von ihm »Sonne« genannten Dinge enthalten sind, mehr oder weniger genau beobachtet hat?
§ 7. Die Kraft macht einen großen Bestandteil unserer komplexen Ideen von Substanzen aus. – Denn von irgend einer der besonderen Arten von Substanzen hat der die vollkommenste Idee, wer die meisten der einfachen Ideen, die in ihr existieren, gesammelt und zusammengefügt hat, wozu auch ihre aktiven Kräfte und passiven Fähigkeiten gehören, die zwar keine einfachen Ideen sind, aber in dieser Hinsicht der Kürze halber füglich dazu gerechnet werden können. So ist die Kraft, Eisen anzuziehen, eine von den Ideen der komplexen jener Substanz, die wir Magnetstein nennen, und die Kraft, so angezogen zu werden, ist ein Teil der komplexen Idee, die wir Eisen nennen; Kräfte, die für diesen Subjekten inhärierende Eigenschaften gelten, weil jede Substanz, die ebenso fähig ist, durch die von uns in ihr wahrgenommenen Kräfte gewisse sinnliche Eigenschaften anderer Subjekte zu verändern, wie die einfachen Ideen, die wir unmittelbar von ihr empfangen, in uns hervorzubringen, durch jene in andere Subjekte neu eingeführten sinnlichen Eigenschaften uns Kräfte erkennbar macht, die auf unsere Sinne dadurch ebenso regelmäßig mittelbar einwirken, wie ihre sinnlichen Eigenschaften es unmittelbar thun. Z. B. unmittelbar durch unsere Sinne nehmen wir am Feuer dessen Hitze und Farbe wahr, die, recht betrachtet, nur in ihm vorhandene Kräfte sind, diese Ideen in uns hervorzubringen: ebenfalls durch unsere Sinne nehmen wir die Farbe und Zerbrechlichkeit der Holzkohle wahr, wodurch wir von einer anderen Kraft im Feuer Kenntnis erhalten, die es hat, die Farbe und Konsistenz des Holzes zu verändern; durch die ersteren enthüllt das Feuer uns unmittelbar, durch die letzteren mittelbar verschiedene Eigenschaften, die wir deshalb als einen Teil der Eigenschaften des Feuers ansehen, und somit zu einem Teil seiner komplexen Idee machen. Denn weil alle diese Kräfte, die wir kennen lernen, nur auf die Veränderung einiger sinnlicher Eigenschaften an den Subjekten, worauf sie einwirken, hinauslaufen und so veranlassen, daß diese uns neue sinnliche Ideen darbieten, deshalb habe ich diese Kräfte zu den einfachen Ideen gerechnet, die die komplexen der verschiedenen Arten von Substanzen ausmachen, obgleich diese Kräfte, an und für sich betrachtet, in Wahrheit komplexe Ideen sind. Und in diesem weiteren Sinne wünsche ich verstanden zu werden, falls ich die eine oder die andere von diesen Kräften unter den einfachen Ideen nenne, die wir uns ins Gedächtnis zurückrufen, wenn wir an einzelne Substanzen denken. Denn die einzelnen in ihnen enthaltenen Kräfte müssen notwendig berücksichtigt werden, wenn wir von den verschiedenen Arten der Substanzen wahrhaft bestimmte Begriffe haben wollen.
§ 8. Und warum das. – Auch brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, daß die Kräfte einen großen Teil unserer komplexen Ideen von Substanzen ausmachen, weil bei den meisten derselben ihre sekundären Eigenschaften hauptsächlich dazu dienen, eine von der anderen zu unterscheiden, und gewöhnlich einen beträchtlichen Teil der komplexen Idee einer jeden ihrer Arten bilden. Denn, da unsere Sinne uns bei der Ermittelung der Größe, Textur und Gestalt der kleinsten Teilchen der Körper im Stiche lassen, worauf deren wirkliche Beschaffenheit und ihre Unterschiede beruhen, so sind wir genötigt, uns ihrer sekundären Eigenschaften als der charakteristischen Zeichen und Merkmale zu bedienen, wonach wir in unserem Geiste Ideen von ihnen bilden, und sie voneinander unterscheiden; alle sekundären Eigenschaften aber sind, wie gezeigt worden, nichts als bloße Kräfte. Denn die Farbe und der Geschmack des Opiums sind so gut wie dessen einschläfernde und schmerzstillende Wirkungen nur von seinen primären Eigenschaften abhängige Kräfte, wodurch es imstande ist, verschiedene Vorgänge in verschiedenen Teilen unseres Körpers zu veranlassen.
§ 9. Drei Arten von Ideen bilden unsere komplexen Ideen von Substanzen. – Die Ideen, woraus unsere komplexen von Substanzen entstehen, sind dreierlei Art. Erstens die Ideen der primären Eigenschaften der Dinge, die wir mit Hilfe unserer Sinne entdecken, und die in ihnen auch dann existieren, wenn wir sie nicht wahrnehmen; dazu gehören die Größe, Gestalt, Anzahl, Lage und Bewegung der Teile von Körpern, die tatsächlich in ihnen vorhanden sind, gleichviel ob wir von ihnen Kenntnis nehmen oder nicht. Zweitens die sinnlich wahrnehmbaren sekundären Eigenschaften, die von jenen abhängen und nur die den Substanzen angehörigen Kräfte sind, durch unsere Sinne mancherlei Ideen in uns hervorzubringen; Ideen, die sich in den Dingen selbst nur ebenso befinden wie irgend etwas in seiner Ursache. Drittens das von uns an irgend einer Substanz wahrgenommene Vermögen, solche Veränderungen primärer Eigenschaften zu bewirken oder zu erleiden, daß die so veränderte Substanz in uns andere Ideen hervorbringt, als sie früher that; diese heißen aktive und passive Kräfte, und diese Kräfte endigen alle, soweit wir von ihnen irgend welche Kunde oder Kenntnis haben, lediglich in sinnlich wahrnehmbaren einfachen Ideen. Denn, welche Veränderung auch ein Magnetstein in den kleinsten Teilchen des Eisens mag hervorbringen können, so würden wir doch von irgend einer Kraft desselben überhaupt auf das Eisen einzuwirken, keine Kenntnis haben, wenn nicht dessen sinnlich wahrnehmbare Bewegung sie offenbar machte; und ich bezweifle nicht, daß die von uns täglich gehandhabten Körper die Kraft haben, tausenderlei Veränderungen ineinander hervorzubringen, wovon wir keine Ahnung haben, weil sie niemals in sinnlich wahrnehmbaren Wirkungen zum Vorschein kommen.
§ 10. Die Kräfte machen einen großen Teil unserer komplexen Ideen von Substanzen aus. – Die Kräfte machen deshalb mit Recht einen großen Teil unserer komplexen Ideen von Substanzen aus. Wer seine komplexe Idee von Gold untersuchen will, der wird finden, daß verschiedene von den Ideen, die sie bilden, nur Kräfte sind; so sind die Kraft, im Feuer geschmolzen aber nicht selbst verzehrt zu werden, und die, in aqua regia aufgelöst zu werden, für die Bildung unserer komplexen Idee von Gold ebenso notwendige Ideen wie dessen Farbe und Gewicht, die, wohl erwogen, auch nur verschiedene Kräfte sind. Denn, richtig ausgedrückt, ist die gelbe Farbe nicht thatsächlich im Golde vorhanden, sondern sie ist eine Kraft des Goldes, wenn es gehörig ins Licht gestellt wird, ihre Idee durch unsere Augen in uns hervorzubringen; und die Hitze, die notwendig zu unserer Idee der Sonne gehört, ist ebensowenig wirklich in der Sonne wie die weiße Farbe, die sie dem Wachse giebt. Beide sind gleichermaßen Kräfte der Sonne, die durch die Bewegung und Gestalt ihrer unsichtbaren Statt sensible lies nach Kapitel VIII, § 13: insensible. Teilchen auf den Menschen so einwirkt, daß er die Idee der Hitze gewinnt, und auf das Wachs so, daß es fähig wird, im Menschen die Idee des Weißen hervorzubringen.
