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§ 1. Diese Idee erhalten wir durch den Tastsinn. – Die Idee der Solidität erhalten wir durch unseren Tastsinn, und sie entsteht aus dem Widerstande, den wir in jedem Körper gegen den Eintritt eines anderen Körpers in den von ihm eingenommenen Raum finden, so lange bis er ihn verlassen hat. Es giebt keine Idee, die wir unausgesetzter durch die Sinneswahrnehmung erhielten als die der Solidität. Mögen wir uns bewegen oder ruhen, in welcher Stellung wir uns auch befinden, immer fühlen wir etwas unter uns, was uns stützt, und unser weiteres Abwärtssinken verhindert, und die Körper, die wir täglich anfassen, lassen uns wahrnehmen, daß sie durch eine unüberwindliche Kraft, so lange sie zwischen unseren Händen bleiben, die Teile derselben, die sie drücken, verhindern, sich einander zu nähern. Das, was so die Annäherung zweier gegeneinander bewegten Körper hindert, nenne ich Solidität. Ich will nicht darüber streiten, ob dieses Verständnis des Wortes solid seiner ursprünglichen Bedeutung näher kommt als der Sinn, in dem die Mathematiker es gebrauchen; mir genügt der Gedanke, daß der gewöhnliche Begriff von Solidität meinen Gebrauch des Wortes gestattet, wenn nicht rechtfertigt; wenn aber jemand lieber Undurchdringlichkeit sagen will, so habe ich nichts dagegen. Ich habe nur den Ausdruck Solidität für geeigneter zur Bezeichnung der fraglichen Idee gehalten nicht bloß, weil der gemeine Sprachgebrauch damit übereinstimmt, sondern auch, weil er einen etwas mehr positiven Charakter hat als Undurchdringlichkeit, eine negative Eigenschaft, die vielleicht mehr eine Folge der Solidität als diese selbst ist. Diese Idee scheint unter allen anderen am innigsten mit dem Körper verbunden und am wesentlichsten für ihn zu sein, so daß sie sich sonst nirgendwo finden oder vorstellen läßt als nur an der Materie. Und obgleich unsere Sinne sie nur an körperlichen Massen von hinlänglicher Größe, um eine Empfindung in uns zu erregen, gewahr werden, so verfolgt doch der Verstand diese Idee, wenn er sie einmal durch solche gröbere fühlbare Körper erhalten hat, weiter, stellt sie sich ebenso gut wie die Gestalt an den kleinsten Stoffteilchen, die existieren können, vor, und erblickt in ihr etwas, was überall jedem gleichviel wie beschaffenen Körper untrennbar inhäriere.
§ 2. Die Solidität erfüllt den Raum. – Dies ist die dem Körper zukommende Idee, wodurch wir ihn als raumerfüllend auffassen. Die Idee der Raumerfüllung besteht darin, daß, wenn wir uns irgend einen Raum als von einer soliden Substanz eingenommen denken, wir uns diese als dergestalt in dessen Besitz vorstellen, daß sie alle anderen soliden Substanzen davon ausschließe, und zwei andere Körper, die sich in gerader Linie aufeinander zu bewegen, beständig daran hindern werde sich zu berühren, wenn sie sich nicht aus ihrer Lage zwischen ihnen in einer mit deren Bewegungsrichtung nicht parallelen Linie fortbewege. Die Körper, die wir alltäglich handhaben, versehen uns hinlänglich mit dieser Idee der Raumerfüllung.
