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§ 1. Diese werden von dem Geiste aus den einfachen gebildet. – Wir haben bisher die Ideen betrachtet, bei deren Erwerb der Geist sich nur passiv verhält, nämlich die oben erwähnten aus der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung erhaltenen einfachen Ideen, von denen der Geist keine sich selbst bilden kann, und aus denen alle seine Ideen allein bestehen. Wie aber der Geist bei dem Erwerb aller seiner einfachen Ideen völlig passiv ist, so vollzieht er dagegen verschiedene ihm eigentümliche Akte, wodurch aus seinen einfachen Ideen als dem Material und der Grundlage für alle übrigen, die anderen gestaltet werden. Die Thätigkeiten des Geistes, wobei er seine Macht über seine einfachen Ideen ausübt, sind hauptsächlich folgende drei: 1. Die Verknüpfung verschiedener einfachen Ideen zu einer zusammengesetzten, auf welche Weise alle komplexen Ideen entstehen. 2. Die zweite besteht darin, daß zwei Ideen, seien es einfache oder komplexe, zusammengebracht und nebeneinander gestellt werden, so daß beide zugleich angeschaut werden können, ohne zu einer verschmolzen zu werden, ein Verfahren, wodurch der Geist alle seine Ideen von Relationen (Beziehungen oder Verhältnissen) gewinnt. 3. Die dritte ist ihre Absonderung von allen anderen Ideen, die sie in ihrer wirklichen Existenz begleiten; das nennt man Abstraktion, und so werden alle allgemeinen Ideen gebildet. Hieraus erhellt, daß das Vermögen des Menschen und dessen Wirkungsweisen in der materiellen und der intellektuellen Welt nahezu dieselben sind. Denn da in beiden die Materialien von der Art sind, daß er keine Gewalt darüber hat, sie weder schaffen noch zerstören kann, so beschränkt sich das Vermögen des Menschen darauf, sie entweder zu vereinigen, oder nebeneinander zu stellen, oder völlig zu trennen. Bei der Betrachtung der zusammengesetzten Ideen werde ich hier mit der ersten jener Thätigkeitsweisen beginnen, und auf die anderen beiden gehörigen Orts zurückkommen. Wie die Beobachtung lehrt, daß einfache Ideen in verschiedenen Kombinationen miteinander vereinigt existieren, so hat auch der Geist die Macht, mehre von ihnen vereinigt als eine Idee zu betrachten, und das nicht bloß in eben der Weise, wie sie in äußeren Gegenständen vereinigt sind, sondern sowie er selbst sie miteinander verbunden hat. Ideen, die so aus mehren zusammengefügten einfachen gebildet sind, nenne ich komplexe, wie z. B. Schönheit, Dankbarkeit, ein Mensch, eine Armee, das Weltall, die, obgleich sie aus verschiedenen einfachen Ideen oder aus komplexen, aus einfachen gebildeten, Ideen zusammengesetzt sind, doch nach Gefallen des Geistes jede für sich als ein einheitliches Ding betrachtet und mit einem Namen bezeichnet werden.
§ 2. Sie werden willkürlich gebildet. – In diesem Vermögen, seine Ideen zu wiederholen und zusammenzufügen, besitzt der Geist ein mächtiges Werkzeug, die Gegenstände seines Denkens umzuwandeln und zu vervielfältigen weit hinaus darüber, womit die Sinneswahrnehmung und die Selbstbeobachtung ihn versehen haben, aber dies alles doch gebunden an jene einfachen, aus diesen beiden Quellen geschöpften Ideen, die die letzten Materialien für alle seine Kompositionen bleiben; denn die einfachen Ideen rühren lediglich von den Dingen selbst her, und von ihnen kann der Geist weder mehr noch andere haben, als ihm geliefert werden. Von sinnlichen Eigenschaften kann er keine anderen Ideen haben, als die ihm von außen durch die Sinne zukommen, und von den Thätigkeiten einer denkenden Substanz keine Ideen anderer Art, als was er in sich selber findet; wenn er aber diese einfachen Ideen einmal gewonnen hat, dann ist er nicht ausschließlich auf die Beobachtung und das eingeschränkt, was sich ihm von außen darbietet, er kann aus eigener Kraft seine Ideen zusammenfügen und neue komplexe bilden, die ihm in solcher Vereinigung niemals vorgekommen sind.
§ 3. Sie sind entweder Modi, Substanzen oder Relationen. – Auf welche Weise auch die komplexen Ideen zusammengesetzt und nochmals zusammengesetzt sein mögen, so unbegrenzt auch ihre Anzahl und so endlos die Mannigfaltigkeit sein mag, womit sie die Gedanken der Menschen erfüllen und beschäftigen, doch können sie, wie ich meine, alle in folgende drei Klassen eingeordnet werden: 1. Modi, 2. Substanzen, 3. Relationen.