§ 11. Die jetzt sekundären Eigenschaften der Körper würden verschwinden, wenn wir die primären ihrer kleinsten Teilchen entdecken könnten. – Wenn unsere Sinne scharf genug wären, um uns die kleinsten Teilchen der Körper unterscheiden und die wirkliche Beschaffenheit erkennen zu lassen, wovon ihre sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften abhängen, so würden sie ohne Zweifel ganz andere Ideen in uns hervorbringen: das, was jetzt als gelbe Farbe des Goldes erscheint, würde dann verschwinden, und an ihrer Stelle würden wir ein bewundernswertes Gewebe von Teilchen einer gewissen Größe und Figur erblicken. Das zeigen uns die Mikroskope deutlich, Keineswegs! Einen mechanischen Ursprung der Farbenunterschiede hat bis heute noch kein Mikroskop nachgewiesen; die Vergrößerung hebt nur teils das Zusammenfließen des Eindrucks verschiedener Farben sehr kleiner, dicht nebeneinander liegender Flächen auf der Netzhaut des Auges auf, teils gestattet sie, Dinge im durchscheinenden Lichte zu betrachten, die wir ihrer Kleinheit wegen mit bloßen Augen nur in auffallendem Lichte wahrnehmen können. denn, was für unsere bloßen Augen eine gewisse Farbe hervorbringt, enthüllt sich, wenn die Schärfe unserer Sinne auf diese Weise vermehrt wird, als etwas ganz anderes, und dadurch, daß gleichsam das Verhältnis der Größe der kleinsten Teile eines farbigen Objektes zu unserm gewöhnlichen Anblick desselben verändert wird, entstehen andere Ideen als vorher. So sind Sand oder zerstoßenes Glas, die dem bloßen Auge als undurchsichtig und weiß erscheinen, unter dem Mikroskop durchsichtig, und ein auf diese Weise betrachtetes Haar verliert seine frühere Farbe und wird großenteils durchsichtig mit einer Beimischung von einigen glänzend funkelnden Farben gleich denen, die sich bei der Lichtbrechung in Diamanten und anderen durchsichtigen Körpern zeigen. Das Blut erscheint dem bloßen Auge ganz rot; unter einem guten Mikroskop aber, das die kleineren Teile desselben sichtbar macht, zeigt es nur einige wenige rote Kügelchen, die in einer durchsichtigen Flüssigkeit schwimmen; und wie diese roten Kügelchen aussehen würden, wenn es Gläser gäbe, die sie noch tausend oder zehntausendmal vergrößern könnten, läßt sich nicht sagen.
§ 12. Unser Erkenntnisvermögen ist unserem Zustande angemessen. – Der unendlich weise Urheber von uns und allen uns umgebenden Dingen hat unsere Sinne, Fähigkeiten und Organe den Erfordernissen des Lebens und der Aufgabe, die wir hier zu erfüllen haben, angepaßt. Wir sind imstande durch unsere Sinne die Dinge zu erkennen und zu unterscheiden, und sie so weit zu untersuchen, daß wir sie zu unseren Zwecken und den verschiedenen Weisen, unsere Lebensbedürfnisse zu befriedigen anwenden können. Wir haben genügende Einsicht in ihre staunenswerte Künstlichkeit und ihre wundervolle:! Wirkungen, um die Weisheit, Macht und Güte ihres Urhebers zu bewundern und zu preisen. Es fehlt uns nicht an Fähigkeiten, um solch eine Erkenntnis wie diese zu erlangen, die zu unserer gegenwärtigen Lage paßt. Gott hat aber, wie es scheint, nicht gewollt, daß wir eine vollkommen klare und adäquate Erkenntnis von ihnen haben sollten, die vielleicht die Fassungskraft aller endlichen Wesen übersteigt. Wir sind mit Fähigkeiten begabt (so unbeholfen und schwach sie auch sein mögen), um in den Geschöpfen genug zu entdecken, damit wir zur Erkenntnis des Schöpfers und unserer Pflicht geführt werden, und wir sind mit hinlänglichem Vermögen ausgestattet, um für die Bequemlichkeiten des Lebens zu sorgen; darin besteht unsere Aufgabe in dieser Welt. Würden jedoch unsere Sinne verändert und viel feiner und schärfer gemacht, so würde die Erscheinung und die äußere Gestalt der Dinge ein ganz anderes Aussehn für uns erhalten, und – wie ich zu glauben geneigt bin – mit unserer Existenz oder wenigstens mit unserem Wohlbefinden in diesem von uns bewohnten Teile des Weltalls unverträglich sein. Wer bedenkt, wie wenig unsere Konstitution eine Erhebung in Regionen der Atmosphäre zu ertragen vermag, die nicht viel höher sind als die, worin wir gewöhnlich atmen, der wird Ursache zur Zufriedenheit damit finden, daß auf dieser uns als Wohnung angewiesenen Erdkugel der allweise Baumeister unsere Organe und die Körper, die mit ihnen in Berührung treten sollen, einander angepaßt hat. Wenn unser Gehörsinn nur eintausendmal feiner wäre, als er ist, wie würden wir von einem beständigen Lärm gestört sein! Und wir würden in der stillsten Abgeschiedenheit weniger imstande sein, zu schlafen oder nachzusinnen, als mitten in einer Seeschlacht. Ja, wenn der instruktiveste unserer Sinne, das Gesicht, bei einem Menschen tausend- oder hunderttausendmal schärfer wäre, als er mit Hilfe des besten Mikroskopes ist, so würden für dessen bloße Augen Dinge sichtbar sein, die manche millionenmal kleiner wären, als die kleinsten jetzt für ihn sichtbaren Objekte, und er würde somit der Entdeckung der Textur und Bewegung der kleinsten Teilchen körperlicher Dinge näher kommen, und für manche derselben wahrscheinlich Ideen von ihrer inneren Konstitution erhalten. Wer er würde dann in einer ganz anderen Welt leben wie die übrigen Menschen, nichts würde ihm ebenso erscheinen wie den anderen, die sichtbaren Ideen aller Dinge würden für beide verschieden sein, so daß ich zweifle, ob er und die übrigen Menschen sich miteinander über die Gegenstände des Gesichtes unterreden, oder über die Farben irgend welche Mitteilungen machen könnten, da deren Anschein so völlig verschieden sein würde. Und vielleicht könnte solche Schärfe und Zartheit des Gesichtes nicht den hellen Sonnenschein oder nicht einmal das freie Tageslicht ertragen, und von jedem Gegenstände auf einmal nur einen sehr kleinen Teil und auch den nur bei sehr geringem Abstande auffassen. Und wenn jemand mit Hilfe solcher mikroskopischen Augen (falls ich sie so nennen darf) tiefer als gewöhnlich in die geheime Zusammensetzung und das Grundgewebe der Körper eindringen könnte, so würde er aus diesem Wechsel keinen großen Vorteil ziehen, wenn ihm solch ein scharfes Gesicht nicht dazu diente, den Weg zum Markte und zur Börse zu finden, wenn er Dinge, die er vermeiden müßte, nicht schon in angemessener Entfernung sehen, und solche, womit er zu thun hätte, nicht wie andere Leute nach ihren sinnlichen Eigenschaften unterscheiden könnte. Wer scharfsichtig genug wäre, um die Konfiguration der kleinsten Teilchen einer Uhrfeder wahrzunehmen, und die eigentliche Struktur und Triebkraft zu erkennen, worauf deren elastische Bewegung beruht, der würde ohne Zweifel etwas sehr Bewundernswertes entdecken; wenn aber hiefür gebaute Augen nicht auf einmal den Zeiger und die Zahlzeichen des Zifferblattes erblicken und daraus schon von weitem ersehen könnten, wie viel Uhr es sei, so würde ihrem Eigner solche Schärfe nicht viel nützen, wobei er die Brauchbarkeit der Maschine einbüßte, während er die geheime Künstlichkeit ihrer Bestandteile entdeckte.
