Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIV.

Wolff und Brack beriethen mit einander, ob es gerathener sei, das Incognito abzulegen oder abzuwarten bis man sie zur Rede stelle. Es war ihnen kein Zweifel darüber, daß Elise, wenn sie Brack nicht kenne, doch jedenfalls Argwohn geschöpft habe. Es war ja möglich, daß sie ihn einmal in K. gesehen und jetzt zweifelhaft war, ob die Erinnerung oder die Aehnlichkeit sie täusche. In jedem Falle wäre es besser gewesen, den wahren Charakter zu nennen als mit Mißtrauen zu kämpfen, aber freilich war es jetzt schon zu spät, dies rückgängig zu machen. Die beiden Beamten waren noch dabei das Für und Wider zu erwägen und nur so viel stand bei ihnen fest, daß der Castellan und Elise, nicht aber die Knechte und Mägde des Gutes erfahren dürften, wer sie seien, als Felter eintrat. Der alte Mann war kein Meister in der Verstellungskunst und im Comödienspiel, er kam daher ziemlich ungeschickt mit seiner Frage heraus und Wolff errieth, daß Elise ihn zu derselben veranlaßt.

»Werther Herr,« sagte Wolff, dem Alten die Hand reichend, »ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich Sie für einen treuen und ergebenen Diener der Baronin halte und Ihnen deshalb volles Vertrauen schenke.«

»Das ist so gewiß wahr,« betheuerte Felter, »als ich selig zu werden hoffe. Die Frau Baronin ist meine Wohlthäterin und ich ginge für sie durchs Feuer.«

»Gut, so werden Sie gewiß darüber empört sein, daß die gehässigsten Verleumdungen ungestraft geblieben?«

»Ich denke es giebt einen Gott im Himmel, der das Böse straft, wenn die Frucht reif geworden.«

»Sie dürfte reif geworden sein. So wisset denn, ich habe den Auftrag, gewissen Gerüchten auf die Spur zu kommen, meine Vollmacht brauche ich Ihnen nicht zu zeigen wenn dieser Herr sich legitimirt. Er ist kein Maurermeister, sondern ein tüchtiger Criminalbeamter, der mir mit gutem Rath zur Seite stehen will, die Feinde der Baronin zu entlarven.«

Brack überreichte dem Castellan seine Karte und Wolff bemerkte mit Befriedigung, wie die ungeheuchelte und freudige Genugthuung in den Zügen des Alten deutlich bekundete, daß er ihm vertrauen dürfe.

»Wenn Sie der Baronin wahrhaft ergeben sind,« fuhr Wolff fort, »so werden Sie uns vor Allem darin unterstützen, daß Sie die Eröffnung geheim halten, die wir Ihnen gemacht und Niemand, wer es auch sei, unseren wahren Charakter nennen. Sie werden die Leute fern halten, von denen Sie voraussetzen, daß sie Herrn Brack kennen, überhaupt Sorge tragen, daß die Neugier der Dorfbewohner uns nicht belästigt. Wie steht es mit Ihrer Tochter? Kann dieselbe schweigen?«

»Was meine Tochter verbergen will, das würde keine Folter aus ihr herausbringen, sie hat einen festen Charakter. Aber es dürfte – Sie werden mich nicht mißverstehen – ich meine, es wäre gut, meine Tochter erführe nicht, wer Sie sind. Elise ist gegen ihre Wohlthäterin dankbar, aber –«

»Sprechen Sie getrost. Sie liebt den entlassenen Jäger.«

»So ist es leider. Ich habe viel Sorge deshalb um sie. Es ist mein einziges Kind, die Stütze meines Alters, das dieser Mensch an sich gekettet, als ob er ihr einen Zaubertrank gegeben.«

»Sie argwöhnt, daß wir falsche Namen führen?« fragte Brack.

