Klingsor. |
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Ein Vater seinem Kinde rief,
An eines Seees Damme lag es da und schlief:
»Erwache, Kind, ich wecke dich aus Treue.
»Diesen See bestürmt der Wind,
Auch kommt die finstre Nacht: erwache liebes Kind;
Verlör ich dich, das büßt' ich stäts mit Reue.«
Noch fuhr das Kind zu schlafen fort; als das der Vater sahe,
Er schlich dahin sich, wo es lag,
Und gab mit seiner Hand ihm einen Besenschlag.
Er sprach: »Erwache Kind, die Nacht ist nahe.« |
Klingsor. |
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Den Vater überkam der Zorn,
Mit seinem Munde blies er in ein kleines Horn,
Er sprach: »Du schläfst, wach endlich auf, du Dummer!«
Als noch das Kind nicht zu sich kam,
Der Vater es bei seinen falben Haaren nahm
Und gab ihm einen Backenschlag im Schlummer.
Er sprach: »Dein Herz ist dir vermoost, ich muß dich beßer ziehen!
Erscholl mein Horn nicht laut genug,
Und frommte dir die Ruthe nicht, mit der ich schlug,
Noch helf ich dir, willst du der Flut entfliehen.«
Klingsor aus Ungarn fuhr da fort:
Der Vater sah sein liebes Kind noch schlafen dort,
Mit Jammer er die Augen zu ihm wandte.
Davon ward sein Gemüthe scharf,
Daß er mit einem Schlegel nach dem Kinde warf.
Er sprach: »Nimm wahr, den Boten ich dir sandte.
»Dein pflag ein Thier Ecidemon, das war gar sonder Galle;
Da folgtest du des Fuchses Rath,
Der dich in diesen falschen Schlaf gesungen hat.«
Da brach der Damm und kam der See mit Schalle.
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Eschenbach. |
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Klingsor, ich löse dir den Knoten.
Gestatt es, weiser Meister, bei den zwölf Boten,
So schöpf ich Trank aus deines Sinnes Gründen.
Verwirr ich mich in diesem Strang,
So duld ich gerne, Meister, deiner Strafe Zwang:
Nun lache, muß ich meine Thorheit künden.
So höre, Wer dem Kinde rief: Altissimus der starke.
Ein jeder Sünder ist das Kind;
Gottes Horn die weisen Meisterpfaffen sind:
So schwebt in deines Sinns See meine Barke. |
Klingsor. |
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Ja Meister, löse ganz den Haft,
Das giebt der Welt zu allem Heile hohe Kraft:
Wers merken will, der meidet manche Sünde.
Mein Sinn war all der Welt zu tief,
Eh mich von Ofterdingen Heinrich zu euch rief;
Nun findest du die Höhe wie die Gründe.
Drei tausend Mark in Ungarland empfieng ich von den Reichen –
Will ich die Habe vor dir sparen,
Wenn du mit mir gen Siebenbürgen bist gefahren,
So möge Gottes Gnade von mir weichen. |
Eschenbach. |
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Ist mir der Sinn im Herzen zahm,
So will ich dich bescheiden von des Seees Damm:
Das ist die Zeit, die Gott dir hat versprochen.
Versäumst du aber deine Zeit,
So glaube mir gewiss ohn allen Widerstreit,
Daß du den Damm dir selber hast durchbrochen.
Der See ist deine künftge Zeit, die Tage sind die Winde,
Dein Engel ist Ecidemon,
Der Fuchs der Teufel, der dir wägen mag den Lohn,
Den sauern: sieh, ob deinen Reim ich finde. |
Eschenbach. |
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Noch höre, ob ich weiß zu spähn:
Den Besenschlag läßt Gott an Freunden dir geschehn:
Groß Herzeleid, das ist sein erstes Strafen.
Versäumst du Beßerung zu lang,
Den Backenschlag verstehe: du wirst selber krank,
Willst du zu lang in deinen Sünden schlafen.
Des Schlegels Wurf, das ist der Tod, den er dann zu dir sendet,
Womit er Beicht und Reu begehrt;
Werden die Beiden völlig nicht von dir gewährt,
So harrt dein Höllenpein, die nimmer endet. |
Klingsor. |
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Ein König hat zwei Kinder lieb,
Jungfräulein, deren Jugend ungekrönt verblieb,
Ward hohe Krone beiden auch gemeßen.
Zwei Männer hat er dann erwählt,
In rechter Eh den schönen Kindern anvermählt;
Er sprach: »Ich will euch zweie nicht vergeßen.