§ 13. Eine die Geister betreffende Vermutung. – Und hier bitte ich um die Erlaubnis, eine bei mir entstandene extravagante Vermutung vortragen zu dürfen, nämlich ob nicht, weil wir (wenn man dem Bericht von Dingen, worüber unsere Philosophie keine Auskunft geben kann, überhaupt Glauben schenken darf) einigen Grund zu der Vorstellung haben, daß Geister ( spirits) Körper von verschiedener Größe, Gestalt und Bildung ihrer Teile annehmen können, ein großer Vorzug, den einige von ihnen vor uns haben, darin liegen mag, daß sie sich selber solche Organe der Empfindung oder Wahrnehmung bilden und gestalten können, wie ihnen für ihren jeweiligen Zweck und die Umstände des Objektes, das sie betrachten wollen, dienlich sind. Denn wie weit würde nicht der Mensch im Wissen über alle anderen hinauskommen, der nur das Vermögen besäße, die Struktur seiner Augen, dieses einen Sinnes, so zu verändern, daß sie aller der verschiedenen Abstufungen des Sehens fähig würden, die wir mit Hilfe der (zuerst zufällig erfundenen) Gläser kennen gelernt haben? Welche Wunder würde nicht der entdecken, der seine Augen allen Arten von Objekten so anpassen könnte, daß er die Figur und Bewegung der kleinen Partikeln des Blutes und anderer animalischen Säfte, wenn es ihm gefiele, ebenso deutlich sehen könnte, wie zu anderen Zeiten die Gestalt und Bewegung der Tiere selbst? In unserm gegenwärtigen Zustand aber würden für uns unveränderliche Organe von solchem Bau, daß sie die Figur und Bewegung der kleinsten Teile der Körper enthüllten, worauf die an ihnen jetzt von uns bemerkten sinnlichen Eigenschaften beruhen, vielleicht von keinem Vorteil sein. Gott hat sie ohne Zweifel so gestaltet, wie für uns in unserer gegenwärtigen Lage am besten ist. Er hat uns für die Nachbarschaft der Körper, die uns umgeben, und womit wir zu thun haben, ausgerüstet; und obgleich wir mit Hilfe unserer Fähigkeiten nicht zu einer vollkommenen Erkenntnis der Dinge gelangen können, so reicht ihr Dienst doch hinlänglich für die oben erwähnten Zwecke aus, die unser Hauptanliegen ausmachen. Ich bitte meinen Leser um Verzeihung, daß ich ihm eine so wilde Phantasie über die Wahrnehmungsweisen höherer Wesen, als wir selbst sind, vorlege; wie extravagant dieselbe aber auch sein möge, so bezweifle ich doch, daß wir uns von dem Wissen der Engel auf andere als diese Weise eine Vorstellung machen können, so oder so nach Maßgabe dessen, was wir in uns selbst finden und beobachten. Und wenn wir auch zugeben müssen, daß die unendliche Macht und Weisheit Gottes Geschöpfe mit tausend anderen Vermögen und Weisen äußere Dinge wahrzunehmen, als den unsrigen, bilden könne, so können unsere Gedanken doch über letztere nicht hinausgehen; so unmöglich ist es für uns, unsere bloßen Vermutungen über die Ideen hinaus zu erweitern, die wir aus unserer eigenen Sinneswahrnehmung und Selbstbeobachtung gewonnen haben. Die Voraussetzung wenigstens, daß die Engel zuweilen Körper annehmen, darf uns nicht befremden, weil einige der ältesten und gelehrtesten Kirchenväter anscheinend glaubten, daß sie Körper hätten, und so viel gewiß ist, daß ihr Zustand und ihre Existenzweise uns unbekannt sind.
§ 14. Komplexe Ideen von Substanzen. – Um jedoch auf unser vorliegendes Thema – unsere Ideen von Substanzen sowie die Art und Weise, wie wir zu ihnen gelangen – zurückzukommen, so sage ich, unsere specifischen Ideen von Substanzen sind nichts weiter als Sammlungen einer gewissen Anzahl einfacher Ideen, die als zu einem Dinge vereinigt betrachtet werden. Obgleich diese Ideen von Substanzen gemeiniglich einfache Wahrnehmungen und ihre Namen einfache Ausdrücke sind, sind sie in der That doch komplex und zusammengesetzt. So besteht die Idee, die der Engländer mit dem Namen »Schwan« bezeichnet, aus weißer Farbe, langem Halse, rotem Schnabel, schwarzen Beinen und Füßen mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen ( whole feet), und allen diesen in gewisser Gestalt, mit dem Vermögen auf dem Wasser zu schwimmen und eine gewisse Art von Geräusch zu machen, und vielleicht für jemanden, der diese Art von Vögeln lange beobachtet hat, mit noch einigen anderen Eigenschaften, die alle auf sinnlich wahrnehmbare einfache Ideen hinauslaufen, sämtlich zu einem gemeinsamen Subjekt vereinigt.
§ 15. Ideen von geistigen Substanzen sind ebenso klar wie die von körperlichen Substanzen. – Außer unseren komplexen Ideen materieller sinnlich wahrnehmbarer Substanzen, wovon ich zuletzt gesprochen habe, sind wir imstande aus den einfachen Ideen (wie: Denken, Verstehen, Wollen, Wissen, bewegende Kraft etc.), die wir von den täglich in uns selbst als in einer Substanz koexistierend beobachteten Thätigkeiten unseres Geistes entnommen haben, die komplexe Idee eines immateriellen Geistes zu bilden. Und indem wir so die Ideen von Denken, Wahrnehmen, Freiheit und der Kraft sich selbst und andere Dinge zu bewegen zusammenfügen, gewinnen wir eine ebenso klare Auffassung und Vorstellung von immateriellen Substanzen, wie wir von den materiellen haben. Denn, wenn wir die Idee des Denkens und Wollens, oder der Kraft, zu bewegen oder körperliche Bewegung zu beruhigen, zusammenfügen und mit »Substanz«, wovon wir keine deutliche Idee haben, verbinden, so gewinnen wir die Idee eines immateriellen Geistes; und wenn wir die Ideen kohärenter solider Teile und der Fähigkeit bewegt zu werden zusammenfügen, und mit »Substanz«, wovon wir auch hier keine positive Idee haben, verbinden, so gewinnen wir die Idee der Materie. Die eine ist eine ebenso klare und deutliche Idee wie die andere, weil die Idee des Denkens und der (aktiven) Bewegung eines Körpers ebenso klare und deutliche Ideen sind wie die Ideen der Ausdehnung, der Solidität und des Bewegtwerdens. Denn unsere Idee von Substanz ist in beiden Fällen gleich dunkel oder überhaupt keine, sie ist nur ein hypothetisches Ich-weiß-nicht-was, um die Ideen zu tragen, die wir Accidentien nennen. Es beruht auf einem Mangel an Nachdenken, wenn wir geneigt sind zu glauben, daß unsere Sinne uns nur materielle Dinge zeigen. Wohlerwogen giebt uns jeder Akt der Sinneswahrnehmung einen gleichmäßigen Einblick in beide Seiten der Natur, die körperliche und die geistige. Denn, während ich durch Sehen oder Hören etc. erkenne, daß außer mir D. ,h. meiner leiblichen Person, aber nicht außerhalb meines Bewußtseins. ein körperliches Wesen, der Gegenstand jener Sinneswahrnehmung, existiert, erkenne ich mit noch größerer Sicherheit, daß in mir ein geistiges Wesen existiert, welches sieht und hört. Aber nur in dieser seiner Thätigkeit, nicht neben ihr erkennbar ist. Dies kann nicht – davon muß ich mich überzeugen – eine Thätigkeit des bloßen empfindungslosen Stoffes sein, es könnte nimmermehr geschehen ohne ein immaterielles denkendes Wesen.