§ 4. Modi. – Erstens, Modi nenne ich solche komplexe Ideen, die, obwohl zusammengesetzt, doch nicht die Voraussetzung enthalten, daß sie für sich selbst bestehen, sondern als Zubehör oder Eigenschaften von Substanzen betrachtet werden, wie z. B. die mit den Wörtern: Dreieck, Dankbarkeit, Mord etc., bezeichneten Ideen. Und wenn ich hiemit das Wort Modus in einem von seiner gewöhnlichen Bedeutung etwas abweichenden Sinne gebrauche, so bitte ich deswegen um Entschuldigung, weil es bei Erörterungen, die von dem herkömmlichen Gedankengang abweichen, unvermeidlich ist, entweder neue Wörter zu bilden, oder alte Wörter in einem etwas neuen Sinne zu gebrauchen, das letztere Verfahren aber in unserem vorliegenden Falle vielleicht als das statthaftere von beiden erscheinen wird.
§ 5. Einfache und gemischte Modi. – Von diesen Modi giebt es zwei Arten, die eine besondere Betrachtung verdienen. Erstens giebt es einige, die nur Variationen oder verschiedene Kombinationen derselben einfachen Idee ohne Beimischung einer anderen sind, wie ein Dutzend oder ein Schock, die nur in den Ideen so vieler getrennten und zusammengelegten Einheiten bestehen; und diese nenne ich einfache Modi, weil sie sich innerhalb der Grenzen einer einfachen Idee halten.
Zweitens giebt es andere, komponiert aus einfachen Ideen verschiedener Arten, die zusammengefügt worden um eine komplexe auszumachen: z. B. Schönheit, die aus einer gewissen Komposition von Farbe und Gestalt besteht, wodurch der Beschauer in Entzücken versetzt wird, Diebstahl, worunter der heimliche Wechsel des Besitzes einer Sache ohne Zustimmung des Eigentümers verstanden wird, enthalten augenscheinlich eine Kombination mehrer Ideen von verschiedener Art; und diese nenne ich gemischte Modi.
§ 6. Einzelne oder kollektive Substanzen. – Zweitens, die Ideen von Substanzen sind solche Kombinationen einfacher Ideen, die als Repräsentanten von bestimmten einzelnen aus ihnen bestehenden Dingen gelten, worunter D. h. unter den kombinierten einfachen Ideen. die hypothetische oder unklare Idee der Substanz, so wie sie eben beschaffen ist, immer den ersten und vornehmsten Platz einnimmt. So z. B. wenn mit Substanz die einfache Idee einer gewissen grauweißlichen Farbe mit gewissen Graden von Gewicht, Härte, Dehnbarkeit und Schmelzbarkeit verbunden {wird}, so erhalten wir die Idee »Blei«, und eine Kombination der Ideen einer gewissen Art von Gestalt nebst den Vermögen der Bewegung, des Denkens und Schließens macht mit Substanz verbunden die gewöhnliche Idee »Mensch« aus. Nun giebt es auch von den Substanzen zwei Arten von Ideen; die eine von einzelnen Substanzen, wie sie voneinander gesondert bestehen, z. B. ein Mann oder ein Schaf; die andere von einer Mehrheit solcher in Vereinigung miteinander, z. B. eine Armee von Männern oder eine Herde von Schafen; und diese kollektiven Ideen mehrer so zusammengefaßten Substanzen sind, jede für sich, ebensogut eine einzelne Idee wie die eines Menschen oder einer Einheit.
§ 7. Relation. – Drittens, die letzte Klasse der zusammengesetzten Ideen wird Relation genannt, und besteht in der Betrachtung und Vergleichung einer Idee mit einer anderen. Diese verschiedenen Klassen werden wir der Reihe nach behandeln.
§ 8. Auch die abstrusesten Ideen sind aus den beiden Quellen geschöpft. – Wenn wir den Fortschritt unseres Geistes verfolgen, und mit Aufmerksamkeit beobachten, wie er seine einfachen aus der Sinneswahrnehmung oder Selbstbeobachtung gewonnenen Ideen wiederholt, zusammenstellt und vereinigt, so wird uns das weiter führen als wir uns vielleicht anfangs vorgestellt haben. Und ich glaube, wenn wir den Ursprung unserer Begriffe sorgfältig untersuchen, so werden wir finden, daß selbst die abstrusesten Ideen, wie weit sie auch von unseren Sinnen und allen unseren Geistesthätigkeiten entfernt zu sein scheinen mögen, doch nur solche sind, die der Verstand sich bildet, indem er die Ideen wiederholt und miteinander verknüpft, die er entweder von Objekten der Sinneswahrnehmung oder von seinen eigenen auf diese bezüglichen Thätigkeiten erhalten hat; so daß sogar diese umfassenden und abstrakten Ideen aus der Sinneswahrnehmung oder Selbstbeobachtung entsprungen und nichts anderes sind, als wozu der Geist durch den ordentlichen Gebrauch seiner eigenen Fähigkeiten gelangen kann und wirklich gelangt, wenn er diese auf die Ideen anwendet, die er von den sinnlichen Objekten oder von den darauf bezüglichen in ihm selbst beobachteten Thätigkeiten empfangen hat. Ich will versuchen dies an den Ideen nachzuweisen, die wir von Raum, Zeit und Unendlichkeit haben, und an ein paar anderen, die von jenen Ursprungsstellen am entferntesten zu liegen scheinen.