»Mit euern Frauen krönen will ich euch nach zwanzig Wochen,
Daß ihr zusammen Kronen tragt
Auf Häuptern zwein.« Wer mir dieß fremde Wunder sagt,
Des Meisterkunst bedünkt mich unzerbrochen. |
Klingsor. |
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Der eine Mann gewann den Sinn,
Er fügte seiner schönen jungen Königin
Viel Herzeleid und großen Jammers Peinen.
Er schlug sie oft mit scharfem Dorn,
Unter seine Füße warf er sie im Zorn,
Sie sudelnd in dem Pfuhle bei den Schweinen.
Das sah der König, der die Krone diesen Zwein verliehen,
Gerechter Zorn ihn übermannt:
»Ich muß mich euer schämen«, sprach er allzuhand:
»Mein Angesicht will ich euch stäts entziehen.« |
Klingsor. |
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Die andre Magd litt große Noth
Von ihrem Friedel: ihre Augen wurden manchmal roth.
Nun Meister, merkt mein Singen und mein Sagen.
Er warf sie oft an schnöden Mist;
Darnach erdacht er eine wunderliche List:
Zu einer Quelle hat er sie getragen
Und wusch ihr gütlich wieder ab, womit er sie entreinigt.
Da ward ihm hold des Königs Herz.
Auf dieß Gebäude ziemte wohl ein Dach von Erz:
Ich muß ihn preisen, wer es recht vereinigt. |
Eschenbach. |
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Da ich mit Erz dir decken soll,
Der König ist Gott selber; so erkenn ich wohl
Zwo Seelen in den schönen Kindern beiden.
Die jungen Männer sind ihr Leib;
Noch todt, bis ihnen Leben giebt die Seel, ihr Weib.
Der Krone noch entbehren sie als Heiden:
Nach zwanzig Wochen bringet sie die Taufe dann mit Freude.
Sie tragen sie auf Häuptern zwein:
Wer mir das verwerfen wollte, spräche Mein.
So deck ich meisterlich ein fremd Gebäude. |
Eschenbach. |
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Nun merke, Mann und selig Weib,
Wie doch die Seele marten kann ein falscher Leib:
Unkeusche Worte gleichen jenem Dorne;
Wenn Sünde dann das Herz vollbringt,
Daß Herz und Zunge übel nur zusammen klingt,
Mit Füßen trittst du so die Auserkorne.
Wo je der Leib die Seele will im Lasterpfuhl entreinen,
Daß er sie in die Sünde legt,
Sie zu waschen dann nicht hin zum Quell des Brunnens trägt,
Gott schämt sich sein, der so sich mag versteinen. |
Eschenbach. |
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Der seine schöne Freundin trug
Zum Born, aus deinem Munde klang es fremd genug,
Das war ein Mann, der hatte gute Witze
Wir nennen Sünde schnöden Mist;
Des Brunnens Quell ein würdevoller Priester ist:
Wer sich nun hüten will vor Höllenhitze,
Der laß von Reue sich und wärs mit Priesterbußen wecken:
Bei dem König bringt es ihm Gewinn,
Der ihm zu rechter Eh beschied die Königin.
Wer beßrer Meister ist, den heiß dir decken. |
Walther. |
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Du deckst, ich weiß es nicht zu wehren,
Daß Thränen mir die lichten Augen drum verzehren.
Ein weiser Engel wars, der es erdachte,
Daß Heinrich diesen Krieg begann,
Durch den so klare Flut uns aus dem Brunnen rann,
Und er dich, Meister, her zu Lande brachte.
Walther von der Vogelweide, so bin ich genennet.
Nie ward mir im Gesange kund,
Was so die Höhe suchen möchte und den Grund:
Mein Herz ist wie ein Schaub davon entbrennet. |
Klingsor. |
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Was je ich in den Sternen las,
Wenn voller Heiterkeit der Himmel nicht vergaß,
Das hat mich stäts gen India gewiesen.
Nimm du das Buch aus Schottenland,
Das St. Brandan auf eines Ochsen Zunge fand,
Und sag mir wahr, dafür wirst du gepriesen.
Amtleute fand der Heilge vier und ließ sie da aufs Letzte,
Es half sein Bitten, half sein Bann
Da nicht dem hochgelobten werthen weisen Mann,
Daß Einer nur vom Mund die Pfeife setzte. |
Klingsor. |
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Einen Brief mit eigner Hand
Schrieb St. Brandan davon: der kam gen Griechenland;
Wir habens an den Sternen nachgemeßen,
Wie's um die Wunder sei bewandt,
Als er in Gottes Heimlichkeit die Pfeifer fand;
Doch hat sich meine Kunst daran vergeßen.
Sie waren ernsthaft anzuschaun und standen sonder Lachen.