§ 16. Es giebt keine Idee der abstrakten Substanz. – Mit der komplexen Idee von Ausdehnung, Gestalt, Farbe und allen anderen sinnlichen Eigenschaften – und das ist alles, was wir von ihm wissen – sind wir von der Idee der Substanz des Körpers gerade so weit entfernt, als wenn wir überhaupt von ihm nichts wüßten; und trotz aller Bekanntschaft und Vertrautheit, die wir mit der Materie zu haben glauben, und den vielen Eigenschaften, die an den Körpern wahrzunehmen und zu erkennen die Menschen überzeugt sind, wird sich vielleicht bei näherer Prüfung nicht zeigen, daß ihre auf das Wesen der Materie bezüglichen Ideen irgendwie zahlreicher oder klarer sind als die, welche den immateriellen Geist betreffen.
§ 17. Die Kohäsion solider Teile und der Stoß sind die wesentlichen Ideen vom Körper. – Unsere wesentlichen Ideen, die dem Körper im Unterschiede vom Geiste eigentümlich zukommen, sind die Kohäsion solider und folglich trennbarer Teile und die Kraft durch Stoß Bewegung mitzuteilen. Diese sind, denke ich, die ursprünglichen dem Körper besonders und eigentümlich angehörigen Ideen: denn die Gestalt ist nur ein Ergebnis der begrenzten Ausdehnung.
§ 18. Denken und bewegende Kraft sind die wesentlichen Ideen vom Geiste. – Unsere den Geist ( spirit) betreffenden und ihm eigentümlichen Ideen sind Denken und Wille oder die Kraft, den Körper durch einen Gedanken in Bewegung zu setzen, und als Folge hievon Freiheit. Denn während der Körper seine Bewegung nur durch Stoß einem anderen Körper, den er ruhend trifft, mitteilen kann, vermag der Geist ( mind) nach Belieben Körper in Bewegung zu setzen oder dies zu unterlassen. Die Ideen des Daseins, der Dauer und der Beweglichkeit sind beiden gemeinsam.
§ 19. Geister sind der Bewegung fähig. – Es ist kein Grund vorhanden, weshalb man es befremdend finden sollte, daß ich dem Geiste ( spirit) Beweglichkeit zuschreibe, denn, da wir von der Bewegung keine andere Idee haben als die einer Veränderung des Abstandes von anderen Wesen, die als ruhend betrachtet werden, und da wir finden, daß Geister so gut wie Körper nur da wirken können, wo sie sind, und daß Geister zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten wirken, so kann ich nicht umhin, den Ortswechsel allen endlichen Geistern zuzuschreiben (denn von dem unendlichen Geiste rede ich hier nicht), denn, da meine Seele so gut wie mein Körper ein reales Wesen ist, so ist sie gewiß ebensogut wie der Körper imstande, ihren Abstand von einem anderen Körper oder Wesen zu verändern, und also der Bewegung fähig. Und wenn ein Mathematiker einen gewissen Abstand zwischen zwei Punkten oder dessen Veränderung in Betracht ziehen kann, so kann man sich gewiß auch zwischen zwei Geistern einen Abstand und eine Veränderung desselben und somit ihre Bewegung, ihre Annäherung oder Entfernung voneinander, vorstellen.
§ 20. Jedermann findet in sich selber, daß seine Seele denken, wollen und auf seinen Körper an dem Orte, wo sich dieser befindet, einwirken kann, daß sie dagegen nicht auf einen Körper oder an einem Orte wirksam werden kann, der 100 Meilen von ihr entfernt ist. Niemand kann sich vorstellen, daß seine Seele in Oxford denken oder einen Körper bewegen könne, während er sich in London befindet, und er muß wissen, daß sie, weil sie mit seinem Körper verbunden ist, während der ganzen Reise zwischen Oxford und London beständig den Ort wechselt, wie die Kutsche oder das Pferd, die ihn befördern; daß man also, denke ich, mit Recht von ihr sagen kann, sie sei diese ganze Zeit über in Bewegung; oder, wenn man nicht zugeben will, daß uns dies eine hinlänglich klare Idee von ihrer Bewegung verschaffe, so, denke ich, wirb es ihre Trennung von dem Körper beim Tobe thun, beim es scheint mir unmöglich zu sein, sie als aus dem Körper hinausgehend oder ihn verlassend zu betrachten, und doch von ihrer Bewegung keine Idee zu haben.
§ 21. Wenn jemand sagen sollte, sie könne den Ort nicht wechseln, weil sie keinen habe, denn die Geister seien nicht in loco sondern ubi, so hoffe ich, daß diese Art zu reden heutzutage nicht vielen imponieren wird, in einem Zeitalter, das eben nicht geneigt ist, solche unverständliche Ausdrucksweisen zu bewundern oder sich dadurch täuschen zu lassen. Wenn aber jemand meint, daß jene Unterscheidung irgend welchen Sinn enthalte, und auf unser gegenwärtiges Thema anwendbar sei, so ersuche ich ihn, sie in verständliches Englisch zu übersetzen, und dann daraus einen Schluß zu ziehen um zu zeigen, daß immaterielle Geister keiner Bewegung fähig sind. Freilich kann Gott keine Bewegung zugeschrieben werden, aber nicht weil er ein immaterieller, sondern weil er ein unendlicher Geist ist.
§ 22. Vergleichung der Ideen von Seele und Körper. – Laßt uns nun unsere komplexen Ideen eines immateriellen Geistes und des Körpers miteinander vergleichen und zusehen, ob die eine mehr Dunkelheit enthält als die andere, und welche von beiden am meisten. Unsere Idee des Körpers ist, wie ich meine, die einer ausgedehnten soliden Substanz mit der Fähigkeit, Bewegung durch Stoß mitzuteilen, und unsere Idee der Seele, als eines immateriellen Geistes, ist die einer denkenden Substanz mit der Kraft, durch Wollen oder einen Gedanken Bewegung im Körper hervorzubringen. Das sind, denke ich, unsere komplexen Ideen von Seele und Körper als gegensätzlich voneinander unterschieden, und nun laßt uns prüfen, in welcher am meisten Dunkelheit und Schwierigkeit für das Verständnis enthalten ist. Ich weiß wohl, daß Leute, deren Gedanken in die Materie versenkt sind, und die ihren Geist ( their minds) dergestalt ihren Sinnen untergeordnet haben, daß sie selten an etwas über diese Hinausliegendes denken, zu sagen pflegen, ein denkendes Ding sei ihnen unbegreiflich, was vielleicht richtig sein mag; aber ich behaupte, daß sie, falls sie die Sache genau überlegen, ein ausgedehntes Ding ebensowenig begreifen können.
