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IV

Herr August Kellermann galt als ein Künstler von etlichem Rufe, doch nur geringer Verkaufskraft. Er war ein vergnüglich schlauer Bursche, mit allen Wassern der Großstadt gewaschen, in der Mitte der Dreißig stehend, mit sandblondem Rubensbarte und kleinen, verquollenen Äuglein, in denen ein unausgeschlafener Katzenjammer dauernd sein Wesen trieb.

Er hauste in einem verlassenen Photographenatelier von riesenhafter Ausdehnung wie in einem Glaskasten. Die Decke hatte er zum Schutz vor Helligkeit und Hitze mit türkischen Teppichen verhängt, die auf langen Stangen steckten und ihre zerfransten Schmalseiten niederhängen ließen wie in einem Beduinenzelt.

Als Lilly aus dem halbdunklen Vorraum in das grelle Reich zerstreuten Wolkenlichtes trat, das schon halb im Himmel zu liegen schien, fand sie ihn in einem flohfarbenen Sackanzug mit grünen, plattgetretenen Schlappschuhen, über die rotkarierte Renommierstrümpfe herniederhingen, vor einer orientalischen Kaffeeplatte auf dem Boden hocken und in einer ausgegangenen Wasserpfeife stochern.

»Potzwetter,« sagte er statt des Gegengrußes und ohne aufzustehen, »so'n Besuch lohnt sich.«

Aber als Lilly Miene machte, sich wieder zurückzuziehen, war er mit Windeseile auf den Beinen, hob mit den Schultern die Beinkleider hoch, und ihr ein Rohrstühlchen anbietend, von dem er mit den Rockärmeln den Staub hinweggewischt hatte, sagte er: »Setzen Sie sich man, Kindchen. Wenn ich auch augenblicklich mehr die Töpferei betreibe und für die schöne Helena selber keine Verwendung hätte, so was wie Sie lass' ich mir doch nich aus den Lappen jehn.«

Lilly überreichte ihm das Schreiben ihres Gönners, das sie am Tage vorher erhalten hatte, und klärte ihn über seinen Irrtum auf. »Nun wird sich sein Benehmen wohl ändern,« dachte sie. Aber nichts dergleichen geschah.

»Pfui Spucke!« sagte er, sich den Kopf kratzend. »Ja, edelste der Frauen, warum sind Sie auch so scheen? Eine verflossene Jeneralin« – also auch hier war sie schon wieder die Generalin – »habe ich mir immer mit 'n Kneifer und ne Stuartfraise vorjestellt, und nu ereichnet sich so wat.«

»Dann wissen Sie vielleicht auch, welches der Grund meines Besuches ist?« fragte Lilly, die nicht den Mut hatte, sich diese Tonart zu verbitten.

Er schlug sich mit der fleischigen Hand vor die Stirn.

»Erlauben Sie! Erlauben Sie! Der brave Herr Dehnicke, wat nämlich mein trockner Brotherr is – ›trocken‹ sowohl auf Brot wie auf Herr bezogen – hat mir allerdings vorjestern so einiges – … aber da ich an angeborener Begriffsstutzigkeit leide, so haben Sie vielleicht die Gewogenheit« – –

Als Lilly ihm die Art ihres Begehrens auseinandergesetzt hatte, brach er in ein unbändiges Gelächter aus.

»Das sollen Sie haben, edelste Frau, das sollen Sie jenießen! Selbst wenn Sie nich als Venus auf die Welt gekommen wären! So 'n Jux kommt nicht alle Tage vor! Ich zaubere Ihnen so viel Sonnenuntergänge auf Jlas, daß Sie bis an Ihr Lebensende keinen Himbeer mehr vertragen können.«

Lilly war sich nicht im Zweifel darüber, daß sie als die vornehme Frau, die sie vorstellen wollte, das Atelier schon längst hätte verlassen müssen, aber ihr Verlangen, aus seiner Bereitwilligkeit Nutzen zu ziehen, war zu groß, als daß sie die mühsam eroberte Chance hätte wieder wegwerfen sollen.

»Was würde Anna von Schwertfeger in solch einer Lebenslage wohl getan haben?« fragte sie sich.

Und dann – den Kopf in den Nacken werfend – sagte sie: »Es wären nur leider dabei noch einige Bedingungen zu regeln. Die erste, daß ich genau erfahren muß, welche Honoraransprüche Sie an mich zu machen haben, damit ich weiß, ob ich eine so wertvolle Mühewaltung auch genügend zu würdigen vermag, –«

Er schnitt ein etwas verblüfftes Gesicht und meinte, das würde ja wohl Herr Dehnicke besorgen.

