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Neunzehntes Kapitel.
In kultischen Lagen.

Am 9. März loderte ein kolossales Feuer auf dem Turmhügel, und zur festgesetzten Zeit trafen Chodai Värdi und Li Loje mit allen Kamelen, die sich gründlich ausgeruht und sattgefressen hatten, und den kümmerlich aussehenden drei Pferden ein. Früh am nächsten Morgen herrschten wieder Unruhe und eifrige Räumerei im Lager, wir wollten unsere Penaten von unserer ersten Operationsbasis forttragen und die stille Stadt wieder ihrer tausendjährigen Ruhe überlassen. Würde je wieder ein abendländischer Pilger in Lôu-lans Mauern zu Gaste sein?

Die beiden Männer hatten von der Quelle nicht weniger als zehn Säcke und sechs ziegenlederne Schläuche voll Eis mitgebracht. Mit all unserem Gepäck und den mitzunehmenden Altertümern war die Last zu schwer, und die Kamele durften daher am Morgen drei Säcke Eis verspeisen. Die Karawane sollte jetzt in zwei Partien geteilt werden. Faisullah, der mich im vorigen Jahre begleitet hatte, wurde beauftragt, mit Mollah und Li Loje, sechs Kamelen, den drei Pferden, allem schwereren Gepäck und Proviant für vier Tage (mehr war nicht da) auf unserem alten Wüstenwege nach Kum-tschappgan zu ziehen und mich dort zu erwarten. Es war allerdings gewagt, die Hauptmasse der Karawane nur drei Mohammedanern anzuvertrauen, aber Faisullah stand dafür ein, daß es gehen würde, und er erhielt überdies noch gründlichen Unterricht, wie er sich von dem Kompaß nach Südwesten führen zu lassen habe. Ich baute jedoch mehr auf mein eigenes Glück und nahm deshalb alle während der vier Monate gemachten Aufzeichnungen, die Beobachtungsjournale und die in Lôu-lan gefundenen Manuskripte selbst mit. Von Temirlik hatte ich außerdem noch alle auf der ganzen Reise gezeichneten Kartenblätter, über 800 Stück, mitgenommen, um sie in meinen Mußestunden zu kopieren. Die Kopien sollten von Tscharchlik mit Extrakurieren nach Kaschgar geschickt werden, um sicher aufbewahrt zu werden, falls das ganze Originalmaterial bei den Abenteuern verloren ginge, die uns aller Wahrscheinlichkeit nach in Tibet erwarteten. Für den Fall, daß die eine Partie in der Wüste von irgendeinem Unglück betroffen würde, gab ich Faisullah die Kopien mit, während, ich das Original und alle übrigen Papiere, die ich nicht für alles Gold der Welt verkauft hätte, behielt.

Was meine eigene Partie betrifft, so wollten wir direkt südwärts nach dem drei Tagereisen nordöstlich von Kum-tschappgan gelegenen Vereinigungspunkte ziehen, wo uns Tokta Ahun erwarten sollte. Dorthin sollte ein Präzisionsnivellement mit Nivellierlatte und Fernrohr durch die ganze Wüste ausgeführt werden, um die Richtigkeit der Theorien Professors Dr. Freiherr von Richthofen und meiner eigenen über die Lage des alten Sees Lop-nor zu beweisen, welche Theorien von fast allen russischen Geographen und einigen anderen energisch bekämpft worden waren.

Ich erwählte mir Schagdur, Kutschuk, Chodai Kullu und Chodai Värdi zu Begleitern. Während ich mit dreien das Nivellieren besorgte, sollte uns der letztere unsere vier Kamele, von denen eines unser minimales Gepäck und die drei übrigen Eis trugen, nachführen. Ich hatte nur eine kleine Filzglocke auf einigen Latten als Zelt; die Leute mußten unter freiem Himmel schlafen, denn es war schon ziemlich warm. Der Proviant – Reis und Brot – wurde in Rationen geteilt und konnte bei einiger Sparsamkeit acht Tage reichen.

Während die beiden Karawanenabteilungen beladen wurden, brach ich mit meinen drei Gehilfen zu Fuß nach Süden auf. Die Uferlinie des ehemaligen Sees wurde passiert; die toten, vor anderthalb Jahrtausenden verdorrten Bäume, Büsche und Schilfdickichte hörten auf, und dann waren wir draußen in der gelben, harten Lehmwüste, die von unzähligen vom Winde ausgemeißelten Furchen und Rinnen durchzogen war. Hier und dort war der Boden weißgetüpfelt von Schneckenschalen; es war der Boden des alten Sees. Wir waren so eifrig bei der Arbeit, daß keiner an Chodai Värdi und die vier Kamele dachte; sie mußten ja, wie befohlen, dicht hinter uns sein. Neunzehnmal waren die Stange und das Fernrohr weitergesetzt worden und 9100 Meter waren nivelliert, als es anfing, dämmerig zu werden, und die Zeit des Lagerschlagens da war. Wir machten Halt, aber von Chodai Värdi war nichts zu sehen. Wir hielten von kleinen Hügeln, die in grauer Vorzeit Tamarisken getragen hatten, nach ihm Ausschau, doch grabesstill lag die Wüste da, und von einer Karawane war keine Spur sichtbar. War der Mann weitergegangen oder war er verrückt geworden? Mich verzehrte die größte Unruhe. An einer Stelle, wo wieder trockenes Bauholz lag, wurde auf einem Hügel ein großer Holzstoß angezündet, ein Signalfeuer, das weithin zu sehen sein mußte. Schagdur ging in der Dunkelheit auf die Suche.