Die Schrift mir lang unleslich war:
Mit allen Sinnen doch erforscht' ich es nicht gar,
Was Tanzes diese Pfeifer wollten machen. |
Eschenbach. |
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Ich kann den Tanz dir wohl erspähn:
Wenn Gott einst spricht: Nun blast, alsdann ist es geschehn.
Der Ton durch aller Menschen Ohr erklinget.
Zumal dann werden wir erstehn
Vor sein Gericht, der für uns litt am Kreuz, zu gehn.
Ein Jeder seine Schuld dann vor ihn bringet.
Bevor der Tanz zu Ende kommt, zwei Reihen sieht man führen:
Den Einen in die Ewigkeit;
Der andre geht der Hölle zu in während Leid:
Bei diesem Reihen soll man mich nicht spüren. |
Eschenbach. |
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Wenn du zu spotten nicht begehrst,
Klingsor, und gern aus Wißbegier davon erfährst,
So will ich dir seltsame Dinge melden.
Brandan durchfuhr der Erde Rund,
Bis Gott ihm that von seiner hohen Güte kund.
Da sprach der Engel zu dem Gotteshelden:
»Brandan, dich meidet Gottes Zorn, er läßt dich neu erjungen.
Zwei Feuer wirst du bald ersehn:
Zwei Augen, die in eines Ochsen Haupte stehn;
Der reicht dir dann ein Buch von seiner Zungen.« |
Eschenbach. |
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Wies um die Pfeifer sei bewandt?
Vier Hörner an der Engel Mund der Heilge fand.
Der Eine sprach da zu dem weisen Manne,
Und zu dem Pfeifer drauf der Abt:
»Setzt ab die Hörner, die ihr an dem Munde habt:
Geboten sei es euch bei meinem Banne.
»Die Frage laßt euch stellen: was bedeuten die Posaunen?«
Der Engel sprach des Truges bar:
»Vor deinem Banne fürcht ich mich kein halbes Haar:
Wir horchen hier auf eines Wortes Launen.« |
Eschenbach. |
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Der Abt begann zum Engel frei:
»Um Gott, nun sprich, wie es damit bewendet sei,
Daß ihr hier stehn müßt, auf ein Wort zu warten.«
Der Engel sprach zum Abt sofort:
»Als Gott beim Anbeginne sprach das Werdewort,
Schickt' er uns mit dem Horne vor den Garten
Bis daß er spräche: Blaset! Setzten wir es von den Munden,
Käm uns der Spruch dann seiner Zeit,
Fürwahr, so glaube mir ohn allen Widerstreit,
Auf immer wär uns seine Huld entschwunden.« |
Eschenbach. |
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»So weh mir, weh«, rief St. Brandan,
»Müßt ihr denn stehen bis uns soll die Strafe nahn,
Daß alle Menschheit gar ein Ende findet?«
Da sah den Abt der Engel an,
Aus seinem Munde bei dem Horn er sanft begann:
»Du sprichst wie Einer, dem Besinnung schwindet.
»Dünkt eine Strafe dich der Tod, den doch die Seele minnet?
Das Fleisch sinkt eine Weile nieder,
Und Würmer eßens; doch am jüngsten Tag kommts wieder;
Nie Ende Leib und Seele dann gewinnet.« |
Eschenbach. |
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»Die Strafe rügte mir dein Mund;
Daß sie die Seele lieben soll, ist mir nicht kund:
Ich zählt es ihr zum Leid, auf meine Treue!«
»Wie sprichst du so? Du weist doch wohl,
Obwohl der Leib zur Erde wieder werden soll,
So gebiert ihn seine Mutter doch aufs Neue.
»Du denkst, wenn mit dem Ase Fisch und Vögel sich beriethen,
Wie soll das Fleisch dann wiederkommen?
Sobald die Erde meines Horns Schall hat vernommen,
Des Meeres Grund müst' es herwieder bieten.« |
Eschenbach. |
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»Nun sage mir auf deinen Eid:
Gebiert die Mutter mich, des giebt mir Sicherheit. –
Es darf dein Mund ja keine Lüge sprechen –
»Trägt sie mich vierzig Wochen gar,
Wie einst sie that, da mich ihr reiner Leib gebar?«
Der Engel sprach: »Weisheit muß dir gebrechen.
»Die Erde Adams Mutter war: ihr seid aus gleichen Stoffen
Und werdet, was ihr waret eh.
Da ich in Sorgen hier, dich zu bescheiden, steh,
So frage weiter nur, ich meld es offen.« |
Eschenbach. |
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Da sprach der Abt: »Was wird geschehn,
Wenn du das Horn zum Schallen bringst, und Die hier stehn
Dir zugesellt: das sollst du mir erklären?«
Der Engel sprach: »Ich will dir sagen:
Sobald wir Gottes Zorn mit diesem Horne klagen,
Die Engel stürben, wenn sie Menschen wären.
