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Zweites Kapitel.
Dem Geiste sind keine Grundbegriffe angeboren.

§ 1. Der Nachweis des Weges, auf dem wir zu irgend welchem Wissen gelangen, genügt, um darzuthun, daß es nicht angeboren ist. – Bei manchen Leuten steht die Ansicht fest, daß der Verstand gewisse ihm angeborene Grundbegriffe enthalte, gewisse ursprüngliche Vorstellungen, χοιναϊ έννοιαι dem menschlichen Bewußtsein gleichsam aufgeprägte Schriftzüge, die die Seele bei ihrem ersten Eintritt in das Dasein empfange und mit sich in die Welt bringe. Um vorurteilsfreie Leser von der Unrichtigkeit dieser Annahme zu überzeugen, würde es genügen, wenn ich nur zeigte (was mir hoffentlich in den nächstfolgenden Teilen dieser Abhandlung gelingen wird), wie die Menschen bloß durch den Gebrauch ihrer natürlichen Fähigkeiten alles Wissen, das sie besitzen, ohne Beihilfe irgend welcher angeborenen Eindrücke erwerben, und ohne solche ursprünglichen Vorstellungen oder Grundbegriffe zur Gewißheit gelangen können. Denn ich denke, jedermann wird leicht zugeben, daß es ungereimt sein würde, die Ideen der Farben für einem Geschöpfe angeboren zu halten, dem Gott das Gesicht und die Kraft gegeben hat, sie vermittelst der Augen von äußeren Gegenständen zu empfangen; und nicht weniger unvernünftig wäre es, verschiedene Wahrheiten den Eindrücken der Natur und angeborenen Charakteren zuzuschreiben, wenn wir Fähigkeiten in uns wahrnehmen können, die uns in den Stand setzen, dieselben mit ebenso großer Leichtigkeit und Sicherheit zu erkennen, als wenn sie dem Geiste ursprünglich eingeprägt wären.

Weil es aber niemandem ohne Tadel gestattet ist, bei der Erforschung der Wahrheit seinen eigenen Gedanken zu folgen, wenn sie ihn auch nur ein wenig von der gemeinen Heerstraße ableiten, so werde ich die Gründe, die mich an der Wahrheit jener Meinung zweifeln ließen, zur Entschuldigung meines Irrtums auseinandersetzen für den Fall, daß ich mich in einem solchen befinde, was ich denen zu erwägen überlasse, die gleich mir entschlossen sind, sich die Wahrheit anzueignen, wo immer sie dieselbe finden.

§ 2. Das Hauptargument des allgemeinen Beifalls. – Nichts wird allgemeiner für zugestanden angenommen, als daß es gewisse sowohl spekulative wie praktische (denn von beiden ist die Rede) Grundsätze gebe, denen die ganze Menschheit stets und überall beistimme, die deshalb – so folgert man – notwendigerweise dauernde Eindrücke sein müßten, die die Seelen der Menschen bei ihrem ersten Eintritt in das Dasein empfingen, und die sie ebenso notwendig und thatsächlich mit sich in die Welt brächten, wie irgend eine der ihnen innewohnenden Fähigkeiten.

§ 3. Der allgemeine Beifall beweist nicht das Angeborensein. – Dieses von dem allgemeinen Beifall hergenommene Argument ist insofern ein unglückliches, als, wenn es thatsächlich wahr wäre, daß es gewisse von allen Menschen anerkannte Wahrheiten gebe, darin kein Beweis für deren Angeborensein liegen würde, wenn sich auf irgend welche andere Weise zeigen ließe, wie die Menschen zu jener allgemeinen Übereinstimmung in den Sachen, worüber sie einer Meinung sind, kommen mögen; und ich denke, das läßt sich thun.

§ 4. Den Sätzen: »was ist, das ist«, und: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein«, wird nicht allgemein zugestimmt. – Was aber noch schlimmer ist, dieses Argument vom allgemeinen Beifall, dessen man sich bedient, um die Existenz angeborener Grundsätze zu beweisen, scheint mir vielmehr zu zeigen, daß es solche nicht giebt, weil es keine giebt, denen die ganze Menschheit stets und überall beistimmte. Ich werde mit den spekulativen beginnen, und als Beispiel die gepriesenen Grundlagen des Beweisens: »was ist, das ist«, und: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein«, benutzen, die, wie ich glaube, unter allen anderen den am meisten anerkannten Anspruch auf Angeborenheit haben. Ihr Ruf als allgemein angenommene Axiome steht so fest, daß es ohne Zweifel für seltsam gelten wird, wenn irgend jemand daran zu zweifeln scheint. Dennoch nehme ich mir die Freiheit zu sagen, daß diese Sätze soweit davon entfernt sind, allgemeinen Beifall zu finden, daß es einen großen Teil der Menschheit giebt, denen sie nicht einmal bekannt sind.