§ 3. Solidität ist vom Raume verschieden. – Dieser Widerstand, wodurch sie andere Körper aus dem von ihr eingenommenen Raume fernhält, ist so groß, daß keine noch so starke Kraft ihn überwinden kann. Alle Körper der Welt würden, wenn sie von allen Seiten her auf einen Tropfen Wasser drückten, niemals imstande sein, den Widerstand zu überwinden, den dieser, so wenig er auch ist, ihrer wechselseitigen Annäherung entgegenstellen würde, bevor er aus ihrem Wege entfernt wäre; wodurch sich unsere Idee der Solidität sowohl von dem bloßen Raume unterscheidet, der weder eines Widerstandes noch einer Bewegung fähig ist, wie auch von der gewöhnlichen Idee der Härte. Denn man kann sich zwei Körper in gewisser Entfernung voneinander vorstellen, so daß sie sich einander bis zum Zusammentreffen ihrer Oberflächen nähern können, ohne einen soliden Gegenstand zu berühren und beiseite zu schieben, wodurch wir, wie ich meine, die klare Idee des Raumes ohne Solidität erhalten. Denn (um nicht bis zur Vernichtung irgend eines besonderen Körpers zu gehen) ich frage, ob man nicht die Idee der Bewegung eines einzelnen Körpers für sich allein haben könne, ohne die eines anderen, der unmittelbar in seinen Platz einrückt? Ich denke, die Möglichkeit davon ist einleuchtend, indem die Idee der Bewegung bei einem Körper dieselbe Idee bei einem anderen nicht mehr einschließt, als die Idee einer viereckigen Gestalt bei einem Körper eben diese bei einem anderen. Ich frage nicht, ob die Existenzbedingungen der Körper derart sind, daß thatsächlich der eine sich nicht bewegen kann, ohne daß ein anderer sich ebenfalls bewegte. Hierauf mit ja oder nein antworten, heißt, die Frage nach dem Vakuum als für oder wider entschieden voraussetzen. Meine Frage ist vielmehr, ob man nicht die Idee der Bewegung eines Körpers haben kann, während andere sich in Ruhe befinden? und das wird, denke ich, niemand leugnen. Solchenfalls giebt der von jenem verlassene Ort uns die Idee des bloßen Raumes ohne Solidität, den ein anderer Körper einnehmen mag, ohne entweder Widerstand zu finden oder irgend etwas zu verdrängen. Wenn die Saugstange in einer Pumpe hinaufgezogen wird, so ist der Raum, den sie in dem Rohre einnahm, sicherlich derselbe, mag nun ein anderer Körper der Bewegung der Saugstange folgen oder nicht, und es enthält keinen Widerspruch, daß, wenn ein Körper sich bewegt, ein anderer, der sich mit jenem nur berührt, ihm nicht folge. Die Notwendigkeit einer solchen Bewegung stützt sich nur auf die Annahme, daß die Welt keinen leeren Raum enthalte, nicht aber auf die deutlichen Ideen von Raum und Solidität, die ebenso verschieden sind wie Widerstand und Nichtwiderstand, Verdrängung und Nichtverdrängung. Und daß die Menschen Ideen vom Raume ohne einen Körper darin haben, das zeigen, wie ich anderswo nachgewiesen habe, klärlich gerade ihre Streitigkeiten über das Vakuum.
§ 4. Und von der Härte. – Die Solidität unterscheidet sich hiedurch auch von der Härte, indem jene in der Raumerfüllung besteht, und somit in der vollständigen Ausschließung anderer Körper aus dem von ihr eingenommenen Raume, die Härte dagegen in einem festen Zusammenhang der materiellen Teile, wodurch Massen von merklichem Umfang gebildet werden, so daß das Ganze seine Gestalt nicht leicht verändert. In der That sind hart und weich Namen, die wir den Dingen nur nach ihrem Verhältnis zu der Beschaffenheit unseres eigenen Leibes geben, indem wir im allgemeinen das hart nennen, was uns eher Schmerz verursacht, als daß es infolge des Druckes gegen einen Teil unseres Leibes seine Gestalt änderte, dagegen das weich, dessen Teile infolge einer leichten und schmerzlosen Berührung ihre Lage gegeneinander verändern.
Diese Schwierigkeit einer Veränderung in der gegenseitigen Lage der fühlbaren Teile oder der Gestalt des Ganzen giebt jedoch dem härtesten Körper in der Welt nicht mehr Solidität als dem weichsten; der Diamant ist nicht um ein Jota solider als das Wasser. Denn, wenn auch die beiden flachen Seiten zweier Marmorstücke, zwischen denen sich nur Wasser oder Luft befindet, sich einander leichter nähern, als wenn sich ein Diamant dazwischen befände, so liegt dies doch nicht daran, daß die Teile des Diamanten solider wären oder mehr Widerstand leisteten als die des Wassers, sondern daran, daß die Teile des Wassers, weil sie leichter voneinander trennbar sind, sich leichter durch eine seitliche Bewegung entfernen lassen, und für die Annäherung der beiden Marmorstücke Raum geben. Könnten sie davon abgehalten werden, durch jene seitliche Bewegung Platz zu machen, so würden sie die Annäherung der beiden Marmorstücke ebensogut wie der Diamant für immer verhindern, und es würde ebenso unmöglich sein, ihren Widerstand durch irgend eine Kraft zu überwinden, wie den der Bestandteile eines Diamanten. Der weichste Körper in der Welt wird, wenn er nicht aus dem Wege geschafft wird, ebenso unbesiegbar dem Zusammentreffen zweier anderen Körper widerstehen und zwischen ihnen ausharren, wie der härteste, den man finden oder sich vorstellen kann. Wer einen weichen nachgiebigen Körper mit Luft oder Wasser wohl anfüllt, wird bald genug seinen Widerstand bemerken, und wer meint, daß nur harte Körper seine Hände davon abhalten können, sich aneinander zu legen, der möge mit der in einem Fußball eingeschlossenen Luft einen Versuch machen. Wie ich gehört habe, ist in Florenz mit einer mit Wasser gefüllten und dicht verschlossenen Hohlkugel aus Gold ein Versuch angestellt worden, der für die Solidität eines so weichen Körpers wie das Wasser einen ferneren Beweis liefert. Denn, als die so angefüllte goldene Kugel unter eine mit der äußersten Gewalt von Schrauben getriebene Presse gelegt ward, brach sich das Wasser durch die Poren jenes sehr dichten Metalles Bahn, und gelangte, weil es im Innern für eine größere Annäherung seiner Teile aneinander keinen Raum fand, auf die Außenseite, wo es sich wie Thau erhob und so herabtröpfelte, bevor die Seiten der Kugel dazu gebracht werden konnten, dem heftigen Druck der Maschine, die sie zusammenpreßte, nachzugeben.