»Es scheint so. Sie ist unruhig wenn Nachforschungen geschehen, sie fürchtet immer, es könne Wildhorst seine Pension verlieren und sie weiß, daß er dann fähig wäre, sich von den Vettern des seligen Barons erkaufen zu lassen.«

»Das würde sie also tadeln?«

»Sie würde ihn verachten und es würde ihr die Entdeckung, daß er ihrer unwürdig, das Herz brechen. Sie hat ja nichts zu seinen Gunsten zu sagen, wenn man sein wüstes Leben schildert, als immer dasselbe Wort. Sie meint, wenn er ein schlechtes Herz und einen bösen Charakter hätte, würde er längst bei den Stiltens einen Dienst gefunden haben, und sie macht der Baronin wohl im Stillen einen Vorwurf daraus, daß sie nicht besser für den Jäger sorgt, als ob der Mensch etwas verdient hätte. Aber seine Einbildung hat sie angesteckt.«

»Gut; so sagen Sie ihr, der Herr Criminal-Commissar Brack habe mir seine Begleitung aufgedrängt und ich hätte Ihnen im Vertrauen verrathen wer er sei und daß ich mich nur gezwungen zu dieser Täuschung verstanden. Gebieten Sie ihr, das Geheimniß zu bewahren und geben Sie mir Gelegenheit, Ihre Tochter sobald als möglich allein zu sprechen.«

Der Alte nickte ihm zu. »Gott gebe seinen Segen zu Ihrem Vorhaben,« sagte er. »Es wird nicht eher besser, ehe nicht Alles klar wird und an den Tag kommt, was die Bosheit im Dunkeln gesponnen. Dann wird sich auch zeigen, was der Wildhorst eigentlich noch erwartet, warum er keine Arbeit sucht und keinen Dienst gefunden. Elise muß klar über ihn werden, sonst bleibt sie ledig und er hat sie um ihr Lebensglück betrogen.«

Der Alte entfernte sich. Er mußte den Auftrag, den Wolf ihm gegeben, gut ausgerichtet haben, denn als das Nachtmahl beendet war und Felter die Gäste noch zu einer Flasche Wein einlud, verließ Elise unter dem Vorwande das Zimmer, sie wolle in der Fremdenstube nach dem Kaminfeuer sehen. Ihr Blick schien Wolff aufzufordern ihm zu folgen und dieser war denn auch an ihrer Seite, noch ehe sie das Gemach erreicht.

»Mein Vater sagt mir, daß Sie mich sprechen wollen?« begann Elise und ihr Blick schien Wolff forschend zu mustern.

»Ich bat darum,« erwiderte er in freundlich vertraulichem Tone. »Schließen wir hinter uns die Thür, damit Niemand uns stört, Sie können das schon wagen, ich bin ein gesetzter Mann.«

»Ich fürchte Sie auch nicht,« entgegnete sie trocken.

Sie schloß die Thür und setzte die Lampe auf den Tisch; dann schaute sie ihn erwartungsvoll aber ruhig und fest an.

Er konnte nicht zweifeln, daß er einen entschlossenen Charakter vor sich habe und daß es ihm nicht leicht sein werde, hier Vertrauen zu gewinnen.

»Mein Fräulein,« begann er, »setzen wir uns, ich habe viel zu fragen. Zuerst hören Sie, was ich vor Allem erbitte. Die Baronin hat mich beauftragt, hier bauliche Veränderungen zu arrangiren, sie will hierherziehen, aber das muß ein Geheimniß bleiben.«

Elise schaute ihn befremdet, ungläubig an. »Das ist überraschend,« sagte sie mit leisem Spott. »Ich hörte, sie wolle ein Gut Bärwalde kaufen.«

»So? Und von wem hörten Sie das?«

Elise erröthete, die rasche Frage verwirrte sie. »Ich weiß es nicht,« stotterte sie. »Man erzählte es für bestimmt.«

»Die Baronin hatte diese Absicht, aber sie ist davon zurückgekommen. Sie will hierherziehen, um dadurch mit einem Schlage alle Gerüchte zu Schanden zu machen, welche behaupten, sie habe Ursache, das Gut nicht wieder zu betreten.«

Elise schien bestürzt, aber sie lächelte schon im nächsten Moment. »Dann will sie wohl hier die Flitterwochen ihres jungen Ehestandes feiern?« fragte sie ungläubig und mit Bitterkeit im Tone.

