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Das Dorf, in welchem Bertha Hillborn bei ihren Eltern wohnte, liegt eine halbe Meile von der Bahnstation an dem waldbekränzten Abhang eines Höhenzuges. Ein Fußwanderer, in dem wir unseren Bekannten, den Criminal-Commissar Wolff erkennen, schreitet den Pfad hinab, dem Dorfe zu. Ein junger Bursche, den er sich zum Führer genommen, geht nebenher und Beide sind im anscheinend gleichgültigen Gespräch.
»Wenn der alte Hillborn,« sagte Wolff, »viel Noth mit seinen Steuern und Lasten hat, so ist es ihm gewiß willkommen, daß seine Tochter jetzt in der Wirthschaft hilft.«
»Ach, Herr,« versetzte der Bursche, »die ist zu vornehm, um Hand anzulegen. Das ist eine Stadtdame und es heißt, sie wird auch bald heirathen.«
»So? Wohl einen reichen Bauer oder gar einen Gutsinspector?«
»Was der Bräutigam ist, weiß ich nicht, aber der alte Hillborn hat nie gern von ihm gesprochen und muß wohl nicht viel Gutes von ihm gehört haben.«
»Dann thut er Unrecht, ihm die Tochter zu geben.«
»Sie frägt nicht mehr nach dem Vater, seit sie in den Stadtdienst gegangen. Auch will sie, sprechen die Leute, wenn sie verheirathet ist, nach England oder gar nach Amerika.«
»Da thäte sie auch besser, ihren Vater zu unterstützen.«
»Der nähme von ihr keinen Kreuzer, da kennen Sie ihn schlecht. Er kann es wohl nicht ändern, daß die Bertha ihren eigenen Weg geht, aber gutheißen wird er ihn nie und noch weniger etwas von ihr nehmen. Ihm war's gar nicht lieb, daß sie wieder ins Dorf kam und alle Leute sehen, wie sie in Seide geht und vornehm thut. Sie wohnt auch wie eine Fremde im Hause. Sie begleitet die Eltern beim Kirchgang nicht und hat noch mit Keinem aus dem Dorfe ein freundlich Wort gesprochen. Der Alte wird froh sein, wenn sie erst wieder fort ist, ich glaube er fürchtet, daß sie ihm noch Schande ins Haus bringt.«
Wolff ließ sich den Hof Hillborns zeigen, belohnte den Burschen und schritt auf das kleine, freundlich mit Weinreben belaubte Haus zu. Bertha saß am Fenster des oberen Stocks und erröthete stark als sie ihn bemerkte. Sie schien bestürzt, erschrocken, aber sie kam ihm schon entgegen als er die Schwelle betrat. »Sie hier! Herr Commissar?« rief sie, ein freudiges Ueberraschen heuchelnd, während ihre Stimme leise bebte. »Was führt Sie hierher?!«
»Errathen Sie das nicht?«
»Sie wollen mich nochmals verhören?«
»Nein,« versetzte er lächelnd, »da hätte ich schon so ungalant sein müssen, Sie auf's Gericht zu citiren. Sie sind recht böse. Ich dächte, Sie müßten ahnen, was mich hierher zieht.«
»Herr Commissar, ich hielt Ihre Andeutung für einen Scherz. Ich bitte Sie, schonen Sie meinen Ruf. Was sollen die Leute hier denken, wenn ich Besuch von einem Herrn erhalte?«
»Daß Sie eine Eroberung gemacht haben. Sehe ich so schlecht aus, daß Sie sich schämen, einen solchen Bewerber zu haben?«
»Gewiß nicht – aber – ich gelte hier schon für verlobt.«
»Sie gelten dafür? Sie sind es also nicht?«
»Ich schwanke noch. Keinenfalls darf ich Ihnen Gastfreundschaft in diesem Hause bieten. Sie sagten auch, daß Sie erst in Monaten kommen würden.«
»Der Zufall fügte, daß ich auf einer Dienstreise diese Gegend passire. Mit dem nächsten Zuge will ich weiter. Ich dachte, Sie nicht unangenehm zu überraschen. Diesen Empfang hatte ich nicht erwartet. Sie haben grausam mit mir gespielt. Ich gehe. Ich werde mir in einer Schänke die Zeit vertreiben bis zum Abend.«
»Nein, Herr Commissar – doch halt. Sie brauchen ja nicht als ein Beamter hier zu gelten. Sie können sagen daß Sie in Aufträgen der Baronin hier vorsprachen. Wenn Sie nur bis zum Abend bleiben, ist das etwas Anderes.«
»Für Sie, aber nicht für mich. Was soll ich hier, wenn ich nichts mehr hoffen darf!«
»Mit mir plaudern. Ich langweile mich schrecklich. Und dann,« setzte sie mit einem schalkhaften Blicke hinzu, »vielleicht bestimmen Sie mich, mir die Sache mit dem Anderen zu überlegen. Noch hat er nicht mein Jawort.«
»Sie sind ein Engel und ein Teufel zugleich. Ich wollte, ich hätte ein Zaubermittel, mich verführerisch zu machen.«
Sie führte ihn in ihr Zimmer und bat ihn dort zu weilen, bis sie die Mutter benachrichtigt, daß ein Gast zu Tische komme.
