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XXX.

» Wildhorst,« sagte der Untersuchungsrichter, als er den Jäger abermals vernahm, »so eben hat Elise Felter Alles gestanden und ist vor Schmerz und Scham zusammengebrochen. Sie haben Bertha Hillborn betrogen, Sie haben vielleicht Elise Felter gemordet, wollen Sie nun auch die Baronin Stilten auf Ihrem Gewissen haben, so setzen Sie Ihr Leugnen fort. Es wird Ihnen nichts helfen, aber vor Gott Ihre Schuld vermehren. Wer hat den Baron ermordet?«

Wildhorst starrte düster vor sich hin. »Mag Alles zusammenbrechen,« murmelte er, »ich sage nichts. Ich war leichtsinnig, aber das habe ich nicht verdient. Es hat mich das Schicksal verfolgt, wie ein Fluch. Kann mich nichts retten, so mag ich auch Anderen nicht helfen.«

»Ein offenes, ehrliches Geständniß kann Euch helfen. Es mildert die Strafe, es erwirbt Euch die Verzeihung Derer, die Ihr elend gemacht. Weil Ihr niemals ehrlich gehandelt, sondern das Schicksal zwingen wolltet, Euch Glück zu spenden, darum hat Euch ein Fluch verfolgt, der Fluch der Lüge. Was haben Euch die Menschen gethan, die Ihr verfolgt, die Ihr jetzt in Schande und Elend gebracht? Die Baronin hat zu Euren Gunsten gesprochen, Elise Felter hat bis zum letzten Augenblick Euch ihr Wort gehalten, obwohl Ihr sie betrügen wolltet. Bertha Hillborn habt Ihr auch auf dem Gewissen.«

»Das ist nicht wahr!« rief Wildhorst, und seine Augen sprühten Blitze der Wuth. »Sie hat mich gehetzt in mein Unglück hinein, sie hat mich umstrickt, als der Baron noch lebte, und ich will Alles bekennen, damit auch sie ihre Strafe leide, die Schlange, die mich umringelt und verführt. Sie hat mich auf dem Gewissen, sie hat in mir die Begierden erweckt und das Gewissen betäubt.«

»So habt Ihr den Baron ermordet?« fragte der Untersuchungsrichter, den Moment wahrnehmend, in dem Wildhorst einer Lüge unfähig schien, wo er dem Wogen der Leidenschaften preisgegeben, alle Bitterkeit des Herzens gegen Diejenige sprühen ließ, die ihn mißleitet.

»Ich that es nicht«, rief er, »bei Gott und Allem, was heilig ist, ich that es nicht mit Absicht, ich war meiner Sinne nicht mächtig.«

»Die Baronin war mit Euch im Zimmer? Sie hatte Euch eingelassen?«

»Sie weiß von der Sache nichts. Ich will Alles bekennen, lassen Sie mir Ruhe, mich zu sammeln.«

Der Untersuchungsrichter nickte befriedigt, die Hauptsache war constatirt; kam Wildhorst die ruhige Ueberlegung, so hätte er die eigenen Worte widerlegen müssen, die Schuld zu leugnen. Es schien jedoch, als habe man das nicht zu fürchten. Die Rinde des Trotzes war geborsten, die Kraft des Widerstandes erschöpft und der Mensch zeigte seine wahre Natur, die er bisher unter künstlicher Hülle verborgen. Man hatte den Eindruck, als ob es ihn erleichtere, seine Schuld bekennen, die Wahrheit gestehen zu können und damit eine schwere Last von sich zu wälzen, als habe er nie die verhärtete Natur des vollendeten Bösewichts besessen, sondern sich gezwungen, das innere Gefühl., die Angst, das Gewissen zu bekämpfen, und sei ermattet in diesem hoffnungslosen Kampf. Die Aussage, die er jetzt zu Protokoll gab, trug in allen Punkten das Gepräge der Wahrheit.