»Das wissen Sie also auch! Aber Sie sind eben falsch unterrichtet. Wenn die Verlobung sich nicht zerschlagen hätte, würde der Kauf von Bärwalde nicht rückgängig gemacht sein. Ich sehe, Ihnen fehlen noch die neuesten Nachrichten.«

»Ich habe nicht die Ehre, besondere Nachrichten zu erhalten,« versetzte sie, von diesem Tone des Fremden betroffen und verwirrt. »Ich höre nur, was die Leute erzählen.«

»Und wer erzählt solche Dinge?«

»Der Inspector, der Verwalter … Befremdet es Sie, daß man hier Interesse an den Schicksalen und Plänen der Baronin nimmt?«

»Nein, aber es befremdet mich, daß Sie, welche die Baronin mir als ihre Vertraute, fast als ihre Freundin geschildert, nicht einsehen, daß die Baronin endlich einmal hierher kommen und Verleumdungen zu Schanden machen muß. Ich wenigstens habe ihr diesen Rath als Freund gegeben und sie müßte mir die Verhältnisse falsch geschildert haben, wenn mein Rath nicht gut gewesen ist. Ich gestehe freilich, daß Manches mich stutzig macht, besonders die Gesellschaft, die ich gefunden ohne sie erbeten zu haben.«

Elise schaute ihn an, als ob ihr Blick sein Inneres durchbohren wolle.

»Sie sprechen doch nicht von Ihrem Begleiter?« fragte sie.

»Von wem anders! Ich gehe in K. auf's Amt um die Bauconcession nachzusuchen. Da erscheint im Gasthof bei mir ein Herr Brack und bittet, mich begleiten zu dürfen. Er fügt hinzu, daß er Criminalbeamter sei, aber unter falschem Namen und Titel reisen wolle. Ich fordere eine Erklärung, er antwortet mit der Frage, ob der Bevollmächtigte der Baronin den Besuch der Polizei auf Schloß Stilten zu fürchten habe. Ich weiß nicht, will er mich beobachten oder führt ihn eine geheime Absicht her – ich konnte nicht gut etwas Anderes thun, als ihm einen Platz in meinem Wagen anbieten. Es wird sich ja bald aufklären, was er will. Ich habe ihm jedoch versprechen müssen, hier seinen wahren Charakter nicht zu enthüllen und hoffe, Sie werden das Geheimniß bewahren. Ihrem Vater und Ihnen mußte ich es wohl anvertrauen, damit Sie wissen, mit wem Sie reden, wenn er etwa indiscrete Fragen über die Baronin thut.«

Elise schien diesen Worten Glauben zu schenken und Vertrauen zu fassen, jedoch nicht auf Kosten der Vorsicht.

»Wann haben Sie die Baronin zuletzt gesehen?« fragte sie plötzlich.

»Vorgestern, ehe ich abreiste. Sie ließ mich noch einmal rufen, um mir einen besonderen Auftrag zu geben. Ich sollte mich hier über die Lebensweise eines gewissen Wildhorst unterrichten. Der Baronin schien sehr viel daran zu liegen, Genaues über ihn zu erfahren. Sie war sehr ernst, es scheint, daß ihr durch denselben Unannehmlichkeiten bereitet sind. Ich befragte Brack darüber, aber er wich mit der Antwort aus. Er schien horchen zu wollen, welchen Auftrag ich habe. – Ihr Vater sagt mir, daß Ihnen der Jäger nahe gestanden.«

Elise hatte einen Moment jede Selbstbeherrschung verloren und ward erst ruhiger, als Wolff erwähnte, daß er die Neugierde Brack's nicht befriedigt habe. »Ich kann Ihnen die beste Auskunft über Wildhorst geben,« sagte sie, »er ist mein Verlobter. Wenn Sie aber ein wahrer Freund der Baronin sind, so vermeiden Sie es, mit Herrn Brack über sie zu sprechen. Ich bin überzeugt, daß er im Interesse der Feinde der Baronin hier ist.«

»Wie soll ich das verstehen? – Sie erschrecken mich. Hätte die Baronin wirklich etwas zu fürchten?«

»Sie hat erbitterte und hartnäckige Feinde, aber so lange Wildhorst unbestechlich bleibt, soll es ihnen schwer halten, der Baronin etwas anzuhaben. Man hat versucht, ihn zu erkaufen, aber er ist treu und die Baronin ahnt vielleicht nicht, wie schlecht er gestellt ist, sonst würde sie ihn besser versorgen. Er ist deshalb – und das sage ich Ihnen im Vertrauen – nach B. gereist, der Baronin seine Lage vorzustellen. Sie glaubt, es sei Arbeitsscheu von ihm, wenn er noch keinen Dienst gefunden. Aber sie weiß nicht, daß man dazu Atteste braucht und daß die Gerüchte, welche über die letzten Tage des Barons Stilten verbreitet sind, Argwohn gegen Jedermann erwecken, der nicht offen Partei gegen die Baronin nimmt. Das mag Wildhorst nicht, und deshalb hat er keinen Dienst gefunden. Er mag aber auch nicht die Gegend verlassen, in der ich lebe. Er hatte erwartet, die Baronin werde nach ihrer Rückkehr aus Italien für ihn sorgen, aber sie hat ihn vertröstet und mit kleinen Unterstützungen abgespeist. Sie scheint sich zu scheuen, üblen Gerüchten dadurch, daß sie ihm eine gute Stellung verschafft, Nahrung zu geben, aber sie vergißt darüber, daß der Mann, der sich für sie geopfert, zu Grunde geht, und daß eine ergebene treue Seele schließlich auch die Geduld verliert, wenn immer neue Versprechungen gemacht werden, aber keine Hülfe kommt. Doch er wird das Alles ihr schon vorgetragen haben, ich erwarte jeden Tag einen Brief von ihm.«

