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§ 1. Beide sind der Vermehrung und der Verminderung fähig. – Obgleich wir in den voraufgehenden Kapiteln ziemlich lange bei der Betrachtung des Raumes und der Dauer verweilt haben, so kann doch vielleicht, da sie Ideen von allgemeiner Bedeutung sind, in deren Natur etwas sehr Abstruses und Eigentümliches liegt, ihre Vergleichung miteinander zu ihrer Erläuterung dienen, und wir können, indem wir sie zusammen betrachten, einen klareren und deutlicheren Begriff von ihnen gewinnen. Den Abstand oder den Raum in seiner einfachen abstrakten Auffassung nenne ich, um einer Begriffsverwirrung vorzubeugen, Ausbreitung (Expansion) zum Unterschiede von der Ausdehnung (Extension), einem Worte, das von manchen nur gebraucht wird, um den in den soliden Teilen der Materie existierenden Abstand zu bezeichnen, und so die Idee des Körpers einschließt oder wenigstens andeutet, wogegen die Idee des bloßen Abstandes dergleichen nicht enthält. Ich sage auch lieber Ausbreitung als Raum, weil Raum oft von dem Abstande flüchtiger aufeinander folgender Teile, die niemals zugleich existieren, gebraucht wird, Auch im Deutschen sprechen wir ja von Zeit räumen. und nicht bloß von solchen, die nebeneinander ausharren. In diesen beiden (nämlich Ausbreitung und Dauer) hat der Geist die gemeinsame Idee kontinuierlicher Längen, die größer oder kleiner sein können, denn wir haben eine ebenso deutliche Idee von dem Unterschiede der Länge einer Stunde und eines Tages wie von der eines Zolles und eines Fußes.
§ 2. Die Ausbreitung wird nicht durch die Materie begrenzt. – Wenn der Geist die Idee von der Länge irgend eines Teiles der Ausbreitung, sei es einer Spanne oder eines Schrittes oder welcher Länge man will, gewonnen hat, dann kann er, wie gesagt worden, diese Idee wiederholen, und so, indem er sie der früheren hinzufügt, seine Idee der Länge erweitern und sie zwei Spannen oder zwei Schritten gleich machen, und dies so oft thun, wie er will, bis sie dem Abstande zweier Erdteile voneinander gleichkommt, und sie auf diese Weise vergrößern, bis sie zu dem Abstande der Sonne oder des entferntesten Sternes heranwächst. Von dem Orte, wo er sich befindet, oder von irgend einem anderen Orte beginnend, kann der Geist in einer solchen Progression fortschreiten, und über alle jene Längen hinausgehen, ohne innerhalb oder außerhalb der Körperwelt auf etwas zu stoßen, was ihn hinderte damit fortzufahren. Wir können allerdings in unseren Gedanken leicht zum Ende der soliden Ausdehnung gelangen; bei der äußersten Grenze der gesamten Körperwelt anzukommen, hat für uns keine Schwierigkeit; aber, wenn der Geist dort ist, so findet er nichts, was sein Weitergehen in die endlose Ausbreitung hinderte, von dieser kann er irgend ein Ende weder auffinden noch sich denken. Auch kann niemand sagen, jenseits der Grenzen der Körperwelt sei überhaupt nichts, wenn er nicht Gott in die Schranken der Materie einschließen will. Salomo, dessen Verstand von Weisheit erfüllt und erweitert war, scheint andere Gedanken zu haben, wenn er sagt: »Der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen«, und ich meine, der verherrlicht für sich selber gar sehr die Fassungskraft seines Verstandes, wer sich beredet, daß er seine Gedanken weiter ausdehnen könne, als das Dasein Gottes reicht, oder sich irgend eine Ausbreitung vorstellt, wo dieser nicht sei.
§ 3. Und die Dauer nicht durch die Bewegung. – Gerade so verhält es sich mit der Dauer. Wenn der Geist die Idee von irgend welcher Länge der Dauer erhalten hat, so kann er sie verdoppeln, vervielfachen und nicht nur über ihre eigene sondern auch über die Existenz aller körperlichen Wesen und alle Zeitmaße hinaus erweitern, die von den großen Weltkörpern und ihren Bewegungen hergenommen sind. Doch giebt jeder leicht zu, daß, wenn wir uns auch die Dauer als grenzenlos vorstellen können, wie sie das sicherlich ist, wir sie doch nicht über alles Dasein hinaus auszudehnen vermögen. Gottes Dasein, das räumt jeder bereitwillig ein, erfüllt die Ewigkeit, und es läßt sich schwer ein Grund dafür finden, weshalb jemand bezweifeln sollte, daß es auch die Unermeßlichkeit ausfülle. Sein unendliches Wesen ist gewiß ebenso grenzenlos in der einen Hinsicht wie in der anderen, und mich dünkt, es heißt der Materie etwas zu viel zuschreiben, wenn man sagt: wo kein Körper ist, da ist nichts.