§ 5. Sie sind dem Geiste nicht von Natur eingeprägt, weil sie den Kindern, Idioten etc. nicht bekannt sind. – Denn erstens liegt es auf der Hand, daß alle Kinder und Idioten nicht den geringsten Begriff oder Gedanken von ihnen haben, und dieser Mangel genügt, um den allgemeinen Beifall zu vernichten, der notwendig der unausbleibliche Begleiter aller angeborenen Wahrheiten sein muß; denn es scheint mir fast ein Widerspruch darin zu liegen, wenn man sagen wollte, es gebe der Seele eingeprägte Wahrheiten, die sie nicht bemerke oder verstehe, da das Einprägen, wenn es überhaupt einen Sinn hat, nur darin bestehen kann, daß die Erkenntnis gewisser Wahrheiten bewirkt wird. Denn daß dem Geiste etwas eingeprägt werde, ohne daß es ihm zum Bewußtsein käme, scheint mir kaum verständlich zu sein. Wenn deshalb Kinder und Idioten Seelen haben, oder einen Geist besitzen, die mit solchen Eindrücken versehen sind, so müssen sie diese unausbleiblich bemerken, sie müssen diese Wahrheiten notwendig erkennen und ihnen beipflichten, und da sie das nicht thun, giebt es augenscheinlich solche Eindrücke nicht. Denn wenn es keine von Natur eingeprägte Vorstellungen sind, wie können sie dann angeboren sein? und, wenn es eingeprägte Vorstellungen sind, wie können sie dann unbekannt sein? Sagen, daß eine Vorstellung dem Geiste eingeprägt sei, und doch zugleich behaupten, daß der Geist kein Bewußtsein von ihr habe, und sie noch niemals beachtete, heißt, ihre Einprägung zunichte machen. Von keinem Satze, der dem Geiste noch niemals bekannt gewesen ist, dessen er sich noch niemals bewußt geworden, kann man sagen, daß er in ihm enthalten sei. Denn, wenn das bei einem zulässig ist, dann darf man aus demselben Grunde von allen wahren Sätzen, denen der Geist jemals zustimmen mag, behaupten, sie seien in ihm enthalten und ihm eingeprägt; indem, wenn sich von irgend einem, der dem Geiste bisher unbekannt geblieben, sagen läßt, er sei in ihm enthalten, dies nur deshalb gestattet sein kann, weil der Geist fähig ist, ihn kennen zu lernen, und dies von allen Wahrheiten gilt, die er jemals einsehen wird. Ja, auf die Art können dem Geiste Wahrheiten eingeprägt sein, die er niemals gewußt hat, noch jemals wissen wird; denn jemand kann lange in der Unkenntnis mancher Wahrheiten leben, und endlich darin sterben, zu deren Erkenntnis, und zwar mit Sicherheit, sein Geist befähigt war. So daß, wenn die behauptete Einprägung von Natur in der Möglichkeit des Wissens besteht, alle Wahrheiten, zu deren Erkenntnis einer jemals gelangt, aus diesem Grunde Stück für Stück angeboren sein werden; und dieser Hauptpunkt wird auf nichts mehr als eine recht unpassende Ausdrucksweise hinauslaufen, die, während sie das Gegenteil zu behaupten vorgiebt, nur dasselbe sagt, wie die, welche angeborene Grundbegriffe leugnen. Denn niemand hat, meine ich, jemals geleugnet, daß der Geist fähig sei, manche Wahrheiten zu erkennen. Die Fähigkeit, heißt es, ist angeboren, das Wissen ist erworben. Wozu soll denn aber dieser Kampf für gewisse angeborene Axiome dienen? Wenn Wahrheiten dem Verstande eingeprägt sein können, ohne daß sie bemerkt werden, so sehe ich nicht ein, daß zwischen den Wahrheiten, zu deren Erkenntnis der Geist fähig ist, hinsichtlich ihres Ursprungs irgend ein Unterschied bestehen könnte; sie müssen alle angeboren, oder alle erworben sein; vergeblich würde man versuchen, hier einen Unterschied zu machen. Wer von angeborenen Gedanken im Verstande spricht, kann deshalb (wenn er darunter eine besondere Art von Wahrheiten versteht) nicht meinen, daß der Verstand solche Wahrheiten enthalte, die er noch niemals erfaßt hat, und die ihm noch völlig unbekannt sind. Denn, wenn diese Worte (im Verstande enthalten sein) irgendwie zutreffend sind, so bedeuten sie »verstanden werden«, so daß »im Verstande enthalten sein und nicht verstanden werden«, »im Geiste enthalten sein und niemals bemerkt werden«, ganz dasselbe ist, als wenn jemand sagte, etwas sei und sei zugleich nicht im Geiste oder Verstande. Wenn also diese beiden Sätze: »was ist, das ist«, und: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein«, uns von Natur eingeprägt sind, so können sie den Kindern nicht unbekannt sein. Kleine Kinder und alle beseelten Wesen müssen sie notwendig in ihrem Verstande haben, ihre Wahrheit einsehen und denselben beipflichten.

§ 6. Erwiderung darauf, daß sie den Menschen bewußt werden, sobald diese zum Gebrauch ihrer Vernunft gelangen. Um dieser Folgerung zu entgehen, erwidert man gewöhnlich, daß alle Menschen sie einsehen und ihnen beipflichten, sobald sie zum Gebrauch ihrer Vernunft kommen, und daß dies genüge, um ihr Angeborensein zu beweisen. Darauf entgegne ich:

§ 7. Zweifelhafte Ausdrücke, die kaum irgend welchen Sinn haben, gelten bei denen für klare Gründe, die, weil sie voreingenommen sind, sich nicht die Mühe geben, auch nur das zu prüfen, was sie selbst sagen. Denn damit diese Antwort sich mit irgend einem erträglichen Sinn auf unser gegenwärtiges Thema anwenden lasse, muß sie eins von beiden folgenden Dingen bedeuten: entweder daß, sobald die Menschen zum Gebrauch ihrer Vernunft gelangen, jene vermeintlich angeborenen Inschriften ihnen bekannt und von ihnen wahrgenommen werden, oder aber daß der Gebrauch und die Übung ihrer Vernunft den Menschen bei der Entdeckung jener Grundsätze behilflich sind, und sie ihnen gewiß bekannt machen.

§ 8. Wenn die Vernunft sie entdeckte, so würde dadurch ihr Angeborensein nicht bewiesen. – Wenn man glaubt, daß die Menschen jene Grundsätze durch den Gebrauch ihrer Vernunft entdecken können, und daß dies genüge, um deren Angeborensein zu beweisen, so liegt darin folgende Schlußfolgerung, nämlich: daß alle Wahrheiten, die die Vernunft uns mit Gewißheit offenbaren, und wofür sie unsere feste Zustimmung gewinnen kann, dem Geiste von Natur eingeprägt seien, indem der allgemeine Beifall, der als Kennzeichen derselben dienen soll, auf nicht mehr als darauf hinausläuft, daß wir imstande sind, durch den Gebrauch der Vernunft zu einer sicheren Kenntnis ihrer zu gelangen und ihnen beizupflichten; und hienach giebt es keinen Unterschied zwischen den Axiomen der Mathematiker und den daraus von ihnen abgeleiteten Lehrsätzen; alle müssen gleichermaßen für angeboren gelten, weil alle mit Hilfe der Vernunft entdeckt worden sind, und ihre Wahrheit von einem vernünftigen Geschöpfe sicher erkannt werden kann, wenn es sein Denkvermögen auf diesen Gegenstand recht anwendet.

§ 9. Daß die Vernunft sie entdecke, ist nicht wahr. – Aber wie kann man glauben, daß der Gebrauch der Vernunft zur Entdeckung von Grundsätzen nötig sei, die für angeboren gelten, wenn die Vernunft (wie man uns lehrt) nur das Vermögen ist, unbekannte Wahrheiten aus schon bekannten Grundbegriffen oder Sätzen abzuleiten? Zu wessen Entdeckung wir die Vernunft nötig haben, das kann sicherlich niemals für angeboren gelten, sonst werden uns, wie gesagt, alle sicheren Wahrheiten, die wir jemals durch die Vernunft kennen lernen, dafür gelten müssen. Wir könnten ebenso gut den Gebrauch der Vernunft für erforderlich halten, damit unsere Augen sichtbare Gegenstände wahrnehmen, als daß die Vernunft oder deren Anwendung nötig sein sollten, damit der Verstand etwas gewahr werde, was ihm ursprünglich eingeprägt ist, und nicht früher im Verstande enthalten sein kann, als es von ihm aufgefaßt wird. Läßt man demnach die Vernunft jene so eingeprägten Wahrheiten entdecken, dann sagt man, durch den Gebrauch der Vernunft werde jemandem etwas offenbar, was er schon vorher wußte; und wenn die Menschen jene bei der Geburt ihnen eingeprägten Wahrheiten ursprünglich und vor jedem Vernunftgebrauch besitzen, sich aber doch in beständiger Unkenntnis derselben befinden, bis sie zum Gebrauch ihrer Vernunft gelangen, so heißt das effektiv nichts anderes, als daß sie dieselben zu gleicher Zeit wissen und nicht wissen.