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Die Nivellierungskarawane.

Anstatt uns nach der angestrengten Tagesarbeit und Fußwanderung mit Reis und Wasser laben zu können, waren wir jetzt eine Beute dieser unheimlichen, quälenden Unruhe. Hatte sich Chodai Värdi verirrt und sah er unser Feuer nicht, so war er unrettbar verloren, denn er hatte von der Existenz der Kara-koschun-Sümpfe nicht einmal eine Ahnung. Jemand in einer endlosen Wüste suchen, ja eine ganze Ruinenstadt dort suchen, ist aussichtsloser, als nach einer Nähnadel im Heu zu suchen. Fanden wir ihn nicht, so war auch unsere Lage kritisch; ohne Wasser und ohne Nahrung würden wir schwerlich bis an den See gelangen, und was sollten wir in den Oasen anfangen, dort gab es ja nur Wasser! Am meisten aber quälte mich der Gedanke: »Werden auch die Resultate viermonatiger, angestrengter Arbeit infolge der Dummheit dieses Einfaltspinsels verloren gehen?«

Das Feuer loderte hoch und wild durch die gähnende Finsternis. Die Gegend war so still und öde, als gehörte sie einem unbewohnten Planeten an. Wir lauschten, aber nicht ein Laut verirrte sich hierher; mit dem Mute der Verzweiflung stapelten wir alles Holz der Gegend auf den Scheiterhaufen. Schließlich nahm die Müdigkeit überhand, und wir schlummerten um das Feuer herum ein.

Um Mitternacht schlich sich Kutschuk an mich heran und bat mich, zu lauschen. Ein leises Gespräch wurde in der Dunkelheit vernehmbar. Mit unterdrücktem Atem und regungslos wie Bildsäulen horchten wir alle drei. »Es sind die Schritte der Kamele«, flüsterte Kutschuk. Wir eilten hinunter. Da kam Chodai Värdi mit den vier Veteranen wohlbehalten an. Ich war so erfreut, als hätte ich alle Schätze Indiens geerbt, und vergaß ganz, dem dummen Kamelführer verdienterweise gehörig den Kopf zu waschen. Es kam wohl auch davon, daß ich einen ausgesprochenen Widerwillen dagegen habe, jemand körperlich zu züchtigen. Er erzählte, daß er zu weit nach rechts gegangen sei, uns aus den Augen verloren habe, aber nach Südwesten weiter gezogen sei, bis er in der Dämmerung ein Feuer und Kamelspuren gesehen habe, die, wie er sich gesagt, von Faisullahs Gesellschaft herrührten. Da sei er erschreckt umgekehrt, bis er unser Feuer erblickt habe, auf das er nun geradeswegs losgestürmt sei. Es war ein Wunder, daß sich keines der Kamele die Beine gebrochen hatte, als sie im Stockfinstern über all die unzähligen Gräben, Rinnen und Gruben hinüber mußten. Zwölf Stunden lang war er umhergeirrt, während wir noch nicht 10 Kilometer zurückgelegt hatten; es wäre besser gewesen, wenn er bei den Ruinen von Lôu-lan geblieben wäre, deren alter Turm an der Stelle, wo wir lagerten, noch deutlich erkennbar war.

Jetzt wurde Teewasser aufgesetzt und mein kleines Filzzelt aufgeschlagen. Dann mußte Chodai Kullu nach der Richtung gehen, die Schagdur eingeschlagen hatte, als er sich auf die Suche begab. Er sollte einige Flintenschüsse als Signal für den Kosaken abfeuern. Daß er weit ging, war gut zu beobachten, denn die Schüsse wurden immer schwächer und erstarben schließlich in der Ferne. Dennoch gelang es ihm nicht, den Gesuchten zu finden. Um Schagdur beunruhigte ich mich keinen Augenblick. Er war ganz der Mann dazu, sich überall zurechtzufinden, und überdies war er mit der Topographie der Gegend vollständig vertraut, denn er beteiligte sich mit Leib und Seele an meinen Kartenarbeiten und wußte genau wieviele Kilometer wir noch vom Kara-koschun entfernt waren. Er ging stets nach dem Kompaß, zählte seine Schritte und kannte ihre Länge. Doch als ich am folgenden Morgen bei einem heftigen Sandsturme erwachte, der uns nicht 50 Meter weit sehen ließ, erschien mir Schagdurs Lage höchst ungemütlich, und ich nahm fest an, daß er alles weitere Suchen aufgegeben hätte und sich direkt südwärts nach dem Kara-koschun begeben würde.