Sehr bald war sie wieder zurück. »Herr Wolff,« sagte sie, »vor Allem eine Bitte. Halten Sie die Rolle eines Beauftragten der Baronin fest. Ich bin hier in einer eigenen Lage. Meine Eltern verwünschen, daß sie mich als junges Mädchen in die Stadt geschickt. Ich bin ihren Sitten und Gewohnheiten entfremdet. Ich liebe den Mann, der mir seine Hund angetragen, nicht, aber ich sah in dessen Anerbieten eine gesicherte Zukunft, die mich einerseits davor schützt, wieder einen Dienst annehmen zu müssen, andererseits mich davon erlöst, wieder Bauernkleider anzuziehen. Meine Eltern hören nicht gern davon sprechen, daß ich mich halb und halb versprochen; wenn sie erführen, daß ich den Mann nicht einmal liebe, so würden sie ganz trostlos sein.«
»Ich werde Ihre Wünsche gewiß erfüllen. Ich wollte, dieser Mann, den sie nicht lieben und dem Sie doch halb und halb Ihr Wort gegeben, existirte gar nicht. Wer ist's denn?«
»Wozu wollen Sie das wissen? Ich habe zu offen über ihn gesprochen, um seine Namen preisgeben zu dürfen. Reden wir von etwas Anderem. Wie steht's mit der Cassettengeschichte?«
»Sehr böse. Ich glaube, Sie haben Recht, die Baronin hat eine große Thorheit begangen und macht dieselbe durch ihre Hartnäckigkeit noch größer. Sie giebt zu, daß der Räuber zuerst eine Erpressung versucht und beantragt jetzt auch die Bestrafung wegen dieser. Der Mensch wird natürlich Alles thun, ihre Ehre zu compromittiren.«
»Wie«! rief Bertha, »sie wagt es?«
»Warum nicht? Der Staatsanwalt hat sich öffentlich mit ihr verlobt.«
Bertha biß sich auf die Lippen. Wolff sah es ihr an, daß diese Mittheilung sie arg enttäuschte.
»Und was wird die Folge sein?« fragte sie.
»Der Räuber wird seine zehn Jahre Zuchthaus erhalten, die Baronin wird Frau Staatsanwalt und die Leute werden zuerst viel schwatzen, aber mit der Zeit die Sache vergessen.«
»Das ist unerhört!« rief Bertha heftig. »Gegen die Vornehmen giebt es also keine Gerechtigkeit!«
Wolff zuckte die Achseln. »Wenn der Jäger Beweise schaffen könnte«, versetzte er, »die eine Anklage gegen die Baronin nothwendig machten, stände es anders. Aber worauf hin sollte er anklagen können? Er hat sich Geheimnisse der Ehe erlauscht und gedroht, sie zu verrathen. Die Baronin trotzt der Drohung, folglich ist er betrogen. Was er gegen ihre Ehre vorbringt, geht das Gericht nichts an, und die Freunde der Baronin werden sagen, er lüge, um sich an ihr zu rächen. Wäre der Mann klug gewesen, so hätte ihm die Baronin sein Schweigen bezahlt, er hat aber die Saiten überspannt und da ist ihre Geduld gerissen.«
Indem Wolff auf diese Weise Berthas Hoffnung, mit Wildhorst nach Amerika zu gehen, zerstörte, beobachtete er sie scharf und der Kampf in ihrem Innern entging ihm nicht. Sie mochte es jetzt verwünschen, daß sie geleugnet, den Räuber zu kennen, denn sie mußte sich jetzt entweder selbst widersprechen oder der Baronin den Triumph gönnen.