§ 4. Warum die Menschen leichter die Unendlichkeit der Dauer einräumen als die des Raumes. – Hieraus denke ich können wir den Grund erkennen, weshalb jedermann von der Ewigkeit als von etwas Wohlbekanntem ohne den geringsten Anstand spricht und sie voraussetzt, und sich nicht bedenkt, der Dauer Unendlichkeit zuzuschreiben, wogegen es mit mehr Zweifel und Zurückhaltung geschieht, wenn viele auch die Unendlichkeit des Raumes zugeben oder voraussetzen. Der Grund hievon scheint mir darin zu liegen, daß wir uns, während Dauer und Ausdehnung als Namen von Eigenschaften, die anderen Wesen zukommen, gebraucht werden, an Gott leicht die unendliche Dauer vorstellen und nicht umhin können, das zu thun; da wir aber nicht ihm, sondern nur der Materie, die endlich ist, Ausdehnung zuschreiben, so sind wir geneigter, die Existenz der Ausbreitung ohne Materie zu bezweifeln, weil wir sie gewöhnlich nur für ein Attribut dieser halten. Und deshalb sind die Menschen, wenn sie ihre Gedanken über den Raum verfolgen, geneigt, an den Grenzen der Körperwelt Halt zu machen, als ob auch der Raum dort zu Ende wäre und nicht weiter reichte. Oder, wenn ihre Ideen auf angestellte Erwägung sie weiterführen, so nennen sie doch das, was jenseits der Grenzen des Weltalls liegt, einen imaginären Raum, als ob er nichts wäre, weil kein Körper in ihm existiert. Wohingegen sie die Dauer, die allen Körpern und den Bewegungen, woran sie gemessen wird, voraufgeht, niemals imaginär nennen, weil sie niemals für leer von einer sonstigen realen Existenz gehalten wird. Und wenn überhaupt die Namen der Dinge unserm Nachdenken als Fingerzeige auf den Ursprung der menschlichen Ideen dienen können (und ich glaube, sie können das in großem Maße), so mag man von dem Namen Dauer Veranlassung nehmen, zu denken, daß die Fortsetzung des Daseins mit einer Art von Widerstand gegen jede zerstörende Gewalt und die Behauptung der Solidität (die leicht mit der Härte verwechselt wird, und, wenn wir die kleinsten anatomischen Teile der Materie in Betracht ziehen, von dieser auch wenig verschieden ist) eine gewisse Analogie miteinander zu haben schienen, und zur Entstehung von so nahe miteinander verwandten Wörtern wie durare und durum esse den Anlaß gaben. Und daß durare auf die Idee der Härte so gut wie auf die des Daseins angewendet wird, sehen wir aus Horaz, Epode XVI: » ferro duravit secula«. Damit möge es sich indes verhalten, wie es wolle, so viel ist gewiß, daß jeder, der seine eigenen Gedanken verfolgt, finden wird, daß sie mitunter über die Ausdehnung der Körperwelt in die Unendlichkeit des Raumes oder der Ausbreitung hinausschweifen, deren Idee von der des Körpers und aller anderen Dinge unterschieden und abgesondert ist, was (denen, die Lust dazu haben) als ein Thema für weiteres Nachdenken dienen mag.
