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Das Sendschreiben an den Leser.

Leser!

Ich lege hier in deine Hände, was mir in einigen meiner müßigen und drückenden Stunden zur Unterhaltung gedient hat; wenn ihm das Glück zu teil wird, dir denselben Dienst zu leisten, und dir das Lesen nur halb so viel Vergnügen macht, wie mir das Schreiben gemacht hat, so wirst du dein Geld ebenso wenig für weggeworfen halten, wie ich meine Mühe. Glaube nicht, daß ich hiemit mein Werk empfehlen wolle, und ziehe nicht den Schluß, daß ich, weil mir dessen Ausarbeitung Freude machte, jetzt in das vollendete verliebt sei. Wer Lerchen und Sperlingen nachstellt, vertreibt sich, obwohl die Beute viel weniger wert ist, damit ebenso gut die Zeit wie der, welcher ein edleres Wild verfolgt, und mit dem Gegenstande dieser Abhandlung, dem Verstande, ist nur wenig bekannt, wer nicht weiß, daß dessen Anwendung, weil er das höchste Seelenvermögen ist, größere und dauerndere Freude macht, wie die Anwendung irgend eines anderen. Seine Forschungen nach der Wahrheit sind eine Art Falkenbeize und Hetzjagd, wobei das Vergnügen großenteils in der Verfolgung selbst liegt. Jeder Schritt, den der Geist in seinem Streben nach Erkenntnis vorwärts thut, bringt irgend eine Entdeckung, die nicht bloß neu ist, sondern auch, für den Augenblick wenigstens, die beste.

Denn, da der Verstand wie das Auge über die Gegenstände nur vermöge seiner eigenen Einsicht urteilt, so macht ihm das, was er entdeckt, notwendig Freude, während er über das ihm Entgangene, weil es unbekannt ist, weniger Bedauern empfindet. So wird dem, der sich über den Almosenkorb erhoben hat, und, nicht damit zufrieden, träge von den Brocken erbettelter Meinungen zu leben, sein eigenes Denken in Bewegung setzt, um der Wahrheit nachzugehen und sie zu finden, worauf er auch immer stoßen mag, die Genugthuung des Jägers nicht entgehen; jeder Augenblick seiner Verfolgung wird seine Mühe durch irgend einen Genuß belohnen, und er wird Ursache haben, seine Zeit für nicht schlecht angewendet zu halten, auch wenn er sich irgend einer großen Errungenschaft gerade nicht rühmen kann.

Darin, Leser, besteht die Unterhaltung derer, die ihre eigenen Gedanken auf die Suche gehen lassen und ihnen mit der Schrift nachfolgen; weshalb du sie nicht zu beneiden brauchst, weil sie dir Gelegenheit zu der gleichen Zerstreuung bieten, wenn du beim Lesen von deinen eigenen Gedanken Gebrauch machen willst. Auf diese, insofern sie dir selbst angehören, berufe ich mich; sind sie aber von anderen auf Treu und Glauben angenommen, so liegt nicht viel daran, was sie enthalten; sie folgen dann nicht der Wahrheit, sondern einer niedrigeren Rücksicht, und es verlohnt sich nicht, um das bekümmert zu sein, was jemand sagt oder denkt, der bei seinem Reden oder Denken nur der Anleitung eines anderen folgt. Wenn du dein Urteil dir selbst bildest, so weiß ich, daß du ehrlich urteilen wirst, und dann werde ich, wie es auch ausfallen möge, mich dadurch nicht verletzt oder beleidigt fühlen. Denn wenn auch sicherlich in dieser Abhandlung nichts für wahr ausgegeben wird, wovon ich nicht vollkommen überzeugt bin, so halte ich doch mich selbst für ebenso gut dem Irrtum ausgesetzt wie dich, und weiß, daß dieses Buch vor dir stehen oder fallen muß nicht nach irgend welcher Meinung, die ich von ihm hege, sondern nach deiner eigenen. Wenn du darin wenig für dich Neues oder Belehrendes findest, so mußt du nicht mich deswegen tadeln. Es war nicht für solche bestimmt, die seinen Gegenstand schon bemeistert und sich mit ihrem eigenen Verstande völlig bekannt gemacht hatten, sondern zu meiner eigenen Aufklärung, und um einige Freunde zufrieden zu stellen, die zugaben, daß sie den Gegenstand noch nicht genügend erwogen hätten.

