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8. Herzog Heinrich von Breslau.

1270–90.

Zurückgenommene Klage.

       

    Ich klage dir, Mai, ich klage dir, Sommerwonne.
Ich klage dir, lichte Haide breit,
Ich klage dir, augenstechender Klee,
    Ich klage dir, grüner Wald, ich klage dir, Sonne,
Ich klage dir, Venus, sehnend Leid,
Daß mir die Liebe thut so weh.
    Wollt ihr die Unbill schlichten,
So trau ich, daß die Liebe müße richten
Sich auf ein minnigliches Wesen.
Nun laßt euch meinen Kummer sein gekundet
        bei Gott, und helfet mir genesen.

    »Was thut sie dir? laß uns die Schuld nur wißen,
Daß ohne Grund ihr nichts gescheh
Von uns, denn das ist weiser Sinn.«
    Sie läßt mich ihre Huld zwar nicht vermissen,
Doch wenn ich mehr von ihr erfleh,
Sie spricht: »Ich sterb, eh der Gewinn
    Dir wird von mir zu Theile.«
Das ist der Tod dem minniglichen Heile.
O weh, daß ich sie je ersah,
Da mir von ihr in herzelieber Liebe
        so bittres Ungemach geschah.

    »So will ich Mai den Blumen mein befehlen,
Den Rosen roth, den Lilien weiß,
Daß sie sich vor ihr schließen all.«
    »So will ich Sommerwonne vor ihr hehlen
Der kleinen Vöglein süßen Fleiß,
Daß vor ihr schweigen soll ihr Schall.«
    »Ich Haide will sie fangen,
Wenn sie nach lichten Blumen kommt gegangen
Auf Mich, und will sie halten mir.
Nun sei ihr widersagt von uns, der guten:
        so muß sie gnädig werden dir.«

    »Ich frischer Klee will mich mit Schimmer rächen,
Wenn sie die Blicke auf mich lenkt,
Daß sie vor Glänzen schielen muß.«
    »So will ich Wald die Blätter niederbrechen,
Wenn sie in mir zu wandeln denkt,
Sie gebe dir dann holden Gruß.«
    »Ich Sonne will durchhitzen
Ihr Herz und Muth; kein Schattenhut vor Schwitzen
Sie gegen mich beschirmen soll,
Sie wolle deine Herzensnoth dann wenden
        mit herzelieber Liebe Zoll.«

    »Ich Venus will ihr alles das verleiden
Was minniglich geschaffen ist,
Wenn sie an dir nicht Gnade übt.«
    O weh, soll man sie so von Wonne scheiden!
Eh wollt ich sterben sonder Frist,
So sehr sie mich auch hat betrübt.
    »Willst du dich rächen laßen,
Wir schaffen, daß ihr aller Freuden Straßen
Immerdar verschloßen sein.«
Ihr zarter Leib, der möcht es nicht ertragen!
        Laßt Mich eh sterben, Sie gedeihn.


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