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§ 1. Modi der Bewegung. – Obgleich ich in den voraufgehenden Kapiteln gezeigt habe, wie der Geist, mit einfachen aus der Sinneswahrnehmung entnommenen Ideen beginnend, dazu kommt, sich selbst bis zur Unendlichkeit auszudehnen, die, wie sehr sie auch mehr als alle anderen von irgend welcher sinnlichen Wahrnehmung entfernt scheinen mag, schließlich doch nichts enthält, was nicht aus einfachen Ideen bestände, die, durch die Sinne in das Bewußtsein gelangt, hier demnächst vermöge der Fähigkeit des Geistes, seine Ideen zu wiederholen, zusammengefügt sind: – obgleich, sage ich, dies Beispiele genug von einfachen Modis der einfachen Ideen aus der Sinneswahrnehmung sein und hinreichen möchte, um zu zeigen, wie der Geist zu deren Besitz gelangt, werde ich doch, um methodisch zu verfahren, in der Kürze noch über einige mehr Auskunft geben, und dann zu komplexeren Ideen weiter gehen.
§ 2. Gleiten, rollen, stürzen, gehen, kriechen, laufen, tanzen, springen, hüpfen, und noch viele andere, die sich nennen ließen, sind Wörter, die niemand der Englisch versteht, hören kann, ohne sofort deutliche Ideen im Sinne zu haben, die alle nur verschiedene Modalitäten der Bewegung sind. Modi der Bewegung entsprechen denen der Ausdehnung; schnell und langsam sind zwei verschiedene Ideen von Bewegung, deren Maßstäbe aus einer Verbindung der Abstände von Zeit und Raum entnommen sind, deshalb sind sie komplexe Ideen, die Zeit und Raum mit der Bewegung zugleich umfassen.
§ 3. Modi von Tönen. – Dieselbe Mannigfaltigkeit haben wir bei den Tönen. Jedes artikulierte Wort ist eine besondere Modifikation des Tones, woraus wir erkennen, daß vermittelst des Gehörsinnes dem Geiste durch solche Modifikationen unterschiedene Ideen bis zu einer fast unbegrenzten Anzahl geliefert werden können. Abgesehen von dem verschiedenen Geschrei der Vögel und Tiere werden die Töne auch dadurch modifiziert, daß Noten von verschiedener Länge in mannigfacher Weise zusammengefügt werden, woraus die komplexe Idee, die man Melodie nennt, entsteht, und die ein Musiker, ohne überhaupt einen Ton zu hören oder hervorzubringen, im Sinne haben mag, wenn er auf die so stillschweigend in seiner Phantasie zusammengefügten Ideen solcher Töne reflektiert.
§ 4. Modi der Farben. – Auch die Farben sind sehr mannigfaltig; einige sehen wir als verschiedene Grade, oder wie der Kunstausdruck lautet – Schattierungen derselben Farbe an. Weil wir aber sehr selten, sei es zum Nutzen oder zum Vergnügen, Zusammenstellungen von Farben machen, ohne daß auch die Figur hinzugezogen würde, und ihren Anteil an der Sache hätte, wie beim Malen, Weben, Sticken etc., so gehören die, welche Beachtung finden, gewöhnlich zu den gemischten Modi, indem sie aus Ideen von verschiedener Art, z. ,B. Figur und Farbe, bestehen, wie Schönheit, Regenbogen etc.
§ 5. Modi des Geschmackes. – Alle zusammengesetzten Geschmacksarten und Gerüche sind auch aus den einfachen Ideen dieser Sinne gebildete Modi. Da wir für sie aber im allgemeinen keine Namen haben, so finden sie wenig Beachtung, und lassen sich nicht schriftlich bezeichnen; ich muß sie deshalb ohne Aufzählung dem Nachdenken und der Erfahrung meines Lesers überlassen.