Dürfte ich dich mit der Entstehungsgeschichte dieser Abhandlung behelligen, so würde ich dir sagen, daß, als einmal fünf oder sechs Freunde, die sich in meiner Wohnung zusammengefunden hatten, einen von ihrem Thema sehr verschiedenen Gegenstand erörterten, die Unterhaltung wegen der von allen Seiten sich erhebenden Schwierigkeiten sehr bald ins Stocken kam. Nachdem wir eine Zeitlang hin und her geredet hatten, ohne einer Lösung der Zweifel, die uns in Verlegenheit setzten, irgendwie näher zu kommen, stieg bei mir der Gedanke auf, daß wir einen verkehrten Weg eingeschlagen hätten, und daß, bevor wir uns auf Untersuchungen von solcher Natur einließen, es notwendig sei, unsere eigenen Fähigkeiten zu prüfen, und zu sehen, mit welchen Gegenständen unser Verstand geeignet sei sich zu befassen, oder nicht. Ich trug dies der Gesellschaft vor und alle pflichteten mir bereitwillig bei, worauf wir übereinkamen, daß unsere erste Untersuchung darauf gerichtet sein solle. Einige eilfertige und unreife Gedanken über ein früher von mir niemals in Betracht gezogenes Thema, die ich bis zu unserer nächsten Zusammenkunft aufsetzte, bildeten den ersten Entwurf dieser Abhandlung, die, nachdem sie so zufällig angefangen war, auf Ersuchen fortgesetzt ward; sie ward in unzusammenhängenden Stücken geschrieben, nach langen Zwischenzeiten der Vernachlässigung wieder aufgenommen, wie meine Neigung oder die Umstände es erlaubten; und zuletzt erhielt sie in einer Zurückgezogenheit, wo die Pflege meiner Gesundheit mir Muße verschaffte, die Gestalt, in der sie jetzt dir vor Augen kommt.

Diese unterbrochene Schreibweise kann, von anderen abgesehen, zwei entgegengesetzte Fehler veranlaßt haben, nämlich daß darin zu wenig und zu viel gesagt sein mag. Wenn dir etwas zu fehlen scheint, so wird es mich freuen, daß, was ich geschrieben habe, bei dir den Wunsch erweckt, ich möchte weiter gegangen sein; wenn es dir zu viel zu sein scheint, so mußt du die Schuld davon dem Thema beimessen; denn, als ich die Feder ansetzte, glaubte ich, alles, was ich darüber zu sagen hätte, würde auf einem Bogen Papier Platz finden; aber je weiter ich vorwärts kam, um so mehr sah ich noch vor mir liegen; neue Entdeckungen führten mich immer weiter, und so wuchs die Abhandlung unvermerkt zu dem Umfange an, den sie jetzt zeigt. Ich will nicht bestreiten, daß sie sich vielleicht auf ein geringeres Maß, als sie hat, einschränken ließe, und daß gewisse Teile derselben abgekürzt werden könnten, da die Weise, wie sie geschrieben worden, in Absätzen und mit vielen langen Zwischenzeiten der Unterbrechung, geeignet ist, Wiederholungen zu veranlassen. Aber, ehrlich gestanden, ich bin jetzt zu träge oder zu beschäftigt, als daß ich sie kürzer machen könnte.