§ 10. Vielleicht wird man hier einwenden, daß mathematische Lehrsätze und andere nicht angeborene Wahrheiten nicht, sobald sie vorgetragen werden, auch gleich Beifall finden, und daß sie sich hiedurch von den Axiomen und anderen angeborenen Wahrheiten unterscheiden. Ich werde später Gelegenheit finden, mich über den sofortigen Beifall näher zu äußern. Hier will ich nur, und zwar bereitwilligst, zugeben, daß zwischen den Axiomen und den mathematischen Lehrsätzen folgender Unterschied besteht: die einen haben es nötig, daß die Vernunft mit Hilfe von Beweisen sie entwickele und unsere Zustimmung dafür gewinne; die anderen dagegen finden, sobald sie verstanden sind, ohne die geringste Entwickelung von Gründen, Annahme und Beifall. Aber zugleich erlaube ich mir zu bemerken, daß hier die Schwäche jener Ausflucht zu Tage tritt, die zur Entdeckung solcher allgemeinen Wahrheiten den Vernunftgebrauch erfordert, weil man zugeben muß, daß bei ihrer Entdeckung von einer Begründung ganz und gar kein Gebrauch gemacht wird. Und die, welche jenen Einwand erheben, werden sich, denke ich, doch nicht beeilen, zu versichern, daß die Erkenntnis des Axioms: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein«, auf einer Deduktion unserer Vernunft beruhe. Denn es hieße, die Güte der Natur, von der sie so viel zu halten scheinen, zerstören, wenn sie die Erkenntnis jener Grundsätze von unserer Gedankenarbeit abhängig machen wollten. Denn alles Beweisen mit Gründen setzt Nachforschung und Überlegung voraus, und erfordert Mühe und Anstrengung. Und wie läßt sich in irgend einem erträglichen Sinne annehmen, daß es des Gebrauches der Vernunft bedürfen könne, um das zu entdecken, was uns als Grundlage und Leitstern unserer Vernunft von Natur eingeprägt worden ist?

§ 11. Wer sich die Mühe geben will, mit etwas Aufmerksamkeit über die Verstandesthätigkeiten nachzudenken, der wird finden, daß der sofortige Beifall, den der Verstand gewissen Wahrheiten schenkt, weder auf einer angeborenen Einprägung derselben, noch auf dem Gebrauch der Vernunft beruht, sondern – wie wir später sehen werden – auf einem von beiden völlig verschiedenen geistigen Vermögen. Weil die Vernunft deshalb nichts damit zu thun hat, daß diese Axiome unsere Zustimmung finden, so ist es gänzlich falsch, wenn man sagt, daß die Menschen sie erkennen und ihnen beipflichten, sobald sie zum Gebrauch ihrer Vernunft gelangen, falls damit gemeint ist, daß der Gebrauch der Vernunft uns bei der Erkenntnis dieser Axiome behilflich sei; wäre es aber wahr, dann würde ihr Angeborensein dadurch nicht bewiesen werden.

§ 12. Die Zeit, wann wir zum Gebrauch der Vernunft gelangen, ist nicht die der Erkenntnis jener Axiome. – Wenn mit der Behauptung, daß wir sie erkennen und ihnen beipflichten, sobald wir zum Gebrauch der Vernunft gelangen, gemeint ist, daß dies der Zeitpunkt sei, zu welchem wir uns ihrer bewußt werden, und daß, sobald wie Kinder zum Gebrauch der Vernunft gelangen, sie auch dazu kommen, jene Axiome zu erkennen und ihnen beizupflichten, so ist auch das falsch und gedankenlos. Erstens ist es darum falsch, weil ein Bewußtsein dieser Axiome nicht so früh eintritt, wie der Gebrauch der Vernunft, und deshalb der Beginn des Vernunftgebrauchs mit Unrecht als die Zeit ihrer Entdeckung bezeichnet wird. Wie viele Beispiele des Vernunftgebrauchs können wir nicht bei Kindern beobachten lange Zeit, bevor sie irgend welche Kenntnis des Axioms haben: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein!« Und ein großer Teil der ungebildeten Leute und der Wilden verbringen viele Jahre auch ihres vernünftigen Lebensalters, ohne jemals an diesen oder ähnliche allgemeine Sätze zu denken. Ich räume ein, daß die Menschen zur Erkenntnis dieser allgemeinen und sehr abstrakten Wahrheiten, die man für angeboren hält, nicht eher gelangen, als bis sie ihre Vernunft gebrauchen lernen, und füge hinzu: auch dann noch nicht. Das verhält sich so, weil erst nach dem Eintritt des Vernunftgebrauchs im Geiste sich die allgemeinen abstrakten Ideen bilden, worauf jene allgemeinen Axiome sich beziehen, die man irrtümlich für angeborene Grundsätze hält, während sie in der That Entdeckungen sind, die ebenso gemacht, und Wahrheiten, die ebenso in das Bewußtsein eingeführt und gebracht, und durch dieselben Schritte gefunden werden, wie manche andere Sätze, die für angeboren zu halten, niemals jemand extravagant genug gewesen ist. Das hoffe ich im weiteren Verlaufe dieser Abhandlung klar zu machen. Ich räume demnach die Notwendigkeit ein, daß die Menschen zum Gebrauch der Vernunft kommen müssen, bevor sie sich jener allgemeinen Wahrheiten bewußt werden, leugne aber, daß der Beginn des Vernunftgebrauchs bei den Menschen der Zeitpunkt ihrer Entdeckung sei.

§ 13. Dadurch unterscheiden sie sich nicht von anderen erkennbaren Wahrheiten. – Bemerkenswert ist indessen, daß die Behauptung: die Menschen erkennen diese Axiome und pflichten ihnen bei, wenn sie zum Gebrauch ihrer Vernunft gelangen, tatsächlich auf nicht mehr als darauf hinausläuft, daß sie vor dem Beginn des Vernunftgebrauches niemals erkannt oder beachtet werden, später dagegen während der Lebenszeit eines jeden ihnen möglicherweise beigepflichtet werden mag, wobei jedoch das Wann unbestimmt bleibt; und dasselbe kann mit allen anderen erkennbaren Wahrheiten so gut geschehen wie mit diesen, die also durch dieses Merkmal, daß sie uns bekannt werden, wenn wir zum Vernunftgebrauch gelangen, weder vor anderen etwas voraus haben, noch von ihnen unterschieden sind, auch sich dadurch nicht als angeboren erweisen, sondern gerade das Gegenteil.