»Herr Dehnicke hat mit meinen pekuniären Angelegenheiten nicht das mindeste zu tun,« erwiderte sie. »Sollten auf diesem Gebiete Mißverständnisse vorliegen, so« – und sie griff nach ihrem Sonnenschirm; die Handschuhe hatte sie noch an.

»Na, na, man nich jleich so heftig,« meinte er, sann einen Augenblick nach und nannte dann eine entsprechende Summe, – fünf Mark für die Vormittagszeit.

»Der Rubinring,« dachte Lilly und nickte.

»Nu bin ich aber auf die zweite neujierig,« sagte er.

»Die ist für mich noch wichtiger als die erste. Nämlich, – – daß ich als Dame behandelt werde.«

»Ach so,« rief er. »Ich bin Ihnen nich fein genug? – Das werden wir gleich befingern … Ich kann blumenhaft fein sein, sag' ich Ihnen. Ich habe überhaupt sechs verschiedene Jrade von Feinheit, da brauchen Sie bloß zu wählen: Feinfein, superfein, hochfein, mittelfein, poplig und hundsgemein. Also bitte, bedienen Sie sich.«

Dieser Scherz und einige andere ähnlichen Kalibers gefielen Lilly so gut, daß sie ihre Ansprüche, als grande dame zu gelten, vorläufig fallen ließ und zufrieden war, wenn er ohne Hofmacherei als »Gut Freund« mit ihr verkehrte.

Doch ihre Mahnung hatte geholfen, und als sie am nächsten Tage wiederkam, hatte er sogar ein Paar Stiefel an.

Für die Folge erwies er sich als ein verständiger und umsichtiger Lehrmeister, der nicht zu hoch mit ihr hinaus wollte und auf ihre kindlichen Pläne wohlwollende Rücksicht nahm.

Er hatte sich für ihre Zwecke eine eigene Gelatinetechnik zurecht gemacht, durch die der Transparenz der Farben eine höhere Leuchtkraft gegeben wurde, und war unersättlich im Ersinnen neuer Wirkungen.

»Ich mach' Ihnen ein halbes Dutzend Sonnenverblutungen,« sagte er, »mit denen schlagen Sie die gesamte Konkurrenz … Und vor allem jene höchst gewissenlose Madam, die die allerknalligsten Frechheiten liefert … Ich meine natürlich die Natur.«

Und während sie auf irgend einer Fensterscheibe herumpinselte, stand er, türkischen Tabak rauchend oder Ingwer kauend, vor einem der Modellstühle, die die Mitte des Atelierraumes erfüllten, und »töpferte« darauf los.

Zumeist waren es menschliche Figuren von drittel oder halber Lebensgröße, die er »aus der Tiefe des Gemüts« emporwachsen ließ, geharnischte Ritter mit Bannern, altdeutsch gekleidete Mägdelein, die in rätselhafter Zwecklosigkeit die Arme emporstreckten, allegorische Frauengestalten, die das gleiche taten, Trompeten blasende Herolde, ab und zu auch eine Sezessionsfigur mit überschlanken Ringelgliedern, die – wie der Nixenleib in den Fischschwanz – in eine Aschenschale, einen Wassernapf, oder sonst ein »gefälliges« Gebrauchsobjekt ausliefen.

Und derweilen lehnten und hingen an den Wänden verstaubte und halb vollendete Bilder und Skizzen von kühn ausholender Erfindung und schwelgerischer Farbenfreude, – Arbeiten, von denen jede den Stempel unbekümmerten Wollens und lachenden Könnens auf der Stirn zu tragen schien.

Da war eine halbzerstörte Kirche in einem Tropenwalde, auf deren Hochaltar eine Herde Affen sich jagte, da war in herzbeklemmender Wüstenöde ein Haufe stumpfsinniger Kamele, die schnüffelnd einen toten Löwen umdrängten, da war vor allem eine kettenbeladene nackte Frau, deren blühender, leuchtender Leib an einen dürstenden Felsen geschmiedet stand, während zu ihren Häupten eine Horde schwarzer, rotäugiger Geier lauerte.

Und noch vieles andere war da, das von Kraft und Ursprünglichkeit zeugte, aber das kettenbeladene Weib blieb Lillys Lieblingsstück.

Und eines Tages wagte sie ihren Lehrer zu fragen, warum er das alles verkommen lasse, anstatt es für die Ausstellung fertig zu machen.