Ich weiß wohl, wie wenig ich hiebei auf meinen eigenen Ruf Rücksicht nehme, wenn ich sie mit einem Fehler ausgehen lasse, der den urteilsfähigsten Lesern, die immer zugleich am wählerischsten sind, so leicht mißfällt. Aber wer weiß, wie geneigt die Trägheit ist, sich mit der ersten besten Entschuldigung zu begnügen, wird mir verzeihen, wenn die meinige dort Herr über mich geworden ist, wo ich eine sehr gute zu haben denke. Ich will deshalb zu meiner Verteidigung nicht anführen, daß derselbe Gedanke, weil er verschiedene Beziehungen hat, dienlich oder nötig sein kann, um verschiedene Teile derselben Abhandlung zu beweisen oder zu erläutern, und daß dies für manche Teile der gegenwärtigen zutrifft. Hievon abgesehen, will ich vielmehr offen gestehen, daß ich mitunter in ganz anderer Absicht bei demselben Argument lange verweilt und es auf verschiedene Weise ausgedrückt habe. Ich nehme mir nicht heraus, diese Abhandlung zu veröffentlichen, um Männer von großen Gedanken und raschen Begriffen zu belehren; solchen Meistern des Wissens gegenüber bekenne ich mich selbst als Schüler, und warne sie deshalb im voraus, hier nichts zu erwarten, als was, aus meinen eigenen groben Gedanken gesponnen, für Leute meiner eigenen Größe paßt, denen es vielleicht nicht unwillkommen sein wird, daß ich es mir etwas sauer habe werden lassen, gewisse Wahrheiten, die eingewurzeltes Vorurteil oder der abstrakte Charakter der Ideen selbst schwer erkennbar machen, für ihr Denken klar und faßlich zu entwickeln. Manche Gegenstände hatten es nötig, um und um gekehrt zu werden; und wenn ein Gedanke neu ist, was – wie ich bekennen muß – einige von diesen hier für mich sind, oder von der gewöhnlichen Straße abseits liegt – und so werden sie vermutlich anderen erscheinen – dann genügt eine einfache Anschauung desselben nicht, um ihm Einlaß in jeden Verstand zu verschaffen, und ihn dort durch einen klaren und bleibenden Eindruck heimisch zu machen.

Nur Wenige, glaube ich, haben nicht an sich selbst oder anderen bemerkt, daß, was sehr dunkel erschien, wenn es auf eine Art vorgetragen ward, durch eine andere Ausdrucksweise sehr klar und verständlich gemacht wurde, obwohl sie nachher in den Worten wenig Unterschied fanden, und sich wunderten, warum die einen sich dem Verständnis leichter entzogen als die anderen. Aber es wirkt nicht alles in gleicher Weise auf den Vorstellungskreis jedes Menschen. Unser Verstand ist ebenso verschiedenartig wie unser Gaumen, und wer da meint, daß dieselbe Wahrheit einem jeden in demselben Kleide gleichmäßig munden müsse, der mag ebensowohl hoffen, daß er jeden mit derselben Art von Kochkunst bewirten könne; das Fleisch kann dasselbe sein und die Nahrung gut, aber doch ist nicht jeder imstande, es mit einer gewissen Würze annehmbar zu finden; und es muß auf andere Weise zugerichtet werden, wenn es für manche Leute – selbst solche, die einen guten Magen haben – genießbar sein soll. Thatsache ist, daß die, welche mir zur Veröffentlichung rieten, mir aus diesem Grunde zugleich den Rat gaben, mein Werk, so wie es beschaffen sei, zu veröffentlichen, und da ich mich habe bewegen lassen, es herauszugeben, so wünsche ich auch, daß es von jedem verstanden werde, der sich die Mühe giebt, es zu lesen. Ich habe so wenig Neigung dafür, gedruckt zu werden, daß, wenn man mir nicht schmeichelte, diese Abhandlung könne anderen von einigem Nutzen sein, wie sie das meiner Meinung nach mir selber gewesen ist, ich sie nur einigen Freunden, die zu ihrer Entstehung den ersten Anlaß gegeben, hätte vor Augen kommen lassen. Weil ich demnach zu dem Ende im Druck erscheine, um so nützlich zu sein, wie ich vermag, halte ich es für nötig, was ich zu sagen habe, für alle Klassen von Lesern so leicht und verständlich wie möglich zu machen. Und ich will viel lieber, daß die Spekulativen und Schnellsichtigen sich darüber beklagen, ich sei in gewissen Teilen weitschweifig, als daß jemand, der an abstrakte Spekulationen nicht gewöhnt, oder für abweichende Ansichten voreingenommen ist, meine Meinung mißverstehen, oder nicht begreifen sollte.

