Emanuel Geibel
Klassisches Liederbuch
Emanuel Geibel

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Sextus Aurelius Propertius.

An Tullus.

        Ob du, in üppiger Ruh' am Tibergestade gelagert,
    Aus bildreichem Pokal duftigen Lesbier schlürfst
Und mit Behagen dem Flug zuschaust der besegelten Kähne
    Oder der Schleppschiffahrt träge verzögertem Gang,
Ob dich im Park ein Gewölb majestätischer Wipfel umschattet,
    Stämme von riesigem Wuchs, wie sie der Kaukasus trägt:
Nimmer vermag sich doch das mit unserer Liebe zu messen:
    Amor erscheint und im Preis sinken die Güter der Welt.
Weiß die Geliebte des nächtlichen Glücks kein Ende zu finden
    Oder vertändelt sie mir heiter gewährend den Tag,
Ja, dann schwillt mir das Haus vom goldenen Strom des Paktolus,
    Dann im arabischen Meer les' ich der Perlen genug.
Stolz vom Gipfel der Lust auf Könige blick' ich hernieder,
    Also bleib' es, solang' Odem ein Gott mir beschert.
Denn wer würde des Reichtums froh, wenn Amor ihm feind ist?
    Nichtig ist jeder Ersatz, wendet Cythere sich ab.
Weiß sie den Nacken doch selbst siegreicher Heroen zu beugen,
    Selbst in Gemüter von Erz flößt sie verzehrendes Weh;
Furchtlos setzt sie den Fuß auf die Zedernschwelle des Krösus
    Und kein Purpur am Bett schreckt die Verwegne zurück,
Voll unruhiger Pein auf dem Lager zu wälzen den Jüngling,
    Der sich umsonst in des Pfühls schillernde Seide vergräbt.
Aber ist sie mir hold, so bedünken die Reiche der Welt mir
    Kleiner Gewinn und gering acht' ich Alcinous' Schatz.

Cynthia.

        Frei schon dacht' ich zu sein und verschwur auf immer die Mädchen,
    Aber verräterisch bricht Amor den Friedensvertrag.
Weshalb muß solch reizend Geschöpf auch wandeln auf Erden?
    Ja, nun fass' ich's, daß einst Jupiter Mädchen geraubt.
Dunkelstes Gold ist das Haar, und die Hand zartlänglicher Bildung,
    Fürstlich der Wuchs und der Gang würdig der Schwester des Zeus,
Oder wie Pallas am Fest zum Altar von Dulichium hinwallt,
    Gorgos Schlangengelock um die gepanzerte Brust.
Auch der Ischomache dünkt sie mir gleich, der Lapithischen Heldin,
    Die sich zum köstlichen Raub trunkne Zentauren ersahn,
So auch ruht' an der heiligen Flut des Böbeischen Sees wohl
    Brimos hehre Gestalt zärtlich an Hermes geschmiegt.
Ja, sie besiegt selbst euch, ihr Olympischen, die ihr dem Hirten
    Droben am Ida den Reiz göttlicher Glieder enthüllt.
O mag nimmer die Zeit dies Haupt feindselig berühren,
    Sollt' es ein Alter auch sehn, greise Sibylle, wie deins!

An sich selbst.

