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§ 1. Freude und Schmerz. – Es giebt andere einfache Ideen, die auf allen Wegen der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung in den Geist Eingang finden, nämlich Freude oder Lust und deren Gegenteil: Schmerz oder Unbehagen; Kraft, Dasein, Einheit.
§ 2. Lust oder Unlust, die eine oder die andere von beiden, verknüpfen sich mit fast allen unseren durch Sinneswahrnehmung und Selbstbeobachtung gewonnenen Ideen, und es giebt kaum irgend eine Einwirkung auf unsere Sinne von außen, irgend einen geheimen Gedanken unseres Geistes im Innern, der nicht fähig wäre, in uns Freude oder Schmerz hervorzurufen. Unter Freude und Schmerz verstehe ich alles, was uns vorwiegend Vergnügen macht oder bedrückt, gleichviel ob es von den Gedanken unseres Geistes herrührt, oder von irgend welcher Einwirkung auf unseren Körper; denn mögen wir es nun Befriedigung, Vergnügen, Freude, Glück etc. einerseits, oder Unbehagen, Beschwerde, Leid, Qual, Angst, Elend etc. andererseits nennen, so sind das immer nur verschiedene Abstufungen derselben Sache, und gehören den Ideen von Freude und Schmerz, Lust oder Unlust an, mit welchen Namen ich diese beiden Klassen von Ideen am häufigsten bezeichnen werde.
§ 3. Dem unendlich weisen Urheber unseres Daseins, der uns über verschiedene Teile unseres Leibes die Macht gegeben hat, sie nach unserem Gutdünken zu bewegen oder in Ruhe zu halten, wie auch durch ihre Bewegung uns selbst und andere uns berührende Körper in Bewegung zu setzen, worin unsere ganze leibliche Thätigkeit besteht, der auch unserm Geiste die Kraft gegeben hat, in verschiedenen Fällen unter seinen Ideen die auszuwählen, über welche er nachdenken will, und die Untersuchung dieses oder jenes Themas mit Überlegung und Aufmerksamkeit zu verfolgen: ihm hat es gefallen, um uns zu den Tätigkeiten des Denkens und der Bewegung, wozu wir befähigt sind, anzuregen, mit verschiedenen Gedanken und verschiedenen Sinneswahrnehmungen eine Empfindung von Freude zu verbinden. Wenn diese von allen unseren äußern Sinneswahrnehmungen und inneren Gedanken völlig abgesondert wäre, so würden wir keinen Grund haben, einen Gedanken oder eine Handlung dem resp. der anderen vorzuziehen, die Vernachlässigung der Aufmerksamkeit oder die Bewegung der Ruhe; wir würden dann weder unseren Körper bewegen, noch unsern Geist gebrauchen, sondern unsere Gedanken (wenn ich mich so ausdrücken darf) ohne Leitung oder Ziel von den Wellen treiben, und die Ideen unseres Geistes als wertlose Schatten ohne sie zu beachten kommen und gehen lassen, wie der Zufall es mit sich brächte; ein Zustand, in dem der Mensch, obwohl mit den Vermögen des Verstandes und des Willens begabt, ein höchst müßiges, unthätiges Geschöpf sein, und seine Zeit nur in einem trägen lethargischen Traume hinbringen würde. Deshalb hat es unserm weisen Schöpfer gefallen, mit verschiedenen Gegenständen und den Ideen, die wir von ihnen empfangen, wie auch mit verschiedenen unserer Gedanken eine sie begleitende Freude zu verbinden, und zwar mit verschiedenen Gegenständen in verschiedenem Grade, damit die Fähigkeiten, womit er uns ausgestattet hatte, nicht ganz müßig und von uns unbenutzt bleiben möchten.