§ 23. Die Kohäsion der soliden Teile im Körper ist ebenso schwer zu begreifen, wie das Denken in der Seele. – Wenn jemand sagt, er wisse nicht, was in ihm denke, so meint er, daß er die Substanz jenes denkenden Dinges nicht kenne; nicht besser aber, sage ich, kennt er die Substanz eines soliden Dinges. Ferner, wenn er sagt, er wisse nicht, wie er denke, so antworte ich, ebensowenig weiß er, wie er ausgedehnt ist, wie die soliden Teile eines Körpers miteinander verbunden sind oder aneinander haften, so daß Ausdehnung entsteht. Denn obgleich der Druck der Luftteilchen den Zusammenhang verschiedener Stoffteile erklären mag, die gröber als jene sind, und Poren von geringerem Umfang als dem der Luftkörperchen haben, so kann doch das Gewicht oder der Druck der Luft den Zusammenhang ihrer eigenen Partikeln nicht erklären oder die Ursache davon sein. Und wenn der Druck des Äthers oder irgend einer feineren Materie als die Luft die Teile einer Luftpartikel ebensogut wie die anderer Körper vereinigen und fest zusammenhalten mag, so kann er doch sich nicht selber Fesseln anlegen und die Teile zusammenhalten, aus denen jedes noch so kleine Körperchen jener materia subtilis besteht. So daß jene Hypothese, wie sinnreich sie auch entwickelt sein mag, indem sie zeigt, daß die Teile der sichtbaren Körper durch den Druck anderer, äußerer, unsichtbarer Körper zusammengehalten werden, sich doch auf die Teile des Äthers selbst nicht erstreckt; und je einleuchtender sie beweist, daß die Teile anderer Körper durch den äußeren Druck des Äthers zusammengehalten werden, und daß sich für ihre Kohäsion und innere Verbindung keine andere Ursache denken läßt, um so mehr läßt sie uns über die Kohäsion der Teile der Ätherkörperchen selbst im Dunkel, indem wir uns weder diese ohne Teile vorstellen können, da sie Körper und teilbar sind, noch auch, wie deren Teile zusammenhängen, da ihnen die Ursache zur Kohäsion fehlt, die für die Kohäsion der Teile aller anderen Körper gegeben ist.
§ 24. In der That aber kann der Druck eines umgebenden Fluidums, wie groß er auch sein möge, die Kohäsion der soliden Teile der Materie nicht als Ursache erklären. Denn, obgleich ein solcher Druck das Von-einander-reißen zweier polierten Oberflächen in einer auf sie senkrechten Richtung verhindern mag, wie bei dem Versuch mit zwei polierten Marmortafeln, so kann er doch die Trennung durch eine den Oberflächen parallele Bewegung niemals im geringsten verhindern, weil das umgebende Fluidum, da es volle Freiheit hat, in jede durch eine seitliche Bewegung verlassene Stelle des Raumes nachzurücken, solch einer Bewegung der so verbundenen Körper ebensowenig Widerstand leistet, als es der Bewegung desselben Körpers widerstehen würde, wenn dieser auf allen Seiten von jenem Fluidum umgeben wäre und keinen anderen Körper berührte, weshalb, wenn es keine andere Ursache der Kohäsion gäbe, alle Teile des Körpers sich leicht durch solch eine seitliche gleitende Bewegung müßten voneinander trennen lassen. Denn, wenn der Druck des Äthers die alleinige Ursache der Kohäsion ist, so kann es nirgends Kohäsion geben, wo diese Ursache nicht wirksam wird, und da sie einer seitlichen Trennung (wie gezeigt worden) nicht entgegenwirken kann, so könnte es in jeder Ebene, die man sich als Durchschnitt irgend einer Körpermasse denken mag, nicht mehr Kohäsion geben als zwischen zwei polierten Oberflächen, die ungeachtet jedes vorstellbaren Druckes eines Fluidums immer leicht eine von der anderen abgleiten werden. So daß vielleicht, wie klar unsere Idee von der körperlichen Ausdehnung, die nur in dem Zusammenhang solider Teile besteht, unserer Meinung nach auch sein möge, doch, wer sie in seinem Geiste wohl betrachtet, Grund zu dem Schlusse haben dürfte, daß es für ihn ebenso leicht sei, eine klare Idee davon zu haben, wie die Seele denke, als wie ein Körper ausgedehnt sei. Denn, da ein Körper nicht weiter und auf keine andere Weise ausgedehnt ist als durch die Vereinigung und den Zusammenhang seiner soliden Teile, so werden wir die körperliche Ausdehnung nur schlecht begreifen, solange wir nicht wissen, worin die Vereinigung und der Zusammenhang seiner Teile bestehen, was mir ebenso unbegreiflich zu sein scheint wie die Art und Weise des Denkens, und wie dieses vollzogen wird.
§ 25. Ich weiß wohl, daß die meisten Leute sich darüber zu wundem Pflegen, wie irgend jemand eine Schwierigkeit in dem finden könne, was sie täglich wahrzunehmen glauben. Sehen wir nicht, (so werden sie gleich sagen,) daß die Teile der Körper fest aneinander halten? Giebt es etwas Gewöhnlicheres? Wie kann man dabei etwas zweifelhaft finden? Und ebenso – sage ich – in betreff des Denkens und der willkürlichen Bewegung. Bethätigen wir die nicht jeden Augenblick in uns selbst, und läßt sich demnach daran zweifeln? Die Thatsache ist klar, das gebe ich zu; wenn wir sie aber etwas genauer ins Auge fassen und zusehen wollen, wie sie zustande kommt, dann geraten wir ins Ungewisse sowohl bei der einen wie bei der anderen, und können ebensowenig verstehen, wie die Teile eines Körpers zusammenhängen, als wie wir selbst wahrnehmen oder uns bewegen. Möge mir doch jemand verständlich erklären, wie es zugeht, daß die Teile von Gold oder Kupfer (die soeben in geschmolzenem Zustande gleich lose voneinander waren wie die Partikeln des Wassers oder die Sandkörner eines Stundenglases) in wenigen Augenblicken so verbunden sind und so fest aneinander hängen, daß die äußerste Kraft menschlicher Arme sie nicht trennen kann? Ein nachdenkender Mensch wird hier, glaube ich, in Verlegenheit sein, wie er seinen eigenen oder eines anderen Verstand befriedigen soll.
§ 26. Die Körperchen, welche die von uns Wasser genannte Flüssigkeit zusammensetzen, sind so außerordentlich klein, daß ich niemals von irgend jemandem gehört habe, der mit Hilfe eines Mikroskops (und ich habe doch von solchen gehört, die eine zehntausendfache, ja sogar eine viel über hunderttausendfache Vergrößerung lieferten,) ihre Größe, Gestalt oder Bewegung deutlich wahrzunehmen behauptet hätte; und die Partikeln des Wassers sind auch so vollkommen lose voneinander, daß die geringste Kraft sie sichtbar trennt. Ja, wenn wir ihre beständige Bewegung betrachten, so müssen wir ihnen jede Kohäsion miteinander absprechen, und doch braucht nur ein scharfer Frost einzutreten, so vereinigen sie sich und konsolidieren; diese kleinen Atome gewinnen Zusammenhang und sind nicht ohne Anwendung großer Kraft trennbar. Wer die Fesseln finden könnte, womit diese Haufen loser kleiner Körper so stark aneinander gebunden werden, wer uns mit dem Kitt bekannt machen könnte, der sie so fest aneinander hasten läßt, der würde ein großes und noch unbekanntes Geheimnis aufdecken; und doch würde er, wenn das gethan wäre, noch weit davon entfernt sein, die Ausdehnung eines Körpers (d. ,h. die Kohäsion seiner soliden Teile) verständlich zu machen, bis er zeigen könnte, worin die Verbindung oder Konsolidation der Teile dieser Fesseln oder dieses Kittes oder der kleinsten existierenden Stoffpartikel bestehe. Daraus erhellt, daß diese primäre und vermeintlich aus der Hand liegende Eigenschaft der Körper bei näherer Untersuchung ebenso unbegreiflich gefunden Wird wie irgend ein Zubehör unseres Geistes, und daß es ebensoschwer ist, das Wesen einer soliden ausgedehnten Substanz zu verstehen, wie das einer denkenden immateriellen, wie sehr man auch dem widersprechen mag.