                Der du noch eben geprahlt, kein Mädchen bestricke dich wieder,
    Zappelst im Garn und zu Fall kam der vermessene Stolz.
Kaum vier Wochen der Rast, Unseliger, hast du ertragen,
    Und schon wieder ein Buch schreibst du, verliebt wie ein Tor.
Freilich es galt den Versuch, ob ein Fisch sich eher ans Trockne,
    Ob ein Keuler sich eh'r an das Geschaukel des Meers
Oder ob ich mich nachts an ernstes Studieren gewöhnte –
    Liebe verreist wohl einmal, aber sie wandert nicht aus.
Doch nicht fesselt mich bloß das Gesicht, wie zart es gefärbt ist
    (Und den Lilien blüht meine Gebieterin gleich;
Wie wenn Mäotischer Schnee wetteifert mit spanischem Purpur
    Oder in lautere Milch Blätter die Rose gestreut),
Nicht bloß reizt mich das Haar, um den schimmernden Nacken sich ringelnd,
    Nicht der Augen ins Herz zündendes Doppelgestirn
Oder die Brust, wenn sie sacht aus arabischer Seide hervorlauscht
    (Wahrlich, um zärtlich zu glühn, braucht' es der Gründe nicht mehr),
Nein, das reißt mich dahin, wenn sie tanzt, vom Weine begeistert,
    Schön, wie den bacchischen Chor einst Ariadne geführt,
Wenn sie ein schmelzendes Lied auf äolischer Leier versuchend
    Mit aganippischer Kunst spielend die Saiten beherrscht,
Oder als Dichterin heut an die Seite sich stellt der Corinna,
    Morgen Erinnas Gesang kühn zu verdunkeln sich müht.
Hat bei deiner Geburt, Holdselige, neben der Wiege
    Dir zum Segen vielleicht Amor, der heitre, geniest?
Denn die himmlischen Gaben verleiht uns Menschen ein Gott nur,
    Nicht von der Mutter genährt, glaube mir, sogst du sie ein,
Nein, solch hohes Geschenk stammt nimmer aus sterblichem Samen,
    In zehn Monden noch nie wurde so Köstliches reif.
Drum auch wirst du nicht stets mich beglücken in irdischem Bunde,
    Jupiters Lager dereinst teilst du, die erste aus Rom.
Bist du doch einzig erblüht als die Krone der römischen Mädchen,
    Nie seit Helena schaut' ähnlichen Zauber die Welt,
Und ich verwundre mich noch, wenn unsere Jugend in Brand steht?
    Herrlicher wäre ja selbst Troja verlodert um dich.
Sonst zwar faßt' ich es kaum, wie sich Asia dort und Europa
    In so schrecklichen Krieg nur um ein Mädchen gestürzt;
Doch jetzt geb' ich euch recht, dir, Paris, und dir, Menelaos,
    Dir um die Forderung, dir, weil du sie trotzig versagt.
Dürfte doch auch für Cynthias Reiz ein Achill in den Tod gehn;
    Priamus, schaut' er sie nur, hieße die Fehde gerecht.
Wer drum Schöneres gern als der Vorzeit Meister erschüfe,
    Wähle zum Urbild der meine Gebietrin sich aus;
Zeig' er im Westen sie dann der bewundernden Welt und im Osten,
    Und in Liebe verglühn Osten und Westen für sie.

Triumph der Liebe.

        Nicht so freudig beging den Dardanertriumph der Atride,
    Als Laomedons Burg endlich, die mächtige, fiel,
So nicht jauchzte das Herz dem Ulyß am Ziele der Irrfahrt,
    Als er der Sehnsucht Land, Ithakas Ufer betrat,
Nicht so selig umschlang den geretteten Bruder Elektra,
    Dessen vermeintes Gebein kaum sie mit Tränen beströmt,
Wie ich selber in Wonne geschwelgt die vergangene Nacht durch;
    Wollt ihr unsterblich mich sehn, gebt mir noch eine, wie die!
Freilich, solang' ich, den Nacken gebeugt, demütig einherschlich,
    Hieß langweilig ich ihr, wie ein versumpfender Teich.
Doch nun gab sie es auf, gleichgültig die Spröde zu spielen,
    Nicht mehr stellt sie sich taub, schütt' ich in Klagen mich aus.
Hätt' ich nur früher erkannt, was not tut, Mädchen zu rühren,
    Nicht dem Verschmachteten erst würde die Labung zuteil.
Und mir schimmerte doch, mir Blindem, der Pfad vor den Füßen;
    Doch wen Liebe betört, hat er noch Augen, zu sehn?
Jetzt erst weiß ich was einzig euch frommt: Tut kalt, ihr Verliebten!
    Und was sie heute versagt, bieten sie morgen von selbst.
Andere pochten am Laden umsonst und riefen sie: Herrin!
    Aber an mich voll Ruh' schmiegte sie zärtlich das Haupt.
Das ist größerer Sieg, als hätt' ich die Parther bezwungen;
    Könige, Beute, Triumph acht' ich dagegen gering.
Nun soll köstlicher Schmuck, Cytherea, die Säule dir kränzen,
    Und mit goldener Schrift nenne den Geber das Lied:
»Diese Trophäen erhöht vor deinem Tempel, o Göttin,
    Weil er die seligste Nacht liebend verschwärmte, Properz.«

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