§ 14. Wenn der Beginn des Vernunftgebrauches der Zeitpunkt ihrer Entdeckung wäre, so würde das sie nicht als angeboren erweisen. – Wäre es aber zweitens wahr, daß die Zeit ihres Bekannt- und Angenommenwerdens gerade dann einträte, wenn die Menschen zum Vernunftgebrauch gelangen, so würde auch das sie nicht als angeboren erweisen. Diese Schlußfolgerung ist ebenso leichtfertig wie ihre Voraussetzung selbst falsch ist. Denn durch welche Art von Logik wird es einleuchtend, daß irgend ein Gedanke dem Geiste bei seiner ersten Bildung ursprünglich von Natur eingeprägt sein muß, weil er zuerst beachtet wird und Beifall findet, wenn ein geistiges Vermögen, das einen ganz verschiedenen Wirkungskreis hat, seine Thätigkeit beginnt? Und deshalb wäre der Beginn des Gebrauchs der Sprache, falls man den als die Zeit betrachten wollte, wann den Axiomen zuerst beigepflichtet wird (was er gerade so gut sein könnte, wie der Beginn des Vernunftgebrauches), ein ebenso guter Beweis dafür, daß diese angeboren seien, als sich sagen läßt, sie seien angeboren, weil die Menschen ihnen beipflichten, sobald sie zum Gebrauch ihrer Vernunft kommen. Ich stimme also mit den Verteidigern der angeborenen Grundsätze darin überein, daß jene allgemeinen und von selbst einleuchtenden Axiome dem Geiste nicht bewußt werden, bevor er zum Vernunftgebrauch gelangt, ich leugne aber, daß der Beginn des Vernunftgebrauches genau der Zeitpunkt ist, wann sie zuerst erkannt werden, und wäre er der genaue Zeitpunkt dafür, so leugne ich, daß sie dadurch als angeboren erwiesen würden. Alles, was unter dem Satze, daß die Menschen ihnen beipflichten, wenn sie zum Vernunftgebrauch kommen, irgendwie in Wahrheit gemeint sein kann, ist nur, daß, weil die Bildung allgemeiner abstrakter Ideen und das Verständnis allgemeiner Namen die Fähigkeit zum vernünftigen Denken begleiten und mit ihr heranwachsen, die Kinder gewöhnlich jene allgemeinen Ideen nicht erfassen, und deren Namen nicht erlernen, bevor sie ihre Vernunft eine Zeitlang an alltäglichen und mehr partikularen Ideen geübt haben, und infolgedessen wegen ihrer ordentlichen Weise, mit anderen zu reden und zu verkehren, für befähigt zu einer vernünftigen Unterhaltung gelten. Wenn es auf irgend welche andere Art wahr sein kann, daß die Menschen den Axiomen beipflichten, sobald sie zum Vernunftgebrauch gelangt sind, so möge man mir das nachweisen, oder wenigstens, wie dadurch in diesem oder irgend einem anderen Sinne ihr Angeborensein bewiesen wird.

§ 15. Durch welche Schritte der Geist zu mannigfacher Erkenntnis gelangt. – Zuerst lassen die Sinne partikulare Ideen ein und statten damit das noch leere Kabinett aus, und wenn der Verstand nach und nach mit manchen von ihnen vertraut geworden, dann werden sie in dem Gedächtnis untergebracht und mit Namen versehen. Hernach abstrahiert der Verstand in weiterem Fortschritt aus ihnen Begriffe und lernt allmählich den Gebrauch allgemeiner Namen. Auf diese Art wird der Geist mit Ideen und Sprache ausgestattet, den Materialien, woran er sein Denkvermögen üben kann, und der Vernunftgebrauch wird täglich um so sichtbarer, je mehr diese Materialien, die ihr Beschäftigung geben, sich anhäufen. Obgleich aber der Besitz allgemeiner Ideen und der Gebrauch allgemeiner Wörter und der Vernunft gewöhnlich miteinander wachsen, so sehe ich doch nicht ab, inwiefern dies irgendwie ihr Angeborensein beweist. Ich gebe zu, daß die Kenntnis gewisser Wahrheiten sich sehr früh im Geiste findet, aber in einer Weise, die zeigt, daß diese nicht angeboren sind. Denn wenn wir genau zusehen, so werden wir immer finden, daß sie nicht angeborene, sondern erworbene Ideen betrifft, und zwar zuerst solche, die von äußeren Dingen herrühren, womit Kinder am frühesten zu thun haben, die am häufigsten Eindruck auf ihre Sinne machen. An den so erworbenen Ideen entdeckt der Geist, daß einige übereinstimmen und andere sich unterscheiden, vermutlich, sobald er zu irgend welchem Gebrauche des Gedächtnisses gelangt und fähig ist, verschiedene Ideen zu behalten und wahrzunehmen. Mag es aber alsdann geschehen oder nicht, so viel ist gewiß, er thut das viel früher, als er Worte gebrauchen lernt, oder zu dem gelangt, was man gewöhnlich Vernunftgebrauch nennt. Denn ein Kind kennt, bevor es sprechen kann, ebenso gewiß den Unterschied zwischen den Ideen von süß und bitter (d. h. daß süß nicht bitter ist), wie es nachher (wenn es sprechen gelernt hat) weiß, daß Wermut und Zuckerkörner nicht dasselbe Ding sind.

§ 16. Ein Kind weiß nicht, daß drei und vier gleich sieben sind, bevor es bis sieben zählen kann, und den Namen wie die Idee der Gleichheit gewonnen hat, und dann pflichtet es der Wahrheit jenes Satzes bei, oder vielmehr es erkennt sie, nachdem ihm dessen Worte erklärt worden sind. Aber es giebt dann weder seine Zustimmung deshalb bereitwillig, weil er eine angeborene Wahrheit ist, noch auch fehlte dieselbe bis dahin, weil ihm der Vernunftgebrauch mangelte, vielmehr leuchtet ihm die Wahrheit desselben ein, sobald es die mit jenen Namen bezeichneten Ideen klar und deutlich in sein Bewußtsein aufgenommen hat, und dann erkennt es die Wahrheit jenes Satzes aus denselben Gründen und durch dieselben Mittel, vermöge welcher es früher wußte, daß eine Rute und eine Kirsche nicht dasselbe Ding sind, und auch aus denselben Gründen, woher ihm später bekannt werden mag, daß »kein Ding zugleich sein und nicht sein kann«, wie weiterhin näher gezeigt werden soll. Je später demnach jemand dazu kommt, die allgemeinen Ideen aufzufassen, womit jene Axiome sich beschäftigen, oder die Bedeutung der allgemeinen Ausdrücke zu verstehen, die sie bezeichnen, oder die von diesen Ausdrücken vertretenen Ideen in seinem Geiste zusammen zu fügen, um so später wird er auch dazu gelangen, den Axiomen beizupflichten; denn da deren Ausdrücke nebst den Ideen, die sie bezeichnen, nicht mehr angeboren sind als die einer Katze oder eines Wiesels, so muß er warten, bis die Zeit und die Beobachtung ihn damit bekannt gemacht haben, und dann wird er imstande sein, die Wahrheit jener Axiome bei der ersten Gelegenheit zu erkennen, die ihn veranlaßt, jene Ideen in seinem Bewußtsein nebeneinander zu stellen und zu beobachten, ob sie übereinstimmen oder verschieden sind, je nachdem das eine oder das andere in den fraglichen Sätzen ausgesprochen ist. Deshalb ist es für einen Mann ebenso von selbst einleuchtend, daß achtzehn und neunzehn zusammen gleich siebenunddreißig sind, wie daß eins und zwei gleich drei sind, während ein Kind das eine nicht so früh wie das andere erkennt, nicht weil ihm der Vernunftgebrauch fehlte, sondern weil die mit den Wörtern achtzehn, neunzehn und siebenunddreißig bezeichneten Ideen nicht so früh erworben werden, wie die mit eins, zwei und drei bezeichneten.