§ 27. Denn, um unsere Betrachtung ein wenig weiter auszudehnen, der Druck, den man heranzieht, um die Kohäsion der Körper zu erklären, ist ebenso unverständlich, wie die Kohäsion selbst. Denn, wenn wir die Materie als endlich betrachten, was sie ohne Zweifel ist, und uns in Gedanken an die äußersten Grenzen des Weltalls versetzen, welche Reifen, welche Bande können wir uns dann dort vorstellen, wodurch diese Masse von Materie unter einem Druck zusammengehalten würde, stark genug, um dem Stahl seine Festigkeit und den Teilen eines Diamanten ihre Härte und Unauflösbarkeit zu geben? Wenn die Materie endlich ist, so muß sie äußerste Teile haben, und dort muß sich etwas befinden, was ihre Zerstreuung verhindert. Wenn jemand, um diese Schwierigkeit zu vermeiden, seine Zuflucht zu der Voraussetzung und bodenlosen Tiefe einer unendlichen Materie nehmen will, so möge er erwägen, wieviel Licht er dadurch über die Kohäsion der Körper verbreiten, und ob er diese irgendwie verständlicher machen kann, wenn er sie auf eine Voraussetzung zurückführt, die absurder und unbegreiflicher ist, als alle anderen; soweit ist unsere Idee Statt our extension of body lies our idea of extension of body. der körperlichen Ausdehnung, (die nichts als die Kohäsion solider Teile ist,) wenn wir deren Natur, Ursache oder Beschaffenheit untersuchen wollten, entfernt davon, klarer oder deutlicher zu sein als die Idee des Denkens.
§ 28. Die Mitteilung der Bewegung durch Stoß ist ebenso unbegreiflich Statt intelligible lies unintelligible. wie die durch einen Gedanken. – Eine andere unserer Ideen vom Körper ist die Kraft Bewegung durch Stoß mitzuteilen, und von unserer Seele die Kraft Bewegung durch einen Gedanken hervorzurufen. Die alltägliche Erfahrung versieht uns klärlich mit diesen Ideen, sowohl der vom Körper wie der von unserem Geiste; aber wir sind hier wieder, wenn wir danach fragen, wie das geschehe, gleichermaßen im Dunkel. Denn von der Mitteilung der Bewegung durch Stoß, wobei der eine Körper ebensoviel Bewegung verliert, wie der andere gewinnt, was der gewöhnlichste Fall ist, können wir keine andere Vorstellung haben, als daß die Bewegung aus dem einen Körper in den anderen hinübergehe, was, denke ich, ebenso dunkel und unbegreiflich ist, als wie unser Geist durch einen Gedanken unseren Körper bewegt oder zum Stillstand bringt, was er erfahrungsmäßig jeden Augenblick thut. Die Zunahme der Bewegung durch Stoß, die – wie man beobachtet hat oder glaubt – zuweilen vorkommt, ist noch schwerer zu verstehen. Die tägliche Erfahrung liefert uns den klaren Beweis dafür, daß Bewegung sowohl durch Stoß wie durch einen Gedanken hervorgebracht wird; die Art und Weise, wie das geschieht, übersteigt jedoch unsere Fassungskraft, wir bleiben in beiden Fällen im Ungewissen. So daß, wie wir auch die Bewegung und deren Mitteilung betrachten mögen, sei es als vom Körper oder vom Geiste (spirit) ausgehend, die den Geist betreffende Idee mindestens ebenso klar ist wie die, welche sich auf den Körper bezieht. Und wenn wir die aktive Kraft zu bewegen oder, wie ich sie nennen möchte, die Motivität betrachten, so ist diese im Geiste viel klarer als im Körper, weil zwei ruhig nebeneinander stehende Körper uns die Idee einer in dem einen enthaltenen Kraft, den anderen zu bewegen, niemals anders als mit Hilfe einer erborgten Bewegung darbieten, wohingegen der Geist (mind) uns täglich Ideen von einer aktiven Kraft Körper zu bewegen darbietet, und es deshalb der Erwägung wert ist, ob nicht die aktive Kraft das eigentümliche Attribut der Geister (spirits) und die passive Kraft das der Materie sei. Daraus ließe sich der Schluß ziehen, daß erschaffene Geister nicht ganz frei von Materie seien, weil sie sowohl passiv wie aktiv sind. Der reine Geist, d. h. Gott, ist nur aktiv, die reine Materie ist nur passiv; von Wesen, die beides sowohl aktiv wie passiv sind, mögen wir glauben, daß sie an beiden teilhaben. Dem sei indessen, wie ihm wolle, so denke ich doch, daß wir ebensoviele und klare den Geist wie den Körper betreffende Ideen haben, während die Substanz beider uns gleichmäßig unbekannt ist, daß die Idee des Denkens im Geiste ebenso klar ist wie die der Ausdehnung am Körper, und daß die Mitteilung von Bewegung durch einen Gedanken, die wir dem Geiste zuschreiben, ebenso einleuchtend ist wie die durch Stoß, die wir dem Körper zuschreiben. Beständige Erfahrung läßt uns beide wahrnehmen, obgleich unser beschränkter Verstand keine von beiden begreifen kann. Denn, wenn der Geist (mind) über unsere ursprünglich aus der Sinneswahrnehmung oder Selbstbeobachtung gewonnenen Ideen hinausblicken und in deren Ursachen und Entstehungsweise eindringen will, so finden wir immer, daß er nichts als seine eigene Kurzsichtigkeit entdeckt.
§ 29. Um zum Schlusse zu kommen: Die Sinneswahrnehmung überzeugt uns davon, daß es solide ausgedehnte Substanzen giebt, und die Selbstbeobachtung davon, daß es denkende giebt; die Erfahrung macht es für uns gewiß, daß solche Wesen existieren, und daß die einen die Kraft haben Körper durch Stoß, die anderen sie durch einen Gedanken zu bewegen; hieran können wir nicht zweifeln. Die Erfahrung, sage ich, versieht uns in jedem Augenblick mit den klaren Ideen beider, der einen wie der anderen, aber über diese Ideen, sowie sie aus den ihnen entsprechenden Quellen gewonnen werden, reichen unsere Fähigkeiten nicht hinaus. Wenn wir ihre Natur, ihre Ursachen und ihre Beschaffenheit näher untersuchen wollen, dann erkennen wir die Natur der Ausdehnung nicht klarer als die des Denkens. Wenn wir sie irgendwie genauer erklären wollen, so ist das für die eine so leicht wie für die andere, und es hat nicht mehr Schwierigkeit zu begreifen, wie eine uns unbekannte Substanz einen Körper durch einen Gedanken in Bewegung setzt, als wie eine uns unbekannte Substanz dasselbe durch einen Stoß thut, so daß wir ebensowenig imstande sind zu entdecken, worin die auf den Körper, als worin die auf den Geist bezüglichen Ideen bestehen. Deshalb halte ich es für wahrscheinlich, daß die einfachen Ideen, die wir aus der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung gewinnen, die Grenzen unseres Denkens bilden, über die der Geist, wie er sich auch anstrengen möge, nicht um ein Jota hinauskommen kann, und daß er auch keinerlei Entdeckungen machen kann, wenn er versucht, in die Natur und die verborgenen Ursachen dieser Ideen einen Einblick zu gewinnen.