Bei diesem Wetter konnte keine Nivellierung ausgeführt werden. Wir mußten in der tückischen Wüste liegen bleiben. Ich befand mich meistens bei den Kamelen, streichelte ihre großen Zottelköpfe und strich ihnen mit der Hand über die schönen schwarzen Augen. Wenn sie nur hätten ahnen können, wie lieb ich sie hatte, wie dankbar ich ihnen für ihre Dienste war und wie leid es mir tat, sie einem Führer anvertraut zu haben, der sie unnötig gequält hatte und daran schuld war, daß sie sich die Fußschwielen auf dem harten, faltigen Lehmboden wundgelaufen hatten. Wahrscheinlich glaubten sie wohl, es sei notwendig gewesen, 40 Kilometer in die Kreuz und Quere in der Wüste umherzulaufen. Was auch immer geschehen mochte, vorläufig traktierte ich sie mit dem ganzen Sack voll Schilf, den wir von der Quelle mitgenommen hatten, und mit einem Sack Eis obendrein.

Man denke sich mein Erstaunen und meine Freude, als um die Mittagszeit Schagdur mit leichten, elastischen Schritten aus dem Nebel auftauchte! Er war 19 Stunden in Bewegung, war in Faisullahs Lager gewesen und hatte dort einen kleinen Vorrat an Eis und Reis erhalten, den er in einer kupfernen Kanne mitnahm. In der Nacht kehrte er bei dem Sandsturme nach meinem Lager zurück, obwohl er fürchtete, uns dort nicht mehr zu finden.

Daß er uns in der Finsternis und bei dem Sandsturme fand, war ein Meisterstück sondergleichen! Nur ein Burjat, der sein ganzes Leben unter freiem Himmel verbracht hat und dazu Kosak ist, kann so etwas ausführen. Der Kompaß und das Schrittzählen waren ihm jedoch sehr nützlich gewesen. Schagdur war der beste Diener, den ich in meinem ganzen Leben gehabt habe, und nach den Proben, die er mir bei vielen Gelegenheiten von seiner Treue, Klugheit und Tüchtigkeit gegeben, glaubte ich, ihm alles anvertrauen zu können, und ich tat es auch später einigemal, wie der Leser sehen wird.

Das erste, was Schagdur nach abgestattetem Rapporte tat, war, daß er Chodai Värdi aus eigenem Antriebe eine, seiner Meinung nach notwendige, tüchtige Tracht Prügel gab. Er fand, daß ich viel zu gut gewesen sei, als ich die Schläge nicht selbst ausgeteilt hatte.

Am 12. März konnten wir weiterziehen, und am Abend des 13. nach beendeter Arbeit hatte die nivellierte Linie schon die Richtigkeit meiner Theorie bewiesen. Wir hatten eine Bodensenke gekreuzt, in welcher der Lop-nor sein Bett gehabt hatte, und Millionen von weißen Schneckenschalen sprachen deutlich dafür, daß wir auf dem Boden eines ehemaligen Sees hingezogen waren.

Um Schlag 7 Uhr ertönte ein Sausen und Brausen im Nordosten, und ein paar Minuten darauf jagte der schwarze Sturm mit ungezügelter Wut über den ebenen Boden, der ihm nicht das geringste Hindernis in den Weg stellt. Schnell wurden alle nötigen Vorsichtsmaßregeln getroffen, der Fixpunkt des Nivellements fest gemacht, die Jurte verankert, die Feuer ausgelöscht und, nachdem die Kamele mit dem Kopfe nach der Leeseite gelegt worden waren, bereitete sich jeder auf das Kommende vor. Die tiefste Dunkelheit herrschte, keine Sterne waren zu sehen, keine Unterhaltung zu hören, nur der Sturm klagte und heulte. Ich schrieb im Liegen bei einem flackernden Talglichte, als Schagdur, wie gewöhnlich, um 9 Uhr hereinkroch, um das Kochthermometer zu stellen und mir bei den ständig wiederkehrenden meteorologischen Beobachtungen zu helfen. Dann sagte er »Gute Nacht« und verschwand, um nach seinem Schlafplatze bei der Küchenküste zurückzukehren, die kaum 15 Schritt entfernt in Lee stand. Eine halbe Stunde später hörte ich schwaches Rufen aus einer ganz anderen Richtung. Ich schrie aus Leibeskräften wieder, und bald guckte Schagdur wieder in die Zelttür. Er hatte sich bei dem Sturme, der viel ärger als der vorherige war, verirrt und gar nicht wieder nach dem Lager hinfinden können. Jetzt hielt ich auf der Leeseite eine kleine Ritze in dem Filzbehange offen, und dadurch, daß Schagdur rückwärts kroch und den Lichtschein unausgesetzt im Auge behielt, gelang es ihm diesmal, sich nach seinem Lagerplatze zurückzufinden. Wer einen solchen Sturm nicht selbst erlebt hat, kann sich keinen Begriff davon machen; man wird ganz verwirrt, der Ortssinn wird abgestumpft, man glaubt, geradeaus zu gehen, und geht im Kreise, nur ein Kompaß kann helfen, wenn nicht die Dunkelheit seine Benutzung unmöglich macht. Wäre Chodai Värdi von einem Sandsturme überfallen worden, er wäre verloren gewesen. Und da er allein war, hätte er zwar die Kamele von ihren Lasten befreien, sie aber nicht wieder beladen können, weil die an ihren Leitern befestigten Lasten von mindestens zwei Personen gehoben werden müssen. Mir schauderte bei dem Gedanken an das, was geschehen wäre, wenn der Sturm ein paar Minuten früher eingetreten wäre.