§ 4. Der Schmerz hat dieselbe Wirksamkeit und denselben Nutzen, uns in Thätigkeit zu versetzen, wie die Freude, indem wir ebenso geneigt sind, unsere Fähigkeiten zur Vermeidung des ersteren wie zur Verfolgung der letzteren anzuwenden; nur verdient es unsere Beachtung, daß der Schmerz oft durch dieselben Gegenstände und Ideen in uns hervorgebracht wird, wie die Freude. Diese ihre nahe Verbindung, weshalb wir oft Schmerz bei den Sinneswahrnehmungen empfinden, wo wir Freude erwarteten, giebt uns von neuem Gelegenheit, die Weisheit und Güte unseres Schöpfers zu bewundern, der in der Absicht, unser Dasein zu erhalten, mit der Anwendung mancher Dinge auf unseren Körper Schmerz verknüpft hat, um uns vor ihrer Schädlichkeit zu warnen, und das Fernbleiben von ihnen anzuraten. Weil er aber nicht nur unsere Erhaltung überhaupt bezweckte, sondern die Erhaltung jedes Teiles und Organs in seiner Vollkommenheit, so hat er in manchen Fällen gerade mit den für uns erfreulichen Ideen Schmerz verbunden. So erweist sich die Wärme, die uns in gewissem Grade sehr angenehm ist, bei einer geringen Erhöhung derselben als eine außerordentliche Qual, und selbst das Licht, der erfreulichste aller sinnlichen Gegenstände, verursacht, wenn es zu stark ist und über das für unsere Augen passende Maß gesteigert wird, eine sehr peinliche Empfindung, was von der Natur weise zu unseren Gunsten so angeordnet ist, damit, wenn irgend ein Gegenstand durch die Heftigkeit seiner Wirkung die Sinnesorgane, deren Bau nur sehr fein und zart sein kann, beschädigen sollte, wir durch den Schmerz gewarnt würden, ihn zu vermeiden, bevor das Organ ganz zerstört, und so für die ihm eigentümliche Funktion in Zukunft unbrauchbar werde. Die Betrachtung der Gegenstände, die ihn hervorbringen, kann uns wohl davon überzeugen, daß dies das Ziel oder der Nutzen des Schmerzes ist, denn, während starkes Licht für unsere Augen unerträglich ist, macht auch der höchste Grad von Dunkelheit ihnen keinen Schmerz, weil dieser keine abnorme Bewegung in ihnen hervorruft, und deshalb jenes künstliche Organ in seinem natürlichen Zustande unbeschädigt Statt unarmed lies unharmed. läßt. Dagegen schmerzt uns sowohl ein Übermaß von Kälte wie von Hitze, weil beide die zur Erhaltung des Lebens und zur Vollziehung der verschiedenen Funktionen des Leibes notwendige Temperatur gleichermaßen vernichten, die in einem mäßigen Wärmegrad besteht, oder – wenn man lieber will – in einer innerhalb gewisser Grenzen eingeschlossenen Bewegung der unbemerkbaren Teile unseres Leibes.
§ 5. Außer allem dem können wir noch einen anderen Grund dafür entdecken, weshalb Gott verschiedene Stufen von Lust und Leid aufwärts und abwärts in alle uns umgebende und auf uns einwirkende Dinge ausgestreut, und sie fast in allem, womit unsere Gedanken und Sinne zu thun haben, miteinander vermischt hat; nämlich damit wir, weil wir Unvollkommenheit, Mißvergnügen und Mangel vollkommenen Glückes in allen den Genüssen finden, die uns von den Geschöpfen gewährt werden, darauf hingeführt würden, letzteres in dem Genusse seiner selbst zu suchen, bei dem die Fülle der Freude und zu dessen rechter Hand die ewige Seligkeit zu finden ist.
§ 6. Freude und Schmerz. – Wenn auch durch das, was ich hier gesagt habe, die Ideen von Freude und Schmerz uns vielleicht nicht klarer gemacht werden mögen als durch unsere eigene Erfahrung, die der einzige Weg ist, um zu ihrem Besitz zu gelangen, so wird doch die Erwägung des Grundes, weshalb sie mit so vielen anderen Ideen verbunden sind, weil sie dazu dient, uns von der Weisheit und Güte des höchsten Lenkers aller Dinge richtige Vorstellungen zu verschaffen, dem Hauptzwecke dieser Untersuchungen förderlich sein können, indem die Erkenntnis und Verehrung desselben das letzte Endziel aller unserer Gedanken und die eigentümliche Aufgabe jeder Verstandesthätigkeit ist.
