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Agathon hatte seinen Platz kaum eingenommen, als man in dem Wasser ein wühlendes Plätschern, und aus der Ferne, wie es ließ, eine sanft zerflossene Harmonie hörte, ohne jemand zu sehen, von dem sie herkäme. Unser Liebhaber, den dieser Anfang in ein stilles Entzücken setzte, wurde, ungeachtet er zu diesem Spiele vorbereitet war, zu glauben versucht, daß er die Harmonie der Sphären höre, von deren Würklichkeit ihn die Pythagorischen Weisen beredet hatten; allein, während daß sie immer näher kam und deutlicher wurde, sah er zu gleicher Zeit die Musen aus dem kleinen Lorbeerwäldchen und die Sirenen aus ihren Grotten hervorkommen. Danae hatte die jüngsten und schönsten aus ihren Aufwärterinnen ausgelesen, diese Meernymphen vorzustellen, die, nur von einem wallenden Streif von himmelblauem Byssus umflattert, mit Cithern und Flöten in der Hand sich über die Wellen erhuben, und mit jugendlichem Stolz untadeliche Schönheiten vor den Augen ihrer eifersüchtigen Gespielen entdeckten. Allein kleine Tritonen bliesen, um sie her schwimmend, aus krummen Hörnern, und neckten sie durch mutwillige Spiele; indes daß Danae mitten unter den Musen, an den Rand der kleinen Halbinsel herabstieg, und, wie Venus unter den Grazien, oder Diana unter ihren Nymphen hervorglänzend, dem Auge keine Freiheit ließ, auf einem andern Gegenstande zu verweilen. Ein langes schneeweißes Gewand floß, unter dem halbentblößten Busen mit einem goldnen Gürtel umfaßt, in kleinen wallenden Falten zu ihren Füßen herab; ein Kranz von Rosen wand sich um ihre Locken, wovon ein Teil in kunstloser Anmut um ihren Nacken schwebte; ihr rechter Arm, auf dessen Weiße die Homerische Juno eifersüchtig hätte sein dürfen, umfaßte eine Laute von Elfenbein. Die übrigen Musen, mit verschiednen Saiteninstrumenten versehen, lagerten sich zu ihren Füßen; sie allein blieb in einer unnachahmlich reizenden Stellung stehen, und hörte lächelnd der Aufforderung zu, welche die übermütigen Syrenen ihr entgegensangen. Man muß ohne Zweifel gestehen, daß das Gemälde, welches sich in diesem Augenblick unserm Helden darstellte, nicht sehr geschickt war, weder sein Herz noch seine Sinnen in Ruhe zu lassen; allein die Absicht der Danae war nur, ihn durch die Augen zu den Vergnügungen eines andern Sinnes vorzubereiten, und ihr Stolz verlangte keinen geringern Triumph, als ein so reizendes Gemälde durch die Zaubergewalt ihrer Stimme und ihrer Saiten in seiner Seele auszulöschen. Sie schmeichelte sich nicht zu viel. Die Sirenen hörten auf zu singen, und die Musen antworteten ihrer Ausforderung durch eine Symphonie, welche auszudrucken schien, wie gewiß sie sich des Sieges hielten. Nach und nach verlor sich die Munterkeit, die in dieser Symphonie herrschte; ein feierlicher Ernst nahm ihren Platz ein, das Getön wurde immer einförmiger, bis es nach und nach in ein dunkles gedämpftes Murmeln und zuletzt in eine gänzliche Stille erstarb. Ein allgemeines Erwarten schien dem Erfolg dieser vorbereitenden Stille entgegen zu horchen, als es auf einmal durch eine liebliche Harmonie unterbrochen wurde, welche die geflügelten und seelenvollen Finger der schönen Danae aus ihrer Laute lockten. Eine Stimme, welche fähig schien, die Seelen ihren Leibern zu entführen, und Tote wieder zu beseelen (wenn wir einen Ausdruck des Liebhabers der schönen Laura entlehnen dürfen) eine so bezaubernde Stimme beseelte diese reizende Anrede. Der Inhalt des Wettgesangs war über den Vorzug der Liebe, die sich auf die Empfindung, oder derjenigen, die sich auf die bloße Begierde gründet. Nichts könnte rührender sein, als das Gemälde, welches Danae von der ersten Art der Liebe machte; »in solchen Tönen«, dacht Agathon, »ganz gewiß in keinen andern, drücken die Unsterblichen einander aus, was sie empfinden; nur eine solche Sprache ist der Götter würdig.