§ 5. Die Zeit verhält sich zur Dauer wie der Ort zur Ausbreitung. – Im allgemeinen verhält sich die Zeit zur Dauer wie der Ort zur Ausbreitung. Sie sind so viel von jenen grenzenlosen Oceanen der Ewigkeit und Unermeßlichkeit, wie von dem übrigen gewissermaßen durch Grenzsteine ausgeschieden und bezeichnet wird, und dienen so dazu, die Stellung anzugeben, die endliche reale Wesen mit Beziehung aufeinander in jenen einförmigen endlosen Oceanen der Dauer und des Raumes einnehmen. Wohl erwogen sind sie nur die Ideen bestimmter Abstände von gewissen bekannten Punkten, die an unterscheidbaren sinnlichen Dingen festgelegt sind, und, wie man annimmt, ihren Abstand voneinander nicht ändern. Von solchen festen Punkten an sinnlich wahrnehmbaren Dingen aus rechnen, und von ihnen aus messen wir unsere Anteile an jenen unendlichen Größen, die, so betrachtet, das sind, was wir Zeit und Ort nennen. Denn, da die Dauer und der Raum an und für sich einförmig und schrankenlos sind, so würden ohne solche bekannte feststehende Punkte die Ordnung und Lage der Dinge in ihnen verloren gehen, und alles würde in unheilbarer Verwirrung durcheinander geworfen daliegen.
§ 6. Zeit und Ort werden beide in dem Umfange des einen und der anderen verstanden, der durch die Existenz und die Bewegung von Körpern abgegrenzt wird. – Zeit und Ort, so aufgefaßt als bestimmte unterscheidbare Stücke jener endlosen Abgründe von Raum und Dauer, die von dem übrigen durch Merkmale und bekannte Grenzlinien abgesondert sind oder dafür gelten, finden, die eine wie der andere, ein doppeltes Verständnis:
Erstens wird die Zeit im allgemeinen gewöhnlich für so viel von der endlosen Dauer gehalten, wie durch die Existenz und die Bewegungen der großen Weltkörper, soweit wir davon etwas wissen, gemessen wird und mit ihnen zusammen besteht; und in diesem Sinne beginnt und endet die Zeit mit dem Gebäude dieser sichtbaren Welt, wie in den obenerwähnten Redensarten: »vor jeder Zeit«, oder: »wenn es keine Zeit mehr geben wird«. Ebenso wird unter »Ort« ( place) zuweilen der Teil des unendlichen Raumes verstanden, der von der materiellen Welt eingenommen und in ihr befaßt ist, und der hiedurch von dem Reste der Ausbreitung abgegrenzt wird, obgleich man ihn zutreffender »Ausdehnung« nennen würde als »Ort«. In diese beiden eingeschlossen und durch ihre wahrnehmbaren Teile gemessen und bestimmt sind die besondere Zeit oder Dauer und die besondere Ausdehnung und Örtlichkeit aller körperlichen Wesen.
§ 7. Zuweilen in dem Umfange des einen und der anderen, den wir durch Maße, entnommen von der Größe oder Bewegung der Körper, bezeichnen. – Zweitens, mitunter wird das Wort Zeit in einem weiteren Sinne gebraucht, und nicht nur auf solche Teile der endlosen Dauer angewendet, die Statt: and is applied to parts of that infinite duration, not that were really distinguished etc., ist wegen der weiterhin folgenden Worte: but such other portions too etc., ohne Zweifel zu lesen: and is applied not only to parts of that infinite duration, that were really distinguished etc. wirklich unterschieden und abgemessen worden sind durch die reale Existenz und die periodischen Bewegungen von Körpern, die von Anfang an dazu bestimmt worden waren, als Zeichen zu dienen und als Jahreszeiten und als Tage und Jahre, und die demgemäß unsere Zeitmaße bilden; sondern auch auf solche andere Teile der endlosen einförmigen Dauer, von denen wir gelegentlich annehmen, daß sie gewissen Längen der gemessenen Zeit gleich seien, und die wir somit als begrenzt und bestimmt betrachten. Denn wenn wir annehmen wollten, daß die Schöpfung oder der Fall der Engel am Anfang der Julianischen Periode stattgefunden habe, so würden wir uns ganz passend ausdrücken und verstanden werden, wenn wir sagten, die Schöpfung der Engel ist der Schöpfung der Welt um 7640 Jahre voraufgegangen; wodurch wir von jener unterschiedslosen Dauer so viel bezeichnen würden, wie wir als gleich mit 7640 jährlichen Umläufen der Sonne betrachten, und worin diese hätten stattfinden können, wenn die Sonne sich ebenso schnell wie jetzt bewegt hätte. Und ebenso sprechen wir zuweilen von Ort, Abstand oder Umfang in der großen Leere jenseits der Grenzen der Welt, wenn wir von diesem Raume so viel in Betracht ziehen, wie einem Körper von irgend welchen angegebenen Dimensionen, z. B. einem Kubikfuß, gleich ist, oder ihn fassen kann, oder uns einen Punkt darin vorstellen, der sich in dieser oder jener bestimmten Entfernung von irgend welchem Teile des Weltalls befindet.