»Ich lernte Bertha Hillborn kennen, als sie noch im Hause der Gräfin Braß diente,« begann er seine Erzählung, »und sie wußte mich zu fesseln, so daß ich sie stets aufsuchte, wenn ich in K. war, obwohl ich mich als den Verlobten Elisen's betrachtete und nicht daran dachte, derselben jemals die Treue zu brechen. Aber Bertha hatte einen für mich unwiderstehlichen Reiz, ich neckte sie gern und es machte mich eitel, daß sie mir ihre Neigung zu schenken schien. Ich mußte ihr von meiner Herrschaft erzählen, von der bei der Gräfin viel die Rede war, da die Verwandten des Barons dort verkehrten. Sie sagte mir, ich könne mein Glück machen, wenn ich klug wäre. Ein Diener, welcher Geheimnisse seines Herrn besitze, welche dieser nie bekannt werden lassen dürfe, könne Alles fordern. Sie malte mir aus, wie es nur von mir abhänge, ein hübsches Vermögen oder eine Stellung mit gutem Auskommen zu erhalten. Ich sog das Gift ihrer Worte ein, ich erlag der Verführung. Es hatte mich erbittert, daß die Baronin mir bei jeder Gelegenheit zeigte, daß sie das Wohlwollen nicht theilte, welches ihr Gatte mir bewies, ich hatte mich bemüht, ihre Zufriedenheit zu erwerben, aber sie hatte das nicht beachtet und, vielleicht, weil mein Herr mich verwöhnt und mich nicht wie einen Lakaien, sondern wie einen vertrauten Diener behandelte, demüthigte sie mich bei jeder Gelegenheit, wo ich mir herausnahm, ihr Aufmerksamkeit zu erweisen. Sie schaute mich verächtlich an, wenn ich den Blick auf ihr haften ließ, und ich that das unwillkürlich, denn sie war schön. Als ich bemerkte, daß der Graf Hartwig ihr den Hof machte, wollte ich ihr zeigen, daß sie besser gethan hätte, mich freundlich zu behandeln. Ich sah wohl, daß sie die Zudringlichkeiten des Grafen zurückwies, aber er hörte mit denselben nicht auf, und ich hielt sie für kokett, meinte, daß sie sich nur spröde stelle, um mehr zu reizen. Bertha Hillborn bestätigte mich in dieser Annahme, verhöhnte mich, daß ich die Behandlung als Lakei verdiene, wenn ich die Gelegenheit, Rache zu nehmen, vorbeigehen lasse, besonders, da ich aus derselben nur Vortheil ziehen könne.

Ich folgte dem Rathe, ich begann, dem Baron Andeutungen zu machen, und bemerkte, daß ihm dieselben sehr willkommen waren. Er befahl mir, das Auge offen zu haben, er werde sich mir dankbar beweisen. Elise, welcher mein verändertes Benehmen nicht entgehen konnte, machte mir Vorwürfe; daß ich mich zum Spion hergäbe, und sagte mir, der Baron werde mich später hassen und verachten. Bertha, der ich mein Bedenken äußerte, lachte und sagte, der Haß eines Mannes, dessen Ehre in meiner Gewalt sei, könne mir gleichgültig sein. Uebrigens werde die stolze Baronin mich noch um Schonung bitten und dann hänge es von mir ab, wessen Gunst ich vorzöge und wem ich dienen wolle.

Bertha,« sagte der Jäger mit einem Seufzer, während im Auge eine düstere Flamme loderte, »war mein böser Dämon. Ihre Stachelreden, ihr Spott, ihre heißen Blicke erweckten in mir Begierden, ich fand einen wollüstigen Reiz bei dem Gedanken, daß die schöne stolze Baronin sich vor mir beugen sollte, mein Schweigen zu erkaufen, ich träumte, daß ich dann nur zu wählen habe zwischen Gold oder einer Försterstelle oder dem Amt des Castellans, ich schwelgte in noch eitleren Gedanken, wenn mir Bertha spottend sagte, die Baronin sei auch nur ein Weib wie alle Anderen. Ich belauschte die Baronin, ich ward von Neid erfüllt gegen den Grafen, wenn ich sah, wie sie in Gedanken versunken von ihm zu träumen schien und es verzehrte mich die brennende Begierde, das mir vorgesteckte Ziel zu erreichen.