§ 30. Vergleichung der Ideen vom Geist und vom Körper. – Somit steht es um unsere Idee vom Geiste ( spirit), verglichen mit unserer Idee vom Körper, kurz gesagt folgendermaßen: Die Substanz der Geister ist uns unbekannt, und die Substanz der Körper ist uns gleichermaßen unbekannt. Von zwei primären Qualitäten oder Eigenschaften des Körpers, nämlich soliden zusammenhängenden Teilen und Stoß, haben wir deutliche und klare Ideen, ebenso haben wir Kenntnis und deutliche klare Ideen von zwei primären Qualitäten oder Eigenschaften des Geistes, nämlich Denken und Tatkraft, d. ,h. einer Kraft verschiedene Gedanken oder Bewegungen beginnen oder aufhören zu lassen. Wir haben auch die Ideen Vielleicht wäre statt the ideas zu lesen the idea, und zu übersetzen: »Wir haben auch eine Idee davon, daß den Körpern mancherlei Eigenschaften anhaften, und haben etc.« von mancherlei den Körpern anhaftenden Eigenschaften, und haben klare und deutliche Ideen von diesen, die nur in mannigfachen Modifikationen der Ausdehnung zusammenhängender solider Teile und deren Bewegung bestehen. Ebenso haben wir die Ideen von den mancherlei Arten des Denkens, z. ,B. glauben, zweifeln, beabsichtigen, fürchten, hoffen, die alle nur verschiedene Modi des Denkens sind. Wir haben auch die Ideen des Wollens sowie der ihm entsprechenden Bewegung des Körpers und zugleich seiner selbst mit dem Körper, denn der Geist ist, wie gezeigt worden, der Bewegung fähig.
§ 31. Der Begriff des Geistes enthält in sich nicht mehr Schwierigkeiten als der des Körpers. – Wenn endlich dieser Begriff des immateriellen Geistes vielleicht in sich einige nicht leicht zu erklärende Schwierigkeiten enthalten mag, so haben wir doch deshalb nicht mehr Grund die Existenz solcher Geister zu leugnen oder zu bezweifeln, als wir zum Leugnen oder Bezweifeln der Existenz von Körpern haben, weil der Begriff des Körpers mit einigen sehr harten Schwierigkeiten belastet ist, deren Erklärung oder Verständnis uns vielleicht unmöglich ist. Denn man möge mir doch als Beispiel irgend etwas in unserem Begriff vom Geiste nennen, was verworrener ist, oder einem Widerspruch näher kommt, als eben das, was der Begriff des Körpers in sich schließt, insofern die Teilbarkeit einer endlichen Ausdehnung ins Unendliche, mögen wir sie zugeben oder leugnen, uns in Konsequenzen verwickelt, die sich nicht erklären, oder für unsere Fassungskraft vereinbar machen lassen; Konsequenzen, die größere Schwierigkeiten und anscheinendere Absurditäten mit sich bringen als irgend etwas, was aus dem Begriff einer immateriellen wissenden Substanz folgen mag.
§ 32. Über unsere einfachen Ideen hinaus erkennen wir nichts. – Darüber dürfen wir uns auch gar nicht wundern, weil wir nur einige wenige oberflächliche Ideen von Dingen haben, die uns bloß durch die Sinne von außen enthüllt sind, oder durch den Geist ( mind), der auf die Beobachtungen in seinem eigenen Innern reflektiert, so daß unser Wissen sich nicht hierüber hinaus erstreckt, geschweige denn auf die innere Beschaffenheit und die wahre Natur der Dinge, da uns die Fähigkeiten dies zu erlangen fehlen. Wenn wir deshalb in uns selbst ein Wissen und die Kraft willkürlicher Bewegung ebensogut erproben und entdecken, wie in den Dingen außer uns den Zusammenhang und die Trennbarkeit solider Teile, worauf die Ausdehnung und die Bewegung der Körper beruht, so haben wir ebensoviel Ursache, mit unserem Begriff des immateriellen Geistes ( spirit) wie mit unserem Begriff des Körpers zufrieden, und von der Existenz des einen so gut wie von der des anderen überzeugt zu sein. Denn, da ein Widerspruch nicht mehr in der Annahme liegt, daß das Denken getrennt und unabhängig von der Solidität, als in der, daß die Solidität getrennt und unabhängig vom Denken existieren könne, indem beide nur einfache, voneinander unabhängige Ideen sind, und da wir vom Denken eine ebenso klare und deutliche Idee in uns tragen wie von der Solidität: so weiß ich nicht, warum wir nicht ebensogut die Existenz eines denkenden Dinges ohne Solidität, d. ,h. eines immateriellen, wie die eines soliden Dinges ohne Denken, d. ,h. der Materie, zugeben sollten, zumal, da es nicht schwerer ist, zu begreifen, wie das Denken ohne Materie existieren, als wie die Materie denken könne. Denn jedesmal, wenn wir über diese einfachen, aus der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung gewonnenen Ideen hinausgehen, und tiefer in die Natur der Dinge eintauchen wollen, fallen wir sofort in Dunkelheit und Finsternis, Verwirrung und Schwierigkeiten, und können nichts weiter entdecken als unsere eigene Blindheit und Unwissenheit. Welche von diesen komplexen Ideen aber auch am klarsten sein mag, die des Körpers oder des immateriellen Geistes, so ist doch so viel einleuchtend, daß die einfachen Ideen, woraus sie bestehen, keine anderen sind als solche, die wir aus der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung gewonnen haben; und ebenso steht es mit allen unseren anderen Ideen von Substanzen, auch von Gott selbst.
§ 33. Die Idee von Gott. – Denn wenn wir die Idee prüfen, die wir von dem unbegreiflichen höchsten Wesen haben, so werden wir finden, daß wir dazu auf demselben Wege gelangen, und daß die komplexen Ideen, die wir sowohl von Gott wie von für sich bestehenden Geistern haben, aus den einfachen von der Selbstbeobachtung erhaltenen Ideen gebildet sind; z. ,B. da wir aus dem, was wir in uns selber erfahren, die Ideen von Dasein und Dauer, von Wissen und Kraft, von Freude und Glück und von verschiedenen anderen Eigenschaften und Kräften, deren Besitz ihrem Mangel vorzuziehen ist, erworben haben, so erweitern wir, wenn wir uns eine dem höchsten Wesen möglichst angemessene Idee bilden wollen, jede von diesen mit unserer Idee der Unendlichkeit, und gestalten, indem wir sie so zusammenfügen, unsere komplexe Idee von Gott. Denn, daß der Geist ( mind) einige von seinen aus der Sinneswahrnehmung und Selbstbeobachtung gewonnenen Ideen so zu erweitern vermag, ist bereits gezeigt worden.