»Herr Commissar,« sagte sie mit Bitterkeit, »die Baronin hat Glück und gute Freunde. Wer wie ich, Zeuge ihrer geheimen Angst gewesen, der muß annehmen, daß etwas Schlimmes auf ihrem Gewissen lastet. Ein Mörder könnte nicht unruhigere Nächte haben als sie. Und jetzt büßt ein Unschuldiger dafür, daß er gewagt, sie zu bedrohen! Aber wer weiß, was er noch vorbringt, ob sich nicht doch Beweise gegen die Baronin finden werden.«
»Das ist möglich, aber ihm bringt das keinen Nutzen, im Gegentheil, es erhöht seine Strafe. Er hätte, anstatt Geld zu erpressen, die Anzeige beim Gericht machen müssen. Was er aussagt, ist also entweder eine Verleumdung oder das Geständniß einer Mitschuld an einem Vergehen, durch Verheimlichung desselben. Die Baronin wird natürlich, sobald eine durch Beweise bekräftigte Anklage gegen sie vorliegt, auch vom Gesetze nicht verschont bleiben. Aber was sollte sie gethan haben! Ein Zwist mit dem Gatten, eine Untreue selbst, das sind keine Verbrechen, die der Staatsanwalt verfolgt, die aber nichtsdestoweniger auf der Seele lasten können und die man gern verheimlicht.«
Bertha war in Gedanken versunken, sie schien zu überlegen. Sie beantwortete die zuletzt an sie gerichtete indirecte Frage nicht.
»Sagen Sie mir doch,« fuhr Wolff nach einer Pause fort, »hat denn die Baronin niemals früher von diesem Jäger Wildhorst zu Ihnen gesprochen?«
Bertha schaute auf. »Die Baronin sprach viel zu viel, mehr als die Vorsicht gestattet hätte. Sie nannte mir mehrere ihrer Diener, aber ich achtete nicht darauf. Brechen wir davon ab, mir ist die Sache peinlich.«
»Sie verbergen mir Etwas.«
»Ist das ein Verbrechen? Sind Sie auch bei mir der Polizeibeamte?« fragte sie, sich in den Sessel zurückwerfend, in plötzlich verändertem Tone, mit kokettem Lächeln.
»Ich wünschte Ihr ganzes Herz ins Verhör zu nehmen, um nachzuforschen, ob da kein Plätzchen für mich ist. Sie hielten den Räuber für einen Liebhaber der Baronin. Soll ich glauben, daß Sie über solche Dinge leichtfertig urtheilen? Ich möchte so gern Ihren Charakter ganz kennen lernen. Es hat mir sehr gefallen, daß Sie so rasch entschlossen den Dienst gekündigt.«
»Nun denn,« versetzte sie geschmeichelt und ihr Auge spendete ihm einen feurigen, ermunternden Blick, »so will ich Ihnen noch etwas gestehen, damit Sie mich nicht falsch beurtheilen. Als die Baronin mir den Jäger Wildhorst als denjenigen nannte, der ihres Gatten volles Vertrauen besessen, fiel mir ein, daß ich den Menschen in K. gesehen, daß er auf einmal in das Haus der Gräfin Braß gekommen. Er spielte den Galanten, erzählte, daß er demnächst eine glänzende Stellung, vielleicht eine Försterei erhalten werde und gab zu verstehen, daß die Baronin Stilten mit ihm auf sehr vertrautem Fuße stehe. Ich achtete weder auf diese Redensarten, noch darauf, daß er mir Anträge machte. Als ich hörte, er sei der Dieb, der die Cassette gestohlen und ich auch die Baronin untröstlich darüber sah, daß sie den Diebstahl angezeigt, stiegen nahe liegende Vermuthungen in mir auf. Ein früherer Liebhaber konnte es schon wagen, sich ein Pfand zu stehlen, nicht aber ein entlassener Diener.«
Wolff mußte sich bezwingen, seinen Ekel zu verbergen Dieses Weib war eine herzlose Intrigantin. Nicht aus Liebe, sondern um mit Wildhorst die Beute zu theilen, hatte sie ihm beim Cassettendiebstahl geholfen und kaum ward ihr klar, daß der Jäger rettungslos dem Gesetz verfallen sei, als sie ihn auch schon preisgab und sofort eine Schwenkung machte, sich auf Seite der Baronin zu stellen! Es war vorherzusehen, daß sie die Frechheit haben werde, wenn man sie mit Wildhorst confrontire, diesem abzustreiten, daß sie ihn in B., im Hause der Baronin überhaupt gesehen!