§ 8. Sie betreffen alle Wesen. – Wo und wann? sind Fragen, die alle endlichen Existenzen betreffen, und wir berechnen sie stets von gewissen bekannten Teilen dieser Sinnenwelt und von gewissen bestimmten Epochen aus, die uns durch die in ihr wahrnehmbaren Bewegungen bezeichnet werden. Ohne einige solcher festgestellten Teile oder Perioden würde für unseren endlichen Verstand in den schranken- und unterschiedslosen Oceanen der Dauer und Ausbreitung, die alle endlichen Wesen in sich schließen, und in ihrer vollen Größe nur der Gottheit angehören, die Ordnung der Dinge verloren gehen. Und deshalb dürfen wir uns nicht darüber wundern, daß wir sie nicht begreifen, und mit unseren Gedanken so oft in Verlegenheit geraten, wenn wir sie, sei es nun abstrakt nach dem, was sie an und für sich sind, oder insofern sie dem höchsten unbegreiflichen Wesen irgendwie als Attribute zukommen, betrachten wollen. In ihrer Anwendung auf irgend welche besondere endliche Wesen ist aber die Ausdehnung irgend eines Körpers so viel von jenem unendlichen Raum, wie der Umfang des Körpers einnimmt. Und sein Ort ist die Lage jedes Körpers, wenn er in einem gewissen Abstande von einem anderen betrachtet wird. Wie die Idee der besonderen Dauer von irgend etwas eine Idee des Teiles der endlosen Dauer ist, die während der Existenz des fraglichen Dinges verstreicht, so ist die Zeit, zu welcher das Ding existierte, die Idee des Abschnitts der Dauer, der zwischen einer bekannten und festgestellten Periode derselben und dem Dasein des fraglichen Dinges verflossen ist. Das eine zeigt den Abstand der äußersten Punkte des Umfanges oder der Existenz desselben Dinges, z. B. daß es einen Quadratfuß groß ist oder zwei Jahre bestanden hat; das andere zeigt seinen Abstand nach Ort oder Dasein von anderen festgestellten Punkten des Raumes oder der Dauer, z. B. daß es sich in der Mitte von Lincolns-Inn-Fields oder in dem ersten Grad des Stiers befand, und in dem Jahre unseres Herrn 1671 oder dem tausendsten Jahre der Julianischen Periode; Abstände, die wir alle nach vorher gefaßten Ideen von gewissen Längen des Raumes und der Dauer messen, wie nach Zollen, Fußen, Meilen und Graden, und andernteils nach Minuten, Tagen und Jahren etc.
§ 9. Alle Teile der Ausdehnung sind Ausdehnung und alle Teile der Dauer sind Dauer. – Es giebt noch einen anderen Punkt, worin der Raum und die Dauer große Gleichförmigkeit zeigen, nämlich darin, daß, obgleich sie mit Recht zu unseren einfachen Ideen gezählt werden, doch keine der deutlichen Ideen, die wir von dem einen und der anderen haben, von jeder Art der Zusammensetzung frei ist; es gehört gerade zur Natur beider, daß sie aus Teilen bestehen; weil jedoch ihre Teile alle von derselben Art und ohne Beimischung irgend einer anderen Idee sind, so hindert sie das nicht, einen Platz unter den einfachen Ideen einzunehmen. Könnte der Verstand, wie bei der Zahl, zu einem so kleinen Teil der Ausdehnung oder Dauer gelangen, daß die Teilbarkeit ausgeschlossen wäre, so würde dieser gleichsam die unteilbare Einheit oder Idee sein, durch deren Wiederholung er seine umfassenderen Ideen von Ausdehnung und Dauer bilden würde. Weil aber der Verstand sich keine Idee von einem Raume ohne Teile machen kann, so bedient er sich statt derselben der gewöhnlichen Maßstäbe, die sich durch ihren alltäglichen Gebrauch in jedem Lande dem Gedächtnisse eingeprägt haben (z. B. Zolle und Fuße oder Ellen und Parasangen, und ebenso Sekunden, Minuten, Stunden, Tage und Jahre bei der Dauer), der Verstand, sage ich, bedient sich dieser Ideen als einfacher, und sie sind die zusammensetzenden Teile umfassenderer Ideen, die der Verstand gelegentlich durch die Addition solcher bekannten und ihm geläufigen Längen herstellt. Andererseits wird das gewöhnlich kleinste Maß, das wir von dem einen und der anderen haben, als Einheit der Zahl betrachtet, wenn der Verstand sie durch Teilung in kleinere Brüche auflösen will. Obgleich beiderseits, wenn bei der Addition und Division des Raumes wie der Dauer die in Betracht gezogene Idee sehr groß oder sehr klein wird, deren genaue Größe sehr dunkel und verworren erscheint, und allein die Zahl ihrer wiederholten Additionen oder Divisionen klar und