Christoph von Schmid
190 kleine Erzählungen für die Jugend
Christoph von Schmid

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138. Das Geschenk zum Geburtstage

Fräulein Cäcilie feierte ihren vierzehnten Geburtstag. Vater, Mutter und Geschwister wünschten ihr Glück und beschenkten sie reichlich. Die Großmutter aber überreichte ihr einen Veilchenkranz, der mit einer Perlenschnur durchflochten und mit einer Schleife von rosenfarbenem Bande geziert war. – Meine liebe Enkelin, sagte sie gütig und mit gerührtem Herzen. Möchten die Perlen ein Sinnbild deiner Tugenden und die Veilchen ein Sinnbild deiner Demut werden.

Cäcilie warf aber einen verächtlichen Blick auf den Kranz, und dachte bei sich: Ich hätte von meiner Großmutter etwas besseres erwartet, als Blumen, die man umsonst haben kann, und als solche Perlen, die lange nicht so hell glänzen, als die wohlfeilsten Glasperlen.

Sie nahm den Kranz, setzte ihn geschwind ihrem kleinen Schwesterchen auf, das neben ihr stand, und sagte mit boshaftem Lächeln: Julchen! Der blaue Kranz steht in deinen gelben Haaren unvergleichlich schön. Ich wüßte nichts damit anzufangen; für ein Kind aber, wie du, ist er ein prächtiges Geschenk.

Die Großmutter sprach: Cäcilie hat recht! Das Geschenk schickt sich besser für ein anspruchloses Kind als für ein hochmütiges, eigennütziges Fräulein. Die Perlen, die Cäcilie nicht kannte und sie deshalb verschenkte, sind echt, und kosteten mich bare hundert Taler. Cäcilie, der dieses Geschenk zu schlecht war, hat sich für ihren Eigennutz und Stolz selbst bestraft. Du aber, gutes Julchen, merke dir das Sprüchlein, das hier auf dem roten Bande mit goldenen Buchstaben gestickt und wohl mehr wert ist, als Gold und Perlen:

Sei stets an Perlen echter Tugend reich,
An Demut holden Veilchen gleich.


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