»Sie beruhigen mich sehr,« antwortete Wolff. »Denken Sie sich die Unverschämtheit dieses Menschen. Er hat Sie als seine Gehilfin beim Diebstahl angegeben und, hätte nicht die Baronin ausdrücklich erklärt, daß dies unmöglich sei, so wären Sie längst vor Gericht citirt worden.«
Bertha wechselte die Farbe und suchte ihre Bestürzung unter der Maske der Empörung zu verbergen. »Der Elende!« rief sie, »oh – nun begreife ich, daß ich der Baronin doch vielleicht Unrecht gethan. Wer so frech zu lügen versteht, dem ist Alles zuzutrauen. Wer weiß, ob die ganze Geschichte nicht eine schmutzige Intrigue war, die die Verwandten des Barons, die Feinde der gnädigen Frau, angezettelt!«
»Das ist nicht unmöglich. Es handelt sich für diese darum, eine große Erbschaft derselben abzustreiten. Wenn die Baronin weniger trotzig auf ihr Recht, weniger stolz wäre, hätte sie schon früher eine Summe Geldes zur Belohnung für denjenigen ausgesetzt, der die Machinationen ihrer Feinde enthüllt. Jetzt ist das zu spät.«
»Sie hat es also doch gethan?«
»Ich hörte davon, daß ihr der Staatsanwalt diesen Rath ertheilt und wüßte auch wohl ein Mittel, die Belohnung zu verdienen, aber es ist zu spät.«
»Wie so? Lieber Herr Commissar, wenn ich Ihnen helfen könnte, thäte ich es mit Freuden. Nicht der Belohnung halber, gewiß nicht, sondern um gut zu machen, was ich verbrochen. Ich handelte zu rasch; mein Entlassungsgesuch muß die Baronin schwer beleidigt haben, wenn sie wirklich nur das Opfer schmutziger Intrigue ist.«
»Der Plan, den ich verfolgt hätte,« versetzte Wolff, »wäre folgender. Die Baronin hatte eine vertraute Kammerzofe auf Stilten, der Jäger Wildhorst ist, oder war mit derselben verlobt; sie wenigstens verläßt sich noch nicht auf seine Treue.«
»Wissen Sie das gewiß?« fragte Bertha mit gepreßter Stimme.