§ 7. Dasein und Einheit. – Dasein und Einheit sind zwei andere Ideen, die dem Verstande durch jeden äußeren Gegenstand und jede innere Idee geliefert werden. Wenn Ideen in unserem Bewußtsein auftreten, so betrachten wir sie als wirklich dort vorhanden, ebensogut wie wir Dinge als wirklich außer uns vorhanden betrachten, was so viel sagt, als daß sie da sind oder existieren, und alles, was wir als ein Ding betrachten können, sei es nun eine äußere Sache oder eine Idee, liefert dem Verstande die Idee der Einheit.
§ 8. Kraft. – Kraft ist noch eine andere der einfachen Ideen, die wir aus der Sinneswahrnehmung und der Selbstbeobachtung gewinnen; denn wenn wir in uns selbst bemerken, daß wir nach Belieben verschiedene Teile unseres Leibes, die sich in Ruhe befanden, bewegen können, und wenn die Wirkungen, die natürliche Körper ineinander hervorzubringen vermögen, jeden Augenblick unseren Sinnen begegnen, so erhalten wir auf diesen beiden Wegen die Idee der Kraft.
§ 9. Zeitliche Aufeinanderfolge. – Abgesehen von diesen giebt es noch eine andere Idee, die uns zwar auch durch unsere Sinne geliefert, aber noch beständiger von dem dargeboten wird, was in unserem Bewußtsein vor sich geht, nämlich die Idee der zeitlichen Aufeinanderfolge (Succession). Denn wenn wir unmittelbar in unser Inneres blicken, und auf das, was sich dort zeigt, reflektieren, so werden wir, so lange wir wach sind oder irgend woran denken, immer finden, daß unsere Ideen ohne Unterlaß, die eine gehend, die andere kommend, in einer Reihenfolge vorüberziehen.
§ 10. Die einfachen Ideen sind das Material alles unseres Wissens. – Das sind, wenn nicht alle doch wenigstens (wie ich glaube) die wichtigsten der einfachen Ideen, die der Geist besitzt, und aus denen all sein übriges Wissen entsteht; er erhält sie alle nur auf den beiden vorerwähnten Wegen der Sinneswahrnehmung und Selbstbeobachtung.
Man möge hierin nicht zu enge Grenzen für die Wanderungen des umfassenden Menschengeistes erblicken, der über die Sterne hinausfliegt, und sich nicht in die Grenzen dieser Welt einschließen läßt; der seine Gedanken oft sogar über den äußersten Bereich der Materie ausdehnt, und in das unbegreiflich Leere Exkursionen macht. Ich gebe das alles zu, bitte aber, daß mir jemand irgend eine einfache Idee bezeichne, die nicht durch einen jener vorerwähnten Zugänge empfangen ist, oder irgend eine zusammengesetzte Idee, die nicht aus solchen einfachen gebildet worden. Auch wird der Gedanke nicht so sehr befremden, daß diese wenigen einfachen Ideen hinreichten, um das lebhafteste Denken oder die weiteste Fassungskraft zu beschäftigen, und das Material von allem dem mannigfaltigen Wissen und den noch mannigfaltigeren Einbildungen und Meinungen der ganzen Menschheit zu liefern, wenn wir erwägen, wie viele Wörter sich durch die abwechselnde Zusammenstellung von 24 Buchstaben bilden lassen; oder wenn wir, einen Schritt weitergehend, auf die Mannigfaltigkeit der Kombinationen achten, die sich mit bloß einer von den oben erwähnten Idem, nämlich der Zahl, anstellen lassen, deren Vorrat unerschöpflich und in Wahrheit unendlich ist; und welch ein weites und unermeßliches Feld bietet nicht die Ausdehnung allein den Mathematikern dar!