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Sandsturm in der Wüste.

Am Abend des 15. März mußten die Kamele das Strohpolster ihrer Packsättel fressen; diese waren jetzt nicht mehr so nötig, weil der Eisvorrat bedeutend zusammengeschmolzen war. Trinkwasser hatten wir noch zur Genüge, aber es hatte von den Schläuchen einen widerlichen, moderigen Beigeschmack angenommen. Es schwammen noch einige Eisstücke in der Suppe, die genießbar waren.

Vergebens suchten wir mit dem Fernglase Tokta Ahuns Signalfeuer. Die Einöde lag jetzt so vollständig eben da wie der Spiegel eines Sees. Als wir am 16. aufbrachen, mußten wir nur noch 20 Kilometer bis an den See haben, aber die Nivellierung nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Die ersten Anzeichen von »Land« stellten sich jedoch ein: wir begannen zu merken, daß wir uns dem Strande des Wüstenmeeres näherten. Die äußersten »Schären« bildeten abgestorbene oder absterbende Tamarisken. Kleine, niedrige Sanddünen, die sich auf der Leeseite der Sträucher angehäuft hatten, waren unseren schmerzenden Füßen sehr willkommen. Der Anblick ganzer Scharen von Wildenten ermunterte uns außerordentlich. Das Terrain fiel, wenn auch sehr langsam, nach Süden ab; dies verkündete die Nähe des Kara-koschun, des südlichen Beckens der Lop-nor-Wüste.

Der 17. März war ein drückend heißer Tag. Alle waren vor Müdigkeit und Hunger erschöpft, die Wüste wurde wieder völlig unfruchtbar, der Boden glühte unter unseren Füßen, wir rückten nur ganz langsam vor, und ebenso langsam vermehrten sich die Zahlenreihen der Nivellierung. Bei der siebzehnten Stange blieben zwei Leute auf einer Düne stehen. »Wasser, Wasser, nach allen Richtungen!« riefen sie. Wir waren dem Kara-koschun so nahe, daß schon die 19. Stange in das Wasser selbst gestellt werden konnte.

So standen wir denn endlich, wie aus den Wolken gefallen, am Endpunkte dieser ermüdenden, Geduld erfordernden, aber höchst wichtigen Arbeit. Es war herrlich, sie hinter sich zu haben, und herrlich, vor der Einleitung eines neuen Kapitels, vor neuen Abenteuern und Erlebnissen zu stehen.

Der See breitete sich hier wie ein gewaltiger Spiegel aus, war aber seicht und sein Boden kahl und unfruchtbar. Das Wasser war leicht salzhaltig, aber jedenfalls besser als das lauwarme, faulige Getränk, das noch in unseren Schläuchen gluckerte. Die Kamele warfen einen ruhigen, forschenden Blick auf das Wasser. Gewiß fanden sie, gleich uns, daß hier gegenüber der jetzt durchwanderten Wüste ein Paradies war. Am Ufer wuchsen vereinzelte Steppenstauden, zwischen denen die Tiere frei umher liefen. Das Lager wurde am Strande aufgeschlagen. Die Stimmung war außerordentlich heiter.

Wo aber war Tokta Ahun? Spuren menschlicher Besucher waren hier nicht zu entdecken. Die Uferlinie mußte sich nach Südwesten, bis nach Kum-tschappgan erstrecken. Irgendwo auf dieser Linie, wahrscheinlich ganz in unserer Nähe, mußte die Entsatzkarawane sich niedergelassen haben. Bis hierher hatte sie nicht gehen können, da sie ja auf Gras und Süßwasser angewiesen war. Chodai Kullu erhielt Befehl, sich sofort auf den Weg zu machen, Tag und Nacht hindurch zu gehen und nicht eher zu rasten, als bis er Tokta Ahuns Gesellschaft getroffen haben würde; wir würden ihre Ankunft in unserem Lager erwarten. Es konnte nicht mehr als höchstens einen Tag dauern. Der Kundschafter bekam keinen Proviant mit, denn es war keiner mehr da, aber er brauchte wenigstens nicht zu verdursten.