Es wird vielleicht als ein großes Stück Eitelkeit oder Hochmut meinerseits getadelt werden, daß ich mir herausnehme, dieses unser kenntnisreiches Zeitalter belehren zu wollen, indem es kaum auf etwas Geringeres hinausläuft, wenn ich gestehe, daß ich diese Abhandlung in der Hoffnung veröffentliche, sie könne anderen nützlich sein. Ist es jedoch gestattet, sich über die, welche mit vorgeblicher Bescheidenheit das als nutzlos verurteilen, was sie selbst schreiben, frei auszusprechen, so scheint es mir viel mehr nach Eitelkeit oder Hochmut zu schmecken, wenn man ein Buch zu irgend einem anderen Zwecke veröffentlicht; und an der dem Publikum schuldigen Achtung fehlt es gar sehr bei dem, der etwas drucken läßt und folglich erwartet, die Leute sollten etwas lesen, worin sie nicht seiner Absicht nach etwas ihnen selbst oder anderen Nützliches antreffen sollen; und wenn in dieser Abhandlung sonst nichts gefunden werden sollte, was Billigung verdient, so wird doch meine Absicht Anspruch darauf machen dürfen, und daß mein Bestreben gut war, müßte der Wertlosigkeit meiner Gabe gewissermaßen zur Entschuldigung gereichen. Das ist es, was mich hauptsächlich davor schützt, den Tadel zu fürchten, dem ich ebenso wenig wie bessere Schriftsteller zu entgehen hoffe. Die Grundsätze, die Denkweise und der Geschmack der Menschen sind so verschieden, daß schwerlich ein Buch zu finden sein wird, das allen Leuten gefällt oder mißfällt. Ich gebe zu, das Zeitalter, in dem wir leben, ist nicht das ärmste an Kenntnissen, und deshalb nicht am leichtesten zufrieden zu stellen. Wenn ich nicht das Glück habe, Beifall zu finden, so sollte doch niemand Anstoß an mir nehmen. Allen meinen Lesern mit Ausnahme eines halben Dutzend sage ich geradeaus, daß diese Abhandlung nicht von vorneherein für sie bestimmt war, und deshalb brauchen sie sich nicht die Mühe zu machen, ein Beispiel davon zu geben. Wenn aber gleichwohl jemand es für passend hält, zornig zu werden und auf dieselbe zu schelten, so mag er das in Sicherheit thun, denn ich werde eine bessere Weise finden, meine Zeit hinzubringen, als mit einer Unterhaltung solcher Art. Es wird mir immer zur Befriedigung gereichen, daß ich aufrichtig die Wahrheit und Nützlichkeit zum Ziel genommen habe, obgleich nur auf einem der gewöhnlichsten Wege. In der Gelehrten-Republik fehlt es zur Zeit nicht an Meistern der Baukunst, deren großartige Entwürfe zur Förderung der Wissenschaften dauernde Denkmäler der Bewunderung der Nachwelt hinterlassen werden; aber nicht jeder darf hoffen, ein Boyle oder ein Sydenham zu sein, und in einem Zeitalter, das solche Meister hervorbringt, wie den großen Huygenius und den unvergleichlichen Herrn Newton nebst einigen anderen gleicher Art, genügt es schon zur Befriedigung des Ehrgeizes, wenn man als Hilfsarbeiter beim Aufräumen des Baugrundes beschäftigt wird, und ein wenig mitwirkt, um den der Erkenntnis im Wege liegenden Schutt zu beseitigen, die sicherlich in der Welt viel weiter gefördert wäre, wenn die Bemühungen geistreicher und fleißiger Männer nicht so sehr gehemmt worden wären durch den gelehrten, aber wertlosen Gebrauch von sonderbaren, erkünstelten oder unverständlichen Ausdrücken, der in die Wissenschaften eingeführt und hier in dem Grade zu einer Kunst ausgebildet worden ist, daß es für unpassend oder unmöglich gilt, die Philosophie, die doch nur die wahre Erkenntnis der Dinge ist, in eine wohlerzogene Gesellschaft und gebildete Unterhaltung hineinzuziehen. Vage und bedeutungslose Sprachformen und ein Mißbrauch der Sprache haben so lange für Geheimnisse der Wissenschaft gegolten, und schwierige, falsch angewendete Wörter mit wenig oder gar keinem Sinn haben durch Verjährung so viel Recht erworben, für tiefe Gelehrsamkeit und für die Höhe der Spekulation gehalten zu werden, daß es nicht leicht sein wird, die, welche sie gebrauchen, oder die, welche sie hören, davon zu überzeugen, daß sie nur dazu dienen, die Unwissenheit zu verbergen und wahre Erkenntnis zu verhindern. In die Freistätte der Eitelkeit und Unwissenheit einen Einbruch unternehmen, heißt, wie ich meine, dem menschlichen Verstande einen Dienst leisten; obgleich so wenige geneigt sind, zu glauben, daß sie bei dem Gebrauch von Wörtern täuschen oder getäuscht werden, oder daß die Sprache ihrer Schule mit irgend welchen Fehlern behaftet sei, die der Untersuchung oder Berichtigung bedürften, daß ich hoffe, man werde es mir verzeihen, wenn ich in dem dritten Buche lange bei diesem Thema verweilt und versucht habe, es so klar zu machen, daß weder die Altherkömmlichkeit des Unfugs noch die Vorherrschaft der Mode denen irgendwie noch zur Entschuldigung gereichen können, die sich um die Bedeutung ihrer eigenen Wörter nicht bekümmern und nicht gestatten wollen, daß der Sinn ihrer Ausdrücke geprüft werde.