deutlich bleibt, was jedem leicht einleuchten wird, der seinen Gedanken in die weite Ausbreitung Mit Ausnahme dieser einen Stelle ist im § 9 durchweg von extension (Ausdehnung) die Rede, wo man nach dem im § 1 gemachten Unterschied expansion (Ausbreitung) erwarten sollte. des Raumes oder die Teilbarkeit der Materie hinein freien Lauf läßt. Jeder Teil der Dauer ist ebenfalls Dauer, und jeder Teil der Ausdehnung ist Ausdehnung, und sie sind beide der Addition oder Division in infinitum fähig. Aber die kleinsten Teile einer jeden von beiden, wovon wir klare und deutliche Ideen haben, eignen sich wohl am besten dazu, von uns als die einfachen Ideen solcher Art betrachtet zu werden, woraus unsere zusammengesetzten Modi des Raumes, der Ausdehnung und der Dauer gebildet sind, und worin sie wieder unterschiedlich aufgelöst werden können. Solch ein kleiner Teil der Dauer mag ein Augenblick heißen, und ist die in unserem Bewußtsein während des Zuges ihrer gewöhnlichen Aufeinanderfolge daselbst von einer Idee eingenommene Zeit. Den anderen, dem ein geeigneter Name mangelt, wird man mir vielleicht gestatten, als sinnlich wahrnehmbaren Punkt zu bezeichnen, worunter ich das kleinste für uns noch unterscheidbare Stückchen von Stoff oder Raum verstehe, was gewöhnlich ungefähr eine Minute und für die schärfsten Augen selten weniger als 30 Sekunden eines Kreises ausmacht, in dessen Mittelpunkt sich das Auge befindet.
§ 10. Ihre Teile sind untrennbar. – Ausbreitung und Dauer stimmen ferner darin überein, daß wir zwar beide als aus Teilen bestehend betrachten, daß ihre Teile jedoch nicht voneinander trennbar sind, nicht einmal im Gedanken, obgleich die Teile der Körper, wovon wir unser Maß der einen, und die Teile der Bewegung oder vielmehr der Ideenfolge in unserm Bewußtsein, wovon wir das Maß der anderen entnehmen, unterbrochen und getrennt werden können, wie mit der einen oft durch Ruhe, und mit der anderen im Schlafe geschieht, den wir auch Ruhe nennen.
§ 11. Die Dauer gleicht einer Linie, die Ausbreitung einem soliden Körper. – Zwischen ihnen besteht jedoch augenscheinlich der Unterschied, daß die Ideen von Länge, die wir mit Bezug auf die Ausbreitung haben, nach allen Richtungen hin gewendet sind, und so Gestalt, Breite und Dicke ergeben; die Dauer dagegen gleichsam nur die Länge einer einzigen geraden Linie darstellt, die ins Unendliche fortläuft, und keiner Vielfältigkeit, Abwechselung oder Gestaltung fähig ist, vielmehr ein gemeinsames Maß für alle und jede Existenz bildet, woran alle Dinge, so lange sie existieren, gleichmäßig teilnehmen. Denn dieser gegenwärtige Augenblick ist allen Dingen gemein, die sich jetzt im Dasein befinden, und umfaßt gleichmäßig dieses Stück ihres Daseins gerade so, wie wenn sie alle nur ein einziges Wesen wären, und wir können in Wahrheit sagen, daß sie alle in demselben Augenblick der Zeit existieren. Dieser Unterschied von Raum und Zeit beruht darauf, daß jener die Form oder das Schema der sinnlichen Wahrnehmung, diese die Form oder das Schema der Erinnerung ist. Denn die Wahrnehmung ist vorwiegend objektiv, die Erinnerung vorwiegend subjektiv. Die objektive Seite des Bewußtseins ist peripherisch und mannigfaltig, die subjektive central und einheitlich. Ob Engel und Geister mit Bezug auf die Ausbreitung etwas hiemit Analoges haben, übersteigt mein Begriffsvermögen, und vielleicht ist es für uns, deren Verstand und Fassungskraft unserer eigenen Erhaltung und den Zwecken unseres eigenen Daseins angemessen ist, aber nicht der Realität und Größe aller anderen Wesen, fast ebenso schwer, ein Dasein zu begreifen oder von irgend einem realen Wesen eine Idee zu haben, denen jede Art von Ausbreitung vollständig abzusprechen wäre, wie mit vollständiger Negation jeder Art von Dauer die Idee von irgend welchem realen Dasein zu haben; und deshalb wissen wir nicht, was die Geister mit dem Raume zu thun haben, oder wie sie in demselben miteinander verkehren. Alles, was wir wissen, ist, daß von den Körpern gemäß dem Umfange ihrer soliden Teile jeder einzeln sein besonderes Stück desselben inne hat, und dadurch alle anderen Körper von irgend welcher Teilnahme an jenem besonderen Raumstück, so lange er darin verbleibt, ausschließt.