Nachdem Chodai Kullu im Nebel verschwunden war, begann für uns wieder das Leben à la Robinson. Unser erster Gedanke war, etwas Eßbares zu erlangen zu suchen. Schagdur zog mit der Schrotflinte ab und kehrte mit zwei fetten Wildenten zurück, die wir brüderlich teilten; wir hatten einen solchen Wolfshunger, daß wir ihnen kaum Zeit ließen, auf den Kohlen ordentlich durchzubraten. Kutschuk wollte auch nicht zurückstehen. Er wollte sein Glück zu Wasser versuchen. Ein großartiges Boot wurde hergestellt; sein Hauptbestandteil war meine lederne, wasserdichte Instrumentenkiste. An ihren Längsseiten banden wir die beiden Hälften der jetzt überflüssigen Nivellierstange und an diesen die mit Luft gefüllten Schläuche fest. In diesem unbequemen Fahrzeuge paddelte Kutschuk mit einem Spaten auf den See hinaus. Fische sah er aber nicht, das Wasser war zu salzig und der Seegrund unfruchtbar.

Es war für uns ein Segen, daß wir mit der Nivellierungsarbeit rechtzeitig fertig geworden waren, denn am Abend erhob sich der vierte Sandburan dieses Frühlings, um drei Nächte und zwei Tage hindurch ohne Unterbrechung zu toben. Ich bereute tief, daß ich den guten Chodai Kullu hatte gehen lassen, glaubte aber, daß er sich während der Nacht an irgendeiner geschützten Stelle geborgen haben werde. Streichhölzer zum Anzünden eines Signalfeuers hatte er bei sich, aber bei einem solchen Wetter, wenn die Luft so dick ist wie trübes Wasser, wäre ein Feuer nicht auf 200 Schritt Entfernung sichtbar gewesen.

Als der Mann am Abend des zweiten Tages noch nichts von sich hören ließ, wurden wir unruhig. Hier war entschieden etwas nicht in Ordnung. Vergebens spähten wir am Ufer aus, doch keine anderen Schatten als die unserer eigenen Kamele tauchten aus dem Nebel auf. Wir konnten nicht länger auf diese Weise untätig liegen bleiben. Die Lage wurde auch nicht angenehmer durch den beständig umherwirbelnden Flugsand, der, wie feiner Sprühregen gegen einen geschlossenen Wagen, von der Seite gegen die Jurte schlug. Glücklicherweise schoß Schagdur fünf Wildenten, die sofort in unseren leeren Magen verschwanden, obwohl sie mit salzhaltigem Flugsand gepfeffert waren.

Am Morgen des 20. sahen wir ein, daß wir auf Chodai Kullu und die Entsatzkarawane nicht mehr rechnen konnten. Augenscheinlich hatte er die anderen überhaupt nicht gefunden, und es wäre ein Glück, wenn er sich selbst zu Menschen hinretten könnte, ehe er verhungerte. Unsere Lage fing an, verzweifelt zu werden. So schlecht wie jetzt war es mir seit den Tagen in der Takla-makan im Jahre 1895 nicht gegangen. Wir hatten nichts zu essen als die Wildenten, die Schagdur erbeuten konnte.

Der Entschluß, aufzubrechen, wurde sofort gefaßt, und eilig verließen wir dieses unwirtliche Ufer, das wir zuerst mit so hoffnungsfreudigen Gefühlen erblickt hatten. Der Himmel war nach dem Sturme grau und wolkenschwer, in der verschwommenen Beleuchtung entstanden keine Schatten. Wir folgten dem Ufer, das sich ganz unvermutet nach Norden wandte. Hier und dort war Chodai Kullus Spur sichtbar. Eine uralte Schilfhütte wurde passiert; sie lag bis zum Dachfirst im Flugsande begraben. Eine genauere Untersuchung ergab, daß ein Kahn an das Haus gelehnt stand. Blitzschnell kam mir der Gedanke, daß dieses Fahrzeug unsere Rettung werden könne. Mit ihm könnten Kutschuk und ich in wenigen Stunden nach jenen Teilen des Kara-koschun rudern, wo es Süßwasser, dichtes Schilf und Fische in Menge gab. Mit großem Eifer wurde der Kahn aus dem Sande ausgegraben. Zwei Meter waren schon freigelegt, als eine klaffende Spalte in seinem Boden sichtbar wurde, auch war der ganze Vorsteven, der im Grundwasser stand, verfault. Also wieder vorwärts! Endlich bog das Ufer nach Süden ab, und wir folgten ihm. Eine zweite Hütte stand einsam und verlassen dicht am Wasserrande. Schagdur bediente sich ihrer als Deckung, schlich wie ein Fuchs am Boden hin und jagte einen Hagelschwarm in eine Schar wilder Enten, die am Ufer schnatterten. Er kam mit sieben von ihnen wieder und wurde mit Jubel empfangen. Wir konnten jetzt unser Leben noch gut zwei Tage fristen.