Wie ich gehört habe, ist ein kurzer im Jahre 1688 gedruckter Auszug aus dieser Abhandlung von gewissen Leuten, ohne daß sie ihn gelesen hatten, verurteilt worden, weil darin geleugnet werde, daß es angeborene Ideen gebe, indem sie übereilterweise folgerten, daß, wenn man keine angeborenen Ideen annehme, so wenig von dem Begriff geistiger Wesen, wie von dem Beweise für deren Dasein viel übrigbleiben werde. Wenn irgend jemand beim Beginn der Lektüre dieser Abhandlung eben daran Anstoß nehmen sollte, so bitte ich ihn, dieselbe durchzulesen, und hoffe, er wird sich dann davon überzeugen, daß die Beseitigung falscher Grundbegriffe der Wahrheit nicht zum Nachteil, sondern zum Vorteil gereicht, die durch nichts so sehr verletzt oder gefährdet wird, als wenn man sie mit Unwahrheit vermengt, oder auf diese bauen will.

In der zweiten Ausgabe fügte ich folgendes hinzu: Der Buchhändler würde es mir übelnehmen, wenn ich nichts von dieser zweiten Ausgabe sagte, die, wie er versprochen hat, durch ihre Korrektheit für die vielen in der ersten enthaltenen Druckfehler Ersatz leisten soll. Er wünscht auch, es möge bekannt werden, daß sie ein ganz neues Kapitel über die Identität und viele Zusätze und Verbesserungen an anderen Orten enthält. Ich muß meinen Leser darauf aufmerksam machen, daß diese nicht immer etwas Neues enthalten, vielmehr meistens entweder weitere Bestätigungen des schon Gesagten oder Ausführungen, damit nicht andere den Sinn dessen mißverstehen, was früher gedruckt war, dagegen keine Abweichung von meinen hierin dargelegten Ansichten, mit alleiniger Ausnahme der Veränderungen, die ich im zweiten Buche, Kapitel XXI, vorgenommen habe.

Was ich dort über die Freiheit und den Willen geschrieben hatte, gewährte Statt deserved, was keinen Sinn giebt, ist wohl designed zu lesen. meiner Meinung nach eine so genaue Einsicht, wie ich sie zu geben vermag, indem diese Themata zu allen Zeiten die gelehrte Welt mit Fragen und Schwierigkeiten beschäftigt haben, die der Moral und der Gottesgelehrheit, den Wissenszweigen, in welchen den Menschen an klarer Einsicht am meisten gelegen ist, nicht geringe Verlegenheit bereiteten. Nach einer näheren Betrachtung der menschlichen Gemütsbewegungen und einer genaueren Prüfung der Motive und Gesichtspunkte, von denen sie geleitet werden, habe ich Grund dazu gefunden, meine früheren Gedanken darüber, was bei allen willkürlichen Handlungen den Willen schließlich bestimmt, etwas abzuändern. Ich kann nicht umhin, dies vor der Welt mit eben der Freiheit und Bereitwilligkeit anzuerkennen, womit ich zuerst das