Wolf spielte meisterhaft den Ueberraschten, den Bestürzten. »Beim Himmel,« sagte er, »wenn das Alles wahr ist, dann verstehe ich die Baronin nicht. – Wildhorst ist verhaftet.«

»Verhaftet?!« rief Elise aufspringend, und ihr Antlitz flammte in lodernder Gluth. »Weshalb? – O, Sie täuschen mich. Das wagt sie nicht.«

»Der Baronin fehlte plötzlich ihre Cassette. Man fand dieselbe bei Wildhorst, der ohne Paß nach Hamburg reiste. Er behauptete, die Cassette nur als Pfand einer Forderung genommen zu haben, die Baronin werde das bestätigen. – Jetzt verstehe ich die Unruhe – ich mochte sagen Angst – mit der sie mich bat, nachzuforschen, ob man hier Wildhorst ein Verbrechen zutraue. Die Baronin scheint es selber nicht zu glauben, daß der Jäger mehr beabsichtigt hat, als eine Drohung.«

»Das will ich glauben,« versetzte Elise, deren Busen stürmisch wogte, in einer Erregung, die sie kaum zu bemeistern vermochte. »Sie hat doch hoffentlich veranlaßt, daß Wildhorst in Freiheit gesetzt ist?«

Wolff zuckte die Achseln. »Sie hat es versucht, aber vergebens. Von dem Augenblick, wo sie einmal den Raub bei der Polizei angezeigt, gehörte die Sache dem öffentlichen Ankläger und sie ist nur Zeugin. Sie kann nichts bessern und nur sich selbst compromittiren, wenn sie zu Gunsten des Jägers spricht. Er wird seine Strafe erdulden müssen.«

Elise war bleich geworden, nur in ihren dunklen Augen flammte es unheimlich, es war, als ob in ihr ein furchtbarer Kampf tobe und ein finsterer Entschluß die Oberhand behalte.

»Die Strafe ist entehrend?« fragte sie mit bebender Stimme.

Wolf nickte bejahend.

»Ich verstehe!« rief sie mit bittrem Lachen und ihr Auge erhielt etwas Stechendes. »Der Entehrte verliert die bürgerlichen Rechte und kann nicht mehr als Zeuge auftreten. Wenn er die Baronin verklagte, würde man sagen, er wolle sich rächen. Der Mann wird unschädlich gemacht. Nachdem man seine Geduld erschöpft, benutzt man eine unüberlegte That, zu der man ihn gereizt, ihn zu verderben. Aber er ist nicht so wehrlos, als man glaubt. Er war nicht so thöricht, in die Dankbarkeit der Vornehmen volles Vertrauen zu setzen. Ich werde für ihn zeugen, ich werde die Wahrheit enthüllen, und vernichtet man seine Ehre, so soll die Baronin nicht triumphiren. Mein Vater ist ein redlicher Mann, er wird das Gnadenbrod verschmähen, wenn er erfährt, daß es der Kaufpreis sein soll für mein Schweigen. Lieber will ich mit meiner Hände Arbeit ihn ernähren und als Magd beim Bauer dienen, als mitschuldig sein an einem Verbrechen, mit dem Undankbarkeit die Treue lohnt. Ihr Begleiter ist ein Criminalbeamter. Sagen Sie ihm, daß ich eine Aussage abzulegen habe in dieser Sache, daß ich, wenn es nöthig ist, nach B. reisen werde, dem Gericht zu sagen, wie es sich zum Werkzeug einer Intrigue hergiebt, mit der die Schuld ihre Ankläger verfolgt. Mein Vater wird mir beipflichten, sollte es ihm auch das Asyl seines Alters kosten.«