Da das Seeufer gerade nach Süden lief, verließen wir es und zogen nach Südwesten. Chodai Kullus Spur verschwand im Nordwesten. Was in aller Welt hatte er in der Wüste zu suchen, dachten wir. Bei ihm mußte entschieden eine Schraube los sein, und wir verließen seine irreführende Spur. An einigen Salztümpeln, wo es gutes Gras und Brennmaterial gab, ließen wir uns für die Nacht nieder.

Spät am Abend, als sich die Luft ein wenig geklärt hatte, zündeten wir zwei gewaltige Feuer von dürren Tamarisken an, aber sie loderten auf, sprühten, glühten und erstarben, ohne eine Antwort zu finden. Die Nacht war ruhig und still, keine verdächtigen Geräusche ließen sich hören, keine Reiter kamen mit froher Botschaft. Meine Ungeduld und Unruhe steigerte sich. Chodai Kullu hielten wir für verloren. Faisullah mußte jedoch schon seit einer Woche glücklich in Kum-tschappgan sein. Warum hatte er nicht so viel Vernunft, uns Entsatz zu schicken, da er ja wußte, daß wir am 10. März nur noch für acht Tage Proviant gehabt hatten und seitdem zwölf Tage verstrichen waren! Und weshalb ließ Tokta Ahun nichts von sich hören? Als wir uns am Anambaruin-gol trennten, hatte er Befehl erhalten, uns rechtzeitig hier entgegen zu kommen. Hatte ihn ein Unglück betroffen, und war er überhaupt nicht nach Tscharchlik gelangt? Oder hatten ihm diese wandernden Seen, die alljährlich ihr Aussehen und ihre Lage verändern, den Kopf verwirrt? Wann würden wir auf alle diese Fragen Antwort erhalten, und wann würde diese verwickelte Geschichte entwirrt werden? Dunkel und schweigend breitete sich die Nacht um uns her; Rauchsäulen stiegen von den erlöschenden Feuern auf.

Am folgenden Tage kamen wir wieder an ein Seeufer, wo dichtes Schilf wuchs. Wieder ließen ein paar Enten vor Schagdurs Flinte ihre Flügel sinken. Ich ritt auf meinem alten Wüstenkamel und hatte ziemlich gute Aussicht nach allen Seiten hin. Jetzt gebot uns ein schmaler Wasserarm Halt, und der Rest des Tages verging mit nutzlosem Umherirren, um aus diesem Labyrinthe von Gewässern, die uns auf allen Seiten umgaben, herauszukommen. Ganz einfach durch diese seichten Kanäle und Sümpfe hindurch zu ziehen, war unmöglich, denn ihr Grund ist Schlammboden, in dem man beinahe ebenso leicht versinkt wie im Wasser. Unser Lager befand sich wie in einer Mausefalle. Nur im Nordosten, von woher wir gekommen waren, hatten wir festen Boden.

Am Abend und in der Nacht bildeten sich neue Wasserarme, und wir mußten infolgedessen früh aufbrechen, um nicht vollständig eingesperrt zu werden. Wir selbst wären schon herausgekommen, aber die Kamele! Dieser seltsame salzhaltige Schlammboden ist hart wie Ziegelstein, wenn er trocken ist, aber weich wie Apfelmus, sobald er überschwemmt wird.

So blieb uns denn keine andere Wahl, als wieder umzukehren. An einem breiten Wasserarme fanden wir Chodai Kullus Spur wieder; er war entschieden hinübergeschwommen, denn die Spur hörte im Wasser selbst auf! Er war jetzt seit fünf Tagen unterwegs. Vielleicht lag er, kraftlos zusammengebrochen, irgendwo am Ufer und wartete auf Hilfe.

Am 23. März ging es nach Nordosten weiter; die tückischen, neuentstandenen Seen dehnten sich noch immer nach dieser Seite hin aus. Die Gegend war unfruchtbar. Ich ging weit voraus. Es wunderte mich nicht mehr, daß meine Leute sich hier nicht zurechtfinden konnten. Die Wirklichkeit stimmte mit der Beschreibung, die ich ihnen davon gegeben hatte, durchaus nicht überein. Die neuen Seen hatten uns einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht, aber es war höchst interessant, sie kennen zu lernen; sie bewiesen, daß der Kara-koschun nach dem alten Bette des Lop-nor zurückzukehren suchte.

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Ein Ausläufer des wandernden Sees.