»Weil ich Kitsch mit Soße zu fabrizieren habe, Sie ahnungsloser Engel Sie,« erwiderte er und klatschte lachend einen nassen Tonklumpen gegen das Bein der allegorischen Dame, die er gerade unter den Händen hatte. »Weil die Welt Lampenfüße und Blumenvasen braucht, aber keine ewige Schönheit, die noch dazu ihren eigenen Witz im Leibe hat … Weil es ›imitierte Bronzewarenfabrikanten‹ gibt, die einen vor dem Verrecken schützen, und weil man schließlich ein Kerl mit gesunden Zähnen ist, der was vom Leben zu knabbern haben muß, der, nachdem er zwanzig Jahre gehungert hat, auch mal mitlaufen will in dem großen Dionysoshaufen … Verstehen Sie das, Sie Kaffeekränzchenseele Sie?« –

»Aber die Kettenbeladene dort, warum beenden Sie die wenigstens nicht?« mahnte Lilly.

Er lachte in Selbsthohn hell auf und warf sich der Länge nach auf den pelzbedeckten Diwan, der in der dunkelsten Ecke des weiten, glaswandigen Raumes stand. Dann sprang er wieder in die Höhe und bot ihr schweigend den Ingwertopf, den er stets in seiner Nähe hielt.

Sie dankte und bat sich eine Antwort aus.

»Ja, lieber Gott, ahnen Sie denn nicht,« erwiderte er, »wie schwer in dieser Welt ein jeder an seinen eigenen Ketten zu tragen hat? … Da müßte schon ein Feuer vom Himmel fallen und einem die Handschellen zusammenschmelzen … Oder die Göttin müßte höchstselber herniedersteigen, müßte Korsett und Höschen auf jenen Stuhl legen und sagen: ›Hier bin ich, mein Herr, dies ist der schaumgeborene Leib. Nun los, – nun schauen und malen Sie sich satt‹.«

Er hatte Ingwer kauend sich vor sie hingestellt und hob die gefalteten Hände zu ihr empor.

»Sie sehen mich so an,« sagte sie, in Verwirrung geratend, »was habe ich damit zu tun?«

»Ich sag' gar nichts,« rief er. »Da hab' ich einen viel zu niederträchtigen Respekt zu … Aber wenn meine kettenbeladene Schönheit einmal genug nach Befreiung geschrieen haben wird – denn das tut sie Tag und Nacht, manchmal kann ich gar nicht einschlafen, so schreit sie – dann wird vielleicht ein Wunder geschehen, und eine, die jetzt gerade bis in die Augäpfel hinein rot wird, die wird kommen und –«

»Ich denke, wir wollten arbeiten,« sagte Lilly. –

Von jenem Tage an hütete sie sich wohl, das Gespräch auf jenes Bild zu bringen, sie wagte nicht einmal mehr hinüberzuschielen, wenn Herr Kellermann es bemerken konnte, aber noch oft kam er mit bittenden Anspielungen auf den vermessenen Wunsch zurück, der ihm nicht mehr aus dem Kopfe zu weichen schien, bis sie es sich schließlich ein für alle mal verbat.

Ihr Lerneifer wuchs derweilen von Tag zu Tag. Die Stunden waren ihr nicht mehr genug, sie mußte zu Hause weiterschaffen. Und als sie mit Ausnutzung des neu erworbenen Könnens die auf Vorrat gekauften Glasplatten einer abermaligen Behandlung unterwarf, kamen nach ihrer und Frau Laues Meinung höchst achtungswerte Leistungen zu stande.

Im Hintergrunde »verblutete« die Sonne sich vorschriftsmäßig über kornblumenblauen Hügelzügen, und vorne stand dunkel und schweigend ein aus Grasrispen und Farnwedeln geklebter Wald, der irgendwann zwischen der Jura- und der Steinkohlenperiode zu Hause sein mochte und in dessen Schatten ein frühreifes Menschengeschlecht seine Hütten gebaut und festlich beleuchtet hatte. –

Ihrem Lehrer davon etwas zu zeigen, fand sie nicht den Mut, denn er hatte erklärt, er wolle mit den geklebten Greueln grundsätzlich nichts zu schaffen haben, aber daß Herr Dehnicke sah und bewunderte, was sie inzwischen gelernt und geleistet hatte, wäre ihr eine große Freude gewesen.

Leider hatte er seit jenem Briefe nichts mehr von sich hören lassen, und Lilly schämte sich ein wenig, so leichten Kaufes abgetan zu sein.

Aber eines Tages sagte Herr Kellermann: »Weiß der Deibel, in der Zinkgußbranche scheint eine plötzliche Hausse ausgebrochen zu sein. Unser gemeinsamer Herr Dehnicke kann sich an Aufträgen gar nicht genug tun, und alle zwei Tage is er oben und besieht sich die Fortschritte.«

In der Art, mit der er sie dabei anzwinkerte, lag etwas, das sie rot werden ließ, das sie beunruhigte und doch mit leiser Befriedigung erfüllte.

