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Dies war einst mein sehnlichster Wunsch: ein bescheidenes Stücklein
Ackers, ein Garten dabei und am Haus' ein lebendiger Brunnquell,
Etwa dazu noch ein weniges Wald. Nun haben's die Götter
Reicher und besser gefügt; wohl mir! So fleh' ich denn eins nur,
Daß du mir, Majas Sohn, das Beschiedene gnädig erhaltest,
Wenn ich das Meinige nie unredlich zu mehren getrachtet,
Noch es zu schädigen denke durch Leichtsinn oder Verschwendung,
Wenn mir der törichte Wunsch nie kam: O hätt' ich doch jenes
Winkelchen dort noch dazu, das jetzt mir die Grenze verunziert,
Oder: O fänd' ich doch auch solch Kistchen mit Gelde wie Jener,
Der vom gehobenen Schatze das Grundstück, das er um Taglohn
Früher gepflügt, als Besitzer erwarb, durch Herkules' Gnade;
Wenn ich zufrieden genieße, was da ist, höre mich bitten:
Mache die Herde mir fett und das übrige, was ich besitze,
Außer dem Geist, und sei, wie bisher, mein Hüter und Helfer!
Floh ich ins freie Gebirg' aus der Stadt, wo böte sich bess'rer
Stoff für ein schlichtes Gedicht der zu Fuß hinwandelnden Muse?
Plagt mich doch hier kein höfischer Zwang, kein bleierner Südwind,
Kein schwülatmender Herbst, der leidigen Schoß für das Grab heischt. –
Vater der Frühe – vernimmst du es lieber, so grüß' ich dich: Janus –
Du, mit welchem der Mensch die Geschäft' und Mühen des Lebens
Nach urewigem Rate beginnt, sei meines Gesanges
Anfang! Zeitig in Rom schon weckst du mich: Auf! du bist Bürge!
Eile, daß keiner zum Dienst sich beflissener zeige! Geschwinde!
Mag dann draußen der Nord hinfegen oder im düstern
Schneesturm nahen der kürzeste Tag: fort muß ich aufs Stadthaus.
Hab' ich nun feierlichst dort für den Schaden zu stehn mich verpflichtet,
Gilt es den Weg im Gewühl zu erkämpfen und tapfer zu drängen.
»Bist du denn gänzlich von Sinnen?« so schnauzt mich ein grober Gesell wohl
Unter Verwünschungen an, »du zerbrichst ja den Leuten die Rippen,
Wenn es dir just einfällt, zu deinem Mäcenas zu laufen.«
Nun, das mundet mir süß, ich gesteh's. Doch komm' ich am alten
Friedhof zu den Esquilien kaum, so schwirren auch hundert
Fremde Geschäfte bereits um das Haupt mir. »Morgen vor acht Uhr
Bittet dich Roscius, ihn bei Gericht zu vertreten am Forum.«
»Wegen gemeinen Bescheids in neuer und wichtiger Sache
Lassen die Schreiber, Horaz, an die heutige Sitzung dich mahnen.«
»Sorge, daß hier auf die Schrift Mäcen sein Siegel mir drücke!«
Sprichst du: »Womöglich,« so heißt's: »O du brauchst nur zu wollen, so kannst du.«
Tief ins siebente Jahr nun geht's, beinah' in das achte,
Daß Mäcenas zuerst zu den Seinen mich rechnete; freilich
Nur, um auf Reisen einmal mich mitzunehmen im Wagen
Oder bei Muße mit mir leichtwiegende Dinge zu plaudern.
Etwa: Wieviel ist die Uhr? Ficht Syrus so gut wie der Thraker?
Kühl schon weht's in der Früh, man erkältet sich ohne den Mantel,
Oder was sonst für ein undicht Ohr Harmloses sich eignet.
Seit der Zeit hatt' euer Poet tagtäglich und stündlich
Mehr zu leiden vom Neid. Kaum, daß er mit ihm sich im Schauspiel
Oder im Marsfeld zeigt, brummt ärgerlich alles: Der Glückspilz!
Strömt nur irgendein Schauergerücht vom Markt in die Stadt aus,
Gleich hält jeder mich an und fragt: »Sprich, Bester, du mußt es
Wissen, du bist ja so nahe vertraut mit den waltenden Göttern,
Sage, was ist's mit den Dakern?« – »Ich weiß nichts.« – »Seht mir den argen
Spötter, er foppt uns doch stets!« – »So strafen mich sämtliche Götter,
Ist mir das mindeste kund!« – »Wird Cäsar denn drüben am Ätna,
Wird in Italien hier er das Land an die Krieger verteilen?« –
Schwör' ich, daß nichts mir bewußt, so schütteln erstaunt sie die Köpfe
Oder beloben mich gar als einzigen Meister im Schweigen.