veröffentlichte, was mir damals das Richtige zu sein schien, weil mir, wie ich denke, mehr daran liegt, irgend eine meiner eigenen Meinungen aufzugeben und zu verwerfen, wenn es sich zeigt, daß ihr die Wahrheit entgegensteht, als die Meinung eines anderen zu bestreiten. Denn ich forsche nur nach der Wahrheit, und diese soll mir stets willkommen sein, wann oder woher immer sie mir zukommen mag.

Wie groß aber auch meine Bereitwilligkeit ist, irgend eine meiner Ansichten aufzugeben oder etwas zu widerrufen, sobald mir ein darin enthaltener Irrtum erkennbar wird, so muß ich doch gestehen, daß ich nicht so glücklich gewesen bin, irgend welche Erleuchtung aus den Einwendungen zu gewinnen, die mir gegen irgend einen Teil meines Buches im Druck begegnet sind, und daß ich in nichts, was gegen dasselbe geltend gemacht worden, zu einer Änderung meiner Meinung über irgend einen der in Frage gestellten Punkte Grund gefunden habe. Sei es nun, daß das von mir behandelte Thema oft mehr Nachdenken und Aufmerksamkeit erfordert, als kursorische Leser, wenigstens bei obwaltender Voreingenommenheit, daraus verwenden mögen, oder sei es, daß eine Dunkelheit in meinen Ausdrücken dieselben mit einem Nebel bedeckt, und die Gedanken durch meine Behandlungsweise für die Auffassung anderer schwierig gemacht werden: Thatsache ist, wie ich finde, daß meine Meinung oft mißverstanden wird und ich nicht so glücklich bin, überall recht verstanden zu werden. Die Beispiele hievon sind so zahlreich, daß ich, um gegen meine Leser und mich selbst gerecht zu sein, schließen zu müssen glaube, daß entweder mein Buch klar genug geschrieben ist, um von denen richtig verstanden zu werden, die es mit so viel Aufmerksamkeit und Unbefangenheit lesen, wie jeder, der sich die Mühe der Lektüre machen will, dabei verwenden sollte, oder aber, daß ich mein Buch mit solcher Dunkelheit geschrieben habe, daß es vergeblich sein würde, eine Verbesserung desselben zu unternehmen. Welches von beiden auch die Wahrheit sein möge, immer bin ich selbst nur der davon Betroffene, und deshalb liegt es mir ferne, meinen Leser mit dem zu behelligen, was sich meiner Meinung nach auf die verschiedenen Einwände entgegnen ließ, die mir gegen Stellen hier und dort in meinem Buche begegnet sind, weil ich überzeugt bin, daß der, welcher sie für gewichtig genug hält, um eine Prüfung ihrer Wahrheit oder Unwahrheit zu verdienen, imstande sein werde zu erkennen, daß entweder das Gesagte schlecht begründet ist, oder aber meiner Lehre nicht widerstreitet, wenn ich und mein Gegner nur beide richtig verstanden werden.