Unruhig und müde machte ich an einem Punkte Halt, wo der Wasserarm sich bis auf 7 Meter Breite verschmälerte, um sich gleich darauf in einen nicht sehr großen See zu ergießen. Ich wartete auf die anderen. Der Grund bestand aus blauem Tone und würde die Kamele tragen. Doch wollte ich sie nicht eher hinüberführen, als bis Schagdur im Norden rekognosziert hatte, um zu sehen, ob uns dort innerhalb Sehweite Wasserflächen den Weg versperrten. Nach einer guten Weile tauchte er am Ostufer des kleinen Sees auf und forderte uns mit den tollsten Gebärden auf, dorthin zu kommen. Ich zog es vor, mündlichen Bescheid abzuwarten, weshalb Schagdur sich auf die Socken machte, und als er, atemlos, in Hörweite war, rief er, nach Südwesten zeigend: »Reiter, Reiter!«

In einer Staubwolke erschienen zwei berittene Männer, die sich uns so schnell näherten, als die Pferde laufen konnten. Schagdur hatte an der Stelle, von der aus er uns zuerst gewinkt hatte, ganz frische Spuren von fünf Pferden erblickt und ein paar Minuten darauf die Reiter entdeckt. Ich betrachtete sie unverwandt durch das Fernglas und befand mich in der größten Spannung. Was würden sie, wenn wir aus der Tiefe der Wüste auftauchten, uns für Botschaft bringen? Noch einige Minuten, und wir erkennen Tokta Ahun und – und – ist es denn möglich? – Tschernoff!

Nie bin ich mit größerer Wärme und Freude mit einem treuen Diener wieder zusammen gekommen als in dieser Mittagstunde. Mein trefflicher Kosak zitterte vor Freude, und seine Wangen glühten vor Eifer; er sehnte sich, mir von allem erzählen zu können, und er wußte, daß ich durch ihn den abgeschnittenen Faden wiederfinden und mit der Außenwelt, von der ich jetzt über ein halbes Jahr vollständig abgeschnitten gewesen, wieder in Berührung treten würde.

Die Frage, die ich zuerst beantwortet haben wollte, war: »Wie ist es möglich, Tschernoff, daß du hier sein kannst?« Er erzählte nun, daß er und Sirkin sich kaum zwei Monate in Kaschgar aufgehalten, als ein Telegramm an Generalkonsul Petrowskij mit dem Befehle im Namen des Kaisers angelangt sei, die beiden Kosaken sollten sich nach meinem Lager begeben, wo immer ich mich auch befände, und ich könne sie dann so lange behalten, als ich wünschte. Der Kaiser hatte also meinen Brief erhalten und die große Güte gehabt, meinem Wunsche seine Zustimmung zu erteilen.

Als Tokta Ahun meine Botschaft in Tscharchlik ausrichtete, waren die Kosaken schon lange da, und Tschernoff begleitete ihn daher nach dem Vereinigungspunkte am Nordufer des Kara-koschun. Als ihnen die neugebildeten Seen Halt geboten, waren sie in dem Glauben, daß ich auch dorthin kommen würde, dort geblieben. Sie hatten eine Hütte gebaut und jeden Mittag und Abend ein gewaltiges Feuer auf einem Hügel brennen lassen, ja nicht einmal, wenn man des Sturmes wegen nicht hundert Schritte weit vor sich sehen konnte, hatten sie es unterlassen, meinem Befehle zu gehorchen. Mehrere Fischer aus Kum-tschappgan besuchten sie, und eine ganze Ansiedlung mit Schafherden, Pferden und Kähnen entstand am Seeufer. Zwölf Tage hindurch hatten sie ein idyllisches Leben geführt, gejagt, gefischt und weite Touren gemacht, um uns zu suchen. Eines schönen Tages stellte sich der gute Chodai Kullu in ihrem Lager ein, und nun veränderte sich die Situation mit einem Schlage. In wenigen Minuten standen ihre Pferde und ihr Gepäck bereit, und sie brachen unter Chodai Kullus Führung auf, um uns aufzusuchen. Sie hatten sich direkt nach unserem ersten Lager am See begeben, als sie aber dort sahen, daß wir schon aufgebrochen waren, folgten sie der Kamelspur in denselben verzweifelten Bogen, die wir gemacht hatten.

Jetzt suchten wir miteinander einen zum Lager geeigneten Platz auf, denn wir Wüstenwanderer waren kolossal hungrig, und die Rettungsgesellschaft hatte alle möglichen guten Sachen in ihren Ledertaschen, sogar Eier und Fische. Unterwegs trafen wir Chodai Kullu mit den Packpferden. Er saß auf einem Grasbüschel und weinte bitterlich – so überwältigte ihn die Erinnerung an all die Schicksale, die er auf seiner fünftägigen Suche nach der Hilfsexpedition erlitten hatte. Er war unaufhörlich drauflos gegangen und schließlich in der Verzweiflung durch ganze Seen geschwommen. Am dritten Tage saß er müde und niedergeschlagen am Ufer eines von diesen, als eine Schar Wildenten über seinem Kopfe hinsauste. Wie durch ein Wunder fiel eine Wildente mit gebrochenem oder lahm gewordenem Flügel unmittelbar vor seinen Füßen nieder. Er stürzte sich auf sie und verzehrte sie so, wie sie war, bis auf die Knochen. Durch diese Mahlzeit gestärkt, war er imstande gewesen, noch zwei Tage weiter zu marschieren, und hatte schließlich die Unseren gefunden.