Also vergeht mir Ärmstem der Tag, und ich seufze mit Sehnsucht:
O mein Wald, wann werd' ich dich schaun, wann wird mir vergönnt sein,
Nun aus Schriften der Alten und nun aus Träumen der Muße
Süßes Vergessen der Welt und ihrer Beschwerde zu saugen!
O, wann winkt mir die Bohne, Pythagoras' Regel zum Trotze,
Wann der gedünstete Kohl mit Speck mir wieder bei Tische?
O Nachtschmäuse der Götter! Da tafl' ich im Kreise der Meinen
Fröhlich am eigenen Herd, und ein Volk mutwilliger Sklaven
Mach' ich noch satt mit den Resten des Mahls. Ungleich, nach Belieben,
Mischt sich jeglicher Gast den Pokal, vom Zwange verbohrter
Zechvorschriften befreit, gleichviel, ob er stärkere Becher
Tapfer ertrag', ob er froh schon werde bei schwächeren. Traulich
Plaudern wir dann, doch nicht von den Hauseinrichtungen andrer
Oder vom neusten Ballett; nein, was uns näher ans Herz geht,
Was unentbehrlich zu wissen für uns, das kommt zur Erwägung:
Ob ein erhabener Sinn, ob Reichtum echteres Glück sei,
Was uns fester verknüpfe, Bedürfnis oder Charakter,
Oder wodurch sich das Gute bewähr' und das höchste der Güter.
Nachbar Cervius tischt zur Nutzanwendung dazwischen
Alte Geschichten uns auf. Preist einer Arellius' Schätze,
Der von den Sorgen des Manns nichts weiß, so beginnt er: Vor Zeiten
Nahm ein Mäuschen einmal vom Land' im bescheidenen Erdloch
Freundlich die Stadtmaus auf; denn sie waren sich alte Bekannte.
Streng haushälterisch sonst mit dem Vorrat, übte sie gern doch
Heute die gastliche Pflicht und schonte, der Freundin zu Ehren,
Weder die Erbsen im Schrein noch die länglichen Körner des Hafers.
Auch ein Rosinlein trug sie im Maule daher und benagte
Würfelchen Specks, mit dem Wunsch, durch Wechsel der Speise die Eßlust
Jener zu reizen, die kaum ein Gericht anrührte, die Leckre,
Während die Hausfrau selbst, auf heuriger Schütte gelagert,
Spelt nur und Wicke genoß, für den Gast das Gewähltere sparend.
Endlich begann die Städterin so: »Wie hältst du, Geliebte,
Solch ein Leben nur aus hier draußen am Hange der Waldschlucht?
Willst du's nicht lieber einmal mit der Stadt und den Menschen versuchen?
Laß dir raten und komm gleich mit! Mit dem Leben auf Erden
Ist ja für uns doch alles vorbei, und keiner, wie vornehm
Oder gering er auch sei, entgeht der Vernichtung. So lebe
Wenigstens lustig, solang' es vergönnt, und genieße, was möglich.
Leb' und bedenke, wie flüchtig die Zeit!« – Dies deuchte der Feldmaus
Triftig gesagt, und sie sprang aus dem Häuslein, fertig zur Reise.
Rasch nun fördert die Schritte das Paar, um im Schutze des Dunkels
Unter der Mauer hinein in die Stadt zu schlüpfen. Es stand schon
Hoch am Himmel die Nacht, da betraten die Wandergefährten
Trippelndes Fußes ein prächtig Gemach, wo Decken von Scharlach
Breit um den Tisch her glänzten auf elfenbeinernen Sesseln
Und vom gestrigen Schmaus noch überreichlicher Vorrat
Rings im Silbergeschirr hoch aufgerichtet umherstand.
Als nun die Städterin hier auf purpurnem Kissen die Feldmaus
Sorglich gebettet, beschickt sie das Mahl als hurtige Wirtin,
Wechselt die Speisen behend, und trotz dem gewandtesten Kellner
Wartet sie auf und kostet zuvor von jeglicher Schüssel.
Jener behagt die Veränderung wohl, und gemächlich sich dehnend,
Schmaust sie vergnügt als fröhlicher Gast; da, plötzlich erschüttert,
Krachen die Flügel der Tür, und vom Pfühl auftaumeln die beiden.
Angstvoll rennen im Saal sie umher; doch ärgerer Schreck noch
Schüttelt und tötet sie fast, als Doggengebell die gewölbten
Räume durchhallt. Und die Feldmaus ruft: »Nein, Schwester, nach solchem
Leben gelüstet mich nicht. Fahr' wohl! Da sitz' ich doch lieber
Draußen am Wald im sicheren Loch und knuspere Wicken.« |