»Ganz gewiß. Das Mädchen hat, wie die Baronin zu Protokoll erklärt, von ihr das Versprechen einer guten Ausstattung erhalten und noch kurz vor dem Diebstahl sich wegen ihres Bräutigams an die Baronin gewandt.«
»Da sehen Sie also, wie der Elende gelogen, als er mich als seine Genossin angab!«
»Gewiß hat er gelogen. Es scheint ziemlich klar, daß er, wenn er von der Baronin Geld erhalten, seine Braut geheirathet, schon deshalb, weil die Baronin ihm dann die Castellanstelle auf Stilten gegeben hätte. Aber sie wußte, daß er lüderlich geworden und verlangte von ihm erst gute Führung, ehe sie ihm ihre Unterstützung angedeihen ließ. Ich combinire nun, daß er mit seiner Geliebten die Intrigue gegen die Baronin verabredet hat, daß er schließlich Gewalt versucht und damit Alles verdorben, weil die Baronin ihn nicht so fürchtet, als er voraussetzte. Man hätte nun die ganze Intrigue enthüllen können, wenn man jenem Mädchen gesagt, er habe sie betrügen und nach Hamburg gehen wollen. Man brauchte nur seine eigene Aussage, daß er Ihr Verlobter sei, Jener mitzutheilen und sie würde aus Zorn über den Betrug seine Anschläge enthüllen.«
»Der Plan ist gut,« erwiderte Bertha, in deren Augen es unheimlich loderte. »Hat er das Vertrauen eines armen Mädchens verrathen, so mag er dadurch zu Grunde gehen. Was hindert Sie, diesen Plan auszuführen?«
»Theuerste, sehen Sie das nicht selbst? Womit soll man dem Mädchen die Untreue des Geliebten beweisen? Er ist verhaftet, sie wird sagen, man belüge sie, man wolle ihn verderben. Und im Grunde ist es auch eine Lüge, denn wer sagt, daß er die Absicht gehabt, dieser Elise untreu zu sein, daß er ihr nicht von Hamburg geschrieben hätte?«
»Ich will es beweisen!« rief Bertha in leidenschaftlicher Erregung, aber sie verbesserte sich sogleich, als sie den Blick Wolffs forschend auf sich geheftet sah. »Ich will ihr wenigstens sagen,« fuhr sie fort, »daß es nur eines Jaworts von mir gebraucht hätte und er wäre schon in K. mein Verlobter geworden, Ich bin überzeugt, daß der Elende alle Welt betrogen. Wer als Verlobter einer Anderen einem Mädchen Dinge sagt, wie er sie mir, der ist falsch, durch und durch.«
»Wenn Sie das thäten, wenn es Ihnen gelänge, die Tochter des Castellans dahin zu bringen, daß sie die Intriguen Wildhorst's aufdeckt, die er schon bei Lebzeiten des Barons gesponnen, so würde Ihnen die Belohnung von 3000 Thaler zufallen, welche die Baronin für ihre Ehrenrettung ausgesetzt.«
»Und Ihnen würde ich dieselbe und vor Allem die Befriedigung, ein gutes Werk gethan zu haben, danken!« sagte Bertha mit einem Blick, der einen Verliebten berauscht hätte.
Wolff ergriff ihre Hand, sie an seine Lippen zu führen. Da bemerkte er die Narbe eines Schnittes am kleinen Finger.
»Sie sind ja verwundet!« sagte er, den Finger küssend.
»Unbedeutend,« versetzte sie, und entzog ihm die Hand in heftiger Bewegung, als ob sie erschrocken sei.
»Habe ich Ihnen Schmerzen verursacht?«
»Nein,« lächelte sie, wieder völlig gefaßt. »Ich ritzte den Finger vorgestern an einem Dorn im Garten.«
Wolff hatte den Beweis vor Augen, daß sie die Unwahrheit sagte. Es war ein scharfer Schnitt wie von einem Messer oder Glassplitter, und es hatte Heftpflaster auf der Wunde gelegen, die jedenfalls älter war, als Bertha behauptete. Die Absicht, die Verletzung durch eine Unwahrheit zu erklären, um jede weitere Frage abzuschneiden, lag auf der Hand.
Wolff verbarg seine Freude über eine Entdeckung, welche seine Ansicht, daß Bertha die Spuren des Einbruchs verwischt und dazu das Taschentuch der Baronin gebraucht, bestätigte.
»Ich werde über unsern Plan nachdenken,« sagte er. »Vielleicht genügt es, wenn Sie an den Castellan Felter schreiben und ihm mittheilen, Wildhorst habe sich Ihnen mit Anträgen genähert, Sie bäten ihn um Auskunft über den Charakter und den Ruf desselben. Mit einer solchen Anfrage compromittiren Sie sich nicht weiter und sie erreicht vielleicht den gewünschten Zweck, denn dort wird noch Niemand wissen, daß der Jäger verhaftet ist.«
»Ich werde den Brief noch heute schreiben.«
Wolff nickte ihr zu und änderte jetzt das Thema. Um sie völlig sicher zu machen, spielte er den sehnsüchtig Schmachtenden, und Bertha machte ihm das leicht, ihre Eitelkeit und Koketterie waren stark genug, um einen so raschen Triumph für möglich zu halten, und sie besaß Reize, welche anzubeten dem Commissar nicht viel Mühe kostete.