Da bemerkte ich plötzlich, daß ich mich über die Baronin getäuscht. Der Graf bat sie um Verzeihung, daß er gewagt, eitle Hoffnungen zu hegen, die sie beleidigt und sprach davon, daß er abreisen wolle. Andern Tags sah ich, daß der Graf heimlich ein Billet in den Nähkorb der Baronin legte. Es gelang mir Elise zu bewegen, das Kleid der Baronin aus dem Zimmer zu holen, und ich fand dort das Billet, welches sie in der Tasche verborgen, als sie mich eintreten gesehen. In dem Billet war ein Rendezvous verabredet, der Graf wollte mit ihr die Schritte bereden, die sie zu thun habe, da ihr Gemahl sie durch einen Diener, durch mich, beobachten lasse. Ich zitterte, daß ich mein Spiel verloren. Wenn es entdeckt wurde, daß ich den Baron getäuscht, so glaubte mir Niemand, daß ich anfänglich mich selbst geirrt, daß ich erst seit Kurzem meinen Irrthum eingesehen. Die Baronin mußte fordern, daß ich mit Schimpf und Schande entlassen wurde, der Baron hatte keine Ursache, sich meiner anzunehmen, da er seinen Zweck, eine Scheidung beantragen zu können, nicht erreicht und er durch mich blosgestellt worden. Ich sah vorher daß er es läugnen werde, mir einen Auftrag gegeben zu haben, der seine Gemahlin beschimpfe. Ich entschloß mich, wie ich schon zu Protocoll gegeben, ein gewagtes Spiel zu treiben und den Baron zu zwingen, sich mit dem Grafen entweder zu schlagen oder ihn aus dem Hause zu entfernen, dann war ich immer der Besitzer eines Geheimnisses, und meine Herrschaft mußte mich schonen. Ich habe der Wahrheit gemäß angegeben, was weiter geschah, aber verschwiegen, daß ich in K. Bertha Hillborn sprach. Sie warf mir Unentschlossenheit vor und sagte, ich würde nie Etwas erreichen, wenn ich nicht den Muth hätte, etwas zu wagen. Ich sei ein Narr, jetzt an die Unschuld der Baronin zu glauben, man habe geahnt, daß ich lausche und das Gespräch danach eingerichtet. Ich müsse jetzt entweder Lärm schlagen, sobald ich den Grafen im Gespräch mit der Baronin träfe und dreist behaupten, die Ehre des Barons sei geschändet oder als Bettler mich vom Gute jagen lassen. Das Letztere würde unfehlbar geschehen, wenn der Baron sich mit seiner Gemahlin versöhne.

Bertha setzte durch Hohn und Spott über meine Feigheit mein Blut in Flammen. Ich sah, daß mir nichts übrig blieb, als ihrem Rathe zu folgen, wollte ich nicht alle meine Hoffnungen scheitern sehen. Ich lauschte an der Veranda, bis ich die Baronin herabkommen hörte und eilte, ihren Gatten herbeizuholen. Als wir die Veranda leer fanden, hieß mich der Baron die Thüre der Wendeltreppe hüten, damit Niemand entfliehe. Er eilte hinauf. Wie ich später durch die Dienerschaft hörte, war sein Argwohn, daß der Graf sich in das Schlafzimmer der Baronin geflüchtet, dadurch widerlegt worden, daß man ihm gesagt, der Graf sei auf sein Zimmer gegangen.

Die Thüre zur Wendeltreppe war nur angelehnt. Ich hörte den Baron heftig reden. Er warf seiner Gattin vor, daß die obere Thüre offen sei, als ob der Graf durch dieselbe bei seinem Eintritt entflohen. Ich zitterte vor Angst, Unruhe und Schaam. Als ich die Baronin beschimpfen hörte, zerriß es mir das Herz, ich fühlte, daß ich ein Verbrechen begangen an ihr. Vor meiner Seele stand ihr Bild, das Auge voller Thränen, ich hörte noch das Beben ihrer Stimme, als sie dem Grafen gesagt, daß sie unbeschreiblich unglücklich sei. Es war mir, als ob der Fluch dieser That ewig auf mir lasten werde. Ich schlich die Wendeltreppe hinan und hörte drinnen ein leises Schluchzen. Der kalte Schweiß stand mir auf der Stirne. In diesem Augenblicke floß vielleicht Blut. Der Baron tödtete den Grafen und es lebte Niemand, der für die verrathene Frau zeugte, sie beschützte, ich war der Mörder ihrer Ehre. Eine innere Stimme drängte mich, ihr Alles zu gestehen, mich ihr zu Füßen zu werfen, mochte dann kommen, was da wolle. Ich öffneten leise die Thüre des Schlafgemachs. Die Baronin saß am offenen Fenster und schaute hinaus. Sie hatte das Taschentuch vor die Stirne gepreßt. Sie war im Nachtgewand, ich sah ihr Bett. Das Gefühl überkam mich, sie könne mir nicht vergeben, was ich gethan, sie werde mich von sich stoßen, mir fluchen. Ein Geräusch nahender Schritte störte mich auf. Ich hatte mich bereits weit ins Zimmer gewagt, ohne bemerkt zu werden. Die Thür zum Schlafzimmer des Barons war nur angelehnt, ich schlüpfte dort hinein, in dem Moment, wo Elise die Corridorthür der Schlafstube der Baronin öffnete. Ich war jetzt in einer schwierigen Lage, ich mußte versuchen, den Salon zu erreichen, um zu verbergen, welchen Weg ich genommen. Im Waffenzimmer des Barons brannte Licht, der eiserne Schrank stand offen. Ich glaubte, der Baron sei im anderen Flügel des Schlosses, im Zimmer des Grafen. Der Gedanke, einen Haufen Geld zu rauben und zu entfliehen, packte mich, als ich den Geldschrank geöffnet erblickte. Da regte sich etwas, ich sah die Füße des Barons hinter der offenen Thür; gleich darauf warf der Baron die linke Thüre ins Schloß. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. Ich war wie gelähmt, ich glaubte, der Baron werde es mir ansehen, daß ich an Diebstahl gedacht. Er bemerkte mich.