»Liebes Fräulein,« entgegnete Wolf, erschrocken und bestürzt von dieser Leidenschaft – »hören Sie noch eine Warnung, ehe Sie handeln. Ich bin zwar der Freund der Baronin, aber ich würde nicht die Hand für sie erheben, wenn sie mich aufforderte, um ihretwillen einem Dritten Unrecht zu thun. Ich billige Ihren Entschluß, wenn Sie Ihrer Sache völlig gewiß sind, aber ich ermahne Sie, sich deshalb selber zu prüfen. Sie lieben diesen Wildhorst, Sie sind also für ihn eingenommen. Bedenken Sie nun wohl, daß man bei Ihrem Zeugniß fragen wird, was Sie selbst mit eigenen Augen gesehen, was Sie aus eigener Wahrnehmung erkannt, oder was Sie nur durch ihn erfahren haben! Sie werden die Möglichkeit zugeben müssen, daß er Sie schon früher getäuscht haben kann. Erwägen Sie wohl, was es heißt, eine Dame von feiner Bildung und hohem Range anzuklagen, daß Beweise nothwendig sind, eine Anklage zu unterstützen. Sind Sie dessen gewiß, daß Sie sich in dem Charakter des Jägers nicht täuschen, daß er nicht, um Ihre Liebe zu gewinnen, den treuen, ergebenen Charakter gespielt und Ihnen seine Pläne verborgen?«

»Ich kenne ihn, wie mich selbst. Ich würde eher an Gott verzweifeln, als an ihm. Er weiß es von mir, daß ich ihm ein Verbrechen verzeihen könnte, aber nicht eine Lüge.«

»Und wissen Sie, daß er Ihren frommen Glauben nicht täuscht? Er soll der Kammerzofe der Baronin, die er schon in K. kennen gelernt, auch einen Heirathsantrag gemacht haben, der Verdacht liegt vor, daß ihm dieses Mädchen, sie nennt sich Bertha Hillborn, bei dem Raube geholfen.«

Einen Augenblick loderte das Antlitz Elisen's in Purpurgluth, die Flamme der Eifersucht zuckte in ihren dunklen Augen, als wolle sie jedes andere Gefühl verzehren und im Sturme der Leidenschaft Blitze schleudern, aber diese plötzliche Erregung ging eben so rasch vorüber.

»Nein,« sagte sie und es war, als ob Thränen sich aus dem Herzen in's Auge drängten, »das ist unmöglich. Ich würde mich selbst beschimpfen, wenn ich das glaubte. Ich habe um seinetwillen den Vater bekümmert, dem Spott der Leute getrotzt und unsäglich gelitten. Was mich getröstet und was mir Kraft verliehen, war der Glaube, das Vertrauen auf ihn. Ich weiß es, daß er die Bertha Hillborn kennt und ihr schmeichelt, er hat es mir selbst gesagt. Es wäre Unrecht von ihm, wenn er sie betrogen, um ihrer Hülfe sicher zu sein, aber er war in Verzweiflung, er konnte sein Dasein nicht mehr ertragen. Ich kann ihn nicht rechtfertigen, wenn er zu schlechten Mitteln gegriffen, sein Ziel zu erreichen, aber er hat Alles versucht, was ein Mensch vermag, gegen das Schicksal zu kämpfen. Ihn hat das Geschick um eine stolze Zukunft betrogen, hat sein Dasein vergiftet, seine Ehre ist verleumdet worden, und alles das hat er getragen für ein Weib – das – – Oh!« unterbrach sie sich plötzlich und in ihren Augen glänzte es plötzlich hell und klar, »ich weiß es am besten, daß er keine Andere liebt, als mich, und an ihm zweifeln hieße sich selber verächtlich machen.«

Das Mädchen sprach in einem Tone überzeugender Wahrheit. Hier konnte kein Falsch sein, das war die lodernde Flamme eines reinen, edlen Gefühls. Dem Beamten zog es beklemmend die Brust zusammen. Ihm war es, als ob schon der Baronin das Urtheil gesprochen sei. War der Jäger ein so edler, wenn auch leidenschaftlicher Charakter, wie er hier geschildert wurde, dann lastete auf der Baronin nicht nur der Fluch der Schuld, sondern auch der bittere Vorwurf herzloser Undankbarkeit. – Sie vernichtete den Mitwisser ihres Geheimnisses, um sich den Dank zu sparen aus elendem Geiz! –



 << zurück weiter >>