§ 6. Gewisse einfache Modi haben keine Namen. – Im allgemeinen ist zu bemerken, daß solche einfache Modi, die nur für verschiedene Grade derselben einfachen Idee gelten, obgleich manche von ihnen an und für sich wohl unterschiedene Ideen sind, doch gewöhnlich keine besonderen Namen haben, und kaum als eigentümliche Ideen betrachtet werden, wo der Unterschied zwischen ihnen nur sehr gering ist. Ob diese Modi deshalb vernachlässigt worden sind, und keine Namen erhalten haben, weil es an Maßstäben zu ihrer genauen Unterscheidung fehlte, oder weil, wenn sie so unterschieden wären, die Kenntnis hievon nicht zu allgemeinem Nutzen und notwendigen Gebrauchszwecken gedient hätte, das überlasse ich dem Nachdenken anderer: für meinen Zweck genügt es zu zeigen, daß alle unsere einfachen Ideen nur durch Sinneswahrnehmung und Selbstbeobachtung in unser Bewußtsein gelangen, und daß, wenn der Geist sie besitzt, er sie in mannigfacher Weise wiederholen und zusammensetzen, und so neue komplexe Ideen bilden kann. Obgleich aber weiß, rot, oder süß etc. nicht durch verschiedene Kombinationen modifiziert, oder in komplexe Ideen verwandelt worden sind, die einen Namen erhalten, und dadurch zu Artbegriffen erhoben werden könnten, so sind doch manche andere der einfachen Ideen, nämlich die der Einheit, Dauer und Bewegung etc., die oben als Beispiele angeführt worden, wie auch Kraft und Denken, so zu einer großen Mannigfaltigkeit komplexer mit Namen belegter Ideen modifiziert worden.
§ 7. Warum einige Modi Namen haben und andere nicht. – Der Grund hievon liegt, wie ich glaube, darin, daß, weil der Verkehr der Menschen miteinander das größte Interesse für sie hatte, die Kenntnis der Menschen und ihrer Handlungen und deren Bezeichnung füreinander am notwendigsten war; deshalb bildeten sie von den Handlungen sehr fein modifizierte Ideen und gaben diesen komplexen Ideen Namen, damit sie die Dinge, womit sie täglich zu thun hatten, um so leichter im Gedächtnis behalten, und von ihnen ohne große Weitläuftigkeit und Umschreibungen reden könnten, und damit die Dinge, worüber sie beständig Auskunft zu geben und zu empfangen hatten, leichter und schneller verstanden werden möchten. Daß sich dieses so verhält, und daß die Menschen bei der Bildung und Benennung verschiedener komplexer Ideen vielfach durch den allgemeinen Zweck der Sprache (die ein sehr kurzer und bequemer Weg zur wechselseitigen Mitteilung ihrer Gedanken ist), geleitet worden sind, liegt in den Namen klar zu Tage, die in verschiedenen Gewerben für manche komplexe Ideen modifizierter, ihre Geschäfte betreffender Thätigkeiten erfunden worden und darauf angewendet sind, um bei den Anweisungen oder Verhandlungen darüber Zeit zu ersparen; Ideen, die nicht allgemein auch in den Köpfen solcher Menschen entstehen, die mit den fraglichen Thätigkeiten nicht vertraut sind. Und deshalb werden die dafür gebrauchten Wörter von dem größten Teile der dieselbe Sprache redenden Menschen nicht verstanden; z. ,B. colshire, Dieser Ausdruck findet sich in den gebräuchlichsten englisch-deutschen Wörterbüchern nicht. Drillen, Filtrieren, Cohobieren sind Wörter zur Bezeichnung gewisser komplexer Ideen, die selten irgend jemand sonst in den Sinn kommen als nur den wenigen, die durch ihre besondere Beschäftigung jeden Augenblick an sie erinnert werden; darum werden ihre Namen nicht allgemein verstanden, sondern nur von Schmieden und Chemikern, denen, weil sie die mit diesen Wörtern bezeichneten komplexen Ideen gebildet, und ihnen Namen gegeben oder von anderen überkommen haben, sobald sie in der Unterredung diese Namen hören, gleich die entsprechende Idee im Geiste vorschwebt, wie beim Hören des Wortes »cohobieren« alle einfachen Ideen von Destillation und dem Zurückgießen der von irgend etwas destillierten Flüssigkeit auf den übrig gebliebenen Stoff und der nochmaligen Destillation. So sehen wir, daß es eine große Mannigfaltigkeit einfacher Ideen, z. ,B. von Geschmacksarten und Gerüchen giebt, die keine Namen haben, und von Modi noch viel mehr; denen entweder, weil sie nicht allgemein genug beobachtet worden, oder weil ihre Beachtung in den Geschäften und im Verkehr der Menschen von keinem sonderlichen Nutzen ist, keine Namen gegeben worden, und die deshalb nicht für Arten gelten. Diesen Gegenstand ausführlicher zu behandeln, werden wir später Gelegenheit finden, wenn wir auf die Wörter zu reden kommen.