Wenn gewisse Leute aus Fürsorge dafür, daß keiner von ihren guten Gedanken verloren gehe, ihre Ausstellungen an meiner Abhandlung (essay) veröffentlicht, und dieser zugleich die Ehre erwiesen haben, sie nicht für einen Versuch (essay) gelten zu lassen, so überlasse ich es dem Publikum, die Verbindlichkeit zu würdigen, die es gegen deren kritische Federn hat, und werde meinem Leser seine Zeit nicht mit einer so müßigen oder bösartigen Beschäftigung meinerseits verderben, daß ich jemandem die Genugthuung zu mindern suchte, die er durch eine so eilfertige Widerlegung meiner Schrift sich selber oder anderen verschaffen mag.

Als die Buchhändler die vierte Ausgabe meiner Abhandlung vorbereiteten, setzten sie mich hievon in Kenntnis, damit ich, wenn ich Zeit dazu hätte, Zusätze oder Abänderungen vornehmen könnte, die ich etwa für passend hielte. Es schien mir hienach angemessen, den Leser darauf aufmerksam zu machen, daß, von verschiedenen hie und da vorgenommenen Berichtigungen abgesehen, eine Veränderung notwendigerweise der Erwähnung bedürfe, weil sie sich durch das ganze Buch hindurch ziehe, und ihr richtiges Verständnis von Bedeutung sei. Ich ließ mich darüber aus, wie folgt:

Klare und deutliche Ideen ist ein Ausdruck, den, obgleich er allbekannt ist und häufig gehört wird, doch, wie ich Grund habe, zu glauben, nicht jeder, der ihn gebraucht, völlig versteht. Und vielleicht findet sich nur hie und da jemand, der sich die Mühe giebt, ihn soweit in Betracht zu ziehen, daß er genau weiß, was er selbst oder andere darunter verstehen. Ich habe es deshalb an den meisten Stellen vorgezogen, »bestimmt« anstatt »klar und deutlich« zu setzen, um so die Gedanken der Menschen wahrscheinlich besser auf das, was ich hiebei meine, hinzulenken. Unter dieser Benennung verstehe ich ein im Bewußtsein gegebenes und folglich bestimmtes Objekt, d. h. so wie es dort gesehen und seiner Beschaffenheit nach erkannt wird. Dies läßt sich, wie ich meine, passend als eine bestimmte Idee bezeichnen, wenn es, so wie es zu irgend welcher Zeit im Bewußtsein objektiv gegeben und wie es dort bestimmt ist, mit einem Namen oder artikulierten Laut verknüpft und unwandelbar diesem zugewiesen wird, der beständig das Zeichen für eben dasselbe Bewußtseinsobjekt oder die bestimmte Idee sein soll.