Chodai Kullu erhielt für seinen bewiesenen Mut und seine Entschlossenheit eine Extrabelohnung in Silber. Er versicherte ruhig, daß er die ganze Zeit über fest entschlossen gewesen sei, nicht eher zurückzukehren, als bis er meinen Auftrag ausgerichtet, sollte es ihm auch das Leben kosten. Seitdem er das wilde Kamel getötet hatte, war er in den Augen der anderen sehr gestiegen, jetzt aber wurde er nie anders als »Batir«, der Held, genannt. Solche Leute muß man haben!

Während seines Suchens war er auch auf Faisullahs Spur gestoßen und hatte daraus gesehen, daß dieser in verkehrter Richtung, gerade wieder in die Wüste, hineingezogen war. Sobald Tokta Ahun dies erfahren hatte, schickte er von Kum-tschappgan und Abdall zwei Hilfsexpeditionen aus mit Eseln, die Proviant und Wasser trugen. Ich hegte die lebhafteste Unruhe um Faisullah, hatte er doch alle die alten Schnitzereien und alle photographischen Platten usw. in seinen Kisten!

Nach zweitägiger Ruhe begaben wir uns nach der Hütte, von der wir noch vier Tagereisen entfernt waren. Das Allermerkwürdigste war, daß wir an dem Punkte, wo wir umgekehrt waren und beinahe vom Wasser überschwemmt worden wären, nur 3 Kilometer bis nach dem Lager der Rettungsgesellschaft hatten! Aber zwischen unseren Lagerplätzen gingen neue Wassermassen und Seen aus dem Kara-koschun und bildeten mitten in der Wüste einen beträchtlichen See, den wir jetzt umgehen mußten, – also vier Tagemärsche, um 3 Kilometer vorzurücken!

Auch dort rasteten wir und machten ein paar herrliche Kahnfahrten, bevor wir uns schließlich nach dem Ufer von Ak-köll begaben, wo Numet Bek, einer unserer alten Freunde, uns mit der frohen Botschaft entgegenkam, daß Faisullah gerettet sei und uns in Abdall erwarte. Spät abends verzehrten wir am Ufer mitten im ärgsten Mückenspiele unser Abendessen. Schließlich hörten wir Schiffer plaudern und Ruder plätschern, und fünf Kähne holten uns ab, um uns den Tarim hinauf nach Abdall zu bringen. Es war eine jener reizenden, unvergeßlichen Mondscheinfahrten in venezianischer Stimmung über ruhige, blanke Wasserflächen, wie ich sie schon mehrmals auf diesen friedlichen Wasserwegen gemacht hatte. In Abdall tönte uns wildes Hundegebell entgegen, das sich jedoch bald in Freudengeheul verwandelte, als Jolldasch, Malenki und Maltschik uns erkannten. Faisullah und seine beiden Kameraden befanden sich vorzüglich; sie fanden aber, daß ich ihnen, als wir uns bei den Ruinen von Lôu-lan getrennt, einen verzwickten Auftrag gegeben hätte. Sie hatten wohl die Wüsten glücklich durchquert, aber beim Anblick der neugebildeten Seen vollständig den Kopf verloren. Faisullah erkannte, wie natürlich, die im vorigen Jahre gesehene Gegend nicht wieder; er glaubte auch, der Kompaß sei ein arger Schelm, den man lieber tief in einer Kiste begraben sollte. Kurz, sie kehrten diesen trügerischen Seen den Rücken, machten einen gewaltigen Bogen durch die Wüste und gelangten, abgehetzt und erschöpft, in die Nähe des Tarim. Alle drei Pferde waren bei der Geschichte draufgegangen, und die Leute hatten zwei Wochen lang ausschließlich von dem Fleische der gefallenen Tiere gelebt.

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An schilfbedeckten Ufern.

Jetzt waren alle unsere ausgestandenen Mühen vergessen, und alle waren wieder froh; die Männer schluchzten vor Rührung, als wir an einem gewaltigen Feuer im Freien unsere Schicksale erzählten. Was kümmerte es uns jetzt, daß unser Schicksal bei mehreren Gelegenheiten so trübe und düster ausgesehen und daß ich beinahe an der Möglichkeit einer glatten Abwicklung dieses verwirrten Garnes gezweifelt hatte. Jetzt lag die Zukunft wieder hell und freundlich vor uns, klarer als je schien jetzt der Mond, und gewiß ist, daß wir seit langem nicht so gut geschlafen hatten.

Nach ein paar Tagen der Ruhe brachen wir nach Tscharchlik auf und sagten dem Tarim und seinen Seen endgültig Lebewohl. Ich kann an diese fernen Gegenden in der Tiefe der Wüsten nicht ohne ein Gefühl der Wehmut und der Sehnsucht, sie noch einmal wiedersehen zu können, denken.


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