›Was giebt's?‹ fragte er, als ob er keinen Argwohn hege. Er war sehr bleich, erregt, er schien ganz vergessen zu haben, welchen Auftrag er mir gegeben und daß ich aus dem Schlafzimmer herkommen müsse.

›Herr Baron,‹ stotterte ich mit leiser Stimme, denn ich fürchtete, daß die Baronin oder Elise mich hören könnten, ›thun Sie nichts Entscheidendes an diesem Abend. Ich kann mich getäuscht haben.‹

Er blickte mich an, als wolle er mit den Blitzen seines Auges mich vernichten.

›Ist der Brief, den Du gestohlen, echt?‹ fragte er, ›oder hast Du ihn gefälscht?‹

›Er ist echt, aber –›

›Schweig,‹ sagte er mit einer entsetzlichen Ruhe als wolle er verbergen, wie es in ihm kochte, ›der Brief ist so gefaßt, daß er meine Ehre beschimpft, wenn ich ihn vor Gericht zeige. Er ist also entweder gefälscht, oder Du hast mich belogen, als Du mir sagtest, Niemand werde ahnen, daß Du den Lauscher abgegeben. Ist's Ungeschick oder Schurkerei, das gilt mir gleich. Du bist das Hinderniß in meinem Wege, ich komme weder vorwärts noch zurück.‹

Der Blick des Barons wurde immer drohender, es war mir als funkle mir in ihm ein Todesurtheil entgegen. Seine Züge waren verzerrt von wilder Leidenschaft, und doch sprach er leise, mit gedämpfter Stimme. Plötzlich schien ihm ein Entschluß zu kommen, ein höhnisches Lachen zuckte durch sein Antlitz vor dem mir graute. Er sah nach dem Geldschrank, er sah nach mir, er trat rasch an den Waffenschrank und griff nach der Büchse. Aber ich war rascher wie er. Ich ahnte, daß er mich ermorden wolle – ich warf mich vor ihm nieder und griff nach der Büchse, ihn zu hindern, sie auf mich zu richten. Erbarmen wollte ich flehen. Er stieß mit dem Fuße nach mir, ich riß an der Büchse, ich kam mit der Hand an den Abzug, ich weiß es nicht mehr wie, – der Schuß krachte. Ich eilte fort, zur Thür nach dem Corridor. Sie ward aufgerissen. Elise stürzte herein. Die Thüre verdeckte mich vor ihr; ehe sie sich von ihrem Schrecken erholt, war ich hinausgeschlüpft, hatte mich in ihrem Zimmer verborgen. Ich hatte wohl den Fall des Körpers gehört, aber noch ahnte ich nicht, daß ich einen Mord begangen. Wilde Wuth kämpfte in mir mit Todesangst. Er hatte mich erschießen wollen und konnte jetzt mich als Mörder anklagen. Elise kehrte zurück. Von ihr hörte ich, daß er todt sei, daß er kein Wort der Anklage gesprochen. Ich athmete auf. Ich sah mich gerettet.

Niemand hatte mich bemerkt, Niemand konnte mich anklagen. Die Baronin war gerettet vor der Schande, die ich ihr bereitet. Ich frohlockte fast, denn noch schauderte ich unter der Todesangst, die mich gepackt. Elise glaubte mir, als ich mich stellte, als wisse ich nicht, was geschehen. Ich spielte diese Rolle weiter. Ich hatte mich nicht so ruhig gefühlt, als ich die Baronin verleumdet, wie jetzt, wo ich ein Mörder geworden. Ich fühlte mich im Recht. Er hatte mich als Spion gebraucht, er hatte seine Gattin verderben wollen und als dies mißlungen, sollte ich das Opfer sein. Ich hatte mich nur meines Lebens gewehrt, nicht daran gedacht, ihn zu tödten. Der Dämon, der mich bis dahin verfolgt, der hatte mich jetzt ganz. Ich lachte vor Bitterkeit über ein Geschick, das mich zum Mörder hatte werden lassen in dem Augenblick, wo ich meine Handlungsweise bereut und auf die Gefahr hin, weggejagt zu werden, Alles hatte bekennen wollen. Bertha hat Recht, rief es in mir, besser kühn ein Verbrechen wagen, als der Lump sein, der bei Vergehen zittert. Ich gewann Elise dadurch, daß ich die Ehre der Baronin schützen wollte, darin aber lag meine Sicherheit. So lange man zweifelte, ob der Baron durch ein Mißgeschick getödtet worden, oder ob er durch Selbstmord gefallen, war jeder Argwohn von wir abgelenkt. Nur eins mußte ich erzwingen – Elise mußte darüber schweigen, daß ich in ihrem Zimmer gewesen.