§ 5. Auf der Solidität beruhen Stoß, Widerstand und Antrieb. – Durch diese Idee der Solidität unterscheidet sich die Ausdehnung eines Körpers von der des Raumes, indem die Ausdehnung eines Körpers nichts ist als der Zusammenhang oder die Kontinuität solider, trennbarer und beweglicher Teile, die Ausdehnung des Raumes aber die Kontinuität nicht solider, untrennbarer und unbeweglicher Teile. Auf der Solidität der Körper beruht auch ihr wechselseitiger Stoß, Widerstand und Antrieb. Von dem bloßen Raum also und der Solidität glauben manche Leute (zu denen auch ich gehöre) klare und deutliche Ideen zu haben, und sich den Raum denken zu können ohne etwas darin, was Widerstand leistet, oder von einem Körper fortgestoßen wird. Dies ist die Idee des bloßen Raumes, die sie ebenso klar zu haben glauben, wie irgend eine Idee von körperlicher Ausdehnung, indem die Idee des Abstandes zwischen den gegenüber liegenden Teilen einer konkaven Oberfläche gerade so klar ist ohne wie mit der Idee solider Teile dazwischen; und anderseits glauben sie, unterschieden von der des bloßen Raumes, die Idee von etwas zu haben, das den Raum erfüllt, das durch den Stoß anderer Körper fortgetrieben werden, oder ihrer Bewegung widerstehen kann. Wenn es andere Leute giebt, die diese beiden Ideen nicht voneinander unterscheiden, sondern sie vermengen und nur eine daraus machen, so weiß ich nicht, wie in solchem Falle Leute, die dieselbe Idee mit verschiedenen Namen oder verschiedene Ideen mit demselben Namen verbinden, sich besser miteinander sollten verständigen können als jemand, der, da er weder blind noch taub ist, von der Scharlachfarbe und dem Tone einer Trompete unterschiedene Ideen hat, sich über die Scharlachfarbe mit dem von mir anderswo erwähnten blinden Manne unterhalten könnte, der sich einbildete, daß die Idee des Scharlachs dem Tone einer Trompete gleichkomme.
§ 6. Was Solidität ist. – Wenn mich jemand fragen sollte, was diese Solidität sei, so verweise ich ihn an die Belehrung durch seine Sinne; er möge einen Kieselstein oder einen Fußball zwischen seine Hände nehmen, und dann versuchen diese aneinander zu bringen, so wird er es erfahren. Wenn er hierin keine hinlängliche Erklärung davon findet, was Solidität sei und worin sie bestehe, so verspreche ich ihm dies zu sagen, wenn er mir sagt, was Denken ist, oder worin es besteht, oder mir erklärt, was Ausdehnung oder Bewegung ist, was vielleicht weit leichter zu sein scheint. Unsere einfachen Ideen sind so, wie die Erfahrung sie uns lehrt; wenn wir aber darüber hinaus versuchen, sie uns durch Worte für den Verstand klarer zu machen, so werden wir nicht mehr Erfolg haben, als wenn wir uns daran machten, die Dunkelheit im Bewußtsein eines Blinden durch Sprechen aufzuhellen, und die Ideen von Licht und Farbe in ihn hineinzureden. Den Grund hievon werde ich an einem anderen Orte zeigen.