Und endlich, als alle sieben Glasplattenpaare vollgemalt waren und das Übermaß ängstlichen Stolzes sich nicht mehr ertragen ließ, faßte sie sich ein Herz, und auf dem schönen Elfenbeinpapier mit der goldenen siebenzackigen Krone – noch waren etwa zwanzig Bogen davon übrig – schrieb sie ihm, da er ein so liebenswürdiges Interesse an ihr genommen habe, bäte sie ihn am nächsten Sonntag Nachmittag – und so weiter.

Umgehend kam seine Antwort.

Mit ihrem gütigen Schreiben sei sein sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen, denn daß er ihr nur aus Zartgefühl so lange fern geblieben sei, daran werde sie hoffentlich nie gezweifelt haben.

Und dann – um die bewußte Sonntagnachmittagsstunde – kam er selber.

Lilly hatte einen Gladiolenbusch in die Punschterrine gestellt und rosa Nelken hinter dem Lampenschirmkasten verankert. Vor den Fensterscheiben hingen an seidenen Bändern die Sonnenuntergänge, wie rotflammende Feuersbrünste anzuschauen, und warfen ein magisches Alkovenlicht auf das bunte Gerümpel, das Frau Laue, zusammen mit sich selbst, aus besseren Zeiten herübergerettet hatte. Lilly sah in der weißen Spitzenbluse, die sie eigenhändig gewaschen und gebügelt hatte, licht und festlich aus, und als sie Herrn Dehnicke, der in Lackschuhen und Zylinder dienernd in der Stubentür erschien, die Hand zum Willkomm entgegenstreckte, war sie ganz wieder die gütig unnahbare Weltdame, als die sie vor drei Wochen, gebend mehr als begehrend, sein Kontor betreten hatte.

Umso befangener schien ihr Gönner.

Er sog, ein wenig schnüffelnd, den Armeleutsdunst ein, der vom Korridor her in Frau Laues gute Stube gedrungen war, sah unruhig an den Wänden auf und nieder und tat überhaupt, als ginge er verbotene Wege.

Wie glücklich er wäre, daß sie ihm endlich die Erlaubnis gegeben habe, – und er hätte nicht zudringlich erscheinen wollen, – und er würde auch noch länger gewartet haben, wenn ihre Zeilen ihn nicht endlich aus seinen Zweifeln gerissen hätten … Das alles, was ungefähr schon in seinem Briefe gestanden hatte, sagte er noch einmal in einer überstürzten, zaghaften Weise, die sich mit der Eleganz seiner Erscheinung und seiner sonstigen Frostigkeit nicht wohl zusammenreimen ließ.

Sie ihrerseits dankte ihm freundlich für die erwiesenen Gefälligkeiten, bedauerte ihn heraufbemüht zu haben und fühlte dabei, wie sie sich – halb wider Willen – mit jedem Worte mehr in die Rolle der »Generalin« zurückspielte, die in ihrem Salon mit sanfter Herablassung die Honneurs macht.

Und allgemach ging sie, gleichsam beiläufig, dazu über, von ihrer jungen Kunst zu sprechen, bedauerte ihr Unvermögen und wies nach den Fenstern, vor denen die Sonnenuntergänge glühten.

Er sprang auf, schwieg erst eine kleine Weile und erging sich sodann in Ausrufen der Begeisterung, die er, jedesmal einen kleinen Anlauf nehmend, mit einer gewissen geschäftsmäßigen Eintönigkeit, verlegen lächelnd, aneinander reihte.

Aber Lilly war viel zu glücklich, um den Ton seiner Kritik irgend einer argwöhnischen Prüfung zu unterwerfen.

Ob sie Herrn Kellermann diese Arbeiten schon gezeigt habe, fragte er dann.

Sie gestand, daß ihr die Courage gefehlt habe. »Und dann hatten Sie ja auch das nächste Anrecht daran,« fügte sie hinzu.

Er sah dankbar und huldigend zu ihr empor und meinte: »Wenn Sie es noch nicht getan haben, so rate ich Ihnen, es auch in Zukunft zu unterlassen. Der Mann, so willig er scheint, ist von einem unmäßigen Künstlertik besessen – und es könnte doch sein, daß – –«

Er schwieg, als fürchtete er mehr zu sagen.

Lilly faßte sich ein Herz und fragte scheinbar obenhin, ob er glaube, daß sie für diese Arbeiten schon einen Käufer finden werde.