Ich verstehe mich schlecht auf's Lügen. Elise konnte ich täuschen, weil sie mir vertraute, aber Bertha errieth was geschehen und sagte es mir in's Gesicht, daß ich den Baron erschossen. Sie hörte nicht auf meine Einwände und rieth mir, der Baronin noch nicht zu zeigen, daß ich Beweise ihrer Schuld gegen den Gatten habe.«

»Sie haben vergessen zu sagen,« unterbrach ihn der Untersuchungsrichter, »wie Sie das Billet wieder erlangten.«

»Ich nahm es aus dem offenen Geldspinde.«

»Ihre erste Aussage darüber war also falsch? Was bewog Sie, jene Ausflucht zu wählen?«

»Bertha gab mir den Rath dazu. Als ich ihr erzählt, wie ich das Billet wiedererlangt, sah sie mich höhnisch lachend an und sagte: ›Wer aus dem offenen Geldschrank ein Document nimmt und kein Geld, beweist, daß ihm das Document mehr am Herzen liegt wie Reichthum. Man läßt nicht Geld liegen und nimmt ein Billet, mit dem man vielleicht Geld erpressen kann.‹ Sie erfand die Ausflucht, deren ich mich bedient. Ich war von dieser Stunde an ihr Werkzeug, ihr Sclave. Ich mußte thun, was sie verlangte. Sie meinte, die Baronin müsse uns ihr halbes Vermögen geben, zuerst solle ich 8000 Thaler oder eine Stelle von entsprechendem Ertrage fordern. Habe sie der ersten Drohung nachgegeben, so werde sie auch später nachgeben müssen.«

»Und Sie dachten nie daran, daß Elise Felter ihr Wort brechen könne, wenn sie sich von Ihnen betrogen sah?«

»Nein. Ich vertröstete sie ja mit der Hoffnung und machte sie glauben, daß ich ihr die Treue bewahrt.«

»Sie haben ihr die Ehre genommen, während noch das Blut des Getödteten an Ihren Händen klebte!«

»Ich that es,« murmelte Wildhorst düster. »Es war mir, als müsse ich Allem Hohn sprechen, was mir noch theuer gewesen. Ich hätte tanzen können in jener Nacht, es war mir, als sei ich ein anderer Mensch geworden, der sich freigekauft mit dem Heil seiner Seele von aller Last und Sorge, die ihn bedrückt. Es kamen freilich Stunden, in denen das Gewissen mir an's Herz griff, da trank ich denn mir die Grillen fort. Es war mir lieb, daß ich Elise nur selten und dann heimlich wiedersah, ich konnte ihr nicht mehr in's Auge schauen, ohne mich vor mir selber zu grauen. Das ärgerte mich. Hätte sie mir nicht Vorwürfe gemacht, daß ich dem Baron gehorchte und spionirte, ich wäre nie zum Mörder geworden. Ich hätte den Baron seinen Weg gehen lassen und er hätte mich doch nicht wegjagen können. Aber sie hatte mich weich gemacht und als ich nun noch einsah, daß ich der Baronin Unrecht gethan, da packte mich die Reue, ich sagte dem Baron, daß ich mich geirrt und schon in dem Augenblick sah ich's ihm an, daß ich für immer seine Gunst verloren.«

»Wollt Ihr jetzt angeben, wo das Billet geblieben?«

»Bertha hat es. Sie nahm es mir, als ich mit der Cassette entfloh. Sie wollte eine Waffe gegen die Baronin haben, wenn diese ihren Haß gegen sie richtete.«

Die näheren Details, welche der Untersuchungsrichter forderte, ehe er das Protocoll schloß, ersparen wir dem Leser, da sie nur unbedeutende Punkte aufklärten, die Hauptsache haben wir mitgetheilt – das Geständniß des Schuldigen!



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