§ 12. Zwei Teile der Dauer bestehen niemals zugleich; die der Ausbreitung alle miteinander. – Dauer und Zeit, die ein Teil von jener ist, sind unsere Idee eines verschwindenden Richtiger eines entstehenden, indem die verschwindende Wahrnehmung zu einer sich immer weiter von der Gegenwart entfernenden Erinnerung wird, die Linie der Vergangenheit also beständig anwächst. Bleibend ist auch sie im Bewußtsein, sonst könnten wir überhaupt nichts von ihr wissen, ja man darf wohl sagen, das Nebeneinander der Wahrnehmung ist das in jedem Moment Entstehende und wieder Verschwindende, was nur dadurch bleibend wird, daß es sich in dem Nacheinander der Erinnerung als vergangenes Nebeneinander erhält. Abstandes, von dem kein Teil zugleich mit einem anderen existiert, dessen Teile vielmehr der Reihe nach aufeinander folgen, während Ausbreitung die Idee eines bleibenden Abstandes ist, dessen Teile zusammen existieren und keiner Succession fähig sind. Und deshalb können wir, obgleich wir uns keine Dauer ohne Succession denken, und nicht vorstellen können, daß die heutige und die morgende Existenz von irgend etwas zusammenfallen, oder daß etwas zugleich mehr als den gegenwärtigen Augenblick seiner Dauer genieße, doch begreifen, daß die ewige Dauer des Allmächtigen sehr verschieden von der des Menschen oder irgend eines anderen endlichen Wesens sein muß. Denn der Mensch umfaßt in seinem Wissen oder seiner Macht nicht alle vergangenen und zukünftigen Dinge; seine Gedanken sind nur von gestern, und er weiß nicht, was der morgende Tag bringen wird. Was einmal vergangen ist, kann er nie zurückrufen, und was erst kommen soll, kann er nicht gegenwärtig machen. Was ich von dem Menschen sage, das gilt von allen endlichen Wesen, die, soweit sie auch den Menschen an Wissen und Macht übertreffen mögen, doch im Vergleich mit Gott selbst nicht höher als das niedrigste Geschöpf stehen. Das Endliche, wie groß es auch sei, läßt sich zu dem Unendlichen in kein Verhältnis setzen. Da Gottes unendliche Dauer mit unendlichem Wissen und unendlicher Macht verbunden ist, so sieht er alle Dinge, vergangene und zukünftige, und diese sind nicht weiter abliegend von seinem Wissen, nicht entfernter von seinem Auge als die gegenwärtigen; ein und derselbe Blick umfaßt sie alle, und es giebt nichts, was er nicht in jedem Augenblick, sobald es ihm gefällt, ins Dasein rufen kann. Denn, da das Dasein aller Dinge von seinem Belieben abhängt, so existieren alle Dinge in jedem Augenblick, in dem er es für angemessen hält, daß sie existieren sollen. Um zum Schlusse zu kommen: Ausbreitung und Dauer ergreifen sich wechselseitig und umschließen einander, indem jeder Teil des Raumes in jedem Teil der Dauer und jeder Teil der Dauer in jedem Teile der Ausbreitung enthalten ist. Eine solche Kombination zweier unterschiedener Ideen ist, glaube ich, in der ganzen großen Mannigfaltigkeit unserer wirklichen und möglichen Vorstellungen kaum wieder zu finden, und mag wohl Stoff zu weiterem Nachdenken darbieten.