Er schwieg wiederum und kratzte sich mit dem Zeigefinger die Stelle, an der der linke Schnurrbartflügel festgewachsen war. Dann legte er den runden, glatten Kopf noch mehr auf die Seite und sagte, jedes seiner Worte wägend: »Das beste wird sein, gnädigste Frau, Sie lassen mich die Sache machen. Ich habe meine Verbindungen … Ich kenne die Charaktere der Käufer … Lege ich einen Bronzerahmen darum, oder sonst etwas, was in mein Fach fällt, so kann ich Ihre Arbeiten vielleicht sogar als eigenen Artikel verwerten.«

Die Dankbarkeit stieg heiß in ihr empor.

»Ach, wenn Sie das wollten,« rief sie, seine Hand ergreifend, »wenigstens so lange, bis ich mir einen eigenen Wirkungskreis erobert habe.«

Er war unter ihrem Händedruck rot geworden bis unter die Haarwurzeln.

»Dazu ist aber vor allem nötig,« sagte er, befangen an ihr vorüberschauend, »daß gnädigste Frau sich nicht länger weigern, das Heim zu begründen, das Ihrer würdig ist.«

»Sehr gerne werde ich das,« erwiderte sie heiter, »sobald ich die Mittel dazu haben werde.«

»Das kann Jahre dauern,« warf er ein.

»So lange eben werde ich warten.«

»Und wenn ich mir nun die Bitte erlaube,« stammelte er, »nochmals darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß ich als alter und intimer Freund Ihres Bräutigams berechtigt bin – –«

Sie wuchs empor.

»Wenn mein Bräutigam,« sagte sie, »sich in Zukunft meiner annehmen wollte oder könnte, so würde ich es vielleicht nicht abzulehnen brauchen, sonst aber darf ich niemandem in der Welt, auch seinem besten Freunde nicht, gestatten, mir Anerbietungen zu machen, die mich bestenfalls nur demütigen können.«

Sie wandte sich ab, um die Tränen der Kränkung zu verbergen.

Er bat zerknirscht um Verzeihung, aber dabei saß in seinem Auge etwas wie ein kleiner, verlegener Triumph.

Und als man abgemacht hatte, daß er die Glasplatten morgen durch einen seiner Wagen abholen lassen würde, und das sozusagen Geschäftliche hiermit erledigt war, bat er bescheiden um die Erlaubnis, noch einen Augenblick verweilen zu dürfen, – es sei seinem Herzen Bedürfnis, noch ein paar Worte über den fernen Freund mit ihr zu reden. Er hätte ja sonst nie Gelegenheit dazu.

»Es ist gewiß auch für mich ein großes Glück,« erwiderte Lilly, zum Sitzen einladend, »daß ich jemanden gefunden habe, zu dem ich von meinem Bräutigam sprechen kann.«

Das Wort »Bräutigam« ging ihr nun schon ganz geläufig, wie etwas durchaus Naturgemäßes über die Lippen. Sie fühlte eine kleine Rührung dabei, und daß gar dieses Bräutigams »alter und intimer Freund« ihr tröstlich gegenüber saß, war noch ein besonderes Glück.

Da übrigens der Fall des Längerbleibens vorhergesehen und besprochen war, so brauchte sie nur zu klingeln, und Frau Laue erschien in dem berühmten braunen Samtkleide und der jetbesetzten Trikottaille, deren viereckiger Halsausschnitt durch ein weißseidenes Fichu aus Lillys Schätzen schämig verhüllt war, trug ein Teebrett mit zwei höchst manierlichen Mokkatassen in der Hand und machte bei der Vorstellung einen Hofknix, wie er auf dem Feste des Prinzen Orloffski nicht vornehmer zu sehen gewesen war. Als sie einige schickliche Worte über die großen Mimen der Vergangenheit und deren ihr eigenhändig gewidmete Bilder gesprochen hatte, verschwand sie wieder, wie sich's gehörte.

Lilly zeigte sich als eine Hausfrau großen Stils, und mit dem Kaffeeduft verschwebte über allem der Geist versunkener besserer Tage.


Eine halbe Woche später brachte der Geldbriefträger für Frau Lilly Czepanek eine Postanweisung, lautend auf zweihundertzehn Mark … Absender: Richard Dehnicke, in Firma Liebert & Dehnicke, Kunstgießerei und Metallwarenfabrik … Auf der linken Seite stand der Vermerk: »Sieben Landschaften auf Glas in Malerei und getrockneten Blumen verkauft zu dreißig Mark das Stück.«

Der Grund zu einer künftigen Existenz war damit gelegt.


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