« Die ganze Zeit da dieser Gesang dauerte, deuchte ihn ein Augenblick, und er wurde ganz unwillig, als Danae auf einmal aufhörte, und eine der Sirenen, von den Flöten ihrer Schwestern begleitet, kühn genug war, es mit seiner Göttin aufzunehmen. Allein er wurde bald gezwungen anders Sinnes zu werden, als er sie hörte; alle seine Vorurteile für die Muse konnten ihn nicht verhindern, sich selbst zu gestehen, daß eine fast unwiderstehliche Verführung in ihren Tönen atmete. Ihre Stimme, die an Weichheit und Biegsamkeit nicht übertroffen werden konnte, schien alle Grade der Entzückungen auszudrücken, deren die sinnliche Liebe fähig ist; und das weiche Getön der Flöten erhöhte die Lebhaftigkeit dieses Ausdrucks auf einen Grad, der kaum einen Unterschied zwischen der Nachahmung und der Wahrheit übrig ließ. »Wenn die Sirenen, bei denen der kluge Ulysses vorbeifahren mußte, so gesungen haben«, (dachte Agathon) »so hatte er wohl Ursache, sich an Händen und Füßen an den Mastbaum binden zu lassen.« Kaum hatten die Sirenen diesen Gesang geendiget, so erhub sich ein frohlockendes Klatschen aus dem Wasser, und die kleinen Tritonen stießen in ihre Hörner, den Sieg anzudeuten, den sie über die Musen erhalten zu haben glaubten. Allein diese hatten den Mut nicht verloren: Sie ermunterten sich bald wieder, und fingen eine Symphonie an, wovon der Anfang eine spottende Nachahmung des Gesanges der Sirenen zu sein schien. Nach einer Weile wechselten sie die Tonart und den Rhythmus durch ein Andante, welches in wenigen Takten nicht die mindeste Spur von den Eindrücken übrig ließ, die der Syrenen Gesang auf das Gemüte der Hörenden gemacht haben konnte. Eine süße Schwermut bemächtigte sich Agathons; er sank in ein angenehmes Staunen, unfreiwillige Seufzer entflohen seiner Brust, und wollüstige Tränen rollten über seine Wangen herab. Mitten aus dieser rührenden Harmonie erhob sich der Gesang der schönen Danae, welche durch die eifersüchtigen Bestrebungen ihrer Nebenbuhlerin aufgefordert war, die ganze Vollkommenheit ihrer Stimme, und alle Zauberkräfte der Kunst anzuwenden, um den Sieg gänzlich auf die Seite der Musen zu entscheiden. Ihr Gesang schilderte die rührenden Schmerzen einer wahren Liebe, die in ihrem Schmerzen selbst ein melancholisches Vergnügen findet; ihre standhafte Treue und die Belohnung, die sie zuletzt von der zärtlichsten Gegenliebe erhält. Die Art wie sie dieses ausführte, oder vielmehr die Eindrücke, die sie dadurch auf ihren Liebhaber machte, übertrafen alles was man sich davon vorstellen kann. Sein ganzes Wesen war Ohr, und seine ganze Seele zerfloß in die Empfindungen, die in ihrem Gesange herrscheten. Er war nicht so weit entfernt, daß Danae nicht bemerkt hätte, wie sehr er außer sich selbst war, und wie viel Mühe er hatte, um sich zu halten, aus seinem Sitz sich in das Wasser herabzustürzen, zu ihr hinüber zu schwimmen, und seine in Entzückung und Liebe zerschmolzene Seele zu ihren Füßen auszuhauchen. Sie wurde durch diesen Anblick selbst so gerührt, daß sie genötiget war, die Augen von ihm abzuwenden, um ihren Gesang vollenden zu können: Allein sie beschloß bei sich selbst, die Belohnung nicht länger aufzuschieben, welche sie einer so vollkommenen Liebe schuldig zu sein glaubte. Endlich endigte sich ihr Lied; die begleitende Symphonie hörte auf; die beschämten Sirenen flohen in ihre Grotten; die Musen verschwanden; und der staunende Agathon blieb in trauriger Entzückung allein.