§ 17. Daß ein Satz Beifall findet, sobald er vorgetragen und verstanden ist, beweist nicht, daß er eine angeborene Wahrheit enthält. – Da also, wie wir gesehen haben, die Ausflucht von der allgemeinen Zustimmung, wenn die Menschen zum Vernunftgebrauch gelangen, fehlschlägt, und zwischen den vermeintlich angeborenen und anderen Wahrheiten, die später erworben und gelernt werden, kein Unterschied übrigbleibt, so hat man versucht, für die sog. Axiome einen allgemeinen Beifall sicherzustellen, indem man sagt: ihnen werde allgemein beigepflichtet, sobald sie vorgetragen, und die Ausdrücke, worin das geschehe, verstanden seien. Da man sieht, daß alle Menschen, sogar Kinder, sobald sie die Ausdrücke hören und verstehen, diesen Sätzen beipflichten, so denkt man, das genüge, um sie als angeboren zu erweisen. Denn, weil die Menschen, nachdem sie einmal die Worte verstanden haben, nie verfehlen, sie als zweifellose Wahrheiten anzuerkennen, so schließt man, daß solche Sätze sicherlich dem Verstande von Anfang an eingepflanzt sein müssen, denen der Geist ohne irgend welche Belehrung bei dem allerersten Vortrag unmittelbar sich anschließt und zustimmt, und die er später niemals wieder bezweifelt.

§ 18. Wenn ein Beifall dieser Art ein Zeichen des Angeborenseins wäre, dann müßten auch die Sätze: »eins und zwei sind gleich drei«, »süß ist nicht bitter«, und tausend ähnliche angeboren sein. – In Erwiderung darauf frage ich: »ob es ein sicheres Kennzeichen eines angeborenen Grundsatzes ist, daß er beim ersten Hören und Verstehen der Ausdrücke sofort Beifall findet?« Wenn nicht, dann wird solch ein allgemeiner Beifall vergebens als Probe dafür geltend gemacht; sagt man aber, es sei ein Kennzeichen der Angeborenheit, dann muß man alle Sätze als angeboren anerkennen, die gewöhnlich Beifall finden, sobald jemand sie hört, und dabei wird man sich selbst mit angeborenen Grundsätzen reichlich versorgt finden. Denn aus demselben Grunde, weshalb man will, daß jene Axiome für angeboren gelten sollen, nämlich wegen des Beifalls, den sie bei dem ersten Hören und Verstehen der Ausdrücke finden, muß man auch eine Reihe von Sätzen über Zahlenverhältnisse für angeboren gelten lassen; daß eins und zwei gleich drei sind, daß zweimal zwei gleich vier ist, und eine Menge anderer ähnlicher auf Zahlen bezüglicher Sätze, denen jeder beim ersten Hören und Verstehen der Ausdrücke beistimmt, müssen sonach unter diesen angeborenen Axiomen Platz finden. Auch gilt dies nicht allein von den Zahlen und Sätzen, die sich auf deren Verhältnisse beziehen, sondern selbst die Naturkunde und alle anderen Wissenschaften bieten uns Sätze dar, die sicher Beifall finden, sobald sie verstanden sind. Daß zwei Körper sich nicht in demselben Raume befinden können, ist eine Wahrheit, vor deren Annahme sich niemand länger bedenkt als bei den. Axiomen, »daß kein Ding zugleich sein und nicht sein kann, daß weiß nicht schwarz, daß ein Viereck kein Kreis, daß bitter nicht süß ist.« Diesen und einer Million anderen eben solchen Sätzen, wenigstens so vielen, wie wir unterschiedene Ideen haben, muß jedermann, der bei gesundem Verstande ist, notwendig beistimmen, sobald er sie hört und weiß, was die Worte bedeuten. Wenn man der selbstaufgestellten Regel treu bleiben und den Beifall beim ersten Hören und Verstehen der Ausdrücke als Kennzeichen des Angeborenseins festhalten will, so muß man nicht nur so viele angeborene Wahrheiten zulassen, wie die Menschen unterschiedene Ideen haben, sondern so viele, wie sie Sätze bilden können, worin unterschiedene Ideen voneinander verneint werden. Denn jeder Satz, worin eine von einer anderen verschiedene Idee von dieser verneint wird, wird ebenso gewiß beim ersten Hören und Verstehen der Ausdrücke Beifall finden, wie der allgemeine Satz: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein«, oder der, welcher diesen begründet, und von beiden der leichter verständliche ist: »Dasselbe ist nicht etwas anderes«; und aus diesem Grunde wird man Legionen angeborener Wahrheiten allein von dieser Art haben; anderer gar nicht zu gedenken. Weil aber kein Satz angeboren sein kann, wenn nicht die Ideen, die er betrifft, angeboren sind, so heißt das so viel, wie alle unsere Ideen von Farben, Tönen, Geschmack, Gestalt u. s. w., für angeboren halten, was der Vernunft und Erfahrung so sehr wie nur sonst irgend etwas zuwiderlaufen würde. Allgemeiner und sofortiger Beifall nach dem Hören und Verstehen der Ausdrücke ist, wie ich zugebe, ein Kennzeichen des von selbst einleuchtenden, aber weil das Vonselbsteinleuchten nicht auf angeborenen Eindrücken, sondern (wie weiterhin gezeigt werden wird) auf etwas anderem beruht, so kommt es vielen Sätzen zu, die noch niemand extravagant genug gewesen ist, für angeboren auszugeben.

§ 19. Solche weniger allgemeinen Sätze werden früher erkannt als die universalen Axiome. – Auch darf man nicht sagen, daß die mehr partikularen von selbst einleuchtenden Sätze, die beim ersten Hören Beifall finden – wie daß eins und zwei gleich drei sind, daß grün nicht rot ist etc. – als Folgerungen aus den allgemeineren Sätzen angenommen werden, die man für angeborene Prinzipien ansieht; weil jeder, der sich nur die Mühe geben will, die Vorgänge im Bewußtsein zu beobachten, gewiß finden wird, daß diese und ähnliche weniger allgemeine Sätze von Personen mit Sicherheit erkannt und fest bejaht werden, die sich über jene allgemeinen Axiome in völliger Unwissenheit befinden, also letzteren den Beifall, der ihnen beim ersten Hören zu teil wird, nicht verdanken können, da sie früher als jene (sogenannten) obersten Prinzipien im Bewußtsein auftreten.

§ 20. Erwiderung darauf, daß Sätze wie: »eins und eins sind gleich zwei« etc. weder allgemein noch nützlich seien. – Wenn man sagt, daß solche Sätze wie: »zwei und zwei sind gleich vier«, »rot ist nicht blau« etc. weder allgemeine Axiome noch von großem Nutzen seien, so erwidere ich, daß dies für das Argument aus dem allgemeinen Beifall nach dem Hören und Verstehen nichts ausmacht. Denn wenn hierin das sichere Kennzeichen des Angeborenseins liegt, so muß jeder auffindbare Satz, dem, sobald er gehört und verstanden ist, allgemeiner Beifall zu teil wird, ebensogut für eine angeborene Wahrheit gelten, wie das Axiom: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein«, weil beide in dieser Rücksicht einander gleich stehen. Und was den Unterschied der größeren Allgemeinheit anbetrifft, so bewirkt die, daß das Angeborensein jenem Axiome ferner liegt, denn jene allgemeinen und abstrakten Ideen sind für unsere Auffassung anfangs fremder als die der mehr partikularen von selbst einleuchtenden Sätze, und es dauert deshalb länger, bis sie von dem heranwachsenden Verstande zugelassen und bestätigt werden. Was endlich den Nutzen dieser gepriesenen Axiome anbelangt, so wird sich der, wenn wir ihn gehörigen Orts näher in Betracht ziehen werden, vielleicht nicht als so groß zeigen, wie man gewöhnlich annimmt.