Um dies noch etwas specieller zu erläutern, so verstehe ich unter »bestimmt« in der Anwendung auf eine einfache Idee die einfache Erscheinung, die der Geist vor Augen hat oder in sich selber wahrnimmt, wenn es heißt, daß jene Idee im Bewußtsein gegeben sei; unter »bestimmt« in der Anwendung auf eine zusammengesetzte Idee verstehe ich eine solche, die aus einer bestimmten Anzahl gewisser einfacher oder weniger zusammengesetzter Ideen besteht, die in solchem Verhältnis und solcher Lage miteinander verbunden sind, wie der Geist vor Augen hat und in sich selber sieht, wenn jene Idee im Bewußtsein gegenwärtig ist oder gegenwärtig sein sollte, indem jemand ihren Namen ausspricht; ich sage »sein sollte«, weil nicht jedermann oder vielleicht niemand seine Rede so sorgfältig in acht nimmt, daß er kein Wort gebraucht, bevor er in seinem Bewußtsein die genau bestimmte Idee wahrnimmt, zu deren Zeichen er es machen will. Der Mangel hieran verursacht nicht wenig Dunkelheit und Verwirrung in den Gedanken und Reden der Menschen.

Ich weiß wohl, daß keine Sprache Wörter genug hat, um der ganzen Mannigfaltigkeit der Ideen entsprechen zu können, die in den Reden und Erörterungen der Menschen vorkommen. Aber dies hindert nicht, daß, wenn jemand einen Ausdruck gebraucht, er eine bestimmte Idee, zu deren Zeichen er ihn macht, im Sinne haben kann, und daß er ihn während der jeweiligen Unterredung mit dieser fest verbunden halten sollte. Wenn er das nicht thut, oder nicht thun kann, so macht er vergebens Anspruch auf klare oder deutliche Ideen; es liegt auf der Hand, daß er solche nicht hat; und deshalb läßt sich nichts als Dunkelheit und Verwirrung erwarten, wo Ausdrücke gebraucht werden, denen es an einer solchen genauen Bestimmtheit fehlt.

Aus diesem Grunde habe ich geglaubt, daß die Bezeichnungsweise »bestimmte Ideen« dem Mißverständnis weniger ausgesetzt sei, als »klare und deutliche«; und wo die Menschen von allem, was sie erörtern, untersuchen oder beweisen wollen, solche bestimmte Ideen gewonnen haben, da werden sie finden, daß ihre Zweifel und Streitigkeiten großenteils ein Ende nehmen. Da der größte Teil der Fragen und Meinungsverschiedenheiten, welche die Menschen verwirrt machen, von dem zweifelsvollen und ungewissen Gebrauch von Wörtern oder (was dasselbe sagt) von den unbestimmten Ideen, wofür sie gesetzt werden, abhängt, so habe ich diese Ausdrücke gewählt, um zu bezeichnen: 1. ein unmittelbares Objekt des Bewußtseins, welches der Geist wahrnimmt und vor sich hat, unterschieden von dem Laute, den er als Zeichen dafür gebraucht; 2. daß diese so bestimmte Idee, d. h. die im Bewußtsein gegeben ist, dort erkannt und gesehen wird, unwandelbar jenem Namen und dieser Name gerade eben jener Idee zugewiesen wird. Wenn die Menschen bei ihren Untersuchungen und Verhandlungen solche bestimmte Ideen hätten, so würden sie sowohl einsehen, wie weit ihre eigenen Forschungen und Reden sich erstrecken, als auch den größten Teil des Streites und Zanks vermeiden, den sie mit anderen führen.

Außerdem wird der Buchhändler es für nötig halten, daß ich den Leser von der Hinzufügung zweier ganz neuen Kapitel unterrichte, des einen über die Ideenassociation und des anderen über die Schwärmerei. Buch II, Kap. 33, und Buch IV, Kap. 19. Diese, sowie einige andere größere bisher noch ungedruckte Zusätze hat er sich verpflichtet, für sich allein drucken zu lassen auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck, wie bei dem zweiten Druck dieser Abhandlung geschehen ist.

In der sechsten Ausgabe ist sehr wenig hinzugefügt oder verändert; der größte Teil des Neuen ist im 21. Kapitel des zweiten Buches enthalten, was jeder, der es der Mühe wert hält, mit geringer Mühe am Rande der früheren Ausgabe beischreiben kann.


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