»Nie wurde der zwölf Boten Einem Gott so hold und süße,
Erhören sie der Hörner Schall,
Sie fürchten allzumal von seinem Zorn den Fall
Und fliehen Gottes Mutter vor die Füße.« |
Eschenbach. |
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»Was könnte noch zum Trost geschehn
Durch Sie, wenn man die Gottheit sieht im Zorne stehn,
Und alle Luft sich lösen wird in Feuer?«
»Ist Dir das wild? ich mach es zahm:
Gabriel ein Wort von Gottes Munde nahm,
Das sprach er zu der reinen Magd geheuer:
»Gebenedeit, du Kind des Heils! Der dich von Erde machte,
Der wird dein Kind, der Mägde Zier!
Er will der Mutter nichts versagen dort noch hier.
Das ist doch süßer Trost, wie ich erachte.« |
Eschenbach. |
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»Wie oftmals bläst du in das Horn?
Das sage, lieber Herr, mir noch ohn allen Zorn:
Was mag ich von dem ersten Rufe sprechen?«
Er sprach: »Meinst du der Hörner Schall?
Die Luft giebt in den Wolken donnernd Widerhall:
Der Gegenstoß muß alle Felsen brechen.
»So fährt ein Feuer dann hervor, das Stein und Erde brennet,
Die starken Winde säumen nicht,
Sie stürmen, alle Höhn und Berge werden schlicht,
Die ganze Erde eben wird getennet.« |
Eschenbach. |
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Der Abt sprach: »Schüf es dir nicht Zorn,
So bät ich gerne, daß du bliesest in das Horn,
Ein wenig nur, daß man den Ton vernähme.«
Der Engel sprach mit guten Sitten:
»Die Heilgen und die Engel dürften michs nicht bitten,
Noch Gottes Mutter, wenn sie selber käme.«
Dann fuhr er fort: »Wär ich ein Mensch, ich stürbe wohl zur Stunde,
Dieß Wort wär mir ein Donnerschlag.
Befremden muß mich immerdar so Nacht als Tag,
Daß ichs vernommen hab aus deinem Munde.« |
Eschenbach. |
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Der Edle von der Sterblichkeit
Sprach: »Herr, wenn ich gesündigt hab, es ist mir leid,
Und will zur Buße stehn, daß ichs bescheine.«
Der Engel sprach: »Hast du den Sinn,
Mit Fragen zu erforschen bleibenden Gewinn,
So ist dein Kauf viel beßer als der meine.
»Meine Harfe hat viel süßen Sang, wer sie nur weiß zu schlagen:
Bist du an Sinnen nicht ein Kind,
Der Saiten zählt sie viel, die unberührt noch sind:
Zum Tönen brächte sie bescheidnes Fragen.« |
Eschenbach. |
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»Was besagt ins Horn der andre Stoß?
Das zu vernehmen, trag ich nun Verlangen groß.
Gewiss wird Wundersames dann geschehen.«
Der Engel sprach: »Du redest wahr:
Sag all der Welt in meinem Namen offenbar,
Daß jede Seel ihr Lieb wird wiedersehen.
»Der Leib ist ihr vermählt, darüber klagen nun die Armen:
Thut er an ihr die Missethat,
Daß er für Sünde weder Reu noch Buße hat,
So will sich Gott nicht über sie erbarmen.« |
Eschenbach. |
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Von den Beamten sprach mein Mund;
Was Gott nun weiter thut, das ist mir auch wohl kund:
Die Bösen wird er aus den Guten suchen.
Mit dreien Worten das geschieht,
Daß man die Argen in der Schar des Feindes sieht:
Da wird den Kindern mancher Vater fluchen;
Viel Kinder schrein: »Weh Vater dir, weh Mutter! weh euch beiden,
Daß wir um schnöden Guts Gewinn
Verloren Gott und mit dem Teufel fahren hin!«
Mit Worten unaussprechlich ist dieß Leiden. |
Eschenbach. |
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Die dann zur rechten Seite stehn,
Vernehmt, wie die so manche Freude sollen sehn:
Ihre Augen schauen in des Himmels Wonne.
Das Alles rechn' ich nicht einmal,
Da Gott sie zählen will in seiner Kinder Zahl:
Ein Jeglicher wird schöner als die Sonne.
Der Engel, der dir gab Geleit, wird deine Tugend preisen
Und sprechen: »Wohl dir sonder Wahn,
Daß du nach meiner Lehr auf Erden hast gethan.
Nun sieh, ob ich dich recht gewust zu weisen.« |