§ 21. Daß diese Axiome mitunter unbekannt bleiben, bis sie mitgeteilt werden, zeigt, daß sie nicht angeboren sind. – Aber wir sind mit der Billigung von Sätzen beim ersten Hören und Verstehen ihrer Worte noch nicht zu Ende; zunächst müssen wir noch Notiz davon nehmen, daß darin anstatt eines Kennzeichens für ihr Angeborensein vielmehr ein Beweis des Gegenteils liegt, weil es voraussetzt, daß manche, die andere Dinge verstehen und wissen, dieser Prinzipien unkundig bleiben, bis sie ihnen vorgetragen werden, und daß jemand von diesen Wahrheiten nicht eher Kenntnis erhalten mag, als er sie von anderen erfährt. Denn wenn sie angeboren wären, wie könnten sie es dann nötig haben, erst vorgetragen zu werden, um Beifall zu finden, da sie doch infolge einer natürlichen und ursprünglichen Einprägung (wenn es eine solche gäbe) schon vorher bekannt sein müßten? Oder prägt ihr Vortrag sie dem Geiste deutlicher ein als die Natur? Wäre das der Fall, so würde folgen, daß jemand, nachdem er dadurch belehrt worden, sie besser als vorher verstände. Und daraus würde sich ergeben, daß diese Grundsätze uns durch Belehrung von seiten anderer einleuchtender gemacht werden könnten, als die Natur sie durch ihre Einprägung gemacht hat, was zu der Hochschätzung der angeborenen Prinzipien schlecht passen und ihnen nur geringes Ansehen verleihen, ja sogar im Gegenteil sie ungeeignet machen würde, allem unseren anderen Wissen als Grundlage zu dienen, was sie doch thun sollen. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Menschen mit vielen dieser von selbst einleuchtenden Wahrheiten zuerst durch ihren Vortrag bekannt werden; es ist aber klar, daß jeder, dem dies widerfährt, in sich selber wahrnimmt, daß ihm alsdann ein bisher unbekannter Satz bewußt zu sein anfängt, den er fortan niemals bezweifelt, nicht weil er ihm angeboren war, sondern weil die Betrachtung der Natur der in dessen Worten enthaltenen Dinge ihm nicht erlaubt, anders zu denken, wie oder wann immer er veranlaßt wird, ihnen seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Und wenn alles, was beim ersten Hören und Verstehen der Ausdrücke Beifall findet, für einen angeborenen Grundsatz gelten muß, so muß jede wohlbegründete Beobachtung, die aus den einzelnen Vorfällen zu einer allgemeinen Regel erhoben ist, angeboren sein; obgleich es gewiß ist, daß nicht alle, sondern nur scharfsinnige Köpfe zuerst auf solche Beobachtungen geraten und sie auf allgemeine Sätze zurückführen, die ihnen nicht angeboren waren, sondern aus voraufgehender Erfahrung und Nachdenken über einzelne Beispiele allmählich gefolgert wurden. Wenn aufmerksame Leute diese gebildet haben, so können auch unaufmerksame, denen sie vorgetragen werden, ihren Beifall ihnen nicht versagen.

§ 22. Daß Wahrheiten vor ihrer Mitteilung implicite bekannt seien, heißt nichts anderes, als daß der Geist fähig sei, sie zu verstehen. – Wenn man sagt, der Verstand habe vor dem ersten Hören zwar noch nicht explicite, wohl aber schon implicite von gewissen Grundsätzen Kenntnis (und das müssen die thun, welche behaupten, diese seien im Geiste, bevor sie erkannt würden), so ist es schwer zu begreifen, was man sich unter einem Grundsatz denkt, der dem Verstande implicite eingeprägt sei, es sei denn dies, daß der Geist fähig sei, solche Sätze zu verstehen und ihnen beizupflichten. Somit müßten alle mathematischen Beweise so gut wie die obersten Grundsätze für dem Geiste von Natur eingeprägt gelten, was doch, wie ich fürchte, von denen kaum zugegeben werden wird, die es schwerer finden, einen Satz zu beweisen, als ihm beizupflichten, wenn er bewiesen ist. Und wenig Mathematiker werden bereit sein zu glauben, daß alle Figuren, die sie gezeichnet haben, nur Kopien der angeborenen Charaktere waren, die ihrem Geiste die Natur eingeprägt hatte.

§ 23. Das Argument vom Beifall beim ersten Hören beruht auf der falschen Voraussetzung, daß kein Erlernen voraufgehe. – Das besprochene Argument hat ferner, fürchte ich, die schwache Seite, daß es uns glauben machen will, die Axiome, die beim ersten Hören von den Menschen angenommen würden, seien deshalb für angeboren zu halten, weil die Hörer Sätzen beistimmten, die ihnen nicht gelehrt würden und die sie nicht kraft irgend einer Begründung oder eines Beweises annähmen, sondern lediglich infolge der Erklärung oder des Verständnisses der Ausdrücke. Darin scheint mir die Täuschung zu liegen, daß man annimmt, es werde nicht irgend etwas de novo den Menschen gelehrt oder von ihnen gelernt, während in der That ihnen etwas gelehrt wird und sie etwas lernen, was sie vorher nicht wußten. Denn zunächst ist es augenscheinlich, daß sie die Ausdrücke und deren Bedeutung gelernt haben, wovon weder jene noch diese ihnen angeboren waren. Aber das ist noch nicht alles in diesem Falle erworbene Wissen; die Ideen selbst, worauf der Satz sich bezieht, sind ihnen ebensowenig angeboren wie deren Namen, sondern später erworben. Wenn somit in allen Sätzen, die beim ersten Hören Zustimmung finden, weder die Ausdrücke derselben, noch daß diese gewisse Ideen bedeuten, noch die Ideen selbst, die sie bedeuten, angeboren sind, dann möchte ich wohl wissen, was noch von Angeborenem in solchen Sätzen übrigbleibt. Denn es wäre mir lieb, falls mir jemand einen Satz bezeichnen wollte, dessen Ausdrücke oder Ideen – auch nur die einen von beiden – angeboren wären. Wir erwerben uns nach und nach Ideen und Namen und lernen sie miteinander in passende Verbindung zu bringen, und dann stimmen wir beim ersten Hören Sätzen zu, die in Worten abgefaßt sind, deren Bedeutung wir gelernt haben und wodurch die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung ausgedrückt wird, die wir an unseren Ideen erkennen können, wenn sie nebeneinander gestellt werden, obgleich wir zur selbigen Zeit keineswegs anderen Sätzen beizustimmen vermögen, die an sich ebenso gewiß und einleuchtend sind, aber Ideen betreffen, die nicht so früh oder so leicht erworben werden. Denn obgleich ein Kind dem Satze: »ein Apfel ist kein Feuer« gleich beistimmt, wenn die Ideen dieser beiden verschiedenen Dinge durch alltägliche Bekanntschaft mit ihnen seinem Geiste deutlich eingeprägt worden und es gelernt hat, daß sie mit den Namen Apfel und Feuer bezeichnet werden, so werden doch vielleicht noch einige Jahre verfließen, bevor dasselbe Kind dem Satze: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein« beipflichtet, weil, wenn auch etwa die Worte ebenso leicht zu lernen sind, doch ihre Bedeutung ausgedehnter, umfassender und abstrakter ist als die der Namen für die sinnlichen Dinge, womit das Kind zu thun hat, weshalb es länger dauert, bevor es deren Sinn genau auffaßt, und mehr Zeit erforderlich ist, damit die von ihnen bezeichneten Ideen in seinem Geiste zur klaren Ausbildung kommen. Bis das geschehen ist, wird man vergebens versuchen, für einen aus so allgemeinen Ausdrücken gebildeten Satz den Beifall eines Kindes zu erhalten; sobald aber letzteres diese Ideen gewonnen und ihre Namen erlernt hat, so schließt es sich dem einen der vorerwähnten Sätze ebenso bereitwillig an wie dem anderen, und beiden aus demselben Grunde, nämlich weil es findet, daß die in seinem Geiste vorhandenen Ideen ebenso übereinstimmen oder nicht übereinstimmen, wie die sie bezeichnenden Wörter in dem Satze voneinander bejaht oder verneint werden. Wenn ihm aber Sätze in Worten vorgetragen werden, die seinem Geiste noch fremde Ideen bezeichnen, so stimmt es solchen Sätzen, wie augenscheinlich wahr oder falsch sie auch an sich sein mögen, weder zu noch widerspricht es ihnen, sondern zeigt sich als unwissend. Denn da Worte, insoweit sie nicht als Zeichen unserer Ideen dienen, nur leere Töne sind, so können wir ihnen nur in dem Maße beipflichten, wie sie den Ideen, die wir haben, entsprechen, aber nicht hierüber hinaus. Da es jedoch die Aufgabe der folgenden Abhandlung sein wird, die Schritte und Wege nachzuweisen, wodurch das Wissen in unseren Geist gelangt, und die Ursachen der verschiedenen Abstufungen des Beifalls, so mag es genügen, darauf hier nur hingedeutet zu haben als auf einen der Gründe, die mich an den angeborenen Wahrheiten zweifeln ließen.

§ 24. Sie sind nicht angeboren, weil sie keinen allgemeinen Beifall finden. – Um mit diesem Argument des allgemeinen Beifalls zum Schlusse zu kommen, so bin ich mit den Verteidigern der angeborenen Grundsätze darin einverstanden, daß sie, falls sie angeboren sind, notwendigerweise allgemeinen Beifall finden müssen. Denn daß eine Wahrheit angeboren sein und doch keinen Beifall finden sollte, ist für mich ebenso unbegreiflich, wie daß jemandem eine Wahrheit zugleich bekannt und unbekannt sein sollte. Dann aber können sie nach dem eigenen Zugeständnis ihrer Verteidiger nicht angeboren sein, weil sie den Beifall derjenigen nicht finden, die ihre Ausdrücke nicht verstehen, und großenteils auch nicht derjenigen, die sie verstehen, aber noch niemals von jenen Sätzen etwas gehört oder an sie gedacht haben, und das, denke ich, ist wenigstens die eine Hälfte des Menschengeschlechts. Wäre aber auch deren Zahl viel geringer, so würde sie doch genügen, um die Allgemeinheit des Beifalls zu vernichten und den Beweis zu liefern, daß jene Sätze nicht angeboren seien, selbst wenn sie nur den Kindern unbekannt wären.

§ 25. Die Axiome werden nicht zuerst erkannt. – Damit man mir aber nicht vorwerfe, daß ich aus den Gedanken von Neugeborenen argumentiere, die wir nicht kennen, und Schlüsse aus dem ziehe, was in deren Bewußtsein vorgehe, bevor sie es ausdrücken, so füge ich hinzu, daß jene beiden allgemeinen Sätze nicht die Wahrheiten sind, die den Geist der Kinder zuerst einnehmen, und nicht allen von außen her erworbenen Erkenntnissen vorausgehen, was sie notwendig thun müßten, wenn sie angeboren wären. Gleichviel, ob wir ihn bestimmen können oder nicht, gewiß giebt es einen Zeitpunkt, in dem die Kinder zu denken anfangen und ihre Worte und Handlungen uns zeigen, daß sie dies thun. Wenn sie somit zum Denken, Erkennen, Beistimmen fähig geworden sind, läßt sich dann vernünftigerweise noch annehmen, daß ihnen die von Natur eingeprägten Wahrheiten, falls es solche gäbe, unbekannt blieben? Kann man sich mit irgend welchem Anschein von Vernunft vorstellen, daß sie die von äußeren Dingen herrührenden Eindrücke wahrnehmen und zugleich in Unwissenheit über die Schriftzüge bleiben, die in ihrem Inneren auszuprägen die Natur selbst Sorge getragen hat? Können sie Erkenntnisse, die ihnen von außen her zukommen, aufnehmen und denselben beipflichten, dagegen solcher unkundig sein, die – wie man annimmt – mit der tiefsten Grundlage ihres Wesens verwebt und dort mit unauslöschlichen Charakteren eingeprägt sind, um als Fundament und Leitstern alles ihres erworbenen Wissens und ihrer künftigen Schlußfolgerungen zu dienen? Das hieße, die Natur sich umsonst bemühen oder wenigstens sehr schlecht schreiben zu lassen, weil ihre Schriftzüge für Augen unlesbar blieben, die andere Dinge sehr gut sähen, und sehr mit Unrecht würden für die klarsten Teile der Wahrheit und für die Grundlagen alles unseres Wissens Sätze gehalten werden, die nicht zuerst erkennbar sind und die man nicht zu wissen braucht, um zweifellos zur Erkenntnis verschiedener anderer Dinge zu gelangen. Das Kind weiß gewiß, daß die Amme, die es nährt, weder die Katze ist, mit der es spielt, noch der Mohr, vor dem ihm bange ist; daß der Wermut Statt wormseed. lies wormwood; vgl. § 15 i. f. und Kap. IV, § 3. oder der Senf, den es abwehrt, nicht der Apfel oder der Zucker ist, wonach es schreit, davon ist es sicher und zweifellos überzeugt; will aber jemand behaupten, es geschehe vermöge des Grundsatzes: »kein Ding kann zugleich sein und nicht sein«, wenn es jene und andere Teile seines Wissens so fest bejaht? Oder daß das Kind irgend welche Kenntnis oder Einsicht von diesem Satze in einem Alter habe, worin es doch offenbar sehr viele andere Wahrheiten erkennt? Wer sagen wollte, daß die Kinder zugleich mit ihren Saugflaschen und Klappern jene allgemeinen abstrakten Spekulationen erfaßten, von dem ließe sich wohl mit Recht denken, daß er zwar mehr Leidenschaft und Eifer für seine Meinung, aber weniger Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe besitze, wie ein Kind.

§ 26. Und sind deshalb nicht angeboren. – Obgleich es deshalb verschiedene allgemeine Sätze giebt, die beständig und unverzüglich Beifall finden, sobald sie erwachsenen Personen vorgetragen werden, die den Gebrauch allgemeinerer und abstrakterer Ideen und der Namen dafür gelernt haben, so kann doch, weil sie sich bei jungen Kindern, die gleichwohl andere Dinge schon wissen, nicht finden lassen, ein allgemeiner Beifall verständiger Personen für sie nicht behauptet werden, und sie können deshalb auf keine Weise für angeboren gelten, indem es unmöglich ist, daß eine angeborene Wahrheit (wenn es solche gäbe) wenigstens jemandem, der sonst etwas weiß, unbekannt wäre, weil, wenn Wahrheiten angeboren wären, sie angeborene Gedanken sein müßten, da nichts im Geiste eine Wahrheit sein kann, woran er niemals gedacht hat. Dadurch wird es einleuchtend, daß, wenn es angeborene Wahrheiten im Geiste gäbe, diese notwendig die ersten von allen sein müßten, an die gedacht würde, die ersten, die dort sichtbar würden.

§ 27. Sie sind nicht angeboren, weil sie am wenigsten auf der Hand liegen, während das Angeborene sich am deutlichsten zeigt. – Daß die allgemeinen Axiome, von denen hier die Rede ist, Kindern, Idioten und einem großen Teil der Menschen unbekannt sind, haben wir schon genügend nachgewiesen; und daraus erhellt, daß sie weder allgemeine Zustimmung finden, noch auch allgemeine Eindrücke sind. Aber es liegt darin noch dieses weitere Argument gegen ihr Angeborensein, daß, wenn sie natürliche und ursprüngliche Eindrücke wären, ihre Schriftzüge sich am reinsten und klarsten in den Personen zeigen müßten, worin wir noch keine Spur von ihnen finden, und es begründet meiner Meinung nach eine starke Präsumtion gegen ihr Angeborensein, daß sie denen am wenigsten bekannt sind, in welchen sie sich, falls sie angeboren wären, mit der größten Stärke und Lebhaftigkeit geltend machen müßten. Denn da Kinder, Idioten, Wilde und ungebildete Leute unter allen übrigen am wenigsten durch Gewohnheiten oder erborgte Meinungen verdorben sind, da Unterricht und Erziehung ihr natürliches Denken nicht in neue Formen gegossen, und nicht durch Bedeckung mit fremden und erkünstelten Doktrinen die reinen dort von der Natur geschriebenen Charaktere verwischt haben, so sollte man vernünftigerweise denken, daß in ihren Geistern die angeborenen Wahrheiten für jedermanns Auge offen zu Tage liegen würden, wie das gewiß mit den Gedanken der Kinder der Fall ist. Es ließe sich wohl erwarten, daß diese Grundsätze auch Blödsinnigen vollkommen bekannt sein müßten, weil sie (wie man annimmt) unmittelbar der Seele eingeprägt sein sollen, also nicht von der Konstitution oder den Organen des Körpers abhängig sein können, worin zugestandenermaßen der alleinige Unterschied zwischen jenen und anderen Menschen liegt. Man sollte nach Maßgabe der Prinzipien gewisser Leute denken, daß alle jene angeborenen Lichtstrahlen (wenn es solche gäbe) an denen, die keine Zurückhaltung, keine Künste der Verheimlichung kennen, sich in ihrem vollen Glanze zeigen würden, und uns ihre Existenz daselbst ebenso zweifellos werden müßte, wie das Vorhandensein der Liebe zum Vergnügen und des Abscheues vor dem Schmerze. Aber ach, welche allgemeinen Axiome, welche universalen Prinzipien der Wissenschaften finden sich wohl bei Kindern, Idioten, Wilden und völlig Ungebildeten? Ihre Begriffe sind wenige und beschränkte, nur von Objekten erborgt, womit sie am meisten zu thun gehabt haben, und die auf ihre Sinne die häufigsten und stärksten Eindrücke gemacht haben. Ein Kind kennt seine Amme und seine Wiege und nach und nach die Spielsachen für ein etwas höheres Lebensalter, und der Kopf eines jungen Wilden wird vielleicht, der Sitte seines Stammes gemäß, voll von Liebe zur Jagd. Statt love and hunting lies love for hunting. Wer aber bei einem ununterrichteten Kinde oder einem wilden Waldbewohner jene abstrakten Axiome und berühmten Prinzipien der Wissenschaften erwarten wollte, der würde sich, fürchte ich, getäuscht finden. Allgemeine Sätze dieser Art hört man selten in den Hütten der Indianer, und noch weniger sind sie in den Gedanken der Kinder zu finden, oder irgendwie als Eindrücke auf den Geist eines Blödsinnigen. Sie sind die Sprache und die Beschäftigung der Schulen und Akademien gelehrter Nationen, die an solche Art der Unterhaltung oder Gelehrsamkeit gewöhnt sind, und wo häufig Disputationen stattfinden, indem jene Axiome für eine künstliche Beweisführung geeignet und nützlich zur Überführung des Gegners sind, während sie zur Entdeckung der Wahrheit und zur Förderung des Wissens nicht viel beitragen. Über ihren geringen Nutzen für den wissenschaftlichen Fortschritt werde ich jedoch im siebenten Kapitel des vierten Buches Gelegenheit finden, mich weitläufiger auszusprechen.

§ 28. Rekapitulation. – Ich weiß nicht, wie absurd dies den Meistern der Beweiskunst erscheinen wird, und wahrscheinlich wird kaum irgend jemand es beim ersten Hören annehmen. Ich muß deshalb um einen kurzen Waffenstillstand mit dem Vorurteil bitten und um Aussetzung des Tadels, bis mir im Verlauf dieser Abhandlung vollständiges Gehör geschenkt worden, da ich mich besserem Urteile gern unterwerfen will. Und da ich unparteiisch nach der Wahrheit forsche, so wird es mich nicht betrüben, wenn ich überführt werde, daß ich meine eigenen Einsichten zu hoch geschätzt habe, was wir, wie ich bekenne, alle zu thun gern geneigt sind, wenn ein fleißiges Studium unseren Kopf für sie erwärmt hat.

Im ganzen genommen kann ich keinen Grund dafür absehen, jene beiden spekulativen Axiome für angeboren zu halten, weil ihnen nicht allgemein beigestimmt wird, und weil der Beifall, den sie gewöhnlich finden, kein anderer ist als der, welcher ebenso wie ihnen verschiedenen Sätzen zu teil wird, die man nicht für angeboren gelten läßt; endlich, weil der Beifall, den sie erhalten, auf andere Weise entsteht und nicht von einer natürlichen Einprägung herrührt, wie ich sicher durch die nachfolgende Abhandlung einleuchtend zu machen hoffe. Und wenn es sich ergiebt, daß diese ersten Prinzipen der Erkenntnis und Wissenschaft nicht angeboren sind, dann läßt sich, denke ich, von keinen anderen spekulativen Axiomen das mit mehr Recht behaupten.


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