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§ 1. Sinneseindruck, Erinnerung, Betrachtung etc. – Wenn der Geist seinen Blick nach innen auf sich selbst richtet und seine eigenen Tätigkeiten betrachtet, so ist das Denken die erste, die ihm entgegentritt. Darin beobachtet der Geist eine große Mannigfaltigkeit von Modifikationen, und empfängt hieraus unterschiedene Ideen. So liefert die Wahrnehmung, die jeden von einem äußeren Objekt auf unsern Leib gemachten Eindruck thatsächlich begleitet und mit ihm verbunden ist, im Unterschiede von allen anderen Modifikationen des Denkens dem Geiste eine bestimmte Idee, die wir Sinneseindruck nennen, die gleichsam das thatsächliche Eintreten einer Idee in den Verstand durch die Sinne ist. Wenn dieselbe Idee ohne Einwirkung des gleichen Objektes auf das äußere Sinnesorgan nochmals wiederkehrt, so ist das Erinnerung; wenn sie von dem Geiste aufgesucht, mit Mühe und Anstrengung aufgefunden und wieder in den Gesichtskreis gebracht wird, so ist das Besinnung; wenn sie dort lange unter aufmerksamer Beobachtung festgehalten wird, so ist das Betrachtung. Wenn Ideen in unserem Bewußtsein schweben, ohne daß der Verstand irgendwie auf sie reflektiert oder achtet, so ist es das, was die Franzosen reverie nennen; unsere Sprache hat kaum einen Namen dafür. Wenn die sich darbietenden Ideen (denn, wie ich anderswo bemerkt habe, findet, so lange wir wach sind, immer ein Zug aufeinanderfolgender Ideen in unserem Geiste statt) beachtet und gleichsam in das Gedächtnis eingetragen werden, so ist das Aufmerksamkeit. Wenn der Geist mit vollem Ernste und Vorbedacht seinen Blick auf eine Idee heftet, sie von allen Seiten her betrachtet, und sich durch die gewöhnliche Anreizung anderer Ideen nicht ablenken läßt, so heißt das Gespanntheit oder Studium. Traumloser Schlaf ist Ruhe von alledem, und das Träumen besteht darin, daß wir (während die äußeren Sinne verschlossen sind, so daß sie äußere Objekte nicht mit gewohnter Lebhaftigkeit aufnehmen) Ideen im Geiste haben, die uns nicht durch irgend welche äußere Gegenstände oder bekannte Anlässe zugeführt sind, und überhaupt nicht einer Wahl oder Leitung des Verstandes unterliegen. Und ob nicht das, was wir Ekstase nennen, ein Traum mit offenen Augen ist, stelle ich der Erwägung anheim.
§ 2. Dies sind einige wenige Beispiele der mannigfachen Modi des Denkens, die der Geist in sich selbst beobachten, und dadurch von ihnen ebenso deutliche Ideen erlangen mag, wie er von weiß und rot, von einem Viereck oder einem Kreise hat. Ich habe nicht die Absicht, sie alle aufzuzählen und ausführlich über diese aus der Selbstbeobachtung gewonnene Klasse von Ideen zu handeln, das würde einen ganzen Band anfüllen. Für meinen gegenwärtigen Zweck genügt es, an einigen wenigen Beispielen hier gezeigt zu haben, von welcher Art diese Ideen sind, und wie der Geist zu ihnen gelangt, zumal da ich weiterhin Gelegenheit finden werde, weitläuftiger vom Schließen, Urteilen, Wollen und Wissen zu handeln, was einige der bedeutendsten Geistesthätigkeiten und Modi des Denkens sind.
§ 3. Die verschiedenen Grade der geistigen Aufmerksamkeit beim Denken. – Vielleicht ist es aber eine verzeihliche Abschweifung und von unserer gegenwärtigen Aufgabe nicht ganz abliegend, wenn wir hier die verschiedenen Zustände des Geistes beim Denken in Betracht ziehen, die jene vorerwähnten Beispiele der Aufmerksamkeit, Reverie und des Träumens etc. natürlich genug darbieten. Daß immer die einen oder die anderen Ideen im Bewußtsein eines wachenden Menschen gegenwärtig sind, davon überzeugt jeden seine eigene Erfahrung, wenn auch der Geist sich mit ihnen in verschiedenen Graden der Aufmerksamkeit beschäftigt. Zuweilen heftet der Geist sich mit so großem Ernst auf die Betrachtung gewisser Objekte, daß er ihre Ideen nach allen Seiten hin wendet, auf ihre Beziehungen und Umstände merkt, und jeden Punkt so genau und mit solcher Anspannung beobachtet, daß alle anderen Gedanken ausgeschlossen werden, und die gewöhnlichen alsdann auf die Sinne erfolgenden Eindrücke, die zu anderer Zeit sehr merkliche Wahrnehmungen hervorrufen würden, unbeachtet bleiben; ein andermal beobachtet er bloß den Zug der Ideen, die im Bewußtsein aufeinander folgen, ohne sie zu leiten oder einer von ihnen nachzugehen; und wieder ein anderes Mal läßt er sie fast ganz unbeachtet vorüberziehen, wie schwache Schatten, die keinen Eindruck machen.
§ 4. Dadurch wird es wahrscheinlich, daß das Denken die Thätigkeit aber nicht das Wesen der Seele ist. – Diesen Unterschied der Anspannung und Erschlaffung des Geistes beim Denken mit einer großen Anzahl von Graden zwischen ernstem Studium und fast völligem Nichtsdenken hat, denke ich, jedermann erfahren. Verfolgen wir ihn ein wenig weiter, so finden wir den Geist im Schlafe gleichsam von den Sinnen zurückgezogen und außerhalb des Bereichs der die Sinnesorgane treffenden Bewegungen, die zu anderen Zeiten sehr lebhafte und bemerkbare Ideen hervorrufen. Ich brauche hiefür nicht auf das Beispiel derer hinzuweisen, die ganze stürmische Nächte verschlafen, ohne den Donner zu hören oder den Blitz zu sehen oder das Zittern des Hauses zu fühlen, die für die Wachenden wahrnehmbar genug sind; aber in dieser Zurückgezogenheit von den Sinnen bewahrt der Geist häufig eine noch losere und unzusammenhängendere Art des Denkens, die wir träumen nennen, bis endlich der gesunde Schlaf die Sinne ganz schließt, und allen Erscheinungen ein Ende macht. Hierüber, denke ich, hat fast jedermann Erfahrungen an sich selbst gemacht, und seine eigene Beobachtung führt ihn ohne Schwierigkeit so weit. Was ich aber hieraus weiter schließen möchte, ist folgendes: da der Geist in erkennbarer Weise zu verschiedenen Zeiten verschiedene Grade des Denkens annehmen, und mitunter auch im Wachenden schlaff genug sein kann, um Gedanken von einem solchen Grade der Trübe und Dunkelheit zu haben, daß sie nur wenig vom Nichtsdenken entfernt bleiben, und da er zuletzt in den dunklen Rückzugsorten des gesunden Schlafes alle und jede Ideen völlig aus dem Gesichte verliert; da sich, sage ich, dies augenscheinlich so in der tatsächlichen Wirklichkeit und beständigen Erfahrung verhält: so frage ich, ob es nicht wahrscheinlich sei, daß das Denken die Thätigkeit und nicht das Wesen der Seele ist? weil die Thätigkeit wirkender Wesen zwar eine Anspannung und Erschlaffung leicht gestattet, daß aber das Wesen der Dinge eines solchen Wechsels irgendwie fähig sei, sich nicht denken läßt. Indessen dies nur nebenbei.