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Wir haben schon so viel von der gegenwärtigen Gemütsverfassung unsers Helden gesagt, daß man sich nicht verwundern wird, wenn wir hinzusetzen, daß er den übrigen Teil der Nacht in ununterbrochenem Anschauen dieser idealen Vollkommenheit zubrachte, die seine Einbildungskraft mit einer ihr gewöhnlichen Kunst, und ohne daß er den Betrug merkte, an die Stelle der schönen Danae geschoben hatte. Dieses Anschauen setzte sein Gemüt in eine so angenehme und ruhige Entzückung, daß er, gleich als ob nun alle seine Wünsche befriediget wären, nicht das geringste von der Unruhe, den Begierden, der innerlichen Gärung, der Abwechslung von Frost und Hitze fühlte, womit die Leidenschaft, mit der man ihn, nicht ohne Wahrscheinlichkeit, behaftet glauben konnte, sich ordentlicher Weise anzukündigen pflegt.
Was die Danae betrifft, welche die Ehre hatte, diese erhabene Entzückungen in ihm zu erwecken, so brachte sie den Rest der Nacht wo nicht mit eben so erhabenen doch in ihrer Art mit eben so angenehmen Betrachtungen zu. Agathon hatte ihr gefallen, sie war mit dem Eindruck, den sie auf ihn gemacht, zufrieden; und sie glaubte, nach den Beobachtungen, die ihr dieser Abend bereits an die Hand gegeben, daß sie sich selbst mit gutem Grunde zutrauen könne, ihn, durch die gehörigen Gradationen, zu einem zweiten und vielleicht standhaftern Alcibiades zu machen. Nichts war ihr hiebei angenehmer als die Bestätigung des Plans, den sie sich über die Art und Weise, wie man seinem Herzen am leichtesten beikommen könne, gemacht hatte. Es ist wahr, daß der Einfall, sich an die Stelle der Tänzerin zu setzen, ihr erst in dem Augenblick gekommen war, da sie ihn ausführte; allein sie würde ihn nicht ausgeführt haben, wenn sie nicht die gute Würkung davon mit einer Art von Gewißheit vorausgesehen hätte. Hätte sie in dem ersten Augenblick, da sie sich ihm darstellte, in ihren Gebärden, oder in ihrem Anzug das mindeste gehabt, das ihm anstößig hätte sein können, so würde es ihr schwer gewesen sein, den widrigen Eindruck dieses ersten Augenblicks jemals wieder gut zu machen. Agathon mußte in den Fall gesetzt werden, sich selbst zu hintergehen, ohne es gewahr zu werden; und wenn er für subalterne Reizungen empfindlich gemacht werden sollte, so mußte es durch Vermittlung der Einbildungskraft und auf eine solche Art geschehen, daß die geistigen und die materiellen Schönheiten sich in seinen Augen vermengten, und daß er in den letztern nichts als den Widerschein der ersten zu sehen glaubte. Danae wußte sehr wohl, daß die intelligible Schönheit keine Leidenschaft erweckt, und daß die Tugend selbst, wenn sie (wie Plato sagt) in sichtbarer Gestalt unaussprechliche Liebe einflößen würde, diese Würkung mehr der blendenden Weiße und dem reizenden Contour eines schönen Busens, als der Unschuld, die aus demselben hervorschimmerte, zuzuschreiben haben würde. Allein das wußte Agathon noch nicht; er mußte also betrogen werden, und, so wie sie es anging, konnte sie mit der größten Wahrscheinlichkeit hoffen, daß es ihr gelingen würde.
Der weise Hippias hatte zuviel Ursache, den Agathon bei dieser Gelegenheit zu beobachten, als daß ihm das geringste entgangen wäre, was ihn von dem glücklichen Fortgang seines Anschlags zu versichern schien. Allein er schmeichelte sich zuviel, wenn er hoffte, Callias werde, in dem ekstatischen Zustande, worin er zu sein schien, ihn zum Vertrauten seiner Empfindungen machen. Das Vorurteil, welches dieser wider ihn gefaßt hatte, verschloß ihm den Mund, so gern er auch dem Strome seiner Begeisterung den Lauf gelassen hätte. Eine Danae war in seinen Augen ein so vortrefflicher Gegenstand, und das was er für sie empfand, so rein, so weit über die brutale Denkungsart eines Hippias erhaben; daß er durch eine unzeitige Vertraulichkeit gegen diesen Ungeweihten beides zu entheiligen geglaubt hätte.