§ 34. Wenn ich finde, daß mir einige wenige Dinge bekannt sind, und vielleicht einige von ihnen oder alle unvollkommen, so kann ich die Idee von einer doppelt so umfassenden Kenntnis bilden, die ich wiederum verdoppeln kann, so oft wie ich die Zahl zu vermehren vermag, und so meine Idee des Wissens erweitern, bis sein Umkreis alle existierenden oder möglichen Dinge befaßt. Dasselbe kann ich auch mit der Vervollkommnung des Wissens thun, d. ,h. dem Wissen um alle ihre Eigenschaften, Kräfte, Ursachen, Folgen und Beziehungen etc., bis alles, was in ihnen enthalten ist, oder sich irgendwie auf sie bezieht, vollständig bekannt ist, und so die Idee eines unendlichen oder schrankenlosen Wissens bilden. Dasselbe kann auch mit der Kraft geschehen, bis wir zu der kommen, die wir Allmacht nennen, und auch mit der Dauer des Daseins ohne Anfang oder Ende, und so die Idee eines ewigen Wesens entstehen. Wenn die Grade oder der Umfang, worin wir dem höchsten Wesen, das wir Gott nennen, Dasein, Macht, Weisheit und alle anderen Vollkommenheiten (wovon wir irgend welche Idee haben können) zuschreiben, sämtlich schrankenlos und unendlich sind, dann bilden wir uns die beste Idee von ihm, deren unser Geist fähig ist; und alles das geschieht, sage ich, vermittelst einer Erweiterung der durch Selbstbeobachtung von unseren eigenen Geistesthätigkeiten oder durch unsere Sinne von äußeren Dingen entnommenen einfachen Ideen bis zu der gewaltigen Größe, wozu die Unendlichkeit sie ausdehnen kann.
§ 35. Der englische Text wiederholt hier das Rubrum des § 33. Denn die Unendlichkeit macht in Verbindung mit unseren Ideen von Dasein, Macht, Wissen etc. die komplexe Idee aus, wodurch wir uns, so gut wir können, das höchste Wesen vorstellen. Denn, wenn gleich Gott seinem eigenen Wesen nach (was wir sicherlich nicht kennen, da wir nicht einmal das reale Wesen eines Kieselsteins, einer Fliege oder unserer selbst kennen) einfach und nicht zusammengesetzt sein mag, so darf ich doch, glaube ich, sagen, daß wir von ihm keine andere Idee haben als eine, die aus Dasein, Wissen, Macht, Glück etc., unendlich und ewig zusammengesetzt ist, was lauter unterschiedene Ideen sind, von denen einige als relative wieder aus anderen zusammengesetzt sind; und alle diese, die, wie gezeigt worden, ursprünglich aus der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung gewonnen sind, dienen dazu, um unsere Idee oder Vorstellung von Gott zu bilden.
§ 36. In unseren komplexen Ideen von Geistern sind nur aus der Sinneswahrnehmung oder der Selbstbeobachtung gewonnene Ideen enthalten. – Ferner ist zu beachten, daß wir, abgesehen von der Unendlichkeit, Gott keine Idee zuschreiben, die nicht auch einen Teil unserer komplexen Idee von anderen Geistern ( spirits) ausmachte, weil die durch Selbstbeobachtung aus unserer eigenen Geistesthätigkeit gewonnenen Ideen die einzigen nicht dem Körper angehörigen Ideen sind, die wir zu erfassen vermögen, und wir deshalb den Geistern keine anderen als die so erworbenen beilegen können, so daß der Unterschied, den wir bei unserer Betrachtung von Geistern unter diesen zu statuieren vermögen, allein in dem verschiedenen Umfang und Grad ihres Wissens, ihrer Macht, ihrer Dauer, ihres Glückes etc. besteht. Denn, daß wir bei unseren Ideen von Geistern so gut wie von anderen Dingen auf die aus der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung gewonnenen eingeschränkt sind, erhellt daraus, daß wir bei unseren Ideen von Geistern, wie viel vollkommener dieselben auch sein mögen als die von Körpern, selbst bis zu der von dem unendlichen, doch keinerlei Idee von der Art und Weise gewinnen können, wie sie einander ihre Gedanken zu erkennen geben; obgleich wir notwendig schließen müssen, daß für sich bestehende Geister, die im Besitz von vollkommenerer Erkenntnis und höherer Glückseligkeit als wir sind, notwendig auch ein vollkommeneres Mittel der Gedankenmitteilung haben müssen als wir, die wir genötigt sind, uns dazu körperlicher Zeichen und eigentümlicher Töne zu bedienen, die deshalb als die besten und schleunigsten, deren wir fähig sind, am allgemeinsten gebraucht werden. Da wir aber von einer unmittelbaren Mitteilung in uns keine Erfahrung und folglich überhaupt keine Vorstellung haben, so haben wir keine Idee davon, wie Geister ohne den Gebrauch von Worten mit Schnelligkeit, »ihre Gedanken einander Mitteilen können«, ist hier aus dem Folgenden hinzuzudenken. geschweige denn, wie Geister ohne Körper ihre eigenen Gedanken beherrschen, und sie nach Belieben mitteilen oder verbergen können, obwohl wir das Vermögen dazu notwendig bei ihnen voraussetzen müssen.
§ 37. Rekapitulation. – Und somit haben wir gesehen, welche Art von Ideen wir von Substanzen aller Art haben, worin sie bestehen, und wie wir zu ihnen gelangt sind. Daraus, denke ich, erhellt deutlich:
1. Daß alle unsere Ideen der verschiedenen Arten von Substanzen nur Sammlungen einfacher Ideen sind mit der Voraussetzung von etwas, dem sie angehören, und worin sie ihren Bestand haben, obgleich wir von diesem vorausgesetzten Etwas überhaupt keine klare und deutliche Idee haben.
2. Daß alle die einfachen Ideen, die so auf einer gemeinsamen Unterlage verbunden unsere zusammengesetzten Ideen verschiedener Arten von Substanzen bilden, nur solche sind, die wir durch Sinneswahrnehmung oder Selbstbeobachtung erworben haben. So daß wir selbst bei denen, mit welchen wir am intimsten bekannt zu sein glauben, und die dem Inbegriff unserer umfassendsten Gedanken am nächsten kommen, über diese einfachen Ideen nicht hinausgehen können. Und sogar bei denen, die allem, womit wir zu thun haben, am fernsten zu liegen scheinen, und alles, was wir durch Selbstbeobachtung in uns wahrnehmen, oder mit Hilfe unserer Sinne an anderen Dingen entdecken können, unendlich übersteigen, können wir nichts als die einfachen Ideen erreichen, die wir ursprünglich von der Sinneswahrnehmung oder Selbstbeobachtung empfangen haben, wie an unseren komplexen Ideen von den Engeln und namentlich von Gott selbst offenbar wird.
3. Daß die meisten der einfachen Ideen, die unsere zusammengesetzten Ideen von Substanzen ausmachen, wohl erwogen, nur Kräfte sind, obwohl wir geneigt sind, sie für positive Eigenschaften anzusehen; z. ,B. der größte Teil der Ideen, die unsere komplexe Idee von Gold ausmachen, oder: gelbe Farbe, große Schwere, Dehnbarkeit, Schmelzbarkeit und Lösbarkeit in aqua regia etc., alle in einem unbekannten Substrat miteinander verbunden; diese Ideen sind sämtlich nichts anderes als ebenso viele Weisen des Verhaltens zu anderen Substanzen, und befinden sich nicht wirklich im Golde an und für sich betrachtet, obgleich sie von den wirklichen und primären Eigenschaften seiner inneren Konstitution abhängen, wodurch es dazu geeignet ist, in verschiedener Weise auf andere Substanzen einzuwirken und